Ansätze eines „europäischen Religionsrechts“

Primärrechtliche Grundlagen und europäischer Grundrechteschutz


Seminararbeit, 2008

17 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

A. Allgemeine Einführung
I. Eine Momentaufnahme
II. Gliederung der Arbeit

B. Religionsspezifische Aspekte des Primärrechts
I. Die Rolle von Religionsrecht in der Kompetenzordnung des Primärrechts
II. Das Recht auf Religionsfreiheit im EUV
III. Das Antidiskriminierungsgebot nach Art. 14 EMRK i.V.m. Art. 13 EGV
IV. Sozialpolitische Einflüsse auf das Religionsrecht
V. Die Bedeutung des Subventionsverbotes für Religionsgemeinschaften
VI. Kultur und Bildung als beeinflussende Politiken

C. Grundrechteschutz in Europa.
I. Grundrechtsschutz über die EMRK
II. Der Grundrechtsschutz der Europäischen Union
III. Die Bedeutung der Religion im Grundrechtsschutz

D. Entwicklung und Ausblick

E. Schluss

A. Allgemeine Einführung

I. Eine Momentaufnahme

Wird nach der Stellung religionsrechtlicher Aspekte im Europarecht und insbesondere im Europäischen Primärrecht, also den zwischen den Mitgliedsstaaten ausgehandelten Vertragswerken, gefragt, so ist nach Heinrich de Wall zu sagen, dass es „ein europäisches Staatskirchenrecht in einem umfassenden Sinne […] wegen der begrenzten Zuständigkeiten und Reichweite der Europäischen Union nach dem derzeitigen Stand der Integration nicht gibt.“[1]

Trotzdem bedeutet dies keinesfalls, dass das Europäische Primärrecht gegenüber Religion, Kirchen und Staatskirchenrecht eine schweigende Haltung einnimmt. Ein europäisches Staatskirchenrecht ist nach Art. 2 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) kein Ziel und nach Art. 2 und 3 des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) kein benanntes Aufgabenfeld für Organe der Gemeinschaft. Die ausschließliche Kompetenz für Fragen des Religionsrechts verbleibt demnach gemäß dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung bei den Nationalstaaten. Für die folgende Betrachtung ist aber der Fakt von Bedeutung, dass die in den Verträgen zugesicherten Kompetenzen der Gemeinschaft, sowie darauf aufbauend das Sekundärrecht und die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshof (EuGH), Einfluss und Ausstrahlungswirkung auf das Religionsrecht haben. Man kann also nach Stefan Mückel für die Gemeinschaft und ihre Organe von „eine[r] mittelbare[n] Sachkompetenz im Bereich des Staatskirchenrechts“ sprechen.[2]

II. Gliederung der Arbeit

Diese Darstellung wird im ersten Teil die wesentlichsten Aspekte Europäischen Primärrechts anreißen, ggf. mit einem Verweis auf das Sekundärrecht und im kleineren zweiten Teil auf den religionsspezifischen Grundrechtsschutz eingehen. Abschließend soll im dritten Teil aus aktuellem Anlass die Stellung der Religionsfreiheit und der Religionsgemeinschaften untersucht werden wie sie der Änderungsvertrag von Lissabon für den EUV und den Vertag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vorsieht.

B. Religionsspezifische Aspekte des Primärrechts

Religionsrechtliche Aspekte üben in den verschiedenen der EU und der EG übertragenen Kompetenzen eine nicht zu unterschätzende Ausstrahlungswirkung aus. Die wesentlichen Bereiche werden im Nachfolgenden benannt. Zuvor wird jedoch zur Erläuterung kurz auf die Kompetenzstruktur an sich eingegangen werden.

I. Die Rolle von Religionsrecht in der Kompetenzordnung des Primärrechts

Wie oben schon angedeutet, besitzt die die EU und die EG keine Kompetenz-Kompetenz. Sie dürfen demnach nicht selbst entscheiden, welche Sachgebiete in ihren Regelungsbereich fallen. Die Kompetenzzuweisung geschieht vielmehr über die begrenzten Einzelermächtigungen der Mitgliedsstaaten auf vertraglicher Grundlage (Art. 5 EUV und Art. 5 I EGV), in denen die einzelnen Zuständigkeitsbereiche an die Union und die Gemeinschaft delegiert werden. [3]

Das Religionsrecht ist, eben weil es keine vertragliche Kompetenz darstellt, direkt vom Europarecht nicht erfassbar. Zwar kennt der EGV mit der Vertragsabrundungskompetenz des Art. 308 EGV eine Möglichkeit, mit welcher auch nicht determinierte Bereiche als Materien zur Verwirklichung der Ziele der EG herangezogen werden können. Die Vertragsabrundungskompetenz stellt jedoch eine Ausnahmevorschrift, mit der genauso wenig wie über die fehlende direkte Kompetenzzuweisung ein europäisches Religionsrecht aufgebaut werden kann. [4]

Trotzdem ist Artikel 308 nicht als bedeutungslos anzusehen. Im Gegenteil entfaltet er seine Funktion erst über die Ausstrahlungswirkung religionsspezifischer Aspekte. So können auch solche Materien in die Zuständigkeit des Europarechts fallen, wenn die Regelungen der EG-Organe in einem determinierten Kompetenzbereich fußen, zum Beispiel einen klassischen ökonomischen Charakter besitzen, zu denen in den Kompetenztiteln einige Angaben zu finden sind. Zweitens muss darauf der Schwerpunkt der Regelung ruht, somit der mit betroffene religionsrechtliche Aspekt nur als Teilmenge der von der Regelung betroffenen Bereiche aufzufassen ist.[5]

Ob und inwieweit die bewusste Mit-Regelung religionsrechtlicher Aspekte dabei in Betracht gezogen wurde, ist von Fall zu Fall verschieden. Wichtig für die Gültigkeit des Rechtsaktes ist jedoch, dass die Regelung von explizit religionsrechtlichen Angelegenheiten nicht angedacht war.[6]

Wie realitätsbestimmend dieses Ansatz einer Ausstrahlungswirkung ist, wird im Folgenden näher herausgestellt und für die einzelnen Zuständigkeitsbereiche erläutert werden.

II. Das Recht auf Religionsfreiheit im EUV

Als Ausgangspunkt jeder europaspezifischen religionsrechtlichen Betrachtung dient die Gewährleistung der Religionsfreiheit wie sie implizit durch Art. 6 II, III EUV geregelt ist:

(2) Die Union achtet die Grundrechte, wie sie in der am 4. November 1950 in Rom un- terzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfas- sungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemein- schaftsrechts ergeben.
(3) Die Union achtet die nationale Identität ihrer Mitgliedstaaten.

Die Religionsfreiheit wird nicht wörtlich erwähnt, ist aber als Teil der Grundrechte anzusehen und deshalb, sowohl aus der EMRK herleitbar, sowie aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen und der nationalen Identität der Mitgliedsstaaten.

Der religionsrechtlich relevante Art. 9 I EMRK verbürgt die „Freiheit des einzelnen zum Wechsel der Religion oder der Weltanschauung sowie die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen öffentlich oder privat, durch Gottesdienst, Unterricht, Andachten und Beachtung religiöser Gebräuche auszuüben.“ Wie im zweiten Kapitel über den Grundrechteschutz näher ausgeführt werden wird, ist damit u.a. die individuelle wie auch kollektive Religionsfreiheit gesichert.

Wenn von gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen die Rede ist, dann werden die allen Mitgliedsstaaten kollektiven Aspekte der Religionsfreiheit gemeint, sozusagen ein Querschnitt aus allen Grundrechtssystemen. Mückel benennt drei gemeinsame Elemente: die positive Religionsfreiheit (eine Religion zu haben), die negative Religionsfreiheit (keine Religion zu haben) und ein Diskriminierungsverbot aus religiösen Gründen.[7] Wie auch die EMRK weisen die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen auch auf die individuelle, kollektive und korporative Religionsfreiheit hin und beziehen auch den Selbstverwaltungscharakter der Kirchen und Religionsgemeinschaften mit ein.[8] Söbbeke-Krajewski konkretisiert diesen Autonomiecharakter ferner über eine interne Selbstverwaltung, z.B. in Personalfragen. Zweitens führt er die Einschätzungprärogative (dass die Kirchen wissen, was in ihren Autonomiebereich fällt) und die Beurteilungsmaxime (dass Kirchen in ihrem Bereich liegende Sachverhalte am besten bearbeiten können) an. Die Kirchen haben die Möglichkeit, am Rechtsverkehr teilzunehmen und generell findet eine Bevorzugung bereits etablierter Religionsgemeinschaften statt, was sich an manchen Staatskirchensystemen zeigt.[9]

Von ungleich wichtiger Funktion ist die Achtung der nationalen Identität der Mitgliedsstaaten, worunter sowohl Staatlichkeit, Souveränität, als auch eine gewisse Wertebasis eines Einzelstaates zu verstehen sind. Die Achtung bietet demzufolge im Falle eines Konfliktes einen Unterlassungsanspruch des Einzelstaates gegenüber einem europäischen Rechtsakt, wobei diese Möglichkeit nicht inflationär gegenüber jedem Rechtsakt verwendet werden kann, der tendenziös religionsrechtliche Aspekte betrifft, sondern nur hinsichtlich der „tragenden Grundpfeiler“ eines kirchenrechtlichen Systems.[10]

[...]


[1] De Wall, S. 171.

[2] Vgl., Mückel, S. 410f.

[3] Vgl., Söbbeke-Krajewski, S. 63.

[4] Vgl., ebd., S. 63f.

[5] Vgl., ebd., S. 65f.

[6] Vgl., ebd.

[7] Mückel, S. 437.

[8] Vgl., ebd., S. 437f.

[9] Vgl., Söbbeke-Krajewski, S. 92-99.

[10] Vgl., Mückel, S. 413-415.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Ansätze eines „europäischen Religionsrechts“
Untertitel
Primärrechtliche Grundlagen und europäischer Grundrechteschutz
Hochschule
Universität Erfurt  (Staatswissenschaftliche Fakultät - Fachrichtung Rechtswissenschaften)
Veranstaltung
Kirche und Staat in Europa
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
17
Katalognummer
V269629
ISBN (eBook)
9783656605720
ISBN (Buch)
9783656605652
Dateigröße
583 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Staatskirchenrecht, Kirchenrecht, Religion, EU, EMRK, EGRC, Europäische Union
Arbeit zitieren
B.A. Erik Weihmann (Autor:in), 2008, Ansätze eines „europäischen Religionsrechts“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/269629

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