Empirische Untersuchungen zur Realisierung des Genitiv Singular in der deutschen Sprache

Mit besonderem Fokus auf dem Diphtong im Auslaut


Hausarbeit (Hauptseminar), 2011

15 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Problematik der Endungsbildung
2.1. Zusammenhang von verbaler Sprache und Orthografie
2.2. Empfehlungen durch orthografische Wörterbücher

3. Die empirische Untersuchungsweise

4. Versuchsdurchführung
4.1. Auswertung Gruppe 1
4.1.1. Erwartungen
4.1.2. Ergebnisse
4.2. Auswertung Gruppe 2
4.2.1. Erwartungen
4.2.2. Ergebnisse
4.3. Auswertung Gruppe 3
4.3.1. Erwartungen
4.3.2. Ergebnisse
4.4. Gruppenvergleich

5. Fazit

6. Quellenangabe

1. Einleitung

Das Kasussystem des Neuhochdeutschen wird von 4 Klassen beherrscht. Diese sind der Nominativ-, der Genitiv-, der Dativ- und der Akkusativfall. Am auffälligsten ist hierbei der Genitiv Singular, da seine Bildung selbst studierten Personen einige Schwierigkeiten be­reitet. In einem Artikel[1] über die telefonische Duden-Sprachberatung ist vermerkt, dass der Service meist für privatberufliche oder kommerzielle Zwecke wie zum Beispiel Quizshows genutzt wird. Die Ratsuchenden sind hierbei hauptsächlich Journalisten, Sekretariatsangestellte sowie Studenten. Täglich zählt die Sprachberatung um die 200 An­rufe, was zeigt, dass die Nachfrage nach korrekter Sprachanwendung sehr groß ist.

Im ersten Moment gehen viele Personen von dem Vorhandensein gewisser Regeln aus, die für seine Bildung gelten. Fragt man sie jedoch nach der Aufzählung einiger dieser Regeln, geraten viele bereits ins Stocken. Es ist nicht leicht, die Regeln für den Genitiv aufzuzeigen. Der für seine grammatischen und lexikalischen Schriften bekannte Germanist Johann Christoph Adelung sprach 1782 sogar von Willkür[2].

Seitdem hat sich zwar Einiges in der Forschung getan, jedoch ist die Nominalflexion für viele Personen immer noch problematisch. Dies kann auch daran liegen, dass der Genitiv (Singular sowie Plural) heutzutage mündlich kaum noch verwendet wird. Viele greifen stattdessen auf die Präpositionalphrase „von“ zurück, welche den Dativ fordert.

Für den Genitiv Singular gibt es sieben Bildungsvarianten:

Die Endung auf –en/-n, –es/-s, -ens/-ns und die endungslose Form.[3] Auf letztere enden alle Femina, allerdings kann diese Variante auch für Maskulina und Neutra verwendet werden.[4]

Die vorliegende Arbeit soll mithilfe einer empirischen Untersuchung der Fragestellung auf den Grund gehen, in welchen Fällen diese einzelnen Endungen für den Genitiv Sin­gular verwendet werden. Da diese Untersuchung im Rahmen einer Hausarbeit durchge­führt wird, liegt der Fokus hierbei auf den Fällen, in denen ein Diphthong im Auslaut steht. Zu Vergleichszwecken werden auch Wörter beachtet, bei denen sich der Diph-thong zwar nicht im Auslaut jedoch unmittelbar davor befindet.

2. Problematik der Endungsbildung

2.1. Zusammenhang von verbaler Sprache und Orthografie

Betrachtet man die orthografische Realisierung eines Wortes, so lassen sich in manchen Fällen bereits hiervon einige Regeln für die lautliche Realisierung ableiten.

Bei Wörtern die ein [e] im Auslaut besitzen, wie „Tee“ oder „See“, ist eindeutig, dass die Endung –es nicht zur Flexion angehängt werden kann. Bei Fällen wie „der Pate“, „der Beamte“ und „die Ente“ lautet das Substantiv auf ein Schwa aus. In diesem Fall ist für die maskuline Form vorgesehen, ein –n anzuhängen, wobei der Feminin-Fall endungslos bleibt. Da das Schriftbild in unserem Empfinden durch ein weiteres angehängtes <e>, wie bei den Wörtern, die auf ein Schwa enden, ruiniert wäre, ist die Endung –es hierbei ausgeschlossen.

Ähnlich verhält es sich mit Wörtern die auf den alveolaren Frikativ [s], den ebenfalls alveolaren Plosiv [ts] oder den post-alveolaren Frikativ [ʃ] enden. Beispiele hierfür sind „Bass“, „Latz“ und „Tisch“. In allen diesen Fällen wäre mit der Endung –s nicht nur das Schriftbild ruiniert, sondern auch die Artikulation erschwert, da der Übergang vom einen zum anderen Laut ein Hindernis darstellen würde. Hierbei wird das E-Schwa als Hilfe angewandt.

Bei Wörtern, die einen auf Diphthong enden, um die es in dieser Arbeit vorrangig gehen soll, ist die Abgrenzung etwas schwieriger. Dies lässt sich am Beispiel „Bau“ verdeutlichen. Ohne Zweifel wird die Endung –s akzeptiert, jedoch würde es für einige Personen ebenfalls kein Problem darstellen, den Genitiv „des Baues“ zu akzeptieren. Ob hierbei von den Versuchspersonen ebenfalls unterschiedliche Versionen akzeptiert werden, wird sich im Anschluss zeigen.

2.2. Empfehlungen durch orthografische Wörterbücher

Besonders interessant ist, dass die Empfehlungen für die Genitiv-Bildung in verschiedenen orthografischen Wörterbüchern oft voneinander abweichen. Selbst die Angaben in der aktuellen Handausgabe des Dudens[5] und jene auf der Homepage des Dudenverlages[6] weichen voneinander ab. Bei den Wörtern um die es im Folgenden gehen soll, fallen einige Unterschiede auf.

Während zum Beispiel die Handausgabe des Dudens und das Online-Wörterbuch des Pons-Verlages[7] für das Wort „Blau“ nur die Endung mit –s erlauben, ist es laut www.duden.de auch möglich, die endungslose Form zu wählen.

Im Online-Wörterbuch von Pons sowie in der Handausgabe des Dudens ist das Substantiv „Klau“ nicht erfasst; im Duden-Online-Wörterbuch hingegen ist der Genitiv mit der Endung –s angegeben. Auf www.pons.de sind die Wörter „Mau-Mau“ und „Koi“ nicht erfasst, während letzteres in beiden Duden-Quellen mit –s und „Mau-Mau“ mit –s beziehungsweise der endungslosen Variante angegeben ist. Die Handausgabe des Dudens geht generell nicht auf Komposita ein, während www.duden.de für „Hochhaus“ sowie für „Haus“ die Endung –es angibt. Pons gibt dieselbe Empfehlung für „Haus“; „Hochhaus“ ist dort allerdings ebenfalls nicht erfasst.

Hieran lässt sich verdeutlichen wie impulsiv die deutsche Sprache sein kann, da sich innerhalb kürzester Zeit neue Studien darüber ergeben, wie sie am besten anzuwenden ist, bzw. angewendet wird. Interessant ist außerdem, dass „Pfau“ und „Mai“ in allen drei Quellen mit der -[e]s Endung und der Anmerkung angegeben ist, dass die Endung –en bei „Pfau“ regional sowie österreichisch und bei „Mai“ dichterisch ebenfalls möglich ist.

Auffällig ist im Rahmen der folgenden Untersuchung auch, dass zum Beispiel für das Wort „Tau“ als Niederschlagsform sowie als Synonym für „Seil“ in allen drei Wörterbüchern die Möglichkeiten angegeben sind, den Genitiv mit –es oder –s zu bilden. Folglich werden in orthografischen Wörterbüchern hierbei keine zwingenden Unterscheidungen bezüglich des Genitivs vorgegeben.

3. Die empirische Untersuchungsweise

Zunächst wurde eine Reihe von Substantiven gesucht, die für die Untersuchung infrage kommen. Der Fokus lag hierbei auf den Wörtern die auf einen Diphthong enden. Da es Einzelfälle gab, in denen das Wort im Genitiv einem anderen Wort im Nominativ glich, wie zum Beispiel „Ei“ und „Eis“, wurden zu Vergleichzwecken auch jene Wörter herangezogen. Die gefundenen Wörter wurden anschließend hinsichtlich ihrer proso-dischen Struktur in drei verschiedene Gruppen (s. Tab. 1) eingeteilt:

1. starke einsilbige Substantive
2. Substantive mit jambischer Struktur
3. Substantive mit trochäischer Struktur

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 1: Gruppenzuordnung

Innerhalb dieser Gruppen wurden die Wörter nach Wortbildungsprozess eingeteilt und danach unterschieden, ob sich der Diphthong im Auslaut oder unmittelbar davor befindet. Auch wurde darauf geachtet, komplexe Komposita wie „Schwefelsäuregebräu“ und „Britische-Kronjuwelen-Klau“ mit einzubeziehen, um zu beobachten inwiefern die Länge des Wortes eine Rolle in Bezug auf die Wahl des Genitivs spielt. Für die Untersuchung wurde ein Fragebogen erstellt.

In der ersten Aufgabe sollten die Probanden das jeweilige Wort anhand von Bildern erkennen und dessen Genitiv in einem vorgegeben Kontext verbal bilden (s. Abb. 1). Währenddessen wurden sie mithilfe eines Tonaufnahmegeräts aufgenommen. Diese Aufgabe diente der Untersuchung in wie weit das Schriftbild den Probanden beeinflusst bzw. ob es einen Unterschied macht, ob das Wort schriftlich oder bildlich zugrunde liegt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Aufgabe 1 des Fragebogens

In der zweiten Aufgabe galt es, einen Lückentext (s. Abb. 2)[8] zu füllen, der aus 32 voneinander unabhängigen Sätzen bestand. Die Lücke war mit dem vorgegebenen Substantiv im jeweiligen Genitiv zu füllen. Hierbei wurde beobachtet, ob der Kontext die Bildung des Genitivs beeinflusst.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Auszug aus Aufgabe 2 des Fragebogens

Für die folgende Untersuchung wurden 21 Personen im Alter von 20-25 aus Nordrhein-Westfalen ausgewählt, um mögliche Unterschiede aufgrund des Alters oder der Herkunft zu minimieren.

[...]


[1] http://www.uebersetzerportal.de/nachrichten/n-archiv/2004/2004-04/2004-04-06.htm

[2] Adelung, Johann Christoph. Umständliches Lehrgebäude der deutschen Sprache 1782: 397

[3] Kohrt, Manfred. Realisierungsvarianten des Genitiv Singular […]: 127

[4] Duden. Die Grammatik. Unentbehrlich für richtiges Deutsch. 2009: 195

[5] Duden. Die deutsche Rechtschreibung. (2009)

[6] www.duden.de

[7] www.pons.de

[8] vgl. Anlage A2

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Empirische Untersuchungen zur Realisierung des Genitiv Singular in der deutschen Sprache
Untertitel
Mit besonderem Fokus auf dem Diphtong im Auslaut
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn  (Germanistik)
Veranstaltung
Linguistik der Zweifelsfälle
Note
2,7
Autor
Jahr
2011
Seiten
15
Katalognummer
V270950
ISBN (eBook)
9783656658016
ISBN (Buch)
9783656658023
Dateigröße
840 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
empirische, untersuchungen, realisierung, genitiv, singular, sprache, fokus, diphtong, auslaut
Arbeit zitieren
Sabrina Talbot (Autor:in), 2011, Empirische Untersuchungen zur Realisierung des Genitiv Singular in der deutschen Sprache, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/270950

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