Exegese Micha 4, 1-5

Völkerwallfahrt nach Zion


Seminararbeit, 2011

22 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

Micha 4, 1-5

1. Ersteindruck

2. Übersetzungsvergleich

3. Sprachliche Analyse

4. Untersuchung zu geprägten Sprachformen und geprägten Inhalten ihres Textes
4.1 Form - und Gattungskritik
4.2 Traditionskritik

5. Untersuchung zur Entstehungsgeschichte des Textes
5.1 Literarkritik
5.2 Überlieferungskritik
5.3 Redaktionskritik

6. Historischer Ort

7. Gesamtinterpretation

8. Bedeutung für die Zukunft

9. Literaturverzeichnis

Micha 4, 1-5

Das kommende Friedensreich Gottes

1In den letzten Tagen aber wird der Berg, darauf des Herrn Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über die Hügel erhaben. Und die Völker werden hinzulaufen, 2 und viele Heiden werden hingehen und sagen: Kommt lasst uns hinauf zum Berge des Herrn gehen und zum Hause des Gottes Jakobs, dass uns Lehre seine Wege und wir in seinen Pfaden wandeln! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des Herrn Wort von Jerusalem.

3 Er wird unter großen Völkern richten und viele Heiden zurechtweisen in fernen Landen. Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. 4 Ein jeder wird unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen, und niemand wird sie schrecken. Denn der Mund des Herrn Zebaoth hat´s geredet.5 Ein jedes Volk wandelt im Namen seines Gottes, aber wir wandeln im Namen des Herrn, unseres Gottes, immer und ewiglich!

1. Ersteindruck

Ich habe den Micha Text 4, 1-5 ausgewählt. In den Bibelversen des Alten Testaments geht es um die Völker, die eine friedliche Wallfahrt zu dem Berg Zion unternehmen wollen. Auf diesem Berg wohnt der Gott Israels, der durch die Verkündung der Thora vom Berg Zion aus den Völkern helfen will, Frieden zu wahren und dessen Konflikte zu schlichten. Diese Bewegung ist politischer Art und die Völker haben die Hoffnung auf Frieden, deshalb wandern sie gemeinsam, stets auf dem Weg Gottes zu dem Berg Zion.

Die Völker nehmen die Thora und den Frieden auf und wollen keinen Krieg mehr führen.

Der Ersteindruck vermittelt, dass es sich bei dem Micha Text um einen Hoffnungstext, bzw. eine Hoffnungsgeschichte handelt, da es im besagten Text darum geht, untereinander Frieden zu schließen und sich gegen Krieg auszusprechen. Außerdem hat der Text bis heute nicht an Bedeutung verloren, da die Menschen und Völker noch immer nach Frieden streben und es ihnen aufgrund politischer Machtverhältnisse, durch religiöse Gründe und viele andere Gegebenheiten nicht möglich scheint, in Frieden miteinander zu leben. Durchaus vermittelt Micha 4, 1-5 Hoffnung und Glauben durch die Weisungen Gottes und kann die Menschen darin zutiefst bestärken.

Im Folgenden möchte ich mich eingehend mit dem Micha Text auseinander setzen, versuchen Fragen zu klären, Besonderheiten aufzuzeigen und eventuelle Problemstellungen näher zu beleuchten.

2. Übersetzungsvergleich

Für den Übersetzungsvergleich habe ich die Lutherübersetzung der Übersetzung von 1984 und 1999 mit der jüdischen Übersetzung von Martin Buber und Franz Rosenzweig gegenübergestellt, um den direkten Vergleich anzuführen.1 Vorweg lässt sich anmerken, dass der Vergleich der Textstelle Micha 4, 1-5 einige wichtige Unterschiede zulässt. Gleich im ersten Vers weichen die Einleitungen voneinander ab, da nach Buber und Rosenzweig von "der Späte der Tage" die Rede ist und bei Luther von "den letzten Tagen". Die letzteren Tage meinen hier aber nicht das apokalyptische Ende der Welt und somit auch nicht der Geschichte, sondern die Aussage ist mit den Worten "das Hintere der Tage zu vergleichen". Dies steuert zwar auf ein Ende hin, aber ein Ende, das die Gegenwart umfasst und das etwas Neues beginnt.2 Die Geschichte geht deshalb weiter und bricht nicht ab. Die Worte "Späte der Tage" weisen aber auch auf ein zukünftiges Ende hin, jedoch ist die Formulierung nach Luther konkreter.

In Vers 1 und 2 stellen sich weitere Unterschiede heraus, denn bei Buber und Rosenzweig werden die Wörter "Völker" und "Stämme" benutzt und bei der Luther Übersetzung "Völker" und "Heiden". Das Wort "Völker" steht für die Gemeinschaft, die die geschichtliche und kulturelle Entwicklung verkörpert, welche unabhängig von politischer Begrenzung und Staatsform handelt.3 Der "Stamm" meint in dem Sinne näher bezeichnet einen "Volksstamm", diese Gruppe von Menschen hebt sich durch bestimmte Eigenschaften, wie Brauch, Sitte, Sprache und Kulturbesitz von anderen ab.4

"Heiden" sind Angehörige einer nichtchristlichen Religion, welche früher als Landbewohner betitelt wurden, die bis dahin noch nicht dem Christentum zugehörig waren.5 Folglich wandern zu dem Berg Zion bei der Luther Übersetzung auch Menschen verschiedener religiöser Gruppierungen mit. In Vers 3 wiederholen sich die Wörter nochmal, allerdings werden bei Buber und Rosenzweig aus dem Wort "Stamm" plötzlich "mächtige Stämme", dadurch wird die besondere Betonung, die auf dem Wort Stamm liegt untermalt, weiterhin wird auch betont, dass es etwas ganz Besonderes ist, dass viele unterschiedliche Stämme zusammen wandern.

Außerdem werden bei Buber und Rosenzweig in Vers 3, die Menschen von Gott bis hin zur "Ferne" gerichtet, bei Luther hingegen "in fernen Landen". Diese Bezeichnung zeigt mehr Nähe und Detail auf, als die von Buber und Rosenzweig. Etwas Fernes scheint ganz weit weg zu sein und ist den Menschen schwer zu greifen, Buber hat fast schon abstrakt formuliert. Ein fernes Land hingegen befindet sich irgendwo auf unserer Erde, auch wenn man nicht genau weiß, an welchem "Fleck der Erde" nach dem Land zu suchen ist. Weiterhin differenzieren sich in Vers 4 die Wörter "Rebstock" und "Weinstock", welche aber von ihrer Bedeutung her gleich sind, sie meinen eine bestimmte Gattung der Weingewächse, welche zunehmend in wärmeren Gefilden, zum Beispiel im Norden, vorkommen.6 Jedoch fällt in diesem Zusammenhang bei Buber und Rosenzweig das Wort "Sitzen" und bei Luther "wohnen". Diese beiden Wörter unterscheiden sich von ihrer Bedeutung her immens.

Überträgt man das Wort "sitzen" in den menschlichen Alltag, kann das Wort in Verbindung mit "Ruhe" gebracht werden. Die Menschen sitzen am Tisch zum gemeinsamen Essen, ruhen sich nach der Arbeit oder kommen im Allgemeinen zur Ruhe. Allerdings sitzen die Menschen nicht ihr ganzes Leben auf einem Stuhl, Sofa oder gar auf dem Boden. Was dagegen einen längeren Zustand beschreibt, ist das Wort "wohnen". Wenn ein Mensch irgendwo wohnt, dann tut er dies meist für einen längeren Zeitraum, häufig sogar bis ans Ende des Lebens, dies ist vor allem abhängig davon, ob es dem Menschen in seinem Heim gut geht und er sich dort wohl fühlt.

In dem fünften und letzten Vers des Textauszugs von Micha heißt es bei Buber und Rosenzweig "Weltzeit und Ewigkeit" und bei Luther "immer und ewiglich". Dies ist eine Doppelung, auch genannt Parallelismus.

Der Parallelismus, auch genannt Antithese ist ein Grundmerkmal der Poesie und dient durch den doppelten Gebrauch dazu, besonders einprägsam zu wirken.7

Parallelismen findet man häufiger in der Bibel, zum Beispiel auch in Psalm 92, Vers 13a "Der Gerechte wird grünen wie ein Palmbaum, er wird wachsen wie eine Zeder auf dem Libanon". Das Wort "Ewigkeit" beinhaltet den Wortstamm "Ewig" und heißt auf Griechisch "Eon" und auf Hebräisch "Olam", was etwas Verborgenes meint und. Weiterhin steht "Olam" für Etwas, was im Ende nicht absehbar ist.8

Die "Weltzeit", die bei Buber und Rosenzweig vorkommt steht für das, was Gott in diesem Zeitalter sagt, da in der Bibel verschiedene Zeitalter getrennt werden. Der fünfte Vers steht für die Zugehörigkeit des Volkes zu Gott und meint aber kein wirkliches Ende.

3. Sprachliche Analyse

Dem Buch Micha geht das Buch Jona voran und das Buch Nahum wird an Micha angehängt. In dem Micha Buch ist besonders bedeutsam der Wechsel zwischen Heils- und Unheilverkündungen.

Deshalb lässt sich erahnen, dass das Micha Buch von seiner Struktur her kompliziert ist.

Es lässt sich in vier Textgruppen differenzieren. Die Ersten drei Kapitel des Buches reißen nur in knapper Form die Rettung Israels an und handeln überwiegend von Schuld und Unheil Samarias, Judas und Jerusalems. Dies spiegelt sich in deutlichen Gerichtsworten wieder. Die folgenden Kapitel 4-5 hingegen beinhalten die zukünftige Heilsverkündung, die sich an Jerusalem und Israel richtet.9

Die Sprache, in der die Kapitel geschrieben sind, verlangt die Einbeziehung der Hoffnung auf die Zukunft der Völker und kommt in keiner Weise mehr in Verbindung mit einem Wort und Ton der Anklage. Das zeigt deutlich, wie sehr in dem vierten und fünften Kapitel die Hoffnung auf das anstehende Friedensreich heraus ragt.

Die Worte der Prophezeiung von der Zerstörung Jerusalems, die vorher angesprochen werden, erhalten in Kapitel 4 und 5 keinen Platz mehr.

Doch vollzieht sich in Kapitel 6, 1-7 und 7 ein erneuter sprachlicher Wechsel, indem ab nun an der Weltfriede, also das zukünftige Heil wieder in den Hintergrund gedrängt werden. Worte des Gerichts dominieren. Die letzte Textgruppe, die sich einordnen lässt, betrifft die Kapitel 7, 8-20. Hier lassen sich sogar die Worte der sprechenden Gemeinde wieder finden (ohne Vers 11-13). Diese Worte sind jene Heilsworte.

Die Bibelstelle Micha 4, 1-5 lässt sich in zwei grobe Bereiche unterteilen.10 Zum einen wird in Vers 1-4 die Verheißung der zukünftigen Erhöhung des Tempelberges angesprochen, anders in Vers 5. Hier geht es um die eine Gruppe, die als "Wir" bezeichnet wird. Detaillierter lassen sich drei Bereiche unterteilen. In Vers 1-2 findet sich eine prophetische Beschreibung des Gottesberges Zion wieder. Dabei geht es in Vers 1 um die äußere Beschreibung von Zion und in Vers 2 wird die magnetische Anziehungskraft des Zionberges beschrieben, weil von dort aus Wegweisung geschieht.

In den Versen 3-4 wird das zukünftige Reich beschrieben und in Vers 5 wird, wie bereits bei der groben Unterteilung erwähnt, das Volk angesprochen, das bereits im Namen des Herrn los zieht. Das besondere dabei ist, dass das Wort "Wir" zum ersten Mal im Micha Buch vorkommt, es fand also hier ein Wechsel des Subjekts statt.11

Das Wort "wir" lässt sich im Sprachgebrauch als Personalpronomen einordnen und beschreibt in Vers 5 ein bestimmtes Zusammengehörigkeitsgefühl der Menschen.

In Vers 2 ist ein Doppelpunkt angebracht, der Text der daran angeknüpft ist, wurde in die wörtliche Rede gesetzt. Diese handelt von dem zukünftigen Leben, das sich nach den Weisungen Gottes richtet. Die Hoffnung liegt hierbei in der Veränderung für das Volk, welche vom Gottesberg Zion ausgehen wird. Die Worte spiegeln eine positive Stimmung, erfüllt mit Hoffnung wieder. Aus negativen Begriffen werden positive gemacht. In Vers 3 werden die "Schwerter zu Pflugscharen" und die "Spieße zu Sicheln". Die Sichel ist ein Handgerät, welches zum Abmähen von Gras und Getreide genutzt wird.12 Der Pflug ist ein Bodenbearbeitungsgerät zum Wenden, Lockern und Mischen des Bodens.13 Aus Kriegswerkzeugen werden nützliche Ackergeräte gemacht, die für den Frieden stehen.

Dieses Bild, entstanden in dem Micha Text, wurde Jahrtausende später wieder aufgegriffen.14 Der sowjetische Bildhauer Wutschetitsch (1908-1974) erarbeitete eine Trilogie, in der das dritte Zeichen einen Mann darstellt, der ein Schwert in eine Pflugschar umschmiedet.

Angelehnt an Micha 4, 3 wird diese Redewendung Ende der siebziger Jahre in ein Symbol erhoben und anschließend von der westdeutschen Friedensbewegung übernommen, nicht ohne Konsequenzen. Letztlich ist "Schwerter zu Pflugscharen" ein Sinnbild für die Abrüstung und für zukünftigen Frieden, genau wie im Micha Buch. Hinzu kommt, dass dieses Wort in der politischen Alltagssprache übernommen wurde.15 Weiterhin findet sich dieser Ausdruck in Jesaja 2 und 4 und in Joel 4, 10 wieder.16 Allerdings wird der Begriff in Joel vertauscht und aus Pflugscharen sollen Schwerter werden, aus Sicheln Spieße.

[...]


1 Vgl. Übersetzung von Martin Buber/ Franz Rosenzweig mit der Lutherbibel von 1984 und 1912

2 Vgl. Kessler, Rainer (1999): Micha, 2. Auflage, S. 183

3 Vgl. Das Bertelsmann Lexikon; Band 4; S. 671

4 Vgl. Das Bertelsmann Lexikon; Band 4; S. 199

5 Vgl. Das Bertelsmann Lexikon; Band 2; S. 411

6 Vgl. Das Bertelsmann Lexikon; Band 4; S. 775 und 776

7 Vgl. Handbuch zur Bibel; Brockhaus Verlag: 4. Auflage; 1980; S. 316

8 Vgl. Benedikt, Peters (2003): 3 mal 100 Fragen zur Bibel, S. 136

9 Vgl. Wolff, H.W. (1982): Biblischer Kommentar: AT Micha, S. 27

10 Vgl. Kessler, Rainer (1999): Micha, 2. Auflage, S. 187

11 Vgl. Kessler, Rainer (1999): Micha, 2. Auflage, S. 187

12 Vgl. Das Bertelsmann Lexikon; Band 4; C. Bertelsmann Verlag; Gütersloh; 1954; S. 53

13 Vgl. Brockhaus Enzyklopädie; Band 17; Brockhaus GmbH; Mannheim; 1992; S.68

14 Vgl. Kessler, Rainer (1999): Micha, 2. Auflage, S. 189

15 Vgl. Kessler, Rainer (1999): Micha, 2. Auflage, S. 189

16 Vgl. Calwer Verlag (1979): Große Konkordanz zur Lutherbibel, S. 1121

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Exegese Micha 4, 1-5
Untertitel
Völkerwallfahrt nach Zion
Hochschule
Universität Siegen
Note
1,7
Autor
Jahr
2011
Seiten
22
Katalognummer
V271897
ISBN (eBook)
9783656642114
ISBN (Buch)
9783656642060
Dateigröße
468 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
exegese, micha, völkerwallfahrt, zion
Arbeit zitieren
Maren Klingelhöfer (Autor:in), 2011, Exegese Micha 4, 1-5, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/271897

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Exegese Micha 4, 1-5



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden