Der Boxeraufstand 1900 in China


Hausarbeit, 2004

24 Seiten, Note: 24


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Annexionen der europäischen imperialistischen Mächte in China

Die Verbreitung des westlichen Glaubens durch Missionen

Interne Schwierigkeiten

Entstehung der Boxerbewegung

Die Vorgehensweise der Boxer

Hilfsexpedition nach Peking

Die Inbesitznahme der Taku-Forts

Schlechter Informationsaustausch

Zunahme der Aktivitäten der Boxer in den Gesandtschaften

Die Aufrüstung der Gesandtschaften

Die Ermordung des deutschen Gesandten von Ketteler

Die Belagerung

Der Waffenstillstand

Vormarsch der Befreiungstruppen

Die Befreiung

Resümee der Boxerbewegung

Anhang

Literaturverzeichnis

Der Boxeraufstand 1900

Einleitung

Der Boxeraufstand, die Belagerung des Gesandtschaftsviertels in Peking und die darauf folgende Entsendung europäischer Truppen nach China sind in der Kolonialpolitik Europas zwar nur ein Kapitel unter vielen, in der chinesischen Geschichte spielen diese Vorkommnisse jedoch eine sehr viel größere Rolle. An ihm und seiner Niederschlagung hängen nationaler Stolz und Schande, Fremdenangst und Fremdenhass. Kaum ein anderes Ereignis hat das chinesische Selbstverständnis in diesem Jahrhundert derart geprägt. Im Boxeraufstand manifestierten sich die Schwäche und Korruptheit der kaiserlichen Regierung der Mandschu-Dynastie, das rücksichtslose Auftreten der Kolonialisten und der christlichen Missionare; er zeigt die ohnmächtige Wut der Bevölkerung und die daraus entstehende naive Kampfbereitschaft der Boxer, und er brachte die tiefe Demütigung nach dem Fehlschlag des Aufstandes.

Zu Beginn werde ich mich mit der Multikausalität des Boxeraufstandes auseinanderzusetzen, anschließend werde ich ausführlich auf den Verlauf eingehen und abschließend die Folgen für China erörtern.

Annexionen der europäischen imperialistischen Mächte in China

In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts rückte China in den Fokus des kolonialpolitischen Interesses der imperialistischen Mächte. Chinas Souveränität wurde durch unzählige Annexionen vor allem der europäischen Mächte, wie Großbritannien, Russland und Frankreich, verletzt. Zusätzlich beseitigte Chinas Niederlage im Chinesisch-Japanischen Krieg von 1894/95 die restlichen Hemmungen der imperialistischen Mächte und es entbrannte ein wahrer Wettstreit um die Aufteilung Chinas (vgl. Abb.1).

Eine territoriale Inbesitznahme war in diesem Land aber nicht ohne weiteres möglich. Dies lag zum einen daran, dass die Macht und somit auch die Rivalität der Großmächte konstant zunahmen und somit mehrere Ansprüche auf das chinesische Territorium bestanden. Zum anderen konnte der bereits bestehende Staat China nicht ohne Probleme in die zu errichtenden Herrschaftssysteme eingegliedert werden, da die Lebensweise beispielsweise in Traditionen und Religion sehr von der europäischen differierte. Aus diesem Grund wurden so genannte Interessenzonen gebildet, die quasi den Zugang zu deren Hinterland bilden sollten.

Auch das deutsche Reich wollte sich an dieser Aufteilung Chinas beteiligen. Nachdem die katholischen Missionare Nies und Henle 1897 in China ermordet wurden, gab Kaiser Wilhelm II. den Befehl zur sofortigen Besetzung der Kiautschou (Jiaozhou)-Bucht. Diese Aktion war keinesfalls eine spontane Reaktion auf die Ermordung der Deutschen, sondern nur der offizielle Vorwand eines über Jahre sorgfältig vorbereiteten Unternehmens. Das deutsche Reich erreichte die Verpachtung von Kiautschou (Jiaozhou) und der Stadt Tsingtau (Quingdao) für 99 Jahre, eine Entschädigung für die zwei Mordopfer, dazu ausgedehnte Eisenbahn- und Bergwerkskonzessionen in Schantung (Shandong).

Dieser Einstieg Deutschlands lieferte für die stärksten Rivalen um den chinesischen Boden Russland, Großbritannien, Frankreich und Japan den Anlass, China noch weiter zu zerstückeln und dort Interessensphären zu bilden. Die chinesische Regierung, die Mandschu-Dynastie unter dem Oberhaupt der Kaiserin-Witwe Ts’e-hi (Chixi), konnte auf Grund ihrer fortwährenden Schwächung diesen Annexionen nur noch tatenlos zustimmen.

Die Verbreitung des westlichen Glaubens durch Missionen

Mit den machtpolitischen Ambitionen der westlichen Imperialmächte, das autarke China dem Handel aufzuschließen, begann für China eine Epoche der Mission. Wie schon erwähnt, sollten Interessenzonen den Zugang zum Hinterland eröffnen, da man versuchen musste, das chinesische Volk vor allem zum christlichen Glauben zu bekehren. Aus diesem Grund wurden Missionare entsandt. Diese zeigten allerdings bei ihrem Vorgehen wenig Gespür für die religiös-kulturellen und politisch-sozialen Strukturen Chinas. Die meisten Missionare kannten weder die chinesische Sprache noch die chinesischen Bräuche, die oftmals als Ausdruck heidnischer Lebensgewohnheiten betrachtet wurden. Andere Schwierigkeiten entstanden durch das Bedürfnis der Missionen nach Grund und Boden, um Häuser, Kirchen und Kapellen bauen zu können. Ein Anrecht auf Landerwerb wurde ihnen durch verschiedene Verträge zugesichert, die besagten, dass nach Belieben Gebäude auf dem erworbenen Land errichtet werden dürften. Diese christlichen Bauten beunruhigten jedoch die Menschen und wurden als Verletzung des Naturreiches und als Belästigung der „feng-shui“, für den chinesischen Glauben außerordentlich wichtige Geister, angesehen.

Mit dem allmählichen Übertritt einiger chinesischer Bürger zum christlichen Glauben nahmen die Gegensätze innerhalb der Bevölkerung in den Gemeinden zu. Denn je mehr Christen in einem Dorf lebten, desto mehr musste jeder andere Dorfbewohner in die gemeinsame Kasse bezahlen, aus der die Zeremonien des taoistischen Kultes finanziert wurden.

Diese Differenzen waren zwar nicht ausschlaggebend, trugen aber unter anderem auch dazu bei, dass ein fremdenfeindliches Bild in China entstand. Als die Mächte ihre Aggressionen fortsetzten und immer mehr Vertragshäfen und Konzessionen an den Küsten entstanden, begann man in China in steigendem Maße, die Fremden im Innern mit dem Hereinströmen des Meeres zu vergleichen (vgl. Fleming 1997).

Interne Schwierigkeiten

Der außenpolitische Kontext ergibt somit ein gewichtiges Erklärungsmoment für die Analyse des Gesamtkomplexes, der der Boxererhebung zu Grunde liegt. Ein ebenso beachtlicher Stellenwert kommt allerdings den internen Schwierigkeiten Chinas, ausgelöst durch verschiedene Reformen von 1898, zu. Die Reformer hatten beabsichtigt, China nach dem Vorbild Japans schrittweise zu verändern. China sollte nach dieser Idee westlichen Charakter annehmen, was die militanten Altkonservativen unter der Führung der Kaiserin-Witwe Ts’e-hi, die in der Lockerung und Aufgabe des alten Glaubens- und Traditionsgutes eine Untergrabung ihrer zugleich politischen und sozialen Monopolstellung sah, verbitterte. Ihre Opposition und Feindschaft richtete sich zwar grundsätzlich gegen jeden fremden Einfluss, zielte aber vornehmlich auf die Missionare und das Christentum als den ideologischen Gegnern ab.

Neben den genannten außen- und innenpolitischen Gründen vollzogen sich auch sozioökonomische und soziokulturelle Veränderungen in China, die für das Zustandekommen des Fremdenhasses von nicht zu unterschätzender Bedeutung waren. In allen Provinzen wuchs die Bevölkerung vehement, was sich für die Menschen vor allem in Form von verheerenden Dürre- und Hungerskatstrophen negativ bemerkbar machte.

Auch wirtschaftliche Verschlechterungen stellten sich auf Grund der übermäßigen Importe durch die westlichen Mächte ein, da diese eine Eigenproduktion teilweise überflüssig beziehungsweise nicht absetztbar machten.

Ein weiterer Anstoßpunkt für die Bevölkerung waren Neuerungen wie zum Beispiel der Bau einer Eisenbahnlinie oder die Öffnung einer Bergbaumine. Die Chinesen befürchteten eine Störung der Götter und Geister und machten aus diesem Grund die Fremden verantwortlich für alle Veränderungen, die mit sozialer oder wirtschaftlicher Not einhergingen.

Entstehung der Boxerbewegung

Vor allem die genannten Tatsachen, die außenpolitische Bedrohung des Landes, die innenpolitischen Missstände und die sozioökonomischen und soziokulturellen Veränderungen in China, waren die Auslöser für Unruhen und Unzufriedenheit im Lande, die sich schließlich in einem Zusammenschluss der Rebellen als „Boxerbewegung“ äußerten. Sie konnte anfangs als eine primitive Rebellion auf Grund rein wirtschaftlicher Not bezeichnet werden, wuchs allerdings schnell an zu einer primär aus Fremden- und Christenfeindlichkeit geprägten Abwehrbewegung (vgl. Kuß 2002).

Die Boxer, von den Missionaren wegen der Kampf- und Meditationstechnik des Schattenboxens so genannt, erhielt seit ihrer ersten Erhebung im Jahre 1896 großen Zulauf aus den verarmten bäuerlichen Massen. Das Schattenboxen hatte für die Boxer eine doppelte Funktion: zum einen die geistige Besinnung und zum anderen die körperliche Ertüchtigung. Der Glaube an die Unverwundbarkeit wurde in Tranceritualen gewonnen und in der Zurschaustellung übernatürlicher Kräfte und Todesmutes demonstriert. Der furchterregende äußere Aufzug der meist jungen Bauernsöhne mit roten und gelben Tüchern sowie einem blutgetränkten Turban, ihre Bewaffnung aus Zweihand-Schwertern, Speeren und Lanzen und nicht zuletzt ihre Spruchbänder versetzten die einheimische Bevölkerung und die Fremden in Angst und Schrecken.

Was ursprünglich als bäuerliche Rebellenbewegung gegen die Fremdherrschaft der Mandschu begonnen hatte, wurde nunmehr zu einer fremdenfeindlichen Massenbewegung, die teilweise von den traditionellen Eliten auf lokaler wie auf Regierungsebene im Kampf gegen die westlichen Eindringlinge instrumentalisiert wurde. Provinzgouverneure und lokale Beamte bedienten sich der Boxer um die fremde Einflussnahme zurückzudrängen.

Die chinesische Führung war in der Einschätzung der Boxerbewegung gespalten. Traditionalistische Kreise in der Beamtenschaft sahen in den Boxern ein Potenzial der Unzufriedenheit, das sich politisch und militärisch gegen die Fremdherrschaft nutzen ließ. Die Eingliederung der Boxerverbände in lokale Milizen beziehungsweise im Juni 1900 sogar in die Armee bezweckte diese Indienstnahme für die amtliche Politik Chinas. Westlichen Neuerungen eher aufgeschlossene Beamte sahen in den Boxern undisziplinierte Rebellenhaufen, die es zu bekämpfen gelte. Schon wegen ihrer Bewaffnung und ihrer Rituale unbrauchbar für jede militärische Auseinandersetzung mit westlichen Truppen, schienen die Boxer auch die innere traditionelle Ordnung Chinas zu gefährden und die Fremden weiter zu provozieren. Der Kaiserhof, vorab die Regentin Ts’e-hi, stand zwischen beiden Lagern und neigte, je nach Dominanz einer Gruppierung bei Hofe, mal der einen, mal der anderen Seite zu.

Im Grunde kam die Boxerbewegung dem Kaiserhof jedoch nicht ungelegen. Die Boxer waren eine Unmenge an kampfeslustigen und begeisterungsfähigen Männern, denen überdies hinaus noch magische Kräfte nachgesagt wurden, die ihnen Unverwundbarkeit in der Schlacht sichern sollten. Ein weiterer Grund, warum die Boxerbewegung von der Kaiserin entgegen dem Verlangen der europäischen Gesandten nicht unterbunden wurde, war wohl der Vorzug, dass sie nichts kostete und somit die Staatskasse nicht für den Krieg aufkommen musste. Da kein ernsthafter Versuch gemacht wurde, den Boxeraufstand zu unterdrücken oder zu kontrollieren, breitete er sich in knapp zwei Jahren quer über China aus; im Mai 1900 schließlich erreichten die Boxer Peking.

Die Vorgehensweise der Boxer

Die Boxer begannen ihren Kampf gegen die Christen zuerst mit Plünderungen bei den bekehrten Chinesen. Es folgten Brandstiftungen und schließlich Morde, nachdem die Opfer gefoltert wurden. Am 31. Dezember 1899 töteten sie den ersten ausländischen Missionar, einen jungen Engländer namens Brooks. Seine Mörder wurden verhaftet und in Gegenwart der britischen Konsularbeamten verhört und hingerichtet.

Die Lage verschärfte sich von Tag zu Tag. Die Boxer ermordeten die Christen und brannten ihre Kirchen und Kapellen nieder, wobei ihr Einfluss über das Land stetig wuchs. Sie nahmen nicht nur Banditen oder Überläufer auf, sondern gewannen auch einflussreiche Anhänger unter den Beamten. Schließlich erschien am 11. Januar 1900 ein Edikt der Kaiserin-Witwe, indem man zwischen den Zeilen lesen konnte, dass sie entschlossen war, den Boxern freie Hand zu lassen. Am 17. April des Jahres erneuerte ein weiteres doppeldeutiges Edikt der Kaiserin-Witwe den Freibrief, den man den Rebellen zuvor gegeben hatte.

Auf Grund der Duldung der chinesischen Regierung konnte dem Treiben der Boxer vorerst kein Einhalt geboten werden. Durch diese große Bedrohung flohen somit mehr und mehr Missionare nach Peking, oft zusammen mit einer großen Anzahl bekehrter Chinesen.

Somit wurde Peking zu einem Zufluchtsort all derer, denen die Abneigung der Boxer ganz im speziellen galt. Das Risiko von Übergriffen war in der Hauptstadt besonders groß.

[...]

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Der Boxeraufstand 1900 in China
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Seminar für Didaktik der Geschichte)
Veranstaltung
Das deutsche Reich als Kolonialmacht
Note
24
Autor
Jahr
2004
Seiten
24
Katalognummer
V27132
ISBN (eBook)
9783638292573
Dateigröße
1958 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Boxeraufstand, China, Reich, Kolonialmacht
Arbeit zitieren
Maike Wörsching (Autor:in), 2004, Der Boxeraufstand 1900 in China, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/27132

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