Die Wissenschaften genießen ein hohes Ansehen. Wenn etwas wissenschaftlich erwiesen oder empirisch belegt ist, beansprucht es für sich, wahr und glaubwürdig zu sein. Wenn wir etwas für wissenschaftlich halten, gehen wir davon aus, dass bei dem Forschungsprozess bestimmte Regeln eingehalten werden. Doch was ist diese wissenschaftliche Methode, die für sich beansprucht, wahre Tatsachen produzieren zu können? Generationen von Wissenschaftstheoretikern haben sich mit dieser Frage auseinandergesetzt:
Für die Rechtfertigungsdenker bestand die wissenschaftliche Redlichkeit darin, Bewiesenes anzunehmen und Unbewiesenes zu verwerfen. Was so simpel und einleuchtend klingt, ist problematisch. Daraufhin ist von den Neorechtfertigungsdenkern dazu übergegangen worden, nicht mehr das Bewiesene, sondern das Wahrscheinliche anzunehmen. Karl Raimund Popper hingegen machte zu seinem Maßstab wissenschaftlicher Redlichkeit, dass vor einem Experiment festgelegt werden muss, welche Ereignisse die angenommene Theorie falsifizieren. Imre Lakatos baute die Forderung, Falsifizierbares zu überprüfen und Unfalsifizierbares und Falsifiziertes zu verwerfen aus. Paul Karl Feyerabend hingegen hat einen ganz anderen Ansatz und bezweifelt, dass die Wissenschaft sich überhaupt gegenüber Magie, Voodoo oder anderen Wegen der Erkenntnis auszeichnet. Er sieht die Wissenschaft als moderne Religion an und die Wissenschaftsgläubigkeit als irrational.
Im Folgenden wird zuerst Poppers Methodologie beschrieben. Angefangen mit dem Induktionsproblem, darauf aufbauend wird das Abgrenzungsproblem und damit zusammenhängend Poppers Auffassung der wissenschaftlichen Redlichkeit zu erläutern sein. Im abschließenden Abschnitt geht es um das Münchhausen Trilemma, welches erklärt, warum die oben genannten Positionen der (Neo-)Rechtfertigungsdenker zu verwerfen sind und welchen Weg die Wissenschaft nach Popper geht bzw. gehen sollte.
Lakatos, der als Fortführer Poppers Kritischen Rationalismus´ angesehen werden kann, hat drei Arten des Falsifikationismus unterschieden. Der Lakatos´sche Falsifikationismus weist deutliche Unterschiede zu Poppers auf. Feyerabends Überlegungen hingegen sind von ganz anderer Natur. Zunächst wird sein Plädoyer für die Methodenvielfalt und Feyerabends Kritik an den empiristischen Wissenschaften erläutert. Außerdem wird die Frage geklärt, ob der dadurch entstehende relativistische „Theoretizismus“ verteidigt werden kann.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung - eine kurze Geschichte der Wissenschaftstheorie
- 2. Karl R. Poppers Methodologie
- 2. 1 Induktionsproblem
- 2. 2 Abgrenzungsproblem
- 2. 3 Das Münchhausen Trilemma
- 3. Imre Lakatos Weiterentwicklung von Poppers Falsifikationismus
- 3. 1 Der dogmatische Falsifikationismus
- 3. 2 Der naive methodologische Falsifikationismus
- 3. 3 Der raffinierte methodologische Falsifikationismus
- 4. Paul K. Feyerabends Methodologiekritik
- 4. 1 ,,Anything goes"
- 4. 2 Inkommensurabilität
- 4. 3 Kritik
- 5. Schluss: Die Geschichte der Wissenschaftstheorie - ein Zirkelschluss?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, wie sich die wissenschaftliche Methodologie nach Karl R. Popper und Imre Lakatos kennzeichnen lässt und welche Kritik Paul Feyerabend an beiden Positionen übt. Der Fokus liegt auf der Analyse der Falsifikationstheorie, ihrer Weiterentwicklung durch Lakatos sowie der relativistischen Kritik Feyerabends.
- Das Induktionsproblem und seine Folgen für die wissenschaftliche Erkenntnisgewinnung
- Poppers Falsifikationismus als Alternative zum Verifikationsprinzip
- Lakatos' Weiterentwicklung des Falsifikationismus durch die Einführung wissenschaftlicher Forschungsprogramme
- Feyerabends „Anything goes“-Prinzip und seine Kritik an der wissenschaftlichen Methode
- Die Problematik der Inkommensurabilität und die Frage nach der relativen Gültigkeit von Theorien
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung bietet eine kurze Geschichte der Wissenschaftstheorie, die die Herausforderungen der Erkenntnisfindung und die Entwicklung unterschiedlicher Ansätze von der Rechtfertigungsdenkweise über den Neorechtfertigungsdenken bis hin zu Poppers Falsifikationismus beleuchtet.
Kapitel 2 stellt Poppers Methodologie vor, die sich vom Verifikationsprinzip der Positivisten abgrenzt. Es werden das Induktionsproblem, das Abgrenzungsproblem und das Münchhausen Trilemma erläutert, um die Grundlage für Poppers Falsifikationismus zu schaffen.
Kapitel 3 befasst sich mit Imre Lakatos' Weiterentwicklung von Poppers Falsifikationismus. Es werden drei Arten des Falsifikationismus – der dogmatische, der naive und der raffinierte – vorgestellt, wobei Lakatos selbst den raffinierten Falsifikationismus vertritt.
Kapitel 4 untersucht Paul Feyerabends Methodologiekritik und sein Plädoyer für die Methodenvielfalt. Feyerabend argumentiert, dass die Wissenschaft keine privilegierte Erkenntnisstelle ist und es keine „einzige wahre Methode“ gibt. Seine Kritik an den empiristischen Wissenschaften wird im Kontext des „Konsistenzpostulats“ und des „Invarianzprinzips“ erläutert.
Kapitel 5 bietet eine abschließende Darstellung der Geschichte der Wissenschaftstheorie und beleuchtet die Frage, ob sie letztendlich auf einen Zirkelschluss hinausläuft.
Schlüsselwörter
Falsifikationismus, Induktion, Deduktion, Verifikation, Wissenschaftstheorie, Methodologie, Karl R. Popper, Imre Lakatos, Paul K. Feyerabend, Anything goes, Inkommensurabilität, Forschungsprogramm, Wissenschaftliche Redlichkeit, Erkenntnistheoretisches Fundament.
- Arbeit zitieren
- Victoria Flägel (Autor:in), 2011, Wissenschaftliche Methodologie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/272111