Rundfunk und Literatur in den 1920er Jahren. Positionen von Bertolt Brecht und Alfred Döblin zum neuen Medium


Hausarbeit, 2012

20 Seiten, Note: 1,7

Anonym (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Bertolt Brecht und das neue Medium Rundfunk
2.1. Leben und Wirkung von Brecht
2.2. Brechts Rundfunktheorie

3. Alfred Döblin zum Verhältnis von Literatur und Rundfunk
3.1. Zum Leben von Döblin
3.2. Döblins Rede zum Thema Literatur und Rundfunk

4. Fazit und Zusammenfassung

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Als in den 1920er Jahren Film und Rundfunk erfunden und eingeführt wurden, bedeutete dies für das Kulturangebot in der Weimarer Republik eine große Bereicherung; die Folge war eine rasante Entwicklung der Massenmedien.

Die Zwanziger Jahre waren nicht nur politisch und technisch, sondern auch kulturell eine Zeit der Umbrüche. Ob in der Malerei oder Architektur, im Theater, Kabarett oder Konzert, bei sportlichen Großveranstaltungen, Gedichten, (Groschen-)Romanen oder in den Feuilletonseiten der Tageszeitungen – das kulturelle Angebot war groß und hatte für jedermann das Richtige zu bieten. Die Zeit des Expressionismus ging langsam zu Ende und eine neue Kunstrichtung – beeinflusst durch die neuen technischen Medien und durch die Massenkultur – breitete sich immer mehr aus: die Neue Sachlichkeit (vgl. Sturm, S. 44f.).

In dieser Zeit entstanden die heute üblichen Filmgattungen vom Abenteuer- bis zum Dokumentarfilm. Im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs in den „Goldenen Zwanzigern“ öffneten immer mehr Kinos ihre Türen für das Publikum, denn die Nachfrage war groß. Waren es 1920 etwa 3700, gab es zehn Jahre später schon über 5000 Lichtspielhäuser mit insgesamt zwei Millionen Sitzplätzen. 1925 kauften sich bereits etwa zwei Millionen Menschen täglich eine Kinokarte. Allerdings gab es auch einige, die diesem Medium skeptisch gegenüberstanden: Viele Politiker trauten der suggestiven Wirkung des Films nicht ganz, weshalb er durch das Reichslichtspielgesetz der staatlichen Zensur unterlag (vgl. ebd.).

Dank des gleichfalls neuen Mediums Rundfunk konnte man sich ein Teil des Kulturangebotes sogar nach Hause holen. 1932 gab es bereits über vier Millionen Rundfunkteilnehmer, das entspricht etwa einem Viertel der Haushalte. Das gesendete Programm bestand aus Musik, Vorträgen, „Reportagen, Nachrichtensendungen, Dichterlesungen und Hörspiele[n] – eine neue literarische Gattung, mit der zahlreiche Schriftsteller des 20. Jahrhunderts erstmals einen größeren Bekanntheitsgrad erreichten“ (ebd., S. 45). Mit dem Hörspiel entstand eine neue Literaturgattung, die sich, den technischen Bedingungen des Radios entsprechend, ausschließlich auf das Akustische beschränkte (vgl. Mettenleiter et al., S. 360).

Im Gegensatz zu der damals üblichen Berichterstattung durch die Tageszeitungen übermittelte das Radio Informationen sehr viel schneller: Neuigkeiten konnten an die vielen Haushalte zeitgleich und zeitnah gesendet werden. Auch Live-Übertragungen – etwa von Sportereignissen – waren jetzt möglich. Wahlergebnisse konnten rasch verbreitet werden. Wo das fortschrittliche Medium an Reichweite gewann, kam es anderer Stelle zu Einbußen. So erklärt Hans J. Kleinsteuber – Prof. für Politische Wissenschaft und Journalistik in Hamburg – in seinem Buch „Radio – Eine Einführung“: „Am Radio lässt sich deutlich demonstrieren, dass ein Medium immer in Wechselbeziehungen zu anderen Medien steht. Mit Durchbruch des Radios wurde die bestehende Zeitungslandschaft erheblich bedroht; ihm ist wesentlich geschuldet, dass Abendzeitungen weitgehend verschwunden sind.“ (Kleinsteuber, S. 29)

Der Rundfunk bot zwar zahlreiche neue Möglichkeiten, jedoch gab es auch hier einige Kritiker. Viele Schriftsteller sahen zwar neue Chancen und standen dem neuen Medium grundsätzlich positiv gegenüber, einige aber glaubten eine Gefahr für das Genre der Literatur darin zu erkennen oder hatten andere Einwände.

Thema dieser Arbeit soll das Verhältnis zwischen Literatur und Rundfunk sein. Dabei steht die Frage im Vordergrund, welche grundsätzlichen Positionen sich unter den Schriftstellern zum Rundfunk herausbildeten. Einige Autoren äußerten sich öffentlich zu diesem Thema. Zu den bedeutendsten Autoren der Weimarer Republik, die sich öffentlich zu diesem Thema äußerten, gehören Bertolt Brecht und Alfred Döblin. Brecht, der nicht nur durch seine literarischen Werke großen Einfluss hatte, beschäftigte sich intensiv mit dem neuen Medium und verfasste einige Texte, die seine Rundfunktheorie bilden.

1929 gab es sogar eine Arbeitstagung unter dem Titel „Dichtung und Rundfunk“, an der viele Autoren sowie Vertreter der Behörden der deutschen Rundfunkgesellschaften teilnahmen, um ihre Positionen vorzutragen. Einer der teilnehmenden Schriftsteller war Alfred Döblin. Anhand des von ihm gehaltenen Tagungs-Vortrags werde ich seine Position zum Thema Rundfunk und Literatur beleuchten. Da Döblin zu den bedeutendsten Autoren der Weimarer Republik zählt, erscheint er mir dafür besonders geeignet. Viele Schriftsteller teilten vermutlich seine Meinung. Mit seinem wohl bekanntesten Werk „Berlin Alexanderplatz“ gelang ihm der erste deutsche Großstadtroman, indem er das Leben in Berlin in den Mittelpunkt rückte und es verstand, Einflüsse aus Expressionismus, der Neuen Sachlichkeit, amerikanischer Autoren und Aspekte des Films in sein Werk zu integrieren (vgl. Sturm, S. 45).

Ein weiterer Autor, der nicht nur durch seine literarischen Werke großen Einfluss hatte, war Bertolt Brecht. Dieser nahm zwar nicht an der Tagung teil, beschäftigte sich aber intensiv mit dem neuen Medium und schrieb einige Texte zum Thema Rundfunk, die seine Rundfunktheorie bilden.

Bevor ich mich mit den Positionen der beiden Schriftsteller beschäftige, werde ich kurz auf einige biografische Daten verweisen sowie auf ihre (literarische) Wirkungsgeschichte eingehen. Dies erscheint mir wichtig, um ihre Positionen anhand ihrer Erfahrungen besser nachvollziehen zu können.

2. Bertolt Brecht und das neue Medium Rundfunk

Das Thema der Medientheorie ist bis heute hauptsächlich mit dem Namen Bertolt Brecht verbunden. So beziehen sich viele wissenschaftliche Publikationen vor allem auf seine Ansätze oder solche, die auf seinen Ansätzen aufbauten. Brechts sogenannte Radiotheorie besteht aus mehreren Essays zu den Nutzungsmöglichkeiten und potenziellen Inhalten des neuen Mediums. Diese Schriften wurden später zusammengefügt und unter dem Titel „Radiotheorie“ veröffentlicht (vgl. Kleinsteuber, S. 43). Zu diesen zählen unter anderem: „Junges Drama und Rundfunk“, „Vorschläge für den Intendanten des Rundfunks“ oder „Radio – eine vorsintflutliche Erfindung?“ (alle 1927), in denen er die Inhalte des Mediums kritisiert (vgl. ebd., S. 44).

In dieser Arbeit beschränke ich mich auf Brechts Essay „Der Rundfunk als Kommunikationsapparat. Rede über die Funktion des Rundfunks“, das er 1932 verfasste. Diese Rede gilt als die am meisten beachtete radiotheoretische Schrift von ihm, in die er eine mehrjährige Erfahrung mit der Rundfunkpraxis einfließen ließ (vgl. ebd., S. 45). Daher scheint mir dieser Text besonders geeignet, um die Position Brechts zum Rundfunk herausarbeiten zu können.

2.1 Zum Leben von Bertolt Brecht

Bertolt Brecht wurde 1898 in Augsburg geboren und ist vor allem für seine zahlreichen Theaterstücke sowie für die Begründung und Umsetzung des „epischen Theaters“ bekannt. Schon in seiner Schulzeit begann er Gedichte zu schreiben, die bereits damals gesellschaftskritische Tendenzen aufwiesen. Brecht studierte Medizin und arbeitete zu Kriegsende als Lazarettgehilfe. Zurück in Berlin sammelte er 1924 als Dramaturg erste Theatererfahrungen unter dem Regisseur Max Rheinhardt. Brecht wurde in den 1920er Jahren zum überzeugten Kommunisten; die meisten seiner Werke sind ab diesem Zeitpunkt von seinen politischen Zielen geprägt. Das Theaterstück „Die Dreigroschenoper“ entstand mit der musikalischen Unterstützung des Komponisten Kurt Weill 1928 und ist sein wohl populärstes Werk. Die Uraufführung des sozialkritischen Stücks löste damals zwar einen Skandal aus, zählt aber heute trotzdem zu den größten Theatererfolgen der Weimarer Republik. Außerdem schrieb er Kurzgeschichten, Romane und verfasste Hörspiele für den Rundfunk. 1933 verließ er Deutschland und entwickelte im Exil die Theorie vom „epischen Theater“ weiter. Zu dieser Zeit entstand auch das bekannte Stück „Mutter Courage und ihre Kinder“. Er starb schließlich 1956 in Ost-Berlin (vgl. Mettenleiter et al., S. 363).

Brecht forderte ein Theater, das analysiert, bei dem das Publikum zum Hinterfragen und Nachdenken angeregt wird (vgl. ebd.). Der Zuschauer sollte nicht nur Gefühle, Sympathien und Hoffnungen investieren, „die nur den Zweck haben, dem dramatischen Individuum die Gelegenheit zu geben, sich auszudrücken“ (Brecht, S. 262). Sein Ziel war es, gesellschaftliche Strukturen zu verändern. Dabei wies Brecht auch auf die Rolle der Medien hin, die in der Lage seien, solche positiven Veränderungen hervorzurufen (vgl. ebd.).

Mit seiner Radiotheorie gab Brecht den Anstoß für weitere Theorien unterschiedlicher Herangehensweise. Der Medienwissenschaftler Werner Faulstich unterscheidet sieben verschiedene Radiotheorietypen („produktionsorientiert“, „historisch, komparatistisch, legitimatorisch“, „normativ“, „deskriptiv, enzyklopädisch“, „philosophisch“, „analytisch, ästhetisch“, „didaktisch“) und ordnet diesen die wichtigsten Vertreter bzw. Autoren zu. Brechts Rundfunktheorie entspricht dem produktionsorientierten Theorietyp (vgl. Kleinsteuber, S. 42). Weiterhin lassen sich die verschiedenen radiotheoretischen Ansätze in zwei verschiedene Gruppen mit unterschiedlichen Diskussions- und Entwicklungslinien hinsichtlich ihrer Inhalte, Methode, Perspektiven sowie Fachbezüge unterteilen. Brechts Ansatz kann demnach als „medien- und gesellschaftskritisch“ sowie utopisch charakterisiert werden. Zu der anderen Gruppe gehören wissenschaftlich-systematische Ansätze wie beispielsweise der des Medienwissenschaftlers Friedrich Knilli, der sich mit seiner Theorie nicht nur auf die Sprach- und Kommunikationswissenschaft, sondern auch explizit auf Brecht bezog (vgl. ebd., S. 43).

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Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Rundfunk und Literatur in den 1920er Jahren. Positionen von Bertolt Brecht und Alfred Döblin zum neuen Medium
Hochschule
Freie Universität Berlin
Note
1,7
Autor
Jahr
2012
Seiten
20
Katalognummer
V272075
ISBN (eBook)
9783656636656
ISBN (Buch)
9783656636717
Dateigröße
418 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rundfunk, Literatur, Bertolt Brecht, Alfred Döblin
Arbeit zitieren
Anonym (Autor:in), 2012, Rundfunk und Literatur in den 1920er Jahren. Positionen von Bertolt Brecht und Alfred Döblin zum neuen Medium, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/272075

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