Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung und historische Verortung
2. Die politische Situation Polens bis 1944
2.1. Spannung in den politischen Lagern
3. Der Warschauer Aufstand- der Widerstand
3.1 Die Armia Krajowa und ihre Rolle 1943
3.2 Die Kämpfe
3.3 Probleme der Forschung
4. Resümee
5. Literaturhinweise
1. Einführung und historische Verortung
Die Armia Krajowa, zu Deutsch ‚Heimatarmee‘[1] -, kann als Hoffnungsträger der Polen bezeichnet werden. 1942 wurde diese sich am Anfang im Untergrund bewegende Widerstandsgruppe gegründet, um sich gegen die drohenden Gefahren von deutscher als auch russischer Seite zur Wehr zu setzen. Doch die Gruppierung verließ den Untergrund, denn die Rote Armee, die das Land von den Nazis befreit hatte, war kein einfacher Befreier. Es galt gegen die drohende Zwangssowjetisierung, die eine Befreiung durch die Rote Armee mit sich bringen würde, zu intervenieren. Anfang 1944 wurde die AK durch die polnische Exilregierung zu einem offiziellen Kampfverband erklärt. Vorerst sollten in der Aktion Burza (‚Sturm ‘) die sich zurückziehenden deutschen Truppen angegriffen und das befreite Gebiet wieder kontrolliert werden. Die Polen wollten in der Rolle als ‚Hausherren‘ die sowjetischen Truppen empfangen. Anfangs war die Zusammenarbeit mit den Sowjets gut. Das Ziel war, den deutschen Feind gemeinsam zu bekämpfen. Doch Stalin erkannte die Ak nicht als offiziellen Kampfverband an, was sich darin zeigte, dass er Mitte 1944 Ak-Offizieren verhaften ließ. Die Rote Armee wandte sich offen gegen die Widerstandsgruppe. Die Heimartarmee musste nun nicht nur gegen die Deutschen, sondern auch gegen die Russen kämpfen. Ein Zwei-Frontenkrieg entwickelte sich. Das Schicksal des im Untergrund agierenden polnischen Staates war offen. Der General der Heimatarmee Leopold Okulicki schrieb im Januar 1945 folgendes:
„Polen nach sowjetischem Rezept“ sei „nicht jenes Polen, um das wir nun das sechste Jahr gegen die Deutschen kämpfen“
Kein anderes Land, welches in den Zweiten Weltkrieg involviert war, wurde von beiden totalitären Mächten okkupiert. Daher gilt es diese Besonderheit des polnischen Staates zu untersuchen. Um diese Sonderstellung zu skizzieren soll die Entstehung, Funktion und Wichtigkeit der Heimatarmee referiert werden. In einen besonderen Fokus soll dabei der Warschauer Aufstand von 1944 gerückt und das Scheitern und somit auch dessen Konsequenz analysiert werden. Dabei stützt sich die Arbeit hauptsächlich auf das Werk von Włodzimierz Borodziej[2], als auch auf die Arbeit von Klaus Zernack[3] und den von Bernhard Chiari herausgegebenen Sammelband[4]. Des Weiteren wird mit dem Werk von Norman Davies[5] gearbeitet.
Um die Entstehung der Ak zu verständlich zu machen, soll auf die Geschehnisse des Zweiten Weltkrieges nur insofern eingegangen werden, als dass sie ihre Auswirkungen auf die politische Situation Polens 1944/45 haben. Daher gilt es in einem einführenden Kapitel kurz die Lage Polens zu erläutern, um den Handlungsverlauf, der zu dem Warschauer Aufstand geführt hat zu skizzieren. Im weiteren Verlauf soll die Heimatarmee und die Zusammenarbeit mit der Exilregierung vorgestellt werden. Das Hauptaugenmerk der Arbeit soll sich dann auf die Geschehnisse vom Sommer/Herbst 1944 richten und analysieren, welche Faktoren dazu beigetragen haben, dass der Aufstand scheitern musste. Dazu werden als Sekundarliteratur Joachim von Puttkamer[6], Kai-Olaf Lang[7], Jürgen Heyde[8] und Rudolf Jaworski, Christian Lübke und Michael Müller[9].
Abschließend ist dann die Frage zu beantworten, welche Konsequenzen sich aus dem Misserfolg ergeben haben. In einer abschließenden Diskussion wird darauf eingegangen, wie Russland als Gewinner aus diesem Konflikt hervorgehen konnte und in welchem Ausmaß dies Einfluss auf die Nachkriegszeit Polens hatte.
2. Die politische Situation Polens bis 1944
Im Folgenden soll zusammenfassend nur auf einige Punkte der polnischen Geschichte eingegangen werden, beginnend mit der Kriegserklärung Hitlerdeutschlands an Polen und dem weiteren Verlauf bis zur Besetzung des Landes. Zu Beginn ist zu sagen, dass Polen nicht den Forderungen Deutschlands von Oktober 1938 nachkommen wollte. Polen wollte dem Deutschen Reich Danzig nicht zurückgeben, keine „exterritoriale Verbindung durch den polnischen ‚Korridor’ nach Ostpreußen“[10] gewähren und weigerte sich dem Antikominternpakt beizutreten. Daraufhin beendete Hitler umgehend die diplomatischen Beziehungen zu dem Nachbarstaat und die Nichtangriffserklärung war ab dem 28. April 1939 hinfällig. Nachdem Hitler die Tschechei mit seiner Wehrmacht zerschlagen hatte, erkannten auch die westlichen Mächte, Großbritannien und Frankreich, dass Deutschland an keiner friedlichen Lösung interessiert sein würde und versicherten Polen schon im März 1939 die Unabhängigkeit.
Doch nur der bloße Frieden als Gegenleistung zu den Forderungen schien Polen nicht angemessen. Die erhoffte Garantie der alten Grenze blieb aus und auch in dem Abkommen zu den Alliierten war eine Veränderung der Grenze nicht ausgeschlossen worden. Am 1. September 1939 erklärt Nazi-Deutschland dem Nachbarn Polen den Krieg und überfiel das Land.[11] Die Westmächte sahen sich nun dazu gezwungen ihr „Verhältnis zu Polen zu überdenken“[12] und garantierten Polen militärischen Beistand.
Parallel dazu wurde auch Russland ein Dreierbündnis seitens Großbritanniens und Frankreichs vorgeschlagen, welches jedoch nicht angenommen wurde. Ein weiteres Angebot, das von Deutschland gemacht wurde, schien Russland mit einer in Aussicht gestellten geheimen Aufteilung Polens und eine damit verbundene Gebietsgewinnung attraktiver. Am 23. August 1939 wurde der Hitler-Stalin-Pakt unterzeichnet. Im Osten marschierte zwei Wochen nach Kriegsbeginn die Rote Armee ein und der Westen Polens war nach vier Wochen durch die Wehrmacht überrannt.[13] Die polnische Armee hatte keine Chance der Wehrmacht Stand zu halten, und bereits nach den ersten Kriegstagen war die gesamte Verteidigungsfront zerschlagen. Hitler besetzte den Westen und Stalin den Osten.
Am 28. September 1939 kapitulierte Warschau[14] und Deutschland und Russland unterzeichneten einen Grenzvertrag, in dem das okkupierte Land aufgeteilt wurde. Polen wurde zerstückelt. Die Sowjetunion besetzte Litauen, sowie Teile der böhmischen Länder und östliche Gebiete, während sich die Besatzungszone des Deutschen Reiches über den Westen, Danzig-Westpreußen und das Wartheland erstreckte. Der restliche Teil Polens in Zentralpolen wurde das sogenannte Generalgouvernement. Hierhin wurden vertriebene Polen und Juden abgeschoben. In diesem Gebiet wurde die Menschen wie in einer Art „provisorisches ‚Reservat‘“[15] gehalten, welche dem Deutschen Reich als Zwangsarbeiten dienten. Die polnische Regierung flüchtete sich ab dem 30. September 1939 ins Exil nach Frankreich und später nach London. Die Situation war ausweglos. Großbritannien und Frankreich erklärten zuvor zwar Deutschland am 3. September 1939 den Krieg, Hilfe in Form von militärischem Beistand blieb jedoch aus. Die „vertraglichen Bündnisverpflichtungen gegenüber dem Alliierten im Osten“[16] wurde nicht erfüllt. Polen schien allein gelassen mit der Situation. Polnische Schulen wurden geschlossen, polnische Ämter wurden aufgelöst und alles, was „irgendwie von Wert (war), an Deutsche und örtliche bzw. angesiedelte Volksdeutsche übereignet[17]. Deutschland machte es sich zur Aufgabe, das polnische Volk zu stürzen. Das Ziel war „die Auflösung jeder inneren Ordnung, die Entwurzelung des polnischen Volkes in nationaler, kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht“[18].
Seit 1940 delegierte die Exilregierung den Untergrund des besetzten Polens. Neben verschiedenen militärischen Widerstandsgruppen bildete sich unter anderem die Kernorganisation „Dienst für den Sieg Polens“. Bald schloss sich diese mit rund fünfzig anderen Gruppen zusammen. Es entwickelt sich im Laufe des Jahres 1940 im Untergrund ein Informationsnetzwerk, welches die Bevölkerung, wie auch die Exilregierung in London mit Berichten versorgte.[19] Durch den immer stetig wachsenden Druck seitens der Besatzungsmacht auf die Bevölkerung entwickelt sich auch ein organisierter ziviler Widerstand. Es gelang sogar 1942 „illegale Rundfunksender zu installieren“[20]. Im Untergrund entstanden unter anderem auch Schulen, Universitäten und Theater. Außerdem wurde dafür gesorgt, dass die vor der Kapitulation unterschlagenen Waffen in Waffenlagern gesichert werden konnten[21]. In Zusammenarbeit mit der Exilregierung in London versucht sich eine „eigenständige zivile Untergrundverwaltung“[22] aufzubauen. Der polnische Staat lebte im Untergrund.
Dann änderte sich die politische Situation Polens. Nazideutschland wendete sich gegen die Sowjetunion und griff die Rote Armee an. Der polnischen Exilregierung wurde nun von den Briten nahegelegt, sich mit Stalin zu verbünden. Am 30. Juli 1940 wurde vertraglich gesichert, dass Polen und Russland ein Waffenbündnis eingehen. Die Sowjetunion wechselte mitten im Krieg die Seite. Doch Stalin ändert seine Einstellung gegenüber der polnischen Ostgrenze nicht. Nach der Entdeckung des Massengrabes der ermordeten polnischen Offiziere in Katyn war das Vertrauen zu der Roten Armee gebrochen. Klaus Zernack nennt dieses Ereignis den „entscheidende(n) Einschnitt“[23], denn eine Allianz mit der Sowjetunion schien ab diesem Zeitpunkt in unerreichbare Ferne gerückt zu sein. Im Verlauf des Jahres 1943 schließen sich die polnischen Widerstandsbewegungen im Untergrund zusammen. Die Exilregierung, die aus vier Parteien, der Bauerpartei, der Nationalpartei, der Sozialistischen Partei und der Partei der Arbeit besteht, schließt sich mit der Ak zum stärksten Untergrundstaat zusammen, den es bis dato gab. Wichtig zu erwähnen ist, dass es neben dem sozialistischen Lager auch ein kommunistisches gab. Durch den stetigen Erfolg der Roten Armee gegen das nationalsozialistische Deutschland und den hiermit verbundenen sowjetischen Einfluss wachsen auch im Untergrund Polens die kommunistischen Splittergruppen zusammen, bis diese ebenfalls eigene Kampftruppen befehligen, die jedoch nicht an die Größe der Heimatarmee heran kommen. So werden die Soldaten der Ak im Jahr 1944 auf eine Zahl von 300.000 bis 400.000 Mann geschätzt[24].
[...]
[1] Wird in der Hausarbeit mit AK abgekürzt.
[2] Borodziej, Włodzimierz . Geschichte Polens im 20. Jahrhundert. München 2010
[3] Zernack, Klaus. Polen und Rußland. Zwei Wege in der europäischen Geschichte. Berlin 1994
[4] Chiari, Bernhard. Die polnische Heimatarmee. Geschichte und Mythos der Armia Krajowa seit dem Zweiten Weltkrieg. München 2003
[5] Davies, Norman. Aufstand der Verlorenen. Der Kampf um Warschau 1944. München 2003.
[6] Von Puttkamer, Joachim. Ostmitteleuropa im 19. Und 20. Jahrhundert. München 2010
[7] Lang, Kai-Olaf. Polens Beziehungen zu Rußland: Zwischen Argwohn und Zusammenarbeit. Köln 2000
[8] Heyde, Jürgen. Geschichte Polens. München 2006
[9] Jaworski, R., Lübke Ch., Müller M..Eine kleine Geschichte Polens. Frankfurt am Main 2000
[10] Borodziej, Włodzimierz. Geschichte Polens im 20. Jahrhundert. München 2010. S. 187
[11] Heyde, Jürgen. Geschichte Polens. S. 103
[12] Von Puttkamer, Joachim. Ostmitteleuropa. S. 93
[13] Vgl. Von Puttkamer, Joachim. Ostmitteleuropa. S. 93
[14] Vgl. Borodziej, Włodzimierz,. Geschichte Polens. S. 191
[15] Von Puttkamer, Joachim. Ostmitteleuropa. S. 94
[16] Borodziej, Włodzimierz,. Geschichte Polens. S. 190
[17] Vgl. Ebd. S. 193
[18] Zernack, Klaus. Polen und Russland. S. 453
[19] Zernack, Klaus. Polen und Russland. S. 455
[20] Zernack, Klaus. Polen und Russland. S 455
[21] Davies, Norman. Kampf um Warschau. S.201
[22] Jaworski, R., Lübke Ch., Müller M..Eine kleine Geschichte Polens. S. 328
[23] Zernack, Klaus. Polen und Russland. S.455
[24] Davies, Norman. Kampf um Warschau. S.222