Das klassische Konzert zwischen Tradition und Moderne

Entwicklung und Wandel in der gegenwärtigen Aufführungskultur


Hausarbeit, 2011

12 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


I. Zielsetzung der Arbeit und Erläuterung des inhaltlichen Aufbaus

In der folgenden Arbeit möchte ich mich mit der gegenwärtigen Situation der musikalischen Aufführungskultur in Deutschland beschäftigen und mögliche Tendenzen, Anforderungen und Perspektiven aufzeigen, denen das moderne Veranstaltungs- und Konzertgewerbe künftig gegenübersteht. Dabei bildet der Sektor der ernsthaften Musik den thematischen Schwerpunkt. An erster Stelle erfolgt eine Übersicht auf die Geschichte der Aufführungsrahmung, die vergangenen dominanten Konzertriten und die räumliche Gestaltung der Aufführungsstätte. Daraufhin werde ich einen Einblick in die Gfk-Studie von 2008 geben, in denen das Konsumverhalten von Veranstaltungsbesuchern im Mittelpunkt steht, sowie Chancen und Risiken der Publikumsgenerierung im zeitnahen gesellschaftlichen Kontext aufzeigen. Anschließend werde ich am Beispiel des Konzepts der Yellow Lounge eine wirkungsvolle Alternative zur musikalischen Vermittlung und Rezeption vorstellen.

Das Ende der Arbeit werde ich mit einer kritischen Stellungnahme ergänzen, in der ich meinen persönlichen Standpunkt zur zukünftigen Entwicklung aufzeige.

II. Raum und Zeremoniell: Ein zeithistorischer Überblick

Der Raum der Musikaufführung sollte auch immer als Ort der musikalischen Vermittlung verstanden werden. Dabei ist es nicht so sehr der geografische oder infrastrukturelle Standortfaktor, der aktuellen Diskussionsstoff für viele Kulturbetriebe liefert. Der thematische Schwerpunkt liegt vielmehr in der räumlichen Konzeption und der sich daraus ergebenden Wirkung auf das Konzertpublikum.

Solche Betrachtungsweisen stehen dann in Bezug auf die Entwicklung und Veränderung von Innenarchitektur, Design, Akustik, Ton- und Lichtgestaltung, Möglichkeiten der gesellschaftlichen Interaktion, sowie das Zusammenwirken von Künstler und Publikum.[1]

Ab ca. 1620 stellte die Collegia Musica einen Treffpunkt für vornehmlich männliche Bürger und Studenten dar, um Konversation zu pflegen und gemeinsame Musik zu schaffen.

In England hielt man ähnliche Zusammenkünfte, die wiederum als music meetings und consorts of music bekannt waren.

Ab dem 17. Jahrhundert etablierten sich die sogenannte Musick roomes, welche zentral mit einem erhöhten Musiziertisch ausgestattet waren, ein Prototyp der und heutzutage bekannten Bühne. Dadurch wurde die Beachtung und Fokussierung durch das Publikum verschärft und die Autorität der Musikschaffenden über den Einfluss der Veranstaltungsrahmung gestellt.[2] Das Konzept der Musikperformance inmitten des Zuschauerraums zeigt sich auch in der 1963 eröffneten Philharmonie in Berlin.

Sie besitzt den ersten Konzertsaal mit einer bewusst arrangierten Zentralbühne.

Die musikalische Darbietung erstrahlt also von einem Podium im Zentrum der Spielstätte aus, Bühnenbereich und Auditorium verschmelzen miteinander. Durch die 360-Grad-Anordnung, terrassenartig erhöht oder auf eine Ebene verteilt, ergibt sich ein intensiverer Moment der musikalischen Rezeption. Die umschießende Verdichtung des Publikums führt zu einer intimen Wahrnehmung und einem verstärkten Gefühl von Gemeinschaft und Vereinigung. Künstler und Komponisten treten unmittelbar in Kontakt.[3]

Im 18. Jahrhundert wurden immer mehr Konzertsäle mit Hinblick auf Funktionalität und gesellschaftlichen Status errichtet.

Das Interesse an Konzertsälen, mit bis zu 600 Sitzplätzen nahm in Städten mit großer Bevölkerungsdichte stetig zu, wodurch auch das Abonnementkonzert an Popularität gewann. Weiterhin entstanden kleinere und gehobene Musiksäle, solche, die der „Gemeinde der Kenner und Liebhaber“ vorbehalten waren, beispielsweise zur Darbietung von Kammermusik.[4] Mit steigenden Publikumszahlen setze man auch die Konzerträume zunehmend exklusiver und prunkvoller in Szene. Als städtischer Mittelpunkt zogen sie bald das öffentliche Interesse auf sich. Zudem erweiterten sich die akustischen Möglichkeiten, wodurch ein enormer Anstieg der ästhetischen Qualität zu verbuchen war und zu einer neuen, verbesserten Hörpraxis führte.[5]

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der klassische Konzertsaal „immer de-aristokratisierter, ent-sakralisierter und verbürgerlichter“[6].

In dieser gravierenden Veränderung spiegelt sich auch das zunehmende Bestreben des Bürgertums nach Autonomie gegenüber Kirche und Aristokratie wider.

Dieses Phänomen kann als „bürgerliche Sakralisierung“[7] umschrieben werden und erscheint in gewisser Weise Paradox. Einerseits existierte der Wunsch nach Unterhaltung und Zeitvertreib, andererseits dominierte im gehobenen Bürgertum fortwährend das Gebot der Musik mit würdevoller Hingabe und aufrechter Ehrfurcht zu begegnen.

Die ‚Verbürgerlichung‘, welche auch mit zunehmender Professionalisierung einherging, brachte letztendlich neue Sanktionen, Gebote und Rituale mit sich.

Zum Ende des 19. Jahrhunderts dominierten allgemeingültige Verhaltensvorschriften und Richtlinien innerhalb des Aufführungskanons. Die Norm forderte die mentale Abkehr von Umgebungsreizen, die den ästhetischen Genuss der Musik bagatellisieren könnten und adäquate Umgangsformen, welche die Aufmerksamkeit auf die musikalische Darbietung konzentrierten. Das typische Regelwerk sah festliche Kleidung vor. Die physische Gebundenheit an einen festen Sitzplatz, die psychische Fixierung auf den rein musikalischen Moment und das sittsame Sprechverbot beeinträchtigten den offenen Austausch und das gesellschaftliche Beisammensein.

Der Aufführungsraum wurde abgedunkelt, das Orchester agierte verborgen vor dem Blickfeld des Publikums und der Beifall erfolgte erst nach Verstummen des Werkes.[8]

Missfallende Äußerungen und Verhaltensweisen abseits des Aufführungskodex wurden nicht geduldet.[9] Konzertvereine, Abonnementreihen, Feste und Bälle galten rasch als sozialer Ort der gemeinschaftlichen Identitätsfindung im Wunsch des Einzelnen nach Teilhabe und dem Bedürfnis nach Austausch innerhalb eines gruppenspezifischen Kunstverständnisses.[10] Erst mit dem Aufkommen und einer Fundamentierung der Neuen Musik geriet der durchkalkulierte und disziplinierte Ritus des klassischen Konzertwesens ins Wanken.

Es entwickelten sich bewusste Varianten zu den Prototypen und Institutionen des bürgerlichen Konzerts.[11]

III. Die aktuelle Lage des musikalischen Veranstaltungswesens – Zahlen und Fakten in Bezug auf den Musikrezeption und Konsumverhalten

Die kommerzielle Welle der modernen Musikgesellschaft, welche ein breites Spektrum an Freizeit- und Unterhaltungsangeboten hervorbringt, verändert auch den Anspruch und die Nachfrage von Kulturkonsumenten zur Gestaltung des Privatlebens.

Opulente Leistungen mit spezifischer Ausrichtung auf Musrichtungen, Spielstätten und Veranstaltungsarten, offeriert für verschiedenste Zielgruppen, sorgen bei dem Publikum für eine kritische und verfeinerte Auswahl bei dem Besuch eines musikalischen Ereignisses.

Im wirtschaftlichen Wettbewerb bieten sich zahlreiche Optionen für den freizeitliebenden Konsumenten an. Die übermäßige Fülle an ‚Gelegenheiten‘ innerhalb der Veranstaltungswirtschaft führt zu erhöhten Erwartungshaltungen seitens der Kulturnutzer und zu vermehrten Unbehagen im Bereich des klassischen Konzertlebens.[12] Weiterhin steht immer häufiger der Generationenkonflikt zur Debatte, welcher die Gefahr eines überalterten Musikpublikums beinhaltet und den Verlust junger Zielgruppen beklagt. Die GfK-Studie von 2008 beschäftigt sich mit dem Konsumverhalten von Konzert- und Veranstaltungsbesuchern und gibt einen Einblick zum derzeitigen Stand von Publikumspotenzialen, Besucherorientierungen und Altersspektren im Veranstaltungsbereich.

[...]


[1] Vgl. Tröndle, Martin (Hg.): Das Konzert. Neue Aufführungskonzepte für eine klassische Form, Bielefeld 2009, S. 156.

[2] Vgl. ebd., S. 27f.

[3] Vgl. Theede, Michael: Management und Marketing von Konzerthäusern. Die Bedeutung des innovativen Faktors, Frankfurt am Main 2007, S. 76.

[4] Vgl. Tröndle, S. 27f.

[5] Vgl. ebd., S. 29.

[6] Tröndle, S. 157.

[7] Ebd.

[8] Vgl. ebd., S. 31f.

[9] Vgl. ebd., S. 157.

[10] Vgl. ebd., S. 32.

[11] Vgl. ebd., S 158.

[12] Vgl. Theede, S. 36f.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Das klassische Konzert zwischen Tradition und Moderne
Untertitel
Entwicklung und Wandel in der gegenwärtigen Aufführungskultur
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Musikwissenschaftliches Institut)
Veranstaltung
Musikalische Institutionen
Note
1,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
12
Katalognummer
V271346
ISBN (eBook)
9783656633723
ISBN (Buch)
9783656633693
Dateigröße
409 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
konzert, tradition, moderne, entwicklung, wandel, aufführungskultur
Arbeit zitieren
Sabine Wollmann (Autor:in), 2011, Das klassische Konzert zwischen Tradition und Moderne, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/271346

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Titel: Das klassische Konzert zwischen Tradition und Moderne



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