"Property I have nowhere found more clearly explained than in a book entitled, Two Treatises of Government." (Locke 1703, zitiert nach Laslett 1967: 3)
Das Zitat verdeutlicht, welchen Stellenwert das Eigentum in der politischen Theorie von Locke einnimmt. Eigentum bezeichnet ganz allgemein die rechtliche Herrschaft über eine Sache und damit das Recht über die Sache frei zu bestimmen. Die rein faktische Verfügung über eine Sache, also auch ohne rechtliche Grundlage bezeichnet hingegen der Begriff des Besitzes (vgl. Weiß 2010: S. 189). In der Lockeschen liberalen Theorie nimmt Eigentum einen zentralen Platz ein. Dies soll anhand der folgenden Forschungsfrage ergründet werden: Welche Bedeutung besitzt Geld in der politischen Theorie von John Locke?
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Im Naturzustand
2.1 Eigentum vor der Geldeinführung: Arbeits- und Eigentumstheorie
2.2 Eigentum vor der Geldeinführung: Aneignungsschranken und wirtschaftliche Struktur der Gesellschaft
2.3 Eigentum nach der Geldeinführung: Durchbrechung der Aneignungsschranken
3 Schlussbetrachtungen
3.1 Politische Gesellschaft und der Staat der Eigentümer
3.2 Resümee
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Naturzustand als Sicherheitsdilemma
Abbildung 2: Analysephasen des Eigentums
Abbildung 3: Ungleichverteilung von Eigentum im Naturzustand
1 Einleitung
Property I have nowhere found more clearly explained than in a book entitled, Two Treatises of Government. (Locke 1703, zitiertnach Laslett 1967: 3)
Das Zitat verdeutlicht, welchen Stellenwert das Eigentum in der politischen Theorie von Locke einnimmt. Eigentum bezeichnet ganz allgemein die rechtliche Herrschaft über eine Sache und damit das Recht über die Sache frei zu bestimmen. Die rein faktische Verfügung über eine Sache, also auch ohne rechtliche Grundlage bezeichnet hingegen der Begriff des Besitzes (vgl. Weiß 2010: S. 189). In der Lockeschen liberalen Theorie nimmt Eigentum einen zentralen Platz ein. Dies soll anhand der folgenden Forschungsfrage ergründet werden:
Welche Bedeutung besitzt Geld in der politischen Theorie von John Locke? Daneben soll die folgenden Thesen überprüft werden:
1. Im Naturzustand ist eine grenzenlose Anhäufung von Eigentum nicht möglich.
2. Die Institution Geld sprengt die Aneignungsschranken, setzt den Anreiz zur Mehrproduktion und führt zur Verstetigung der Ungleichverteilung von Eigentum.
3. Die politische Gesellschaft ist im Wesentlichen eine Gesellschaft von Eigentümer im materiellen Sinn.
Zur Beantwortung der zentralen Forschungsfrage dient das Werk von Locke (1977) Zwei Abhandlungen über die Regierung als Primärquelle. Hierbei wird insbesondere das 5. Kapitel (Das Eigentum) der II. Abhandlung im Vordergrund stehen, um die Forschungsfrage und die dazugehörigen Thesen zu analysieren. Locke teilt den Eigentumsbegriff in engen und weiten Bedeutungsinhalt des Eigentums: die materielle Dimension von Eigentum verweist auf den engen Eigentumsbegriff (vgl. Locke 1977: II 5.Kap.), wohingegen der weite Eigentumsbegriff das Leben, Freiheit und V ermögen beinhaltet (vgl. Locke 1977: § 123, S. 278). Die weitere Bestimmung erfolgt in den entsprechend Abschnitten.
Zunächst wird im Kap. 2 der hypothetische Naturzustand beschrieben, um zu klären, wie Eigentum nach Locke entsteht. Dies wird im Abschnitt 2.1 mithilfe der Lockeschen Arbeits- und Eigentumstheorie erläutert. Im anschließenden Abschnitt 2.2 werden die natürlichen Aneignungsschranken vorgestellt. Demnach werden dem Eigentumserwerb der einzelnen Akteure natürliche Grenzen gesetzt. Dennoch existiert bereits eine Ungleichverteilung von Eigentum, die sich mit der Einführung des Geldes verschärft. Die regulierende Funktion der natürlichen Aneignungsschranken tritt außer Kraft: Das Geld sprengt die Aneignungsschranken und potenziert die Konflikte zwischen den einzelnen Akteuren im Naturzustand. Das Eigentum ist deshalb höchst unsicher und der Wunsch nach einer Instanz, die das Eigentum gewährleistet, wächst (Abschnitt 2.3). Die Menschen schließen sich qua Zustimmung auf Grundlage eines Vertrages zur politischen Gesellschaft zusammen und schaffen den Staat als eigentumssichernde Instanz, der wiederrum selbst rechtlich beschränkt werden muss (Abschnitt 3.1). Im letzten Abschnitt (3.2) werden zentrale Aussagen, die der Beantwortung der Forschungsfrage dienen, zusammenfassend dargelegt.
2 Im Naturzustand
Um politische Gewalt richtig zu verstehen und sie von ihrem Ursprung abzuleiten, müssen wir erwägen, in welchem Zustand sich die Menschen von Natur aus befinden. (Locke 1977: § 3, S. 201)
In diesem Abschnitt soll der Lockesche Naturzustand vergegenwärtigt werden, weil er Ausgangspunkt für die theoretische Argumentation von Locke ist, um die Herausbildung des politischen Gemeinwesens zu verstehen.1 Im Naturzustand sind alle Menschen von Natur aus mit vollkommener Freiheit und Gleichheit innerhalb der Grenzen des natürlichen Gesetzes ausgestattet (vgl. Locke 1977: §4,S. 201)2. Das geltende natürliche Gesetz umfasst das Recht auf Selbsterhaltung wie auch das Recht auf Erhaltung des Mitmenschen und ist im weitesten Sinn zu verstehen: Es umfasst sowohl das Recht auf Leben an sich als auch alles was zur Erhaltung des Lebens dient, wie bspw. Eigentum, Gesundheit und Freiheit (vgl. Locke 1977: § 6,S. 203). Das verpflichtende Naturgesetz entspringt der Vernunft und regelt im - prinzipiell friedlichen - Naturzustand die Beziehungen der Menschen untereinander. Der Naturzustand soll jedoch nicht den Eindruck erwecken, dass es sich ausschließlich um einen „Zustand des Friedens, des Wohlwollens, der gegenseitigen Hilfe undErhaltung“ (Locke 1977: § 19, S. 211) handelt, vielmehr besteht immer eine realistische Gefahr, dass Menschen das natürliche Gesetz brechen und damit das friedliche Leben aller Menschen gefährden (vgl. Locke 1977: § 19, S. 211; Euchner 1987: S. 16). Die Abwesenheit einer übergeordneten Sanktionsinstanz nötigt den Menschen dieses einzige Naturgesetz selbst durchsetzen: Sie sind Richter in eigener Sache (vgl. Locke 1977: § 13,S . 207). Demnach muss der Mensch permanent die Missachtung des Naturgesetztes durch andere fürchten.
Abbildung 1: Naturzustand als Sicherheitsdilemma
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Kriegszustand ist deshalb eine allgegenwärtige Gefahr im Naturzustand und i st ebenso durch die Abwesenheit einer übergeordneten Sanktionsinstanz gekennzeichnet. Mithilfe der Konzeption eines Sicherheitsdilemmas basierend auf einem rationalen Akteur (homo oeconomicus) wird deutlich wie unsicher dieser Zustand, der ohne eine gemeinsam geteilte staatliche Rechtsordnung auskommt, ist (siehe Darstellung). Das Recht auf Selbstverteidigung gibt den Menschen mithin das legitime Recht sich gegen gewalttätige, lebensbedrohliche Handlungen Dritter zu wehren - das von der reinen Wiedergutmachung (Schadensersatz) bis hin zur Tötung des Angreifers reicht (vgl. Locke 1977: § 19; S. 211 f.). Das Risiko des Kriegszustandes legt also den wesentlichen Anreiz den Naturzustand zu verlassen und sich in Form einer vertraglichen Übereinkunft zur einer politischen und rechtlich-verfassten Gesellschaft zu vereinigen (vgl. Locke 1977: § 19; S. 212).3
Welche Rolle nimmt das Eigentum auf der bisherigen ausgearbeiteten Grundlage ein? Die latente Unsicherheit im Naturzustand, demnach der einzelne Mensch sich nie sicher sein kann, dass sein Gegenüber sich an das natürliche Gesetz hält und nicht doch in das persönliche Eigentum eingreift, ist ein zentrales Argument für Locke, das zur Herausbildung einer politischen Gesellschaft führt. Sie ist staatliche organisiert und umschließt eine Rechtsordnung, die die „Erhaltung des Eigentums“ (vgl. Locke 1977: § 85, S. 252) gewährleistet. Sie muss weiterhin in der Lage sein gesetztes (positives) Recht effektiv und einheitlich über Gerichte oder andere staatliche Organe durchzusetzen.4 In den nachfolgenden Abschnitten wird die Relevanz der Institution des Geldes verdeutlicht.
Abbildung 2: Analysephasen des Eigentums vom Naturzustand bis zur politischen Gesellschaft unter der Bedingung der Einführung des Geldes
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung.
2.1 Eigentum vor der Geldeinführung: Arbeits- und Eigentumstheorie
In der Arbeits- und Eigentumstheorie, die im fünften Kapitel der zweiten Abhandlung (vgl. Locke 1977: II Kap. 5) von Locke behandelt wird, dient der enge Eigentumsbegriff, der auf die rein materielle Dimension verweist. Dies ist typischerweise das Privateigentum des Einzelnen wie Grund und Boden, Kapital oder sonstige Wertgegenstände. Wie begründet Locke die Entstehung von (Privat-)Eigentum im Naturzustand?
Die Erde und alles was sich an natürlichen Dingen auf ihr befindet, ist Gemeineigentum und gehört allen Menschen gleichermaßen.5 Keiner hat vorab ein exklusives Herrschaftsrecht über die natürlichen Dinge wie Früchte, Wasser oder Boden (vgl. Locke 1977: §26,S. 216), vielmehr ist der Mensch aufgrund des grundlegenden Prinzips der Selbsterhaltung berechtigt, sich einen Teil der Natur anzueignen, um zu überleben. Darüber hinaus dient die Inbesitznahme der Erde resp.
[...]
1 „Denn nicht jeder Vertrag beendet den Naturzustand unter den Menschen, sondern nur jener, in dem sie gegenseitig übereinkommen, eine Gemeinschaft einzugehen und einen politischen Körper zu bilden“ (Locke 1977: § 14, S. 208).
2 „Der Mensch wird [...] mit einem Rechtsanspruch auf vollkommene Freiheit und uneingeschränkten Genuß aller Rechte und Privilegien des natürlichen Gesetzes in Gleichheit mit jedem anderen Menschen [...] aufdieserWelt geboren.“ (Locke 1977: § 87, S. 253).
3 „Diesen Kriegszustand zu vermeiden [...], ist ein gewichtiger Grund, weshalb sich die Menschen zu einer Gesellschaft zusammenschließen und den Naturzustand verlassen“ (Locke 1977: § 21, S. 212 f.).
4 „Unter politischer Gewalt verstehe ich dann ein Recht, für die Regelung und Erhaltung des Eigentums Gesetze [...] zu schaffen, wie auch das Recht, die Gewalt der Gemeinschaft zu gebrauchen, um diese Gesetze zu vollstrecken“ (Locke 1977: § 3, S. 201).
Häufig gestellte Fragen
Was ist der thematische Schwerpunkt des Textes?
Der Text konzentriert sich auf die politische Theorie von John Locke und die Bedeutung von Eigentum, insbesondere im Kontext des Naturzustands und der Einführung von Geld.
Welche Forschungsfrage wird im Text behandelt?
Die zentrale Forschungsfrage lautet: "Welche Bedeutung besitzt Geld in der politischen Theorie von John Locke?"
Welche Thesen werden im Text überprüft?
Folgende Thesen werden untersucht:
- Im Naturzustand ist eine grenzenlose Anhäufung von Eigentum nicht möglich.
- Die Institution Geld sprengt die Aneignungsschranken, setzt den Anreiz zur Mehrproduktion und führt zur Verstetigung der Ungleichverteilung von Eigentum.
- Die politische Gesellschaft ist im Wesentlichen eine Gesellschaft von Eigentümer im materiellen Sinn.
Welche Quelle dient hauptsächlich zur Beantwortung der Forschungsfrage?
Das Werk "Zwei Abhandlungen über die Regierung" von John Locke dient als primäre Quelle, insbesondere das 5. Kapitel der II. Abhandlung (Das Eigentum).
Wie definiert Locke den Begriff "Eigentum"?
Locke unterscheidet zwischen einem engen und einem weiten Eigentumsbegriff. Der enge Begriff bezieht sich auf materielle Güter, während der weite Begriff Leben, Freiheit und Vermögen umfasst.
Was ist der Naturzustand nach Locke?
Der Naturzustand ist ein hypothetischer Zustand, in dem alle Menschen von Natur aus frei und gleich sind und innerhalb der Grenzen des natürlichen Gesetzes agieren. Das natürliche Gesetz umfasst das Recht auf Selbsterhaltung und das Recht auf Erhaltung des Mitmenschen.
Welche Gefahr besteht im Naturzustand?
Es besteht die Gefahr, dass Menschen das natürliche Gesetz brechen, wodurch das friedliche Zusammenleben gefährdet wird. Die Abwesenheit einer übergeordneten Sanktionsinstanz zwingt die Menschen, das Naturgesetz selbst durchzusetzen.
Wie entsteht Eigentum im Naturzustand nach Locke?
Ursprünglich ist die Erde Gemeineigentum aller Menschen. Eigentum entsteht durch die Arbeit, die ein Mensch in natürliche Ressourcen investiert. Durch die Vermischung der eigenen Arbeit mit einem natürlichen Gut erwirbt der Mensch ein Recht auf dieses Gut.
Was sind die natürlichen Aneignungsschranken?
Die natürlichen Aneignungsschranken begrenzen den Eigentumserwerb. Man darf sich nur so viel aneignen, wie man selbst nutzen kann, bevor es verdirbt oder unbrauchbar wird. Außerdem muss genügend und ausreichend Gutes für andere übrig bleiben.
Welche Rolle spielt das Geld in Lockes Theorie?
Das Geld sprengt die natürlichen Aneignungsschranken, da es die Möglichkeit der unbegrenzten Anhäufung von Wert ermöglicht, ohne dass Güter verderben. Dies führt zu einem Anreiz zur Mehrproduktion und zur Verstetigung der Ungleichverteilung von Eigentum.
Warum verlassen die Menschen den Naturzustand?
Die Menschen verlassen den Naturzustand aufgrund der Unsicherheit und der ständigen Gefahr des Kriegszustands. Sie schließen sich durch einen Vertrag zu einer politischen Gesellschaft zusammen, um ihr Eigentum durch eine staatliche Rechtsordnung zu schützen.
Was ist die politische Gesellschaft im Wesentlichen?
Die politische Gesellschaft ist im Wesentlichen eine Gesellschaft von Eigentümern im materiellen Sinn, deren Schutz und Erhaltung das Ziel des Staates ist.
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- Bachelor of Arts Patrick Schröder (Author), 2011, Die Bedeutung der Institution des Geldes in der politischen Theorie von John Locke, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/272139