Die gesellschaftliche Thematisierung der zwischenmenschlichen Liebe darf nicht gänzlich als neuzeitliches Phänomen verstanden werden. Vielmehr hat dieses Motiv auf Grund ihrer vielseitigen Darstellungsmöglichkeiten im Laufe der Geschichte Einfluss auf die unterschiedlichsten Künste genommen oder fand durch ihren inspirierenden Charakter immer wieder als Themenstoff eine schriftbezogene Verwendung. Insbesondere für die Dichtung nimmt das Motiv der Liebe eine zentrale Rolle ein, da es nicht nur zu denen am häufigsten auf lyrische Weise gestalteten Motiven zählt, sondern gleichzeitig auch zu den ältesten Urstoffen menschlicher Kreativität gehört. Dabei erscheint die Liebesthematik innerhalb der Dichtung zumeist als Liebeserklärung, als individueller Ausdruck unstillbarer Sehnsucht sowie als Form der Trauer über den Verlust des Partners und hat ihrerseits im Laufe der Jahrhunderte eine grundlegende Veränderung vollzogen. Besonders die literarischen Zeugnisse der Aufklärung zeugen in ihren Grundzügen von einem Spannungsverhältnis zwischen körperlich begehrendem Eros und unkörperliche empfindsamer Liebe, zwischen sinnlicher Lust und sublimierter Entsagungsbereitschaft. Doch erst die Veränderungen, die die literarische Bewegung des Sturm und Drang auf dem Gebiet der Lyrik bewirkte, gehören zu den grundlegenden innerhalb der deutschen Literaturgeschichte, da „die heute […] verbreite Auffassung von Lyrik als Ausdruck subjektiver Empfindung […] durch die theoretischen Konzeptionen und durch die poetische Produktion dieser […] literarisch-ästhetischen Revolte entscheidend geprägt“ ist. Dies gilt insbesondere für die sogenannte Erlebnislyrik, mit der in den frühen 1770er Jahren ein völlig neuartiger Typus innerhalb der deutschen Lyrik ihren Anfang nimmt und sich im Wesentlichen durch die textuelle Inszenierung subjektiven Wahrnehmens und Erlebens auszeichnet. Als eines der frühesten und gleichzeitig auch bekanntesten Dokumente der Erlebnislyrik des Sturm und Drang kann exemplarisch das Gedicht Mir schlug das Herz des Johann Wolfgang von Goethe genannt werden, das die Vielsichtigkeit von Gefühlsäußerungen jener Zeit im Bereich des literarischen Liebeserlebens auf beeindruckender Weise veranschaulicht. Denn in diesem Gedicht „erscheinen sprechendes Ich, Geliebte, Liebe und Natur in einer bisher nicht bekannten sprachlichen Intensität“, welche noch den dichterischen Werdegang des jungen Goethe nachhaltig beeinflussen sollte.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die epochale Zuordnung
2.1. Die Epoche der Aufklärung
2.2. Die Sturm und Drang Strömung
2.2.1. Der Geniegedanke des Sturm und Drang
2.2.2. Das neue Selbstverständnis des Dichters
2.2.3. Das zentrale Begriffspaar - Nachahmung und Sch ö pfung
3. Begriffsklärung Erlebnislyrik
4. Kurz zur Entstehungsgeschichte des Gedichts Mir schlug das Herz
5. Die Dichtung Mir schlug das Herz von Johann Wolfgang von Goethe
5.1. Die formale Gestaltung der Dichtung im Zeichen des Sturm und Drang
5.2. Interpretation der Dichtung im Kontext des Sturm und Drang
6. Schluss
7. Literaturverzeichnis
- Arbeit zitieren
- B.A. Adrian Witt (Autor:in), 2013, Über die frühe Sturm und Drang Lyrik des Johann Wolfgang von Goethe am Beispiel "Mir schlug das Herz", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/270656