Die wissenschaftliche Weltauffassung des Wiener Kreises und ihre Anwendung auf die Bereiche der Philosophie


Seminararbeit, 2001

18 Seiten, Note: Sehr Gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Die wissenschaftliche Weltauffassung des Wiener Kreises
2.1 Der logische Aufbau der Welt
2.2 Das Sinnkriterium

3. Anwendung des Sinnkriteriums auf die Bereiche der klassischen Philosophie
3.1 Kritik an der Metaphysik
3.1.1 Metaphysische Scheinbegriffe
3.1.2 Metaphysische Scheinsätze
3.2 Kritik an der Ethik und der Ästhetik
3.3 Kritik an der metaphysischen Erkenntnistheorie

4. Schlussbemerkungen

5. Verwendete Literatur

1. Einleitung

Der „Wiener Kreis“ begründete eine der interessantesten philosophischen Strömungen des 20. Jahrhunderts. Die Gruppe wurde von Moritz Schlick in den dreißiger Jahren gegründet. Mitglieder waren unter anderem Otto Neurath, Hans Hahn, Rudolf Carnap und Hans Reichenbach. Diese Gruppe von Philosophen setzte es sich zum Ziel, eine wissenschaftliche Weltauffassung durchzusetzen, die die von Frege begründete „neue“ Logik als Grundlage haben sollte. Weitere Einflüsse kamen auch von Wittgenstein, Russel und Whitehead und auch von David Hume. Bald schlossen sich auch ausländische Philosophen der neuen empiristischen Strömung an. Besonders A.J. Ayer führte später die Arbeit des Wiener Kreises fort.

Sprachrohr der Gruppe war die von Ihnen herausgegebene Zeitschrift „Erkenntnis“, die Anfang der vierziger Jahre die Philosophiegemeinde in Aufruhr versetzte. Der Wiener Kreis forderte eine völlig radikale Durchsetzung der wissenschaftlichen Weltauffassung und hatte es sich zum Ziel gesetzt die Philosophie von sämtlichen unwissenschaftlichen Bereichen zu reinigen. Haupangriffsziel war natürlich die Metaphysik, die mit Heidegger und anderen zu dieser Zeit sozusagen eine Renaissance erlebte. Aber auch andere Bereiche wie die Ethik und Ästhetik sowie die erkenntnistheoretische Realismus-Idealismusdebatte waren davon betroffen.

Das Mittel für diese „Säuberung“ der Philosophie war das von Carnap entwickelte Sinnkriterium. Durch dieses Kriterium wurden die betroffenen philosophischen Richtungen sogar als sinnlos überführt und somit jeder Berechtigungsgrundlage beraubt. Diese Radikalität zieht sich durch fast sämtliche Publikationen des Wiener Kreises. Zentraler Punkt ihrer Philosophie war die völlige Ablehnung von metaphysischen Elementen in der Philosophie. Metaphysik wurde sogar als schädlich bezeichnet. Einzig und allein die empirische Wahrnehmung war für die Mitglieder des Wiener Kreises ein geeignetes Mittel zur Verifikation einer These. Alle Thesen, die dieses Kriterium nicht erfüllen, müssen nach der wissenschaftlichen Weltauffassung als sinnlos angesehen werden.

In dieser Arbeit soll erläutert werden, mit welchen Voraussetzungen und Methoden der Wiener Kreis die wissenschaftliche Weltauffassung durchsetzen wollte, und wie diese Methoden (vor allem das Sinnkriterium) auf die Bereiche der klassischen Philosophie angewandt wurden.

2. Die wissenschaftliche Weltauffassung des Wiener Kreises

Die wissenschaftliche Weltauffassung wird gekennzeichnet durch

„die Verknüpfung von empirischen Einzelfakten, die systematische, experimentelle Überprüfung, die Eingliederung des Einzelnen in das Gewebe aller Abläufe und die einheitliche Durchlogisierung aller Gedankengänge, um eine Einheitswissenschaft zu schaffen, die aller umgestaltenden Tat erfolgreich dienen kann.“[1]

Das zentrale Streben des Wiener Kreises war es, diese Auffassung im Gegensatz zu idealistisch-metaphysischen Strömungen durchzusetzen. Die wissenschaftliche Weltauffassung sieht die Welt nicht als ein abgeschlossenes Gebiet. Sie strebt nicht danach, die Welt als Ganzes zu erfassen, sondern sieht in ihr das ständig wachsende Gebiet der Wissenschaft. Die Wissenschaft wird hierbei nicht als Zusammenschluss aller Einzelwissenschaften gesehen, sondern als Einheitswissenschaft, deren Regeln und Methoden auf alle Teilwissenschaften angewendet werden kann. Erkenntnis kann man in dieser Auffassung durch empirische Einzelforschungen erreichen, deren Ergebnisse dann in die Einheitswissenschaft eingegliedert werden können.

Im Gegensatz zu dieser Auffassung geht die herkömmliche philosophische Weltanschauung von grundsätzlichen Erwägungen aus, aus denen dann Erkenntnisse abgeleitet werden können. Besonders die Metaphysik versucht somit ein totalitäres Weltbild zu schaffen, dessen Grundlage Sätze sind, die sich nicht aus Einzelbeobachtungen ableiten lassen. Gerade diese Ableitbarkeit aus empirischen Einzelerlebnissen ist für die Mitglieder des Wiener Kreises jedoch essentiell.[2]

Zentrale Werkzeuge sind bei der wissenschaftlichen Weltauffassung die Methoden der exakten Wissenschaft, also die Logik und die Mathematik. Mit Hilfe dieser Methoden können Beobachtungen tautologisch umgeformt werden. Erkenntnis a priori wird von den Mitgliedern des Wiener Kreises nicht anerkannt. Beobachtung und tautologische Umformung sind die einzigen Mittel der Erkenntnis, die laut der wissenschaftlichen Weltauffassung legitim sind. Durch sog. Konstituierung können wissenschaftliche Sätze auf einzelne Sinneseindrücke zurückgeführt werden. Der Logik kommt hierbei eine reine Umformungsaufgabe zu. Durch sie können Sätze lediglich tautologisch umgewandelt werden, um besser mit Ihnen arbeiten zu können. Die Mathematik wird als Teil der Logik gesehen. Die Mitglieder des Wiener Kreises schließen sich hierbei der Auffassung von Mathematik von Russell und Whitehead an. Somit ist auch die Mathematik rein tautologisch und analytisch.[3]

2.1 Der logische Aufbau der Welt

Im 1928 erschienenen Werk „Der logische Aufbau der Welt“ versuchte Rudolph Carnap ein System zu entwerfen, mit dessen Hilfe man alle wissenschaftlichen Begriffe auf das in der Sinneswahrnehmung unmittelbar gegebene zurückführen (konstituieren) kann. Die Grundelemente dieses Systems bilden die sog. „Elementarerlebnisse“, das sind ganzheitliche Eindrücke des in einzelnen Augenblicken erlebten. Diese Erlebnisse beinhalten sowohl äußere als auch innere Wahrnehmungen, wie Gedanken, Wünsche, Gefühle, etc. Natürlich sind diese Eindrücke rein subjektiv. Carnap bedient sich der Grundrelation der Ähnlichkeit, um von diesen subjektiven Erlebnissen zu einem objektiven Begriffssystem zu kommen. Lediglich mit Hilfe dieser Werkzeuge versuchte Carnap sämtliche Wissenschaftlichen Begriffe zu konstituieren.[4]

„Zunächst gehen alle eigenpsychischen Begriffe, d.h. solche, die sich auf die psychischen Vorgänge des erkennenden Subjektes selbst beziehen, auf das Gegebene zurück. Alle physischen Begriffe lassen sich auf die eigenpsychischen zurückführen, da jeder physische Vorgang prinzipiell durch Wahrnehmungen feststellbar ist. Aus den physischen Begriffen werden die fremdpsychischen konstituiert, die sich auf die psychischen Vorgänge der übrigen Subjekte beziehen. Und schließlich gehen die sozialwissenschaftlichen Begriffe auf Begriffe der genannten Art zurück.“[5]

So entsteht ein Stammbaum aller Begriffe, ein sog. „Konstitutionssystem“, mit dessen Hilfe sämtliche wissenschaftlichen Begriffe konstituiert werden können. Damit gäbe es auch keine verschiedenen Wissenschaften mehr, sondern nur noch die schon erwähnte Einheitswissenschaft. Alle Bereiche dieser Einheitswissenschaft würden sich somit derselben Methoden bedienen.

2.2 Das Sinnkriterium

Natürlich können mit Hilfe des Konstitutionssystems nur wissenschaftlich sinnvolle Ausdrücke auf Erfahrungsbasis zurückgeführt werden. Deshalb muss eine scharfe Trennlinie zwischen wissenschaftliche Begriffen und unwissenschaftlichen Scheinbegriffen gezogen werden. Scheinbegriffe, die nicht durch Erfahrung kontrolliert werden können, sind für die Mitglieder des Wiener Kreises im strengsten Sinne sinnlos. Mit „sinnlos“ ist hierbei nicht „unfruchtbar“, „falsch“ oder „kontradiktorisch“ gemeint, sondern sinnlose Begriffe bezeichnen überhaupt nichts. Es sind lediglich Scheinbegriffe, die nicht einmal als fruchtbar oder unfruchtbar bzw. als wahr, falsch oder kontradiktorisch erkannt werden können.

Um diese Scheinsätze zu entlarven bedient sich Carnap des sog. Sinnkriteriums, das Wittgenstein entwickelt hat. Carnap’s Version des Sinnkriteriums in „Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache“[6] lautet:

Ein Satz x ist sinnvoll, gdw. jeder Ausdruck in x bedeutungsvoll und x syntaktisch korrekt gebildet ist.

Bedeutungsvoll ist ein Ausdruck „a“ , gdw.

- empirische Kennzeichen für „a“ bekannt sind.
- „S(a)“ aus festlegbaren bzw. festgelegten Protokollsätzen ableitbar ist.
- die Wahrheitsbedingungen für „S(a)“ festliegen.
- der Weg zur Verifikation von „S(a)“ bekannt ist.

Carnap stellt sich auch die Frage, wie überhaupt solche „Scheinbegriffe“ und „Scheinsätze“ entstehen können, wenn Begriffe ja geschaffen werden, um etwas zu auszudrücken. Er geht davon aus, dass jeder Begriff grundsätzlich eine Bedeutung hat. Es kann allerdings vorkommen, dass ein Begriff über die Jahrhunderte hinweg seine Bedeutung verliert ohne eine neue zu bekommen. Zusätzlich gibt es allerdings auch Scheinbegriffe, die schon bedeutungslos kreiert werden, wie es hauptsächlich in der Metaphysik der Fall ist.

Vereinfacht kann das Sinnkriterium auch so dargestellt werden, wie es Schlick, Ayer[7] und auch der spätere Wittgenstein taten:

Ein Satz x ist sinnvoll, wenn er verifizierbar ist.

[...]


[1] Neurath 1930/31, S. 118

[2] vgl. Neurath 1930/31, S. 106-125

[3] vgl. Hahn 1930/31, S. 69-105

[4] vgl. Carnap 1961, § 57

[5] Carnap 1930/31, S. 24

[6] vgl. Carnap 1931, S. 220-224

[7] vgl. Ayer 1970, S. 44ff

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die wissenschaftliche Weltauffassung des Wiener Kreises und ihre Anwendung auf die Bereiche der Philosophie
Hochschule
Universität Salzburg  (Institut für Philosophie)
Veranstaltung
Geschichte der Philosophie: Der Wiener Kreis
Note
Sehr Gut
Autor
Jahr
2001
Seiten
18
Katalognummer
V27009
ISBN (eBook)
9783638291613
Dateigröße
504 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Weltauffassung, Wiener, Kreises, Anwendung, Bereiche, Philosophie, Geschichte, Philosophie, Wiener, Kreis
Arbeit zitieren
Gerald Buttinger (Autor:in), 2001, Die wissenschaftliche Weltauffassung des Wiener Kreises und ihre Anwendung auf die Bereiche der Philosophie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/27009

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