Russische Wirtschaft. Der Ausnahmefall Gazprom


Dossier / Travail, 2012

17 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Entwicklung des Unternehmens
2.1 Vom sowjetischen Gasministerium zum internationalen Konzern
2.2 Gazprom heute

3 Gazprom als Machtinstrument
3.1 Energiepolitik als Mittel für den Wiederaufstieg zur Großmacht
3.2 Gasstreit mit der Ukraine

4 Bedeutsamkeit und Image
4.1 Gazprom im Inland
4.2 Ausland: Gazprom Germania und Nord Stream

5 Herausforderungen

6 Fazit

7 Quellenverzeichnis

1 Einleitung

„Die Welt weiß viel über EXXON Mobil, General Electric, Toyota, Microsoft, die anderen Big Shots unter den Großunternehmen der Welt; sie weiß zu wenig über Gazprom. Was für ein Konzern ist das, dessen Börsenkapitalisierung zwischenzeitlich 290 Milliarden Dollar überstiegen hat, dessen gegenwärtiger Marktwert höher ist als das Bruttosozialprodukt von 165 der 192 in der UNO vertretenen Nationen? Wie tickt ein Unternehmen, das ein Sechstel der weltweiten Erdgasreserven kontrolliert und mit einem Fingerschnipsen die Energiezufuhr nach Westeuropa unterbrechen, unsere Wohnungen erkalten lassen kann?[1]

Mit der vorliegenden Arbeit wird versucht auf diese Fragen plausible Antworten zu finden. Das Hauptziel dabei ist es, eine Übersicht über den geheimnisvollen Konzern, seine Strategien und seine Rolle in den wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Prozessen zu geben. Es soll untersucht werden, inwieweit Gazprom als ein Symbol des Wideraufstiegs Russlands gilt und warum es in den westlichen Staaten auf so viel Kritik und Misstrauen stößt. Seine Bedeutung als Machtinstrument soll dabei besonders erläutert werden, u.a. am Beispiel der Gaskonflikte mit der Ukraine. Gazproms Bedeutung und Image, sowohl im Inland als auch im Ausland, müssen ebenfalls in die Thematik einbezogen werden, um ein möglichst vollständiges Bild vom Unternehmen zu geben.

Angesichts der Rolle von Gazprom und seiner strategischen Bedeutung ist es nahezu unmöglich belegbare Fakten zum Thema zu finden. Es gibt viele „gefärbte“ Meinungen, sich gegenseitig wiedersprechende Angaben und gefälschte Informationen, so dass es sich schon fast utopisch erweist einen objektiven Tatsachenbericht über das Energieunternehmen zu erstellen. Die offiziellen Seiten von Gazprom und die offiziellen russischen Quellen liefern ein Bild vom idealen Unternehmen, das äußerst unglaubwürdig erscheint und zu hinterfragen ist. Durch Vergleich zwischen verschiedenen Quellen wurde versucht der Wahrheit näherzukommen und nur sachlich korrekte Fakten wiederzugeben.

2 Entwicklung des Unternehmens

2.1 Vom sowjetischen Gasministerium zum internationalen Konzern

Die Geschichte des „großen“ Erdgases begann in Russland mit dem Bau der Erdgasleitung „Saratow-Moskau“ 1946. In den folgenden zwei Jahrzehnten wurden weitere Leitungen innerhalb der UdSSR gebaut, vorwiegend im europäischen und mittelasiatischen Teil des Landes. 1965 wurde das Gasministerium gegründet.

1966 begann eine neue Ära in der sowjetischen Gasindustrie: In Sibirien wurde eins der größten Erdgasvorkommen der Welt entdeckt – Urengoi. In der Folgezeit wurden weitere sibirische Erdgasfelder, wie z.B. Jamburg oder Kowytka entdeckt. Schon seit 1984 zählt Russland (damals UdSSR) zu den größten Erdgasförderern. Zur gleichen Zeit wurde eine der längsten Erdgasleitungen der Welt „Westsibirien-Westeuropa“ gebaut (über 20.000 km).[2]

Dem Zerfall der Sowjetunion folgte eine große „Welle“ der Privatisierungen u.a. auch in der Rohstoffindustrie. Bereits 1989 wurde auf Befehl von Michail Gorbatschow, dem damaligen Staatsoberhaupt, das Gasministerium zum Staatskonzern Gazprom umgewandelt.[3] Zum Chef des Unternehmens wurde der Energieminister Viktor Chernomyrdin. Aus dem Staatskonzern wurde 1993 eine Aktiengesellschaft, deren Kontrollmehrheit in den Händen der damaligen Minister verblieb.[4]

1992 wurde nach der Ernennung Tschernomyrdins zum Premierminister Russlands, Rem Wjachirew zum Vorstandsvorsitzenden von Gazprom. Unter ihm erreichten Ende der 90er die Maßen an Korruption im Konzern ihr Maximum. Mit seinem Machtantritt als neuer Präsident versuchte Putin den blauen Riesen unter starke staatliche Kontrolle zu bekommen. Er schickte Wjachirew in die Rente und ernannte den damaligen Energieminister und seinen engen Freund Alexej Miller zum Vorstandschef des Unternehmens. In den folgenden Jahren gelang es Miller nicht nur den Wert von Gazprom zu verzwanzigfachen, sondern auch dem Konzern etwa 60% der verlorenen Gasfelder und Firmenanteile zurückzugewinnen. 2006 erhielt das Unternehmen das staatliche Kontrollmonopol für den Export von Erdgas und wurde damit von jeglicher Konkurrenz geschützt.[5]

2.2 Gazprom heute

Heute ist OAO Gazprom das weltweit größte Erdgasunternehmen.[6] Dem Konzern gehören etwa ein Sechstel aller als sicher geltenden Gasreserven der Welt und ein Pipelinenetz von mehr als 450.000 Kilometern.[7] Der Hauptgeschäftsbereich von Gazprom bleibt nach wie vor Förderung, Überarbeitung, Transport und Export von Erdgas sowie Erforschung neuer Gasfelder.[8] Außerdem ist das Unternehmen in vielen weiteren Branchen tätig, vor allem im Erdölbereich, Stromwirtschaft, Investment, Finanz- und Bankwesen usw.. Das 1998 gegründete Mediaholding „Gazprom-Media“ verfügt heute über zahlreiche TV- und Radiosender, Zeitungen und Zeitschriften und zählt zu den größten in Russland.[9]

Seit 1993 ist Gazprom eine Aktiengesellschaft. Der Staat verfügt über 50,002% der Aktien, 29,482% entfallen auf juristische Personen und 13,068% auf natürliche Personen aus der Russischen Föderation, 6,5% sind im Besitz von E.ON/Ruhrgas und die restlichen 0,948% gehören ausländischen Personen. Der Vorstandsvorsitzende ist seit 2001 Alexej Miller und Aufsichtsratsvorsitzender ist seit 2008 Viktor Subkow, ehemaliger russischer Premierminister.[10]

Strategisches Ziel von Gazprom ist es, sich zu einem führenden Unternehmen auf dem globalen Energiemarkt mittels Erschließung neuer Absatzmärkte, Diversifikation[11] usw. zu entwickeln. Zur Verwirklichung dieses Vorhabens hat der Konzern folgende untergeordnete Ziele gesetzt:

- Entwicklung prioritärer Tätigkeitsfelder im Fernen Osten, in Ostsibirien und auf der Halbinsel Jamal,
- Erweiterung der Pipelines in Europa und Aufbau eines Pipelinenetzes in Asien,
- mehr Beteiligung in der Erdölindustrie und in der Stromwirtschaft,
- Erneuerung von Umweltschutzmaßnahmen und Durchführung sozialer Programme,
- Perfektionierung der Verwaltungsstruktur.[12]

3 Gazprom als Machtinstrument

3.1 Energiepolitik als Mittel für den Wiederaufstieg zur Großmacht

Energiepolitik ist für Russland ohne Zweifel die Steuerungszentrale nicht nur der gesamten Wirtschaft, sondern auch der Innen- und Außenpolitik. Seit Putins Amtsantritt als Präsident dient die Energiepolitik nicht nur als Grundlage seines Wirtschaftsprogramms, sondern auch als Motor für den Wiederaufstieg Russlands zur führenden Macht.

Nach Putins Wirtschaftsprogramm von 2002 sollen alle strategisch bedeutsamen Branchen wie z.B. Rohstoffindustrie, Weltraum- und Atomindustrie, Rüstung usw. unter staatlicher Kontrolle bleiben. Proklamiertes Ziel ist seitdem, Russlands Führungsrolle in der Welt unter Einsatz seiner reichlich vorhandenen Ressourcen wiederherzustellen. Aus diesem Grund erweist sich Gazprom als schlagkräftigste Waffe, die Putins Ziele verwirklichen soll.

Als erstes sicherte sich der Kreml, mit Hilfe von Gazprom-Media und Gazprombank, die Kontrolle in den Medien, indem die regierungskritischen Kanäle, Zeitungen und Radiosender durch die Tochterfirmen von Gazprom aufgekauft und für eigene Ziele instrumentalisiert wurden.[13] Als zweites führte die Regierung den Rückgewinnungsprozess über die strategischen Ressourcen durch, indem sie u.a. gegen den Oligarchen und Chef des Ölkonzerns Jukos Michail Chodorkowski vorging.[14] Der angebliche Grund dafür war die vermeintliche Absicht des Ölmilliardärs ein Aktienpaket seiner Firma an die USA zu verkaufen. Chodorkowski wurde 2003 verhaftet und zu acht Jahren Lagerhaft verurteilt. Sein Konzern wurde zerschlagen, einige Vermögensanteile gingen an Gazprom, den wichtigsten Anteil bekam jedoch der Staatskonzern Rosneft, der damit zum größten Ölunternehmen in Russland aufstieg. Des Weiteren kaufte Gazprom die Firma Sibneft des Oligarchen Roman Abramovitsch auf und sicherte sich die zweite Position in der russischen Ölbranche. Die Affäre mit Chodorkowski veränderte die Beziehungen zwischen privaten Unternehmen und dem Staat. Seit 2003 möchte sich niemand mehr mit der Putin-Regierung anlegen, das Schicksal vom verurteilen Chodorkowski ist für viele Warnung genug.[15] 2007 demonstrierte Gazprom der ganzen Welt, wer das Sagen auf dem Erdgasmarkt hat: Der Energieriese verdrängte den US-amerikanischen Ölkonzern Shell als Mehrheitsaktionär aus dem größten Öl- und Flüssiggasprojekt auf der Insel Sachalin. Shell hatte sich die Anteile an dem Projekt 1996 fast umsonst gesichert, als Russland sich in einer tiefen Wirtschaftskrise befand.[16] Putin machte den Vertrag „rückgängig“, indem er dem amerikanischen Konzern vorwarf gegen Umweltauflagen verstoßen zu haben. Dies ermöglichte Gazprom den Einstieg in das Projekt. Der Konzern bekam 50,1% der Aktien für nur 7,45 Mrd. Dollar, Shell konnte nur 27,5% behalten.[17] „Das war ein Kolonialvertrag, der den Interessen der Russischen Föderation widersprach“,[18] begründete Putin seine Vorgehensweise bei einem Interview mit ausländischen Journalisten. Somit wurde die Kontrolle des Staates über ein vielversprechendes Projekt gesichert und Gazpromwar wieder auf der Gewinnerseite.

Der Fall von Sachalin zeigt deutlich, dass die ausländischen Investoren in den strategisch wichtigen Branchen Russlands, wenn überhaupt, dann nur als Minderheitsaktionäre willkommen sind.[19]

2007 gaben Gazprom und das italienische Energieunternehmen ENI ihr neues Projekt „South Stream“ bekannt, das die schon seit Jahren von der EU propagierte Nabucco-Straße überflüssig macht. Der EU-Plan, über Nabucco Erdgas aus Zentralasien durch die Türkei nach Europa zu bringen, wäre damit nutzlos, da das russisch-italienische Projekt beabsichtigt, die Pipeline von Nowosibirsk durch das Schwarze Meer nach Bulgarien, dann durch Ungarn nach Österreich und durch Griechenland nach Italien zu bauen.[20] Dies zeigt, dass es Gazprom immer wieder gelingt, bilaterale Projekte mit europäischen Konzernen zu vereinbaren, die gegen die EU-Energiepolitik gerichtet sind.[21]

Im Fall von Gazprom sind Politik und Wirtschaft eng miteinander verknüpft. So war z.B. Dmitri Medwedew der stellvertretende Ministerpräsident und zugleich der Aufsichtsratsvorsitzende bei Gazprom, bevor er 2008 zum Präsidenten der Russischen Föderation gewählt wurde. Außerdem sitzen weitere Regierungsmitglieder wie z.B. Industrieminister Christenko im Aufsichtsrat des Unternehmens. Schon 2003 nannte Putin ganz offen Gazprom als „einen mächtigen Hebel zur Einflussnahme auf den Rest der Welt“.[22] Seine Außenpolitik und sein autoritärer Führungsstil stoßen im Westen auf eine Menge Kritik. Dahinter steck vor allem die Angst, Russland könnte seine Energieressourcen als politische Waffe nutzen.

[...]


[1] FOLLATH E. & SHEPP M. (2007): Der Konzern des Zaren. In: Der Spiegel 10/2007, S. 122f

[2] Vgl. http://www.gazprom.ru/articles/history_1.shtml

[3] Vgl. PÖRZGEN G. (2008): Gasprom. Die Macht aus der Pipeline. Europäische Verlagsanstalt, Hamburg. S.27

[4] Vgl. PANJUŠKIN V. & ZYGAR`(2008): Gazprom. NovoeRusskoeOružie. Moskva: Zacharov. S. 17f.

[5] Vgl. PÖRZGEN, S. 27ff

[6] Vgl. GAZPROM (2012): “Gazpromsegodnja”. http://www.gazprom.ru/about/today/ [28.10.2012]

[7] Vgl. FOLLATH & SHEPP 2007: S. 122f

[8] Vgl. GAZPROM. http://www.gazprom.ru/about/today/ [28.102012]

[9] Vgl. GAZPROM-MEDIA (2012): O choldinge. http://www.gazprom-media.com/about.xml [28.10.2012]

[10] Vgl. FOLLATH & SHEPP 2007, S. 126f

[11] „Eine Diversifikation ist eine Strategie, die auf die Ausweitung des Produktprogrammes abzielt. Dabei werden neue, andersartige Produkte und Produktgruppen in das Leistungsprogramm des Unternehmens aufgenommen.“ http://www.business-wissen.de/strategie/diversifikation.html [28.10.2012]

[12] Vgl. GAZPROM. http://www.gazprom.ru/about/today/ [28.10.2012]

[13] Vgl. PÖRZGEN 2008, S. 50f

[14] Vgl. POLITKOVSKAJA A. (2005): Putinskaja Rossija. Moskva: Novaja Gazeta, S. 146

[15] Vgl. PÖRZGEN 2008, S. 51f

[16] Vgl. PÖRZGEN 2008, S. 57

[17] Vgl. DPA (2006): Gasprom verdrängt ausländische Investoren. http://www.spiegel.de/wirtschaft/russisches-oelfeld-gasprom-verdraengt-auslaendische-investoren-a-456095.html [6.11.2012]

[18] AUST S.(2007): Ich bin ein echter Demokrat. In: Der Spiegel 23/2007. S. 118

[19] Vgl. PÖRZGEN 2008, S. 56

[20] Vgl. PÖRZGEN 2008, S. 59

[21] Vgl.FOKUS (2009): South Stream statt Nabucco. http://www.focus.de/politik/weitere-meldungen/south-stream-statt-nabucco-gazprom-gruendet-joint-venture-mit-ungarischer-entwicklungsbank_aid_378922.html [6.11.2012]

[22] Vgl. FOLLATH & SHEPP 2007, S. 129f

Fin de l'extrait de 17 pages

Résumé des informations

Titre
Russische Wirtschaft. Der Ausnahmefall Gazprom
Université
University of Cologne
Note
1,0
Auteur
Année
2012
Pages
17
N° de catalogue
V271993
ISBN (ebook)
9783656642510
ISBN (Livre)
9783656642497
Taille d'un fichier
543 KB
Langue
allemand
Mots clés
Gazprom, Gasprom, Putin, Energieriese, Korruption, Russische Wirtschaft, Gasstreit Ukraine, Nordstream, Gazprom Germania
Citation du texte
Larissa Smir (Auteur), 2012, Russische Wirtschaft. Der Ausnahmefall Gazprom, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/271993

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