In dieser Arbeit behandle ich die Todesstrafe im Hinblick auf die Rolle im biblischen,
theologischen und ethischen Bereich des Christentums. Besonders berücksichtige ich die
Problematik im Verhältnis zur politischen Rolle und zur ethischen Ausrichtung.
Proseminararbeit über die Todesstrafe aus der Sicht der Theologie insbesondere der christlichen Ethik
In dieser Arbeit behandle ich die Todesstrafe im Hinblick auf die Rolle im biblischen, theologischen und ethischen Bereich des Christentums. Besonders berücksichtige ich die Problematik im Verhältnis zur politischen Rolle und zur ethischen Ausrichtung.
1. Geschichte der Todesstrafe im Christentum
Vor der konstantinischen Wende (313 n. C.) wurde die Todesstrafe gemäss Genesis und Römerbrief nicht von der staatlichen Gewalt getrennt. Gerechtfertigt wurde sie gemäss Platon mit dem Vergleich einer chirurgischen Amputation am Leibe des Gemeinwesens. Nach der konstantinischen Wende gewannen das Mitleid und die Busse als Gegengewicht zur gesetzlichen, staatlichen Amtsgewalt an Wichtigkeit. Johannes Chrysostomus vertrat dazu die Position, dass nur derjenige dem Tod überantworten kann, der auch die Toten erwecken kann und im Hinblick auf die Geschichte der Ehebrecherin (Joh. 8, 2-13) forderte er unanfechtbare, makellose Richter.
Das führte unweigerlich zu einer Kluft zwischen Recht und Kirche. In der alten Kirche wurde das Gebot “du sollst nicht töten” durch die obrigkeitliche Gewalt oder gar durch von Gott befohlene Kriege relativiert. Die Obrigkeiten schwankten zwischen Berechtigung und Mitleid hin und her. Im Mittelalter gingen die Bedenken gegen die Todesstrafe weitgehend verloren. Es wurde vor allem darauf geachtet, dass dabei der Klerus nicht strafrechtlich relevant beteiligt war. Somit hatte der Fürst als einziger die Macht die Todesstrafe anzuordnen und durfte untergeordnete Handlanger mit dem Vollzug beauftragen. Die Nähe zur Willkür wurde zunehmend kritisiert. Dabei wurde auch das antike Bild vom Abtrennen brennender Glieder vom Leib des Gemeinwesens wiederaufgenommen (Policraticus 6,26). Auch der Tyrannenmord wurde damals als richtig und gerecht angesehen. Die Todesstrafe wurde bereits damals mehrheitlich nur für Mord verlangt und nicht mehr für rituelle Verfehlungen. Weiter wurde zunehmend vertreten, dass das deuteronomistische, mosaische Gesetz überholt sei. Kein Christ sollte ein Amt erstreben, das die Herrschaft über Leben und Tod verlange. Später wurde der Einfluss auf das Verhältnis zur Todesstrafe durch Beccaria, Hobbe und Kant spürbar.
Modernere Theologen entkräfteten die Vergeltungstheorie mit dem Sündenbock- oder Opfertod Christi als Ende aller Vergeltung Gottes (Rene Girard). Ein ähnliches Problem sah Germain Grisez (Nuclear Deterrence, Morality and Realism Oxford 1989, 317 f.) in einer Überbeanspruchung des naturrechtlichen Argumentes der sittlichen Regel, wonach mit Bösem nichts Gutes erreicht werden kann. Dies müsste folgerichtig auch für das Strafrecht gelten.
Karl Barth nimmt dieses Argument ernst (KD III/4). Nach ihm geht das Todesurteil an die äusserste Grenze des menschlich Zulässigen, verletzt die Demut, insbesondere die persönliche Demut, eines Richters, zu der dieser schon nur von Amtes wegen fähig sein sollte. Vielmehr sollten Richter die objektive Tragweite ihrer Entscheidung im Blick haben. Da die Entscheidung grundsätzlich endgültig ist, kann sie nicht demütig sein. Das ist m. E. eine sinnvolle, christliche Haltung.
2. Gott als Eigentümer des menschlichen Lebens
Die KKK 2280 (Katechismus der katholischen Kirche) sagt klar: “Jeder ist vor Gott für sein Leben verantwortlich. Gott hat es ihm geschenkt.“ … „Wir sind nur Verwalter, nicht Eigentümer des Lebens, das Gott uns anvertraut hat. Wir dürfen darüber nicht verfügen.”
Diese Idee der Eigentümerschaft Gottes über das Leben taucht in allen christlichen Begründungen des Tötungsverbots, inklusive Suizidverbot, auf.
In Platons “Phaidon” ist die (Selbst)tötung nur durch die Götter erlaubt. „Wir sind wie in einer Feste und man kann sich daraus nicht selbst losmachen. Die Götter sind unsere Hüter und wir Menschen eine von den Herden der Götter.“ (62b8-9)
Dass Gott allein Herrscher über Leben und Tod ist, ist nicht zu bestreiten. Dies ist ein klares religiöses Argument gegen die Todesstrafe. Wenn aber unser Leben ein Geschenk Gottes ist, ist es unser Eigentum, da ein Geschenk ins Eigentum des Beschenkten übergeht. Klar ist dieses Geschenk zu schätzen und zu würdigen. Aus juristischer Sicht kann der neue Eigentümer frei darüber verfügen, wenn nicht bei der Übergabe gewisse Bedingungen oder Auflagen gemacht wurden. Andernfalls müsste man von einer Leihgabe sprechen. Ps 24,1 hält fest: “Dem Herrn gehört die Erde und was sie erfüllt, der Erdkreis und seine Bewohner.” Demnach haben wir lediglich als Verwalter zu fungieren. Das Leben gehört nicht uns. Wir haben mit allen Dingen nach dem Willen Gottes umzugehen. Dieses Argument setzt den Beweis voraus, dass wir als Geschöpfe Gottes keine Verfügungsgewalt über das Leben des Menschen haben, was wir ja nicht beweisen können. Mit anderen Worten dürfen wir nicht nach Belieben mit Leib und Leben verfahren.
Nach Gen 9,3ff. dürfen Tiere getötet werden, aber über das eigene Leben dürfen wir Menschen nicht verfügen. “alles, was sich regt, was da lebt, soll euch zur Speise sein; wie das grüne Kraut gebe ich es euch. 4 Nur das Fleisch mit seiner Seele, seinem Blute, sollt ihr nicht essen; 5 und wahrlich, euer Blut, nach euren Seelen, werde ich fordern; von jedem Tiere werde ich es fordern, und von der Hand des Menschen, von der Hand eines jeden, seines Bruders, werde ich die Seele des Menschen fordern “. „Wer Menschenblut vergiesst, dessen Blut wird durch Menschen vergossen.”
Gerhard von Rad kommentiert die Todesstrafe im Genesiskommentar (G. v. Rad, Das erste Buch Moses, Göttingen 1964, 110) wie folgt: „Durch das `durch Menschen` wird die sehr gewichtige Frage, ob denn der Mensch überhaupt berechtigt ist, einen Menschen zu töten, ob nicht Gott sich dies vorbehalten will, beantwortet. So liegt ein Positives und ein Negatives in dem Spruch: Gott will den Mord nicht selbst ahnden, und das bedeutet einen Verlust der Unmittelbarkeit Gott gegenüber, der nun zu verzeichnen ist. Aber er bevollmächtigt den Menschen dazu.”
In Gen 9,3 wird in der Bibel das erste Mal von der Bevollmächtigung des Menschen als Vollstrecker der Stellvertretung Gottes gesprochen.
Damit wird ein falscher Eindruck erweckt, als ob Gottes Eigentumsrecht demjenigen des Menschen gleich oder ähnlich sei, dem ist aber nicht so. Das Eigentum Gottes, des Herrn über Leben und Tod, ist nicht vergleichbar mit dem menschlichen Eigentum. Gott erschafft, trägt und erhält auf einer metaphysischen und ontologischen Ebene das Universum. Daher darf er es auch vernichten, wenn es ihm nicht gefällt. Darf dies der Mensch ebenfalls? Alles was ihm gehört darf er zerstören? Selbst der Eigentümer eines Kunstwerks von Rembrandt? Moralisch ist das sicher nicht zulässig, weil das Kunstwerk für die Allgemeinheit wertvoll ist und auch juristisch wäre dies nicht unproblematisch. Die Integrität des Originalwerkes muss in Achtung des Urheberrechtes erhalten bleiben (http://www.glaus.com/bilderpdf/ 8kunst/wem_gehoert_kunst.html). Dieses Herrschaftsrecht über das menschliche Leben kommt dem Menschen nicht direkt zu, sondern höchstens indirekt durch die Gottheit. Aufgrund ihres Wesens als Gottheit kommt ihr eine andere Art von Herrschaftsrecht zu. Als Schöpfer gehört ihm seine Schöpfung allein. (W. Wolbert S. 13-17) Daraus kann geschlossen werden, dass Gott uns die Herrschaft über das Leben anderer nicht geben kann, weil er allein der Schöpfer ist. Dieses Recht setzt die Göttlichkeit des Menschen voraus. Diese haben wir Menschen zwar, aber nicht als Schöpfergott, sondern als Geschöpfe Gottes indirekt von Gott, die ein Abbild Gottes darstellen. Daher haben wir Menschen kein Sonderrecht jemanden zu töten, auch nicht von Staates wegen.
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- Arbeit zitieren
- Lic. theol. Adrian Baumgartner (Autor:in), 2013, Die Todesstrafe in der Theologie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/269693