Südafrika. Makroökonomische Entwicklungsperspektiven eines Schwellenlandes


Bachelorarbeit, 2014

37 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Kurzprofil Südafrika

3 Konzeptvorstellung der Analysemethode

4 Politische-rechtliche Analyse
4.1 Aktionspläne für eine bessere Zukunft
4.1.1 Black Economic Empowerment - Ein Ansatz für mehr Gleichheit
4.1.2 Die Landreform - Ein Mittel zur Umverteilung
4.2 Parteienlandschaft
4.3 Korruption
4.4 Gewerkschaften

5 Ökonomische Analyse
5.1 Wirtschaftliche Folgen von Streiks und Tarifverhandlungen
5.2 BIP Entwicklung - Eine Prognose
5.2.1 Handelspartner und die Leistungsbilanz
5.2.2 Schlüsselindustrien
5.3 Arbeitslosigkeit - Zusammensetzung und Ursachen

6 Sozio-kulturelle Analyse
6.1 Bildung
6.2 AIDS
6.3 Armut und Lebensbedingungen
6.4 Ungleichheit

7 Ausblick und abschließendes Fazit

8 Anlagen

9 Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Schwellenländer bieten durch ihre Dynamik große Chancen und gleichzeitig weit- reichende Risiken, die stark von den individuellen Umwelteinflüssen abhängen. Sie verfügen über Charakteristika wie ein hohes Wirtschaftswachstum, welches zu großem industriellen Fortschritt führt. Meist aber ebenfalls über soziale Faktoren, wie die herrschenden Lebensumstände, und politische Entwicklungen, die mit dem Aufschwung zurückbleiben.1 So auch Südafrika, das durch die Aufnahme 2011 als letztes Schwellenland in den gemeinsamen Staatenbund mit Brasilien, Russland, Indien und China (BRICS), globale Präsenz gewinnen konnte.2

Zuvor erhielt es als Gastgeber der Fußballweltmeisterschaft 2010 ein großes me- diales Echo, welches das Land als freundliche und temperamentvolle Nation zeig- te. Es folgte ein trauriges Ereignis, das die Welt bewegte und Südafrika wieder in den Fokus rückte. Am 05. Dezember 2013 verstarb der ehemalige Präsident und Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela, eine Koryphäe des Landes, der es von der Apartheid befreite und so eine Zukunft voller Hoffnung ermöglichte.

Seit Ende der Apartheid 1994 hat sich Südafrika zu einer wirtschaftlichen Größe auf dem afrikanischen Kontinent etablieren können. Durch den Tod Mandelas wird die Zukunft des Landes mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt. Deshalb widmet sich die vorliegende Arbeit der Analyse von aktuellen Gegebenheiten, die zukünftigen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes haben kön- nen.

Im Folgenden wird daher Südafrika in einem Kurzprofil vorgestellt, bevor das Konzept der Umweltanalyse erläutert wird. Nachdem die einzelnen Einflüsse identifiziert wurden, folgt ein Fazit mit Ausblick.

2 Kurzprofil Südafrika

„Das Gateway zum Kontinent“, so wird Südafrika aufgrund der guten Beziehun- gen zu seinen Nachbarstaaten und wegen der wirtschaftlichen Stärke oft bezeich- net.3 Es verfügt über die größte und fortschrittlichste Volkswirtschaft Afrikas und Makroökonomische Entwicklungsperspektiven des Schwellenlandes Südafrika ist deshalb auch als Wachstumsmotor für den Rest des Kontinents bekannt.4 Doch dieser Motor ist ins Stocken geraten. Eine Bevölkerungszahl von 52,9 Mio. sieht sich konfrontiert mit einer Arbeitslosenquote von 24,7%.5 Dabei sind ethnische Gruppen unterschiedlich stark betroffen und wichtiges Thema zugleich. Die Be- völkerung teilt sich auf in 79,8% Schwarze, 9,0% Farbige6, 8,7% Weiße sowie 2,5% Inder und Asiaten.7 Allerdings ist die Nation nicht nur kulturell, sondern auch in der Ungleichheit differenziert, die eine Kluft zwischen den Bevölke- rungsteilen verursacht. Das Land weist die höchsten Einkommensunterschiede weltweit auf, die ein Teil der noch immer weit verbreiteten Armut sind.8

Für die Politik Südafrikas leiten sich daraus Herausforderungen und eine Fokussierung auf die Reduzierung der Arbeitslosigkeit, der Verbesserung der Ungleichheit und der Eliminierung von Armut ab. Drei Problematiken, welche als Treiber für die zukünftige Entwicklung des Landes angesehen werden können.

3 Konzeptvorstellung der Analysemethode

Zur Vorgehensweise der Identifikation von Einflussfaktoren auf die Entwicklung Südafrikas, greift die vorliegende Arbeit auf das Konzept der Umweltanalyse zu- rück. Diese erfolgt möglichst breit angelegt über verschiedene Bereiche, damit Trends und Entwicklungen erkannt werden. Verfolgtes Ziel dabei ist, aus einer Masse an unüberschaubaren Einflussfaktoren relevante Determinanten herauszu- filtern und zu gruppieren.9 Als Basis und zur Selektion können die vier Hauptana- lysefelder der Unternehmensumwelt herangezogen werden, nämlich die ökonomi- sche, die sozio-kulturelle, die politisch-rechtliche und die technologische Um- welt.10

Beispiele für den politisch-rechtlichen Bereich sind politische Systeme und die Gesetzgebung, während das ökonomische Feld die Arbeitslosenquote oder die Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes (BIP) umfasst. Im sozio-kulturellen Be- Makroökonomische Entwicklungsperspektiven des Schwellenlandes Südafrika reich dienen das Bildungssystem, demographische Gegebenheiten bzw. die gesellschaftliche Struktur als eine Untersuchungsgrundlage.11

Da die identifizierten Treiber Arbeitslosigkeit, Ungleichheit und Armut stark von ökonomischen, politischen und sozio-kulturellen Bereichen bestimmt werden, beschränkt sich die folgende Analyse auf diese Rubriken.

4 Politische-rechtliche Analyse

4.1 Aktionspläne für eine bessere Zukunft

Die Regierung Südafrikas setzt in ihren politischen Maßnahmen den Fokus auf die Bekämpfung der zuvor aufgezeigten Treiber. In diesem Kontext sind daher die zwei umfassendsten Aktionspläne zu erwähnen. Der „National Development Plan” (NDP) und der „New Growth Path” (NGP). Der NDP ist als Landesvision zu verstehen, dessen Hauptziel es ist, bis 2030 Armut zu eliminieren und Un- gleichheiten zu reduzieren, wovon ein stärkeres Wirtschaftswachstum erhofft wird.12 Ebenfalls aufgeführt ist die Verbesserung der schulischen und wirtschaftli- chen Perspektiven im Land.13 In Zahlen ausgedrückt möchte der 2012 veröffent- lichte Plan eine Abschaffung der Einkommensarmut für Haushalte mit einem Mo- natseinkommen unter ZAR14 419 von 39,0% auf null erreichen. Des Weiteren soll die Ungleichheit der Einkommensverteilung des Landes, gemessen am Gini- Koeffizienten15, von 0,69 auf 0,60 sinken. Um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, ist ein Anstieg der Beschäftigungszahl um 11 Mio. vorgesehen, was einer 85%- igen Steigerung entspricht.16

Diese volkswirtschaftliche Vision kann realisiert werden, indem eine Konzentra- tion auf Segmente stattfindet, die bereits komparative Vorteile aufweisen, um dadurch das Ziel einer höheren Exportorientierung zu erreichen. Potential dazu wird deshalb unter anderem im weiterverarbeitenden Bereich und dem Bergbau Makroökonomische Entwicklungsperspektiven des Schwellenlandes Südafrika gesehen. In Kombination mit weiteren Maßnahmen, wie der Reduzierung der Le- benshaltungskosten für Niedrigverdiener und einer Verbesserung der Infrastruk- tur, soll ein Wirtschaftswachstum von über 5,0% jährlich resultieren. Für die er- folgreiche Umsetzung des NDPs ist dieses Wachstum als Voraussetzung anzuse- hen.17

Eine konkrete Regierungsstrategie zur schrittweisen Visionserfüllung wird im Ende 2010 veröffentlichten NGP formuliert, welcher als Schlüsselprogramm gilt, um Südafrika auf höheren Wachstumskurs zu bringen.18 Der NGP konzentriert sich auf die Schaffung von Arbeitsplätzen, indem „Job Driver“ identifiziert wur- den, welche das Potential bieten, eine hohe Anzahl an Arbeitsplätzen hervorzu- bringen. Dazu gehören unter anderem hohe öffentliche Investitionen in die Infra- struktur, die direkt Arbeitsplätze schaffen und gleichzeitig die Produktion im Land durch die Herstellung benötigter Materialen stimulieren. Weiterhin sollen Maßnahmen entwickelt werden, welche die Jobaufnahme in den Sektoren Land- wirtschaft, Bergbau, Industrie und Dienstleistungen fördern. Beispiele sind eine angestrebte Restrukturierung der Landreform19 oder auch die Fokussierung auf eine Weiterverarbeitung von Rohmaterialien. Darüber hinaus beinhaltet der Plan ebenfalls die Nutzung neuer lukrativer Wirtschaftsfelder, die hauptsächlich im Ausbau und Wartung in Bereichen der erneuerbaren Energien vermutet werden. Daraus soll eine Steigerung der Beschäftigungsrate um fünf Mio. bis 2020 und eine Reduzierung der Arbeitslosenquote auf 15,0% resultieren.20

Der südafrikanische Staat zeigt durch NDP und NGP, dass ihm die herrschenden Problematiken bewusst sind und er diese schnellstmöglich bekämpfen möchte. Inhaltlich ist besonders die Schaffung von Arbeitsplätzen oberste Priorität, die es ermöglicht zeitgleich die weiteren Treiber Armut und Ungleichheit anzugehen. Allerdings sind die straffen Zielsetzungen nur schwer erreichbar, da sie stark von einem hohen Wirtschaftswachstum abhängen welches ungewiss bleibt.21 Auch gibt es kritische Stimmen, welche die Glaubwürdigkeit und Kompetenz der Re- gierung in Bezug auf die Implementierung und Überwachung der Pläne NDP und Makroökonomische Entwicklungsperspektiven des Schwellenlandes Südafrika NGP in Frage stellen.22 Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bezeichnet die ambitionierten Zielsetzungen als Kommuni- kationsinstrument, anstelle derer man zuerst Markt- und Regierungsfehler suchen müsse, die ein schnelleres Wachstum verhindern. Ein Beispiel hierfür wäre Kor- ruption.23

4.1.1 Black Economic Empowerment - Ein Ansatz für mehr Gleichheit

Die Ungleichheit im Land ist zwar offiziell seit Ende der Apartheid durch die rechtliche Gleichstellung aller Südafrikaner beendet, doch in sozialen wie wirt- schaftlichen Bereichen weiterhin vorhanden.24 Seitdem versucht die Regierung früher benachteiligte Bevölkerungsgruppen gezielt zu fördern. Prägend und vor allem kontrovers diskutiert, ist die weit ausgelegte Wirtschaftspolitik basierend auf dem Black Economic Empowerment (BEE).25 Konkretisiert wurde BEE durch den Broad-Based Black Economic Empowerment Act (B-BBEE) aus dem Jahre 2003.26 Dieses Gesetz zielt darauf ab „Schwarzen“ Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt einzuräumen, wobei der Begriff alle Nicht-Weißen Bevölkerungstei- le, wie Inder, Asiaten, Farbige und Schwarze umfasst.27 Ermöglichen soll dies eine eingeführte Scorecard, die BEE-Kriterien misst. Punkte erhalten Unterneh- men für eine repräsentative Anzahl schwarzer Mitarbeiter, der vermehrten Beset- zung von Führungspositionen durch Schwarze und der Schaffung von Beteiligun- gen am Unternehmen.28 Weiterhin sieht der B-BBEE Act vor, bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen Unternehmen zu bevorzugen, die von Schwarzen ge- führt werden.29 Die Gesetzgebung gilt für alle öffentliche Institutionen und Unter- nehmen, welche an einer öffentlichen Ausschreibung teilnehmen möchten.30

Hintergrund des Ansatzes war die Eliminierung der durch die Apartheid entstan- denen rassistischen Ausgrenzung schwarzer Bevölkerungsgruppen vom Wirt- schaftsleben. Kritiker sehen dabei das Abwandern von Humankapital und Fach- kräften, besonders in der weißen Bevölkerung, als größtes Problem. Ausgehend Makroökonomische Entwicklungsperspektiven des Schwellenlandes Südafrika von BEE steht als Einstellungskriterium nicht die Ausbildung oder Qualifikation im Vordergrund.31 Positionen werden mit Nicht-Weißen besetzt, denen oft nötige Kenntnisse fehlen, nur um höhere Werte in den Scorecards zu erlangen. Diese sind entscheidend für die Vergabe von staatlichen Aufträgen, welche geschätzt 30% der Wirtschaft ausmachen. Als Resultat leidet insbesondere die Produktivi- tät.32

4.1.2 Die Landreform - Ein Mittel zur Umverteilung

Ein weiteres Instrument zur Reduzierung der Ungleichheit ist die 1994 eingeleite- te Landreform. Diese besteht im Wesentlichen aus der Rückgabe von Ländereien, welche während der Apartheid unrechtmäßig enteignet wurden und der Umvertei- lung von Landflächen an vormals benachteiligte Südafrikaner. Die Rückgabe er- folgt, wenn der Geschädigte Beweise für die Enteignung vorlegen kann und eine Einigung mit dem verkaufenden Landbesitzer erzielt wird.33 So werden Zwangs- enteignungen vermieden, der Staat kauft das Land zum Marktpreis auf und über- gibt es dem ursprünglichen Besitzer. Bei Nichteinigung werden den Benachteilig- ten alternative Landflächen zugesprochen oder ein finanzieller Ausgleich angebo- ten. Die Landumverteilung hat das Ziel, 30,0% der Landflächen in Besitz von Weißen an landlose Schwarze umzuverteilen und durch staatlich subventionierte Kredite zu fördern.34 Dies funktioniert nach dem „willing buyer - willing seller“ Prinzip, bei dem ein Kauf des Landes durch den Staat nur auf freiwilliger Basis und Einigung mit dem Landbesitzer stattfinden kann. Allerdings konnten seit in Kraft treten des Umverteilungsprogramms bis 2011 erst 8,0%, also weniger als ein Drittel der angestrebten Landflächen verteilt werden.35

Die Idee, benachteiligte schwarze Bevölkerungsgruppen an der Landwirtschaft zu beteiligen und Arbeitsplätze zu schaffen, bleibt unverwirklicht. Es scheitert bisher an der Umverteilung und der nötigen Ausbildung der neuen schwarzen Landbesit- zer, was brach liegende Felder aufgrund falscher Bewirtschaftung und Ertragslo- sigkeit zur Folge hat.36

Makroökonomische Entwicklungsperspektiven des Schwellenlandes Südafrika Wegen des nur langsamen Fortschritts werden besonders aus der radikal linken Opposition der neu gegründeten Partei Economic Freedom Fighters Stimmen laut, ein ähnliches Modell wie in Zimbabwe zu implementieren. Dieses sieht unter anderem die Nationalisierung von Land ohne Entschädigungsleistungen mit anschließender Verteilung an die ärmere schwarze Bevölkerung vor.37

4.2 Parteienlandschaft

Die führende Partei seit Ende der Apartheid ist der African National Congress (ANC), welchem Nelson Mandela angehörte und den Präsidenten Jacob Zuma stellt. Der ANC ist eine Allianz bestehend aus der South African Communist Par- ty und dem Congress of South African Trade Unions (COSATU). Der COSATU ist Südafrikas größter Gewerkschaftsverband und damit ein einflussreicher Part- ner.38 Mit 66,0% der Sitze wurde die Wahl 2009 mit absoluter Mehrheit gewon- nen, gefolgt von der Democratic Alliance (DA), die 16,8% erreichte, und dem Congress of the People mit 7,5%.39 Die DA als größter Oppositionsgegner ist be- sonders bei der weißen Mittelschicht beliebt und versucht mit der weißen Partei- chefin Helen Zille auch Stimmen in der schwarzen Bevölkerung zu gewinnen.40

Im Hinblick auf die Wahl im April 2014 wird die dominante Position des ANC mit großer Wahrscheinlichkeit weiter bestehen. Doch Prognosen, wie die des Marktforschungsinstituts Business Monitor Int. (BMI), gehen davon aus, dass der ANC Stimmen verlieren wird. Bedingt sind die Verluste durch das Aufkommen weiterer Oppositionsparteien, die nicht zuletzt durch die anhaltende Arbeitslosig- keit und die Unzufriedenheit mit dem Präsidenten Anklang finden.41

4.3 Korruption

Das Problem der Korruption ist überwiegend im öffentlichen Bereich vorhanden und gleichzeitig ein Hemmnis für die faire und vor allem effiziente Dienstleis- tungserbringung.42 Die Anfälligkeit im Land bestätigt Transparency Int. mit dem Makroökonomische Entwicklungsperspektiven des Schwellenlandes Südafrika Corruption Perceptions Index43, in dem Südafrika einen Score von nur 42 erreicht, und damit ein ernstes Korruptionsproblem aufweist.44 Davon bleibt auch das Staatsoberhaupt nicht verschont. Die Stellung Präsident Zumas wird durch im- merwährende Korruptionsvorwürfe geschwächt. Jüngst aufgedeckt durch den Mail & Guardian wurde der Umbau seines Anwesens, welcher hohe Millionenbe- träge verschlang, die allerdings nicht für angebliche Sicherheitsmaßnahmen ver- wendet wurden.45

Als Resultat der anhaltenden Korruption sinkt vor allem das Vertrauen in die Regierung. Eine Eindämmung gestaltet sich bisher als schwierig, da sie auf oberster Ebene von Politik und Wirtschaft beginnt und somit einflussreiche Machtpositionen dahinterstehen.46

4.4 Gewerkschaften

Durch die hohe Gewerkschaftszugehörigkeit im Land von über 27,8%, und zentralisierten Tarifverhandlungen, wohnt den Gewerkschaften ein hoher Einfluss inne, der sich vor allem in strikten Arbeitsgesetzen und Streiks niederschlägt.47 Die drei größten Gewerkschaftsverbände werden dabei angeführt von COSATU mit 1,8 Mio. Mitgliedern gefolgt von der Federation of Trade Unions of South Africa mit über 0,5 Mio. Mitgliedern und der National Council of Trade Unions mit geschätzten 0,4 Mio. Mitgliedern.48 Alle Dachverbände bestehen aus dazuge- hörigen Einzelgewerkschaften, denen verschiedene wirtschaftliche Sektoren zuge- teilt sind. Obwohl alle drei Organisationen um Mitglieder konkurrieren, arbeiten sie in einem übergeordneten Forum, dem National Economic Development and Labor Council zusammen, um mit Arbeitgebern, der Regierung und bürgerlichen Vereinigungen Arbeitsgesetze zu verhandeln.49

5 Ökonomische Analyse

5.1 Wirtschaftliche Folgen von Streiks und Tarifverhandlungen

Trotz der hohen Gewerkschaftszugehörigkeit der Arbeiterschaft, die im Bergbau sogar 78,6% beträgt, sind wilde Streiks noch immer vorhanden. Mit Hilfe der drei großen Gewerkschaften konnten sie zwar stark eingedämmt werden, aber ein Vor- fall aus dem Sommer 2012 zeigt ihre immer noch währende Präsenz.50 Es kam zu Auseinandersetzungen in einem wilden Streik zwischen Polizisten und Bergbau- arbeitern einer Platinmine, bei dem 34 Demonstranten getötet wurden. Grund der Aufstände waren höhere Lohnforderungen.51 Die Folgen der Streiks, verknüpft mit einer schwachen Nachfrage der Handelspartner, waren verheerend. Die Nati- onal Treasury schätzt den entstandenen Verlust in 2012 auf ZAR 15,3 Mrd. nicht zuletzt durch den Rückgang der Produktion um 16,7%.52 Immer höhere Forderun- gen und damit verbundene Streikwellen belasten die Wirtschaft.53 Reallöhne stei- gen deutlich stärker als die Produktivität im Land, was eine Konsequenz kollekti- ver Tarifverhandlungen ist.54 Erschwerend kommt hinzu, dass strikte Arbeitsge- setze den Unternehmen untersagen, flexible Löhne oder Beschäftigungsverhält- nisse festzusetzen, und Südafrika damit auf die letzten Plätze des vom World Economic Forum (WEF) veröffentlichten Global Competitiveness Report55 beför- dert.56

Um die Wirtschaft zu fördern wird diese Flexibilität allerdings benötigt. Das emp- fiehlt auch die OECD, da es hinsichtlich der Einstellung neuer Mitarbeiter ein wichtiges Kriterium sei, die Beschäftigung zu erhöhen.57 Im Hinblick auf die Ar- beitslosigkeit sind es gerade unflexible Arbeitsgesetze, zu hohe Löhne und die gewerkschaftliche Organisation im Land, die zu einer anhaltend hohen Quote bei- tragen.58 Das Beispiel der Einführung einer „youth wage subsidy“ für Firmen, zwecks Risikominderung ungelernte Jugendliche einzustellen, da ein Tariflohn gezahlt werden muss, zeigt die Notwendigkeit noch einmal mehr. Eine Implementierung fand bisher, aufgrund der Gewerkschaftsmacht und der Angst, ältere Arbeitnehmer könnten ersetzt werden, nicht statt.59

5.2 BIP Entwicklung - Eine Prognose

Präsident Zuma betonte in seiner Rede zur Lage der Nation60 noch einmal mehr, wie wichtig ein Wirtschaftswachstum von über 5,0% sei. Die Umsetzbarkeit wichtiger politischer Bestrebungen wie dem NDP sind davon abhängig.61 Ein sol- ches Wachstum wurde zwar schon in den Jahren 2005 bis 2007 realisiert, doch stellten sich seitdem moderatere Steigerungen von durchschnittlich lediglich 2,2% ein. Dies entspricht einem BIP von USD 504,7 Mrd. in 2012.62 Nach einer relativ schwachen Erholung von der Rezession 2008/09, sehen Experten auch bei der zukünftigen Entwicklung keine wesentliche Besserung aufkommen. Die Weltbank prognostiziert für 2014 ein BIP-Wachstum von 2,7%, wobei BMI einen pessimis- tischeren Wert vorhersagt. Hinsichtlich der weiteren Prognosen ermittelte Infor- mation Handling Service Inc. (IHS), ebenfalls ein Marktforschungsinstitut, eine durchschnittliche Wachstumsrate bis 2017 von 4,2%, BMI sogar nur 3,0%, was das angestrebte Ziel der Regierung in weite Ferne rücken lässt.63

Gründe für diese Prognosen liegen beispielsweise im Konsum. Konsumausgaben sind mit einem Anteil von über 60,0% am südafrikanischen BIP wichtiger Be- standteil für zukünftiges Wachstum. Doch erfährt gerade dieser Bereich Ein- schränkungen durch nur moderate Erhöhungen der verfügbaren Einkommen und der hohen Arbeitslosigkeit.64 Steigende Lebenshaltungskosten, besonders bei Strom, kombiniert mit einer Haushaltsverschuldung von über 75,6% lassen die Konsumneigung der privaten Haushalte schrumpfen, folglich sinken auch die Wachstumsprognosen. Hinzu kommt die schwache Nachfrage nach Exportgütern aus der EU und China.65

[...]


1 Vgl. Springer Gabler Verlag (2014); Bundeszentrale für politische Bildung (2014).

2 Vgl. Centre for WTO Studies (2013), S. 5.

3 Vgl. MarketLine (2013), S. 17.

4 Vgl. IHS Global Inc. (2014), S. 18.

5 Vgl. OECD (2013), S. 2; Statistics South Africa (2013b), S. 4.

6 Als Farbige wird der Teil der Bevölkerung mit gemischter Abstammung bezeichnet.

7 Vgl. Statistics South Africa (2013a), S. 7 sowie S. 10.

8 Vgl. OECD (2013), S. 18.

9 Vgl. Welge, M. K.; Al-Laham, A. (2012), S. 290.

10 Vgl. Sander, M. (2004), S. 289; Welge, M. K.; Al-Laham, A. (2012), S. 292.

11 Vgl. Sander, M. (2004), S. 292; Welge, M. K.; Al-Laham, A. (2012), S. 293.

12 Vgl. OECD (2013), S. 21.

13 Vgl. National Planning Commission (2010), S. 14f.

14 ZAR: Südafrikanischer Rand; aktueller Wechselkurs EUR-ZAR: EUR 1,00 = ZAR 14,90, Stand: 07.03.2014.

15 Der Gini-Koeffizient ist eine Maßzahl zwischen 0 und 1 zur Beschreibung der Ungleichheit der Einkommensverteilung. Je ungleicher die Verteilung ist, desto näher liegt der Wert bei 1. Bei Gleichverteilung hat der Gini-Koeffizient den Wert 0.

16 Vgl. National Planning Commission (2010), S. 24.

17 Vgl. National Planning Commission (2010), S. 29f.

18 Vgl. OECD (2013), S. 22.

19 Weitere Informationen zur Landreform siehe Kapitel 4.1.2.

20 Vgl. Economic Development Department (2011), S. 18-31.

21 Siehe dazu Kapitel 5.2 dieser Arbeit.

22 Vgl. Zarenda, H. (2013), S. 13.

23 Vgl. OECD (2013), S. 22.

24 Siehe dazu Kapitel 5.3, Kapitel 6.3 und Kapitel 6.4.

25 Vgl. Krensel, A. (2009), S. 1.

26 Vgl. Department of Trade and Industry (o.J.).

27 Vgl. Republic of South Africa (2014), S. 2.

28 Vgl. Krensel, A. (2009), S. 6f.

29 Vgl. Republic of South Africa (2014), S. 2 sowie S. 4.

30 Vgl. Department of Trade and Industry (2013), S. 6.

31 Vgl. Business Monitor Int. (2013), S. 11.

32 Vgl. Institute for Justice and Reconciliation (2012), S. 41; Iob, E. (2013).

33 Vgl. von Soest, C.; Cholet, J. (2006), S. 3.

34 Seit Ende der Apartheid verfügten weiße Farmer etwa über 86% des gesamten Farmlandes. Siehe dazu: Bernstein, H. (1994).

35 Vgl. von Soest, C.; Cholet, J. (2006), S. 4; MarketLine (2013), S. 31.

36 Vgl. Scheen, T. (2008), S. 2.

37 Vgl. Zindoga, T. (2014).

38 Vgl. African National Congress (o.J.); Business Monitor Int. (2013), S. 8.

39 Vgl. Parliament of the Republic of South Africa (o.J.).

40 Vgl. MarketLine (2013), S. 48.

41 Vgl. Business Monitor Int. (2013), S. 10.

42 Vgl. National Planning Commission (2010), S. 46; OECD (2013), S. 19.

43 Dieser Index bewertet Länder mit einem Score zwischen 0 (hohe Korruption) bis 100 (keine Korruption). Ein Score unter 50 bedeutet, dass ein ernsthaftes Problem mit Korruption besteht.

44 Vgl. Transparency International (2013).

45 Vgl. amaBhungane (2013).

46 Vgl. National Planning Commission (2010), S. 46; MarketLine (2013), S. 17.

47 Vgl. OECD (2012), S. 146; Business Monitor Int. (2013), S. 32; Statistic South Africa (2013b), S. 12.

48 Vgl. COSATU (o.J.); Trade Unions in South Africa (o.J.a); FEDUSA (o.J.).

49 Vgl. Nedlac (o.J.a); Nedlac (o.J.b).

50 Vgl. Trade Unions in South Africa (o.J.b).

51 Vgl. dpa, DAPD, AFP (2012).

52 Vgl. National Treasury Republic of South Africa (2013), S. 17.

53 Vgl. Stumpf, H. (2013).

54 Vgl. Klein, N. (2012), S. 4f.

55 Dieser Report schätzt die Wettbewerbsfähigkeit von 148 Volkswirtschaften ein auf Basis ver- schiedener Faktoren, die Einfluss auf den Wohlstand und die Produktivität des Landes haben.

56 Vgl. World Economic Forum (2013), S. 347.

57 Vgl. OECD (2013), S. 23f.

58 Vgl. IHS Global Inc. (2014), S. 6.

59 Vgl. Institute for Justice and Reconciliation (2012), S. 31.

60 Die vollständige Rede zur Lage der Nation vom 14.02.2013 findet sich unter: http://www.parliament.gov.za/live/content.php?Item_ID=2857.

61 Vgl. Foreign Affairs (2013), S. 1.

62 Vgl. OECD (2014a); World Bank (2014a).

63 Vgl. Business Monitor Int. (2013), S. 14; IHS Global Inc. (2014), S. 13; World Bank (2014b). Für eine vollständige Auflistung der Wachstumsraten & Prognosen siehe Anlage 1.1.

64 Vgl. South African Reserve Bank (2013), S. 10f.

65 Vgl. IHS Global Inc. (2014), S. 2 sowie S. 5; South African Reserve Bank (2013), S. 13.

Ende der Leseprobe aus 37 Seiten

Details

Titel
Südafrika. Makroökonomische Entwicklungsperspektiven eines Schwellenlandes
Hochschule
Hochschule RheinMain - Wiesbaden Rüsselsheim Geisenheim  (Wirtschaft)
Note
1,0
Autor
Jahr
2014
Seiten
37
Katalognummer
V272055
ISBN (eBook)
9783656659501
ISBN (Buch)
9783656659471
Dateigröße
857 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Südafrika, Marktanalyse, Umweltanalyse
Arbeit zitieren
Marc Fensterseifer (Autor:in), 2014, Südafrika. Makroökonomische Entwicklungsperspektiven eines Schwellenlandes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/272055

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