Menschenbild, Erziehung und pädagogische Praxis bei Carl R. Rogers


Hausarbeit (Hauptseminar), 2012

17 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Begriffsklärungen
1.1. Allgemeine und pädagogische Anthropologie
1.2. Pädagogische Grundbegriffe
1.2.1. Erziehung
1.2.2. Bildung
1.2.3. Lernen

2. Die Anthropologie Rogers' und der humanistischen Psychologie

3. Schlussfolgerungen für eine Pädagogik im Sinne Rogers'
3.1. Erziehung, Bildung und Lernen bei Rogers
3.1.1. Erziehung
3.1.2. Bildung
3.1.3. Lernen
3.2. Erziehungsziel
3.2.1. Aufgeschlossenheit gegenüber der eigenen Erfahrung
3.2.2. Die Person würde existentiell leben
3.2.3. Vertrauen in den eigenen Organismus
3.3. Die Rolle des Erziehers
3.3.1. Real sein
3.3.2. Wertschätzen, Anerkennen, Vertrauen
3.3.3. Einfühlendes Verständnis
3.4. Wie Freiheit hergestellt werden kann – Praxisimplikationen

4. Weitere Kritikpunkte an Rogers' Ansatz

Schluss

Literaturverzeichnis

Einleitung

In einer Zeit, in der Globalisierung, Schnelllebigkeit und Wertepluralismus die augenfälligsten Merkmale der westlich geprägten Gesellschaft sind, stellt sich die Frage, wie der Mensch mit der hohen Komplexität und dem stetigen Wandel adäquat umgehen kann, das heißt, wie er in angemessener Zeit sinnvolle Entscheidungen treffen und effektiv handeln kann.

Erziehung als Funktion der Gesellschaft hat die Aufgabe, Menschen so zu erziehen, dass sie lebenstüchtig und angepasst sind und die Anforderungen der Gesellschaft erfüllen können. Carl R. Rogers meint, mit seinem Ansatz des Lernens in Freiheit, für die drängenden Probleme unserer Zeit eine Lösung zu finden.

Ich möchte mich in dieser Hausarbeit kritisch mit dem Menschenbild von Carl Rogers sowie den daraus resultierenden Folgerungen für die pädagogische Praxis auseinandersetzen. Dafür soll zunächst auf Meta-Ebene das Verhältnis von Anthropologie und pädagogischer Anthropologie geklärt werden sowie die Aufgaben einer pädagogischen Anthropologie dargestellt werden. Dies soll als Grundlage dienen, um später das Menschenbild und die Pädagogik Rogers' auf einander beziehen zu können.

Im zweiten Teil werden drei in der Pädagogik zentrale Begriffe definiert (Erziehung, Bildung und Lernen), um später Rogers' Verständnis dieser drei Termini zu erhellen und differenzieren.

Im dritten Teil folgt ein kurzer Abriss über Ziele und Menschenbild der humanistischen Psychologie und im Anschluss eine Darstellung von Rogers' Menschenbild.

Der vierte Teil widmet sich der Frage, wie dieses Menschenbild sich in einer Pädagogik im Sinne Rogers widerspiegelt.

In der Schlussbetrachtung werde ich eine kurze Einschätzung geben, ob Rogers seinem Anspruch,mit seinem Ansatz eine Antwort auf drängende Probleme der Zeit zu finden, gerecht werden kann.

1. Begriffsklärungen

1.1. Allgemeine und pädagogische Anthropologie

Der Begriff „Anthropologie“ setzt sich zusammen aus den griechischen Worten  „ánthropos“, was für Mensch steht und „lógos“, was Rede, Darlegung, Vortrag, Gespräch, Beratung, Definition, Vernunft bedeutet. Anthropologie ist also das Wissen und die Wissenschaft des Menschen (Vgl. Zirfas 2004, S. 7). Hamann präzisiert, die allgemeine Anthropologie ist "eine Theorie oder Lehre vom Sein des Menschen, d. h. seiner Struktur, seiner Stellung in der Welt und der Sinnhaftigkeit seines Daseins" (Hamann 1982, S. 9). Diese Theorie aufzustellen kann, so Hamann, keiner Einzelwissenschaft zugemutet werden, sondern alle Humanwissenschaften müssen ihren Beitrag dazu leisten, eine umfassende Lehre des Menschen zu erstellen. Da aber bisher keine allgemeine Anthropologie existiert, ist es Aufgabe der philosophischen Anthropologie, die Erkenntnisse der Einzelwissenschaften zu einem großen Ganzen zusammenzufügen. Die Schwierigkeiten dabei liegen darin, dass das menschliche Wesen nie ganz zu erfassen ist, da der Mensch unabgeschlossen und offen ist, außerdem fehlt ein gesicherter Maßstab, "von dem her die Einzelbefunde der verschiedenen Wissenschaften interpretiert werden könnten und drittens nicht alle Erkenntnisse auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfbar sind" (Hamann 1982 S. 9). Kamper meint, eine umfassende und allgemeingültige Anthropologie zu schaffen, ist im Vollzug gescheitert. Ein gemeinsames Menschenbild, eine universale Ethik oder eine akzeptable Sinngebung des menschlichen Lebens konnten bisher nicht erreicht werden. Daher sieht er die Anthropologie als Wissenschaft der Differenz an, da „der Mensch als offene Frage  (…) die offene Fragestellung erzwingt“ (Kamper 1989 S. 82 f.). Es lässt sich feststellen, dass eine universale Anthropologie zwar angestrebt, aber bisher nicht verwirklicht wurde, da der Mensch als Gegenstand der Reflexion und selbst Reflektierender, sich selbst nicht objektiv erfassen kann. Daher bleibt nur eine Vielfalt anthropologischer Ansätze, die, wie Kamper sagt, die Unterschiede darstellen können.

Der Gegenstand der pädagogischen Anthropologie ist, so Zirfas, der Mensch und seine Erziehungs-, Bildungs- und Sozialisationsverhältnisse (Vgl. Zirfas 2004 S. 7). Die pädagogische Anthropologie geht davon aus, „dass Erziehungs- und Bildungsvorstellungen an anthropologische Entwürfe gebunden sind, wie umgekehrt anthropologische Vorstellungen auf durch Erziehung und Sozialisation bewirkte Entwicklungen bezogen werden müssen“ (Ebd.).

Die pädagogische Anthropologie geht sowohl von der Erziehungsbedürftigkeit als auch von der Erziehungsfähigkeit des Menschen aus. Ihr geht es um die Beschreibung dieser zwei Momente, denn: „nur, wenn der Mensch erziehungsbedürftig ist, soll er auch erzogen werden, und nur dann, wenn er erziehungsfähig ist, kann er auch erzogen werden" (Hervorhebung im Original, Ebd. S. 9). Andernfalls würden sich sowohl die Pädagogik als auch die pädagogische Anthropologie überflüssig machen.

Laut Hamann sind Pädagogische Theorie und Praxis auf die Einsichten der Anthropologie angewiesen. Deshalb ist das Verhältnis zwischen Pädagogik und Anthropologie sehr eng, zwischen beiden findet ein Austausch statt. Zum Gegenstandsbereich der pädagogischen Anthropologie gehört  einerseits die Aufnahme neuer Erkenntnisse über den Menschen in das Aussagesystem der Pädagogik, andererseits aber auch der Beitrag der Pädagogik zur Erhellung dessen, was der Mensch ist, was wiederum Aufnahme in die anthropologische Theorie finden kann (vgl. Hamann S. 10 f.). Laut Kamper ist die pädagogische Anthropologie eine "Fundamentierung und Zusammenfassung wissenschaftlicher Aussagen über pädagogischer Probleme" (Kamper 1989 S. 81). Zirfas wendet jedoch ein, „dass sich aus anthropologischen Überlegungen nicht unmittelbar pädagogische Theorien und Praxismodelle ableiten lassen, wie umgekehrt aus pädagogischen Programmen nicht zwangsläufig gewisse Menschenbilder resultieren. Es gibt eine Eigenständigkeit anthropologischer wie pädagogischer Erkenntnisse; Anthropologie und Pädagogik lassen sich nicht wechselseitig miteinander verrechnen“ (Zirfas 2004 S. 35). Allerdings bleibt Zirfas hier allgemein, an einem Beispiel oder durch nähere Erklärung hätte er dies eventuell verdeutlichen können. Für mich ist unklar, in welchen Fällen und warum sich pädagogische Anthropologie und Pädagogik nicht „verrechnen“ lassen.

Weiterhin wirft Zirfas die Problematik auf, wie „die pädagogische Anthropologie ihre Konstruktionen problematisieren kann, ohne auf der einen Seite die Frage nach dem Menschen zu verabschieden und ohne auf der andern Seite den Menschen auf ein anthropologisches Wesentliches zu verkürzen“ (ebd.). Er schlägt dafür die heuristische pädagogische Anthropologie vor, die „nicht mehr die Frage nach DEM Menschen (stellt), sondern die Frage nach den Momenten, die für das Menschsein als konstitutiv betrachtet werden können“ (ebd., S. 34). Weiter präzisiert er: „Zwar können wir heute nicht mehr sagen, wer oder was der Mensch schlechthin ist, doch wir können zeigen, dass für ihn und seine Erziehungs- und Bildungsprozesse bestimmte Dimensionen charakteristisch sind, nämlich: Liminalität, Temporalität, Korporalität, Kulturalität, Sozialität und Subjektivität“ (ebd. S.23).

Der Bemühung, eine universale Anthropologie zu schaffen, erteilt Zirfas eine Absage: „Dass die Anthropologie die Stellung des Menschen zu sich, zu anderen und zur Welt restlos zu klären in der Lage wäre, stellt ebenso einen überspannten Gedanken das, wie der Versuch, nur über anthropologische Betrachtungen etwas über das Verhältnis der menschlichen zur nichtmenschlichen Natur zu erfahren, oder die Idee, dass die Anthropologie gleichsam die Reflexion für eine fundamentale Handlungsbasis der Pädagogik darstellt“ (ebd. S. 34).

[...]

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Menschenbild, Erziehung und pädagogische Praxis bei Carl R. Rogers
Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Note
2,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
17
Katalognummer
V269831
ISBN (eBook)
9783656609124
ISBN (Buch)
9783656608875
Dateigröße
478 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
menschenbild, erziehung, praxis, carl, rogers
Arbeit zitieren
Ute Drechsler (Autor:in), 2012, Menschenbild, Erziehung und pädagogische Praxis bei Carl R. Rogers, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/269831

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