„Um befreundete Staaten zu entlasten, habe man sich entschlossen, die Grenzübergänge zur BRD und nach Westberlin zu öffnen“. Sekundenlang fassungslose Stille. Dann die Frage eines Reporters: „Ab wann?“ Günther Schabowski sieht auf seinen Zettel, zuckt mit den schultern und erwidert: „Alsowenn ich richtig informiert bin - dann gilt diese Regelung sofort - unmittelbar“. Diese Worte auf einer Pressekonferenz am 9. November 1989 waren sowohl Stein des Anstoßes als auch der Tropfen, der ein Fass zum überlaufen brachte. Sie brachten einen Vorgang ins Rollen, der die bisherige Mächteverteilung der damaligen Welt erschütterte und Europa nachhaltig veränderte. Ausgehend von diesem Tag entwickelte sich ein Prozess, der schließlich zur Einheit und zur Wiedererlangung der vollen Souveränität Deutschlands führte. Allerdings hätte dieser Prozess nie ohne Beteiligung der vier Siegermächte des Zweiten Weltkrieges, insbesondere a ber ohne die USA und die Sowjetunion stattfinden können. Daher behandle ich in meiner Hausarbeit gerade das Handeln dieser, zur damaligen Zeit beiden Weltmächte, die als die jeweiligen Schutzmächte der beiden deutschen Staaten maßgeblichen Einfluss besaßen. Natürlich waren auch Frankreich und Großbritannien Siegermächte und verantwortlich für die damalige BRD, allerdings werden sie hier nur am Rande erwähnt, um den Rahmen der Hausarbeit nicht zu sprengen.
Beginnen werde ich mit einem kurzen geschichtlichen Überblick, um vor allem die Ereignisse vor dem 9. November hervorzuheben, ohne die es nie soweit gekommen wäre. Dann werde ich zuerst die Deutschlandpolitik der USA behandeln, gefolgt von der der Sowjetunion, um anschließend ihr Handeln im Prozess des „2+4“- Vertrages zu vergleichen und zu analysieren.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Vorgeschichte der deutschen Einheit
3. Die USA und die Wiedervereinigung
3.1 Der Wandel der US – Deutschlandpolitik vor 1989
3.2 Der Fall der Mauer und US-Vorstellungen zur Einheit
4. Die Sowjetunion und die Wiedervereinigung
4.1 Von Stalin zu Perestroika und Glasnost
4.2 Die Reformen innerhalb der Sowjetunion 1989/90
4.3 Moskaus Reaktionen auf die Einheit
5. Die Verhandlungen des „2+4“ – Vertrages
6. Fazit
6.1 Männerfreundschaften in der Politik
6.2 Eine einmalige Chance?
7. Bibliographie
1. Einleitung
„Um befreundete Staaten zu entlasten, habe man sich entschlossen, die Grenzübergänge zur BRD und nach Westberlin zu öffnen“. Sekundenlang fassungslose Stille. Dann die Frage eines Reporters: „Ab wann? “ Günther Schabowski sieht auf seinen Zettel, zuckt mit den schultern und erwidert: „Also – wenn ich richtig informiert bin – dann gilt diese Regelung sofort – unmittelbar“.
Diese Worte auf einer Pressekonferenz am 9. November 1989 waren sowohl Stein des Anstoßes als auch der Tropfen, der ein Fass zum überlaufen brachte. Sie brachten einen Vorgang ins Rollen, der die bisherige Mächteverteilung der damaligen Welt erschütterte und Europa nachhaltig veränderte.
Ausgehend von diesem Tag entwickelte sich ein Prozess, der schließlich zur Einheit und zur Wiedererlangung der vollen Souveränität Deutschlands führte. Allerdings hätte dieser Prozess nie ohne Beteiligung der vier Siegermächte des Zweiten Weltkrieges, insbesondere aber ohne die USA und die Sowjetunion stattfinden können. Daher behandle ich in meiner Hausarbeit gerade das Handeln dieser, zur damaligen Zeit beiden Weltmächte, die als die jeweiligen Schutzmächte der beiden deutschen Staaten maßgeblichen Einfluss besaßen. Natürlich waren auch Frankreich und Großbritannien Siegermächte und verantwortlich für die damalige BRD, allerdings werden sie hier nur am Rande erwähnt, um den Rahmen der Hausarbeit nicht zu sprengen.
Beginnen werde ich mit einem kurzen geschichtlichen Überblick, um vor allem die Ereignisse vor dem 9. November hervorzuheben, ohne die es nie soweit gekommen wäre. Dann werde ich zuerst die Deutschlandpolitik der USA behandeln, gefolgt von der der Sowjetunion, um anschließend ihr Handeln im Prozess des „2+4“- Vertrages zu vergleichen und zu analysieren.
2. Die Vorgeschichte der deutschen Einheit
Deutschland wird, nachdem es den Zweiten Weltkrieg verloren hatte, unter den vier Siegermächten Russland, Großbritannien, Frankreich und den USA aufgeteilt. Allerdings entwickeln sich deren Ansichten über einen deutschen Staat soweit auseinander, dass 1949 zwei deutsche Staaten entstehen, die Bundesrepublik Deutschland (BRD) auf dem Besatzungsgebiet Frankreichs, Großbritanniens und der USA, und die Deutsche Demokratische Republik (DDR) auf dem Gebiet Russlands. Berlin, das ebenfalls in 4 Sektoren aufgeteilt ist, wird zu einer Exklave.
Diese Teilung dauert 40 Jahre, und inzwischen entstehen hinter diesen beiden Staaten Blöcke; der eine im Westen, der ein Verteidigungsbündnis namens NATO gegründet hat und die demokratischen Staaten Westeuropas mit Kanada und den USA umfasst, und einer im Osten, der im „Warschauer Pakt“(WP) zusammengeschlossen ist und aus sozialistischen Staaten besteht, die unter Führung der Sowjetunion zur UdSSR zusammengefasst sind. Das Verhältnis dieser beiden Blöcke untereinander ist von einem atomaren Gleichgewicht geprägt, das verhindert, dass aus dem „Kalten Krieg“ zwischen beiden ein „Heißer Krieg“ wird.
Im Jahr 1989 allerdings beginnen in der UdSSR, ausgelöst durch die Politik Gorbatschows, Veränderungen. Ungarn öffnet seine Grenzen zu Österreich und macht so den „Eisernen Vorhang“, der sich quer durch Europa zieht, durchlässig. Dies ist das Ergebnis eines politischen Umschwungs, da sich in Ungarn zusehends reformkommunistische Kräfte durchsetzen, ohne das dies von Moskau unterbunden wird. Kurz darauf beginnen solche Kräfte auch in Polen zu wirken. Die DDR-Führung allerdings ignoriert jegliche Reformversuche. So erklärt Erich Honecker: „ Die Mauer wird [..] in 50 und auch in 100 Jahren noch bestehen bleiben.“[1] Allerdings nutzen zahllose DDR-Bürger die Durchlässigkeit der ungarischen Grenze, um in den Westen zu fliehen. Gleichzeitig beginnen, von Leipzig ausgehend, die Montags- demonstrationen in der DDR. Da die Führung der DDR weiter hart gegenüber Reformen bleibt und daher die Lage außer Kontrolle zu geraten scheint, wird Erich Honecker als Parteichef von Egon Krenz abgelöst. Die Regierung unter seiner Leitung versuchte erfolglos, der Lage Herr zu werden. Daher beschließen sie ein Reisegesetz, ohne zu wissen, welchen Ansturm auf den Westen sie damit auslösen.
3. Die USA und die Wiedervereinigung
Die USA werden vom Fall der Mauer ebenso wie alle anderen überrascht. Allerdings
stehen sie der Sache von Anfang an positiv gegenüber, da die Entwicklung den Grundsätzen der USA nach Freiheit und Selbstbestimmung entsprechen.
3.1 Der Wandel der US-Deutschlandpolitik vor 1989
Die Grundsätze der US – Deutschlandpolitik hat sich im Laufe der Jahre dahingehend entwickelt, dass die Teilung Deutschlands akzeptiert ist. Mehrere Faktoren tragen dazu bei. Zum einen wird die Teilung als Realität betrachtet, die nicht so schnell geändert werden kann. Dies ist vor allem ein Standpunkt der Rüstungslobby, die sehr gut am „Kalten Krieg“ verdient. Weiterhin ist man von der „Politik der kleinen Schritte“, die Brandt dem Osten gegenüber begonnen hat, überzeugt, was dazu führt, dass große Fortschritte in der Frage der Wiedervereinigung nicht erwartet werden. Auch die Einschätzung, die DDR sei zu stabil, sie sei eine Art „rotes Preußen“, das sich einem Demokratischen Wandel sehr unwahrscheinlich unterwerfen werde, hat sich durchgesetzt. Schließlich denkt man, dass das Sicherheitsbedürfnis der Sowjetunion es nicht zulassen wird, dass die DDR sich aus dem WP löst[2].
Dabei unterstützen die USA den Wunsch nach Wiedervereinigung von Anfang an. So weist der Deutschlandvertrag von 1954 zwischen den USA, Frankreich und Großbritannien bereits einen Artikel auf, in dem sich die drei verpflichten, für ein „wiedervereinigtes Deutschland, das eine freiheitlich-demokratische Verfassung, ähnlich wie die Bundesrepublik, besitzt und das in die europäische Gemeinschaft integriert ist“ zu wirken[3].
Allerdings ist für die USA eine Wiedervereinigung nur möglich, wenn Deutschland in Freiheit, Selbstbestimmung und Westbindung existiert.[4] Daher ist für sie die „Stalinnote“ von 1952 nicht akzeptabel[5].
Aber obwohl die Wiedervereinigung von den USA befürwortet wird, so besitzen sie doch kein eigenes Konzept in diese Richtung. Selbst als 1961 die Berliner Mauer gebaut wird, bleibt Kennedy relativ gelassen. Schließlich entspannt sich die Lage zwischen den USA und der Sowjetunion, was dazu führt, dass die Realität der zwei deutschen Staaten akzeptiert wird. Die Wiedervereinigung ist kein dringliches Anliegen mehr, ihre Verwirklichung ist in weite Ferne gerückt[6]
Mit Beginn der siebziger Jahre hat sich das amerikanische Verständnis der Deutschlandpolitik grundlegend gewandelt. Eine gewisse „Normalisierung“ tritt ein, das bedeutet, dass das Augenmerk auf beide Deutschen Staaten in ihren jeweiligen Systemen gerichtet wird[7]. Selbst diplomatische Beziehungen zwischen der DDR und den USA entstehen 1974. Das wichtigste aus der Sicht der USA ist nun, die Beziehungen zur BRD im Rahmen der NATO zu festigen. Daher wird es in den USA teilweise mit Argwohn beachtet, wie sich der Dialog zwischen der BRD und der DDR entwickelt. So ist die Haltung der USA gegenüber der Ostpolitik Brandts zwiespältig; einerseits positiv, da neue freundschaftliche Beziehungen zwischen der BRD und den Ländern des Ostblocks entstehen, andererseits negativ, da man Zweifel an der Zuverlässigkeit der BRD als NATO-Partner hat und eine Entfremdung befürchtet.[8]
Dies zeigt allerdings auch, dass die USA an den Absichten der SPD zweifeln. So zeigen mehrere Beispiele aus der Zeit von Bundeskanzler Willi Brandt, aber auch aus der Zeit Helmut Schmidts, dass die USA Aktionen in Richtung Verständigung mit der DDR sehr argwöhnisch beobachten. Die Regierung Schmidt legt es teilweise darauf an, sich nicht bedingungslos von den Amerikanern alles „vorkauen“ zu lassen. Dies führt dazu, dass in amerikanischen Regierungskreisen bereits von „Deutschland als Problem“ die Rede ist[9]. Zu nennen wären hier z. B. der Streit um die von den USA geplante Neutronenbombe, die Unterzeichnung des SALT II – Vertrages oder die Anfänge der Friedensbewegung in der BRD. Erst mit der Wahl Helmut Kohls hofft man auf Besserung. Allerdings gibt es auch hier im Laufe der Jahre Spannungen, z.B. wird der in Deutschland aufkommende „Gorbismus“, d.h., die Begeisterung für die Reformpolitik Gorbatschow mit Argwohn betrachtet.
Erst im Jahre 1987, als die USA ihre Politik in Richtung Wiedervereinigung wieder aufnehmen kam es zu Verbesserungen. Ronald Reagan inszeniert sich vor der Berliner Mauer medienwirksam, in dem er in die Kameras ruft: „ Mr. Gorbatschow, tear down this wall!“[10]
[...]
[1] Garn, Markus: Stationen im „2+4“ – Prozess in: Bruck, Elke u. Wagner, Peter M.: Wege zum „2+4“ – Vertrag. Forschungsgruppe Deutschland. München 1996, S. 182
[2] Bortfeldt, Heinrich: Washington – Bonn – Berlin. Bouvier Verlag, Berlin. 1993. S.3f
[3] Siehe Vertrag über die Beziehungen zwischen der BRD und den Drei Mächten vom 25.5.1952. In: Kaiser, Karl: Deutschlands Vereinigung. Die Internationalen Aspekte. Bastei Lübbe. 1991. S.137
[4] Bortfeld, Heinrich: Washington – Bonn – Berlin. (a.a.O.) S. 7
[5] Am 10. März 1952, während der Verhandlungen über den Deutschland- und den EVG-Vertrag, bietet Stalin in einer Note an die Westmächte Verhandlungen über die Wiedervereinigung Deutschlands, den Abschluss eines Friedensvertrages und die Aufstellung nationaler Streitkräfte an. Im Gegenzug fordert er den Abzug aller Besatzungstruppen innerhalb eines Jahres und die Neutralität des vereinten Deutschlands.
[6] Bortfeldt, Washington – Bonn – Berlin, (a.a.O.) S.8
[7] ebd. S. 9
[8] ebd. S. 15f
[9] ebd. S. 16f
[10] Knappe, Jens: Pragmatische Partner in: Bruck u.a. Wege zum „2+4“ – Vertrag. (a.a.O.) S.71
- Arbeit zitieren
- Thomas Rütz (Autor:in), 2003, Der Beitrag der USA und der Sowjetunion zur Deutschen Einheit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/27171
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