Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Prinzipal-Agenten-Theorie als Bestandteil der Neuen Institutionenökonomik
2.1 Grundlagen
2.2 Die Informations- und Kontrollproblematik der Prinzipal-Agenten Beziehung
3. Lösungsansätze zur Reduktion der Agency-problematik
3.1 Vorvertragliche Probleme
3.2 Nach Vertragsabschluss
4. Kritische Reflexion und Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Elemente der Neuen Institutionenökonomik
Abbildung 2: Elemente der Prinzipal-Agent-Theorie
Abbildung 3: Übersicht der Agency-Problematik
Abbildung 4: Lösungsmöglichkeiten zur Reduktion der Agency-Problematik
1. Einleitung
Das einführende Zitat von Galilei lässt sich in besonders guter Weise auf die Personalführung projizieren: Der Arbeitgeber fungiert als leitende Führungspersönlichkeit und trägt demnach eine hohe Verantwortung. Jedoch ist seine Einflussnahme auf den Mitarbeiter limitiert und stößt dort an Grenzen, wo der Mitarbeiter als Individuum Ziele verfolgt, Motive vertritt und Einstellungen hegt. Der Arbeitgeber kann lediglich darauf hoffen, dass die ihm unterstellten Mitarbeiter seiner Firmenphilosophie folgen und sich auf dem gleichen Firmenpfad befinden, um den Erfolg des jeweiligen Unternehmens zu sichern. ACHTSAMKEIT sei laut Torsten Schneider, dem Direktor der Personalzeitschrift Human Ressources Manager, der Schlüssel zum Erfolg, um die Grenzen zwischen dem privaten und beruflichen Bereich eines Arbeitnehmers zu schützen (vgl. Schneider, 2013, S. 1). Gegenwärtige Publikationen diskutieren die daraus hervorgehenden Problematiken vor dem Hintergrund des stetigen Wandels unserer Arbeitswelt. So erhalten beispielsweise moderne Technologien und mobile Kommunikationsmedien, wie das Smartphone oder das Tablet, zunehmend Einzug in die Unternehmen (Jäger/Colin 2013, S. 12). Es stellt sich damit einhergehend die Frage, wie die Gesellschaft dieser Dynamik begegnen kann. Wie kann der Arbeitgeber nun zukunfts- und gleichsam mitarbeiterorientiert sein Unternehmen vor dem Hintergrund der Themenkomplexe wie Mitarbeiterbindung, Anreiz- und Entgeltvergütung, Motivation und Effizienz erfolgreich führen?
Die vorliegende Arbeit thematisiert einen eingrenzenden, aber wesentlichen Bereich aus der vorgestellten Kontroverse. Hierbei steht die Prinzipal-Agent-Theorie (P.-A.-T.) als fester Bestandteil der Neuen Institutionenökonomik (Kap. 2) im Fokus der Betrachtung, da diese die Optimierung der Vertragsgestaltung untersucht. Nach Vorstellung der theoretischen Grundlagen (Kap. 2.1) erfolgt die Darbietung des primären Problembereiches: Informations- und Kontrollproblematik innerhalb der Prinzipal-Agent- Beziehung (Kap. 2.2). Da die Thematik der effizienten Anreizgestaltung einen umfangreichen und eigenständigen, jedoch unerlässlichen Themenkomplex darstellt, werden im nachfolgenden dritten Kapitel Lösungsansätze zur Reduktion der Asymmetrien zwischen den Akteuren anhand von einem ausgewählten Anreizsystem vorgestellt: Dem Cafeteria-System.
Wie und ob nun die kritische Problematik der P.A-T. mit Hilfe dieses speziellen Anreizsystems steuerbar und reduzierbei sei, soll die essentielle Fragestellung der vorliegenden Arbeit sein und im abschließenden vierten Kapitel mit einer zusätzlichen kritischen Reflexion der Theorie diskutiert werden.
Hessen Metall begründet, warum speziell dieses Konzept zur individuellen Entgeltgestaltung eine geeignete Auswahl eines Anreizsystems darstellt: „ Das Cafeteria- System ist ein aktuelles, zukunftsweisendes Konzept flexibler Verg ü tungsbausteine [ … ] “ (Hessen Metall, zit. nach ValueNet Group 2010, S. 1). Da die heutige Konfrontation von Führungskräften auf dem stetigen Wandel der Zeit basiert, muss der heutige Arbeitgeber zunehmend das Individuum Mitarbeiter zentralisieren. Das Cafeteria- System ermöglicht dem Arbeitnehmer eine individuelle Zusammenstellung von betrieblichen Sozialleistungen im Rahmen des festgelegten Budgets1, wie in einer ‚ Men ü karte ‘ (vgl. o.A. 2009, S. 1). Neben den Sozial- und Nebenleistungen kann sich das Anreizsystem auch auf variablen Gehaltsanteil und das Grundgehalt beziehen, wobei die individuelle Auswahl grundlegend ist. Laut Umfragen sind die modernen und führenden Bauteile Erholungsbeihilfe, Gesundheitsvorsoge, Firmenwagen oder die Klassiker wie Internetpauschale, Personalrabatte oder moderne Kommunikationsmedien (vgl. ValueNet Group 2010, S. 1). Somit können die Arbeitgeber mit wenig bis keiner Belastung ihres Personalkostenbudgets für ihre Mitarbeiter zeitgemäße und attraktive Cafeteria-System- Bausteine gestalten (vgl. ebd. 2010, S. 1). Dies deckt einen hohen Bereich an möglicher Anreizgestaltung ab, da insbesondere die Individualität eines Agenten angesprochen ist.
2. Die Prinzipal-Agenten-Theorie als Bestandteil der Neuen Institutionenökonomik
“ The main reason why it is profitable to establish a firm would seem to be that there is a cost of using a price mechanism. ” (Coase 1937, S. 389f.).
COASE zentralisierte bereits 1937 in seinem Aufsatz “ The nature of a firm ” Transaktionskosten und ihre elementare Bedeutung in seinen ökonomischen Überlegungen. Seine Arbeiten, sowie jene von WILLIAMSON stellen die Ursprünge der Neuen Institutionenökonomik (NIÖ) dar, welche sich 50 Jahre später in Abgrenzung zur neoklassischen Ökonomik etablierte. Im Fokus der Untersuchungen steht nun die effiziente Ausgestaltung von jeglichen institutionellen Arrangements wie beispielsweise Organisationsstrukturen, Planungs- und Kontrollsystemen oder Verträgen, unter besonderer Beachtung der Bereiche Kommunikation und Information (vgl. Hess 1999, S 6). Hierbei werden insgesamt drei Segmente differenziert: Transaktionskostenansatz, Theorie der Verfügungsrechte und Vertragstheorien. Die folgende Abbildung zeigt die Einordnung der dargelegten Bereiche in die Neue Institutionenökonomik:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Segmente der Neuen Institutionenökonomik Quelle: Eigene Abbildung
Die Prinzipal-Agent-Theorie gründet in den Arbeiten (1976) von MICHAEL JENSEN und WILLIAM MECKLING und stellt gegenwärtig einen festen Bestandteil der NIÖ dar. Folglich werden die Grundannahmen kurz skizziert. Zum einen wird innerhalb der NIÖ von der Unterscheidbarkeit einzelner Individuen ausgegangen. Dieses Phänomen wird vor dem Hintergrund der NIÖ methodologischer Individualismus2 genannt. Des Weiteren würde der Einzelne stets persönliche Interessen verfolgen und das Maximum an individueller Nutzenoptimierung anstreben. Daraus resultiert die zweite Annahme, dass dem Individuum ein opportunistisches Verhalten unterstellt wird, um das Vorangegangene zu erreichen. Hierzu besteht stetig die Gefahr, dass Informationen verdeckt, Daten verfälscht oder persönliche Interessen und Ziele verborgen werden. Die letzte Unterstellung sei eine unvollkommene und individuelle Rationalität des Individuums. Nach Auffassung der Ökonomen gilt der Einzelne weder als rational entscheidend noch als vollständig informiert (vgl. Richter/Furubton 2010, S. 3f.).
2.1 Grundlagen
“ Whenever one individual depends on the action of another, an agency relationship arises. The individual taking the action is called the agent. The affected party is the principal ” (Pratt/Zeckenhauser 1985, S. 2)
Das Kernstück der Prinzipal-Agent-Theorie3 ist die Beziehung zwischen zwei Wirtschaftssubjekten: Arbeitgeber (Prinzipal) und Arbeitnehmer (Agent), welche durch eine dynamische, wechselseitige Abhängigkeit gekennzeichnet ist. Ausgehend von individuellen Zielen, Bedürfnissen und Interessen besteht eine stetige Divergenz zwischen den Akteuren (vgl. Ridder 2009, S. 64). Die lokale und personale Zuordnung, wer der Prinzipal und wer der Agent ist, erfolgt jedoch durch die Situations- und Kontextgebundenheit (vgl. Picot et al. 2012, S. 89). Pratt und Zeckenhauser stellen pointiert heraus, dass diese untersuchten Beziehungen zwischen den beteiligten Parteien wesentlich durch eine asymmetrische Informationsverteilung charakterisiert werden. Hierbei hat der Agent einen Informationsvorsprung gegenüber dem Prinzipal. Durch die Auftragserteilung erhält der Agent einen gewissen Handlungsspielraum und Entscheidungskompetenzen. Neben der herausgestellten Informationsasymmetrie stellt Eisenhardt folgendes fest: “ Overall, the domain of agency theory is relationships that mirror the basic agency structure of a principal and an agent who are engaged in cooperative behaviour, but have differing goals and differing attitudes toward risk ”
(Eisenhardt 1989, S. 59). Demnach befasst sich die Theorie mit Kooperationen zwischen Vertragspartnern, welche innerhalb ihrer Beziehung unterschiedliche Ziele und einen individuellen Grad an Risikobereitschaft vertreten.
Da die Prämisse dieses Ansatzes ist, durch optimale Vertragsgestaltung und Anreizsystemem den Agenten dahingehend zu steuern, dass jener im Interesse des
Gesellschaft oder Unternehmen bei den Einstellungen und beim Verhalten von Individuen ansetzen (vgl. (Richter & Furubton, 2010, S. 3).
Prinzipals handelt, stellt der Vertrag die Analyseeinheit dar (vgl. ebd., S. 58). Aufgrund von jenen unterschiedlichen und individuellen Komponenten bedarf es eines gezielten Anreizmechanismus durch den Arbeitgeber, um die asymmetrische Informationsverteilung zu reduzieren. Folglich wurde die Agenturtheorie als zentraler Ansatz für eine Theorie des Führungsverhaltens bezeichnet: “ Agency theory has been described as the central approach to a theory of managerial behavior [ … ]" (Ross 1987 zit. nach Williamson 1996, S. 171).
Es gleicht einer Utopie eine vollständige Konvergenz, einen Zustand von sogenannten First-Best-L ö sungen, in der Realität zu erreichen. Dieser angestrebte Idealzustand wird charakterisiert durch a) die Optimierung der Tauschbeziehung und der Abstimmung innerhalb des Rahmenvertrages, b) einen vollständigen Informationsstand der Akteure, c) Wohlstandsmaximierung beider Wirtschaftssubjekte in Arbeitsteilung und Spezialisierung, sowie d) die Negation von Koordinations- und Motivationsproblemen oder abweichende Interaktionen von dem jeweiligen Vertrag (vgl. Picot et al. 2012, S. 90). Daher werden Second-Best-L ö sungen realisiert, welche von den optimalen Strukturen abweichen. Die jeweilige Konsequenz der divergierenden Lösungen sind die Agency- Kosten, welche sich aus drei Komponenten zusammensetzen: Signalisierungskosten des Agenten (die Gesamtheit aller Anstrengungen die Informationsasymmetrie zu reduzieren) Kontrollkosten des Prinzipal, (die Gesamtheit der Bemühungen den Informationsverlust zu dezimieren) und dem verbleibenen Wohlfahrsverlust (stetige Diskrepanz des Realzustandes von dem gedachten Zustand vollkommener Informationen) (vgl. Jensen/ Meckling 1976 In Picot et al. 2012, S. 91). Schlussendlich entspricht die Zielvorstellung einer möglichst geringen Abweichung von den Fist-Best-Lösungen, um die Agenturkosten minimal zu halten.
Gegenwärtig existieren in der Theorie zwei Richtungen: Zum einen modelliert der normative Ansatz eine mikroökonomische Orientierung des Prinzipal- Agentenverhältnisses mathematisch. Hierbei wird die Einflussnahme von Nebenbedingungen auf die individuelle Nutzenoptimierung untersucht (vgl. Richter/Furubton 2010, S. 176). Zum anderen erfolgen ein primär empirisches, methodologisches Vorgehen und eine weniger formale Darstellung durch den positiven Ansatz der Prinzipal-Agent-Theorie, welcher sich mit der Thematik der Überwachungsund Kautionstechnologie in Form von Verträgen und Organisationen auseinandersetzt (vgl. Jenßen 1983 In Richter/Furubton 2010, S. 176).
Abschließend soll die nachfolgende Abbildung die dargestellten theoretischen Grundlagen in Schlüsselelemente skizzieren:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Elemente der Prinzipal-Agent-Theorie Quelle: Ridder 2009, S. 64.
Das Verhalten der Wirtschaftssubjekte basiert hierbei auf einem unterschiedlichen Informationsstand, Grad der Risikobereitschaft und Interessenverfolgung. Dies beeinflusst maßgeblich die zentralisierte Problematik der Agenturbeziehungen, welche folglich die Vertragsgestaltung lenkt. Demnach wird jene in dem anschließenden Kapitel detailliert aufgezeigt.
2.2 Die Informations- und Kontrollproblematik der Prinzipal-Agenten Beziehung
Im Rahmen der Prinzipal-Agent-Theorie lassen sich grundsätzlich drei Arten asymmetrischer Informationsverteilung differenzieren: Versteckte Eigenschaften, versteckte Handlungen und versteckte Informationen. Stellenweise wird ein weiterer Grund in der Literatur aufgeführt und findet demnach auch in dieser Arbeit Beachtung: verborgene Absichten (hidden intention). Sämtliche Kategorien weisen Differenzierungen im Ursprung und im Zeitpunkt des Informationsdefizits auf, sowie ein spezielles Vertragsproblem, welches sich aus der Informationsasymmetrie zwischen dem Prinzipal und dem Agenten ergibt. Jene werden im folgenden Abschnitt vor dem Hintergrund des Cafeteria-Systems im Unternehmenskontext betrachtet.
Versteckte Eigenschaften (hidden characteristics) stellen einen grundlegenden Informationsmangel des Prinzipals dar und beschreiben unveränderbare (beziehungsweise nicht kostenlos veränderbare) Eigenschaften des Agenten oder der von ihm angebotenen Fähigkeiten, Güter und Dienstleistungen, welche vor dem Prinzipal ex ante verborgen werden, sich aber ex post offenbaren können. Daraus resultiert die Gefahr, dass der Agent seinem Prinzipal ex ante fehlerhafte und unehrliche Tatsachen unterbreiten und somit eine verfälschte Selbstdarstellung liefern kann (vgl. Ridder 2009, S. 65).
[...]
1 Vielfältige Parameter konstruieren ein Cafeteria-System: austauschbare Leistungen, Verrechnungsmodus, Wahlmöglichkeiten, Restsummen, Periodenfixierung, Wahlturnus. (vgl. Dycke/Schulte 1986, S. 580). Aufgrund der Komplexität wird auf eine detaillierte Darstellung der Gestaltungsparameter des Cafeteria-Systems verzichtet.
2 Die Betonung des methodologischen Individualismus liegt in der Annahme, dass die Menschen verschieden sind und demnach unterschiedliche Präferenzen, Ziele, Zwecke und Ideen haben. Folglich müsse die Explikation sozialer Erscheinungen, wie beispielsweise die Interaktionen von Kollektiven wie Staat,
3 Neben der Begrifflichkeit der Prinzipal-Agent-Theorie werden ebenso Synonyme wie Prinzipal-Agent- Ansatz, Agency-Theorie, Agenturtheorie oder Vertretungstheorie in der Literatur verwendet.