Die Rolle der Gestik und Mimik bei der Wortschatzvermittlung im DaF-Unterricht


Masterarbeit, 2012

80 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abstract

Vorwort

Einleitung

1. Forschungsstand und Theorie
1.1 Nonverbales Verhalten und nonverbale Kommunikation
1.1.1 Abgrenzung und Begriffsbestimmung
1.1.2 Nonverbale Kommunikation
1.1.3 Funktionen nonverbalen Verhaltens
1.1.4 Bereiche nonverbalen Verhaltens
1.1.4.1 Gesten und Körperbewegungen (Kinesik)
1.1.4.2 Gesichtsausdrücke (Mimik)
1.2 Gestik und Mimik im Fremdsprachenunterricht
1.2.1 Gestik und Mimik im Fremdsprachenerwerb
1.2.2 Wirkung und Funktionen von Gestik und Mimik im Fremdsprachen-unterricht
1.2.3 (Einsatz-) Potential der nonverbalen Mittel bzw. Gestik und Mimik für den Fremdsprachenunterricht
1.3 Gestik und Mimik bei der Wortschatzvermittlung im Unterricht
1.3.1 Wortschatz als Grundlage des Fremdsprachenunterrichts
1.3.2 Wortschatzerwerb im Fremdsprachenunterricht
1.3.3 Gestik und Mimik bei der Wortschatzvermittlung

2. Methodisches Design
2.1 Hypothesen der Arbeit
2.2 Beschreibung der empirischen Untersuchung
2.2.1 Ort der Untersuchung
2.2.2 Vorgehensweise der empirischen Untersuchung
2.3 Instrumente der Untersuchung
2.3.1 Beobachtung und mündliche Befragung
2.3.2 Experiment durch Tests
2.3.3 Schriftliche Befragung
2.3.4 Experteninterviews
2.4 Auswertungstechniken

3. Datenauswertung und Analyse der Ergebnisse
3.1 Ergebnisse aus der Beobachtung und mündlichen Befragung
3.2 Testergebnisse
3.3 Ergebnisse aus den Fragebögen mit Lernenden
3.4 Ergebnisse aus den Fragebögen mit Lehrern
3.5 Ergebnisse aus den Experteninterviews

4. Diskussion

Schluss

Literaturverzeichnis

Anhang A: Testblätter

Anhang B: Fragebogen für Lerner

Anhang C: Fragebogen für Lehrer

Einleitung

„… we respond to gestures with an extreme alertness and, one might almost say, in accordance with an elaborate and secret code that is written nowhere, known by none, and understood by all.“ [Sapir (1994), zitiert nach Kühn (2001: 15)]

Nonverbale Kommunikation wird in alltäglichen und pädagogischen Zusammenhängen vielfältig berücksichtigt, dennoch steht die Erschließung des Themas für die Fremdsprachendidaktik erst am Anfang (vgl. Rosenbusch 2004: 1). Bei der Durchsicht und Analyse der Literatur zu Gestik und Mimik im Fremdsprachenunterricht wird deutlich, dass nonverbale Kommunikation erst sehr spät Bestandteil der Forschung in der Fremdsprachendidaktik wurde. In den 1980er Jahren wurde im Bereich Pädagogik relativ viel publiziert und in den 1990er Jahren dann auch vermehrt im Bereich Fremdsprachendidaktik, wobei nonverbales Verhalten im Fremdsprachenunterricht zuerst im englischsprachigen Raum (Großbritannien, USA) erforscht wurde und die meisten Forschungsarbeiten, Aufsätze und Zeitschriftenartikel zu diesem Thema dort zu finden sind. Die Erforschung nonverbalen Verhaltens im Fremdsprachenunterricht befindet sich somit noch am Anfang.

Fremdsprachenlehrer schätzen die Rolle der Gestik und Mimik als Lehrstrategie noch nicht hoch genug ein, obwohl es meisten von ihnen bewusst ist, dass Kommunikation über mehrere Kanäle abläuft (vgl. Knabe 2007: 12f.). Gestik und Mimik fanden bisher wenig Berücksichtigung im Bereich der Fremdsprachendidaktik und der Fremdsprachenlehrerausbildung. Erst in den letzten Jahrzehnten wird nonverbale Kommunikation auch in der Fremdsprachendidaktik berücksichtigt. Dies geschieht aus der Erkenntnis heraus, dass nonverbale Elemente im Sprachgebrauch allgemein und beim Fremdsprachenlernen insbesondere sowohl rezeptiv als auch produktiv eine zentrale Stellung einnehmen (ebd.).

Ausgehend von diesen allgemeinen Vorüberlegungen beschäftigt sich die vorliegende Arbeit, die am Institut für Deutsch als Fremdsprache der Ludwig Maximilian Universität München eingerichtet und von Prof. Dr. Jörg Roche betreut wurde, mit der Theorie und Praxis von Gestik und Mimik im Fremdsprachenunterricht. Da dies ein umfangreicher Bereich in der Fremdsprachendidaktik ist, behandelt diese Arbeit ausschließlich um die Rolle der Gestik und Mimik bei der Wortschatzvermittlung im Unterricht. Dabei soll untersucht werden, ob Gestik und Mimik sich auf das nachhaltige Lernen von Wortschatz positiv auswirken und ob sie von den Lehrpersonen im Unterricht bewusst eingesetzt werden. Die empirische Untersuchung für die Arbeit hat man in Indien durchgeführt und daher sollte an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die Ergebnisse der Untersuchung vor allem für DaF-Unterricht in Indien relevant und am bedeutsamsten sind.

In Bezug auf den Aufbau gliedert sich die vorliegende Arbeit in vier Teile. Das erste Kapitel erläutert den Forschungsstand und die theoretischen Grundlagen zum Thema des nonverbalen Verhaltens bzw. Gestik und Mimik im Fremdsprachenunterricht. In diesem theoretischen Teil werden einige zentrale Aspekte der nonverbalen Kommunikation sowie die der Rolle von Gestik und Mimik im Fremdsprachenunterricht und in der Wortschatzvermittlung beleuchtet. Aus dieser Theorie werden die Hypothesen der Arbeit abgeleitet. Das zweite Kapitel ist dem methodischen Design der Untersuchung gewidmet. Zunächst werden hier die Hypothesen der Arbeit vorgestellt und dann wird die durchgeführte empirische Untersuchung ausführlich beschrieben. Auch die Auswertungstechniken der Ergebnisse werden in diesem Teil der Arbeit erläutert.

Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit der Auswertung und Analyse aller Ergebnisse der empirischen Studie. Anschließend werden im letzten Kapitel der Arbeit die Ergebnisse der Studie im Zusammenhang mit der im ersten Teil erläuterten Theorie verglichen und diskutiert. Dort werden auch die weiteren Ergebnisse der Untersuchung dargelegt, die während der Untersuchungsanalyse sich herausstellten. Am Ende bildet den Abschluss eine Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse aus dieser Arbeit.

1. Forschungsstand und Theorie

1.1 Nonverbales Verhalten und nonverbale Kommunikation

„Any observer of human communication understands that language is not used in a vacuous physical space but is accompanied und supported by movement or gesture. Those who doubt the significance of this might observe somebody on the phone. Gesture has therefore become an area of increasing research interest, and has come to be treated not just as central to the development and use of language but to its evolution also. For example, Ramachandran (2005) has theorized that the connection between language, mirror neurons, simulated movement, and gesture provide a basis for understanding how language may have evolved from a gestural communication system“ (Holme 2009: 54).

Die Bedeutsamkeit des nonverbalen Verhaltens für die Kommunikation wurde in der Forschung vielfach hervorgehoben: Ein wesentlicher Anteil der in einer Kommunikation übermittelten Informationen ist dem nonverbalen Bereich zuzurechnen. Nach Birdwhistell werden 65% (zitiert nach: Strasser 2008: 63) der Informationen in einem Gespräch nonverbal vermittelt, laut Grant und Hennings sind im Fremdsprachenunterricht bis zu 82% der Informationen dem nonverbalen Bereich zuzuordnen (ebd.). Diese Zahlen sind sicherlich mit Vorbehalt zu genießen, da der Anteil der nonverbalen Informationen in einem Gespräch immer auch von der jeweiligen Kommunikationssituation, den Gesprächsinhalten und den beteiligten Personen abhängig ist. Es darf aber nicht unterschlagen werden, dass die nonverbalen Informationen in der Kommunikation eine beträchtliche Rolle für die Verständigung spielen. Als Erstes ist es aber wichtig, dass der ausgedehnt interpretierbare Begriff des nonverbalen Verhaltens abgegrenzt wird und der für die vorliegende Arbeit relevante Begriff bestimmt wird.

1.1.1 Abgrenzung und Begriffsbestimmung

Die Bezeichnung „nonverbal“ wird in der Forschung unterschiedlich verwendet. Hall und Knapp (1992: 38) identifizieren insgesamt fünf Felder des Nonverbalen (für die deutschen Bezeichnungen vgl. Hübler 2001: 12):

1. Kinesik („body motion or kinesic behavior“): Darunter fallen neben Gestik und Berührungen auch Körperhaltung, Gesichtsausdruck und Augenkontakt
2. Physische Eigenschaften („physical characteristics“): Kleidung, äußere Erscheinung etc
3. Paralinguistik („paralanguage“) [s. unten]
4. Proxemik („proxemics“): Raumverhalten
5. Situationsabhängige Faktoren („communication environment“) z. B. öffentliche Räume, persönlicher Bereich etc.

Das nonverbale Verhalten lässt sich im Wesentlichen in zwei Hauptbereiche untergliedern – in die Paralinguistik und in die nichtlautlichen Phänomene (vgl. Strasser: 2008: 64 f.):

1. Paralinguistik
- Prosodische Merkmale: Lautstärke, Tonhöhe, Rhythmus, Tempo, Intonation und Pausen
- Vokalisierungen: Seufzen, Räuspern, Gähnen, Lachen, Sprachlaute wie z. B. „psst!

2. Nichtlautliche Phänomene
- Kinesik: Mimik, Gestik, Blickkontakt, Körperhaltung und Demonstrieren
- Körperkontakt: z. B. Händeschütteln
- Proxemik: Das räumlich-kommunikative Verhalten der Menschen zueinander
- Artefakte: Objekte, die eingesetzt werden, um die Kommunikation zu beeinflussen.

Relevant für die vorliegende Arbeit sind jedoch nur die Bereiche der Kinesik bzw. Gestik, Mimik und Körperbewegung. Daher werden auf die Einzelheiten, Beschreibung und Untersuchung der anderen Bereiche des nonverbalen Verhaltens verzichtet. Bevor aber diese einzelnen Bereiche der Gestik und Mimik und ihre möglichen Funktionen im Fremdsprachenunterricht dargestellt werden, sollte zunächst ein Blick auf die Funktionen von nonverbalen Verhalten in der mündlichen Interaktion im Allgemeinen geworfen werden.

1.1.2 Nonverbale Kommunikation

„Die nonverbale Sprache, also die Körpersprache ist unabdingbarer Bestandteil der Kommunikation. Am einfachsten merkt man dies, wenn der nonverbale Anteil fehlt. Womit wir wieder bei der modernen Kommunikation wären. In einer Email oder einer SMS kann ein Text viel leichter falsch verstanden werden, als in einem direkten Gespräch. Daher entwickelte sich in der elektronischen Kommunikation auch sehr schnell die Beliebtheit von :-) ;-) oder ***ggg*** und so weiter: Köpersprache für Email und Chat.“ (Bruno 2011: 6)

Im Hinblick auf die Bedeutung des nonverbalen Verhaltens für die mündliche Produktion bzw. Interaktion ist es sinnvoll, den Blickwinkel einzuschränken. Ein großer Teil des nonverbalen Verhaltens läuft unbewusst ab; bestimmte Bereiche des Nonverbalen sind aber bewusstseinsfähig und können auch in kommunikativer Absicht eingesetzt werden (Strasser 2008: 65). So sind Phänomene nicht bewusst, aber in bestimmten Situationen kann Körperkontakt gezielt eingesetzt werden, um Inhalte zu vermitteln. Zum Beispiel kann durch Händeschütteln die Begrüßung demonstriert werden.

In der Forschung zum nonverbalen Verhalten ist daher üblich, das bewusst eingesetzte (intentionale) vom unbewusst eingesetzten (nichtintentionalem) nonverbale Verhalten abzugrenzen. Buller et al. (1996) bezeichnen intentionales nonverbales Verhalten als „nonverbale Kommunikation“ und betrachten diese als einen Teilbereich des nonverbalen Verhaltens, das wiederum einen Teilbereich der nonverbalen Information bildet. Diese Unterscheidung zwischen intentionalem und nichtintentionalem Verhalten ist aber nicht eindeutig: Kühn (2002: 42) kommt in ihrer Analyse der bisherigen Ansätze zum Schluss, dass bislang keine eindeutigen Unterscheidungskriterien zwischen nonverbaler Kommunikation und nonverbalem Verhalten existieren.

Kendon (1985) beschreibt den Unterschied zwischen intentionalem und nichtintentionalem nonverbalen Verhalten in seiner Definition des Begriffs „Gestik“ beispielsweise folgendermaßen:

„Although I share the widely held assumption that all actions, insofar as they provide information for others, participate in the communication process, I wish to distinguish – as ordinary participants in practice also distinguish […] – those actions are taken in the course of deliberately conveying something to another from something that are not. […] It will be clear that the boundary between what is to be regarded as deliberate and what is to be regarded as unintentional, inadvertent, subconscious, or unconscious cannot be sharply drawn. In our daily dealings with one another however, we all, in effect, attempt to draw such a boundary“ (Kendon 1985: 215 f.).

Im Speziellen stellt sich das Problem, intentionales von nichtintentionalem Verhalten zu unterscheiden, bei empirischen Arbeiten, in denen es darum geht, Phänomene und Wirkung der nonverbalen Kommunikation zu beschreiben. Im Vergleich dazu dient eine frühere Definition von Kendon (1984), in der er dieses Abgrenzungsproblem dadurch zu lösen versuchte, dass er das Kriterium der Intentionalität für Produzenten und den Rezipienten gleichermaßen definierte:

I use the term ‚gesture‘ to refer to any instance in which visible action is mobilized in the service of producing an explicit communicative act, typically addressed to another, regarded by the other (and by the actor) as being guided by an openly acknowledged intention, and treated as conveying some meaning beyond or apart from the action itself“ (Kendon 1984: 81).

1.1.3 Funktionen nonverbalen Verhaltens

Ein umfassender Ansatz zur Beschreibung der Funktionen von nonverbaler Kommunikation stammt von Scherer (1979), der in Anlehnung an die Morris’sche Zeichentheorie vier Hauptfunktionen von nonverbalem Verhalten unterscheidet (vgl. Scherer 1979: 25 ff.)

- Parasyntaktische Funktion: Nonverbales Verhalten kann den Rhythmus des verbalen Inputs betonen oder den verbalen Input durch Pausen, Tempo etc. segmentieren
- Parasemantische Funktion: Scherer unterscheidet dabei vier Grundfunkionen: Nonverbales Verhalten kann den verbalen Input substituieren, illustrieren, modifizieren oder in Widerspruch dazu stehen
- Substitution: Ein nonverbales Zeichen dient direkt der Übermittlung des Bedeutungsinhaltes ohne verbale Äußerung
- Amplifikation/Illustration: Nonverbales Verhalten kann die verbale Kommunikation unterstützen, ergänzen, verstärken oder betonen. In manchen Fällen kann der nonverbale Input den verbalen wiederholen oder sogar ersetzen: Zum Beispiel kann ein zustimmendes Kopfnicken in den meisten europäischen Ländern ein „Ja“ ersetzen; es ist eine konventionalisierte Geste, die im Normalfall kultur- bzw. gruppenspezifisch ist. Nonverbales Verhalten, das einzelne Satzteile oder Wörter betont oder akzentuiert, steht in einem engen Zusammenhang mit der syntaktischen Funktion
- Modifikation: Verbale Inhalte können durch nonverbale Signale modifiziert werden, im Speziellen können Ironiesignale durch Mimik vermittelt werden
- Kontradiktion: Auch ein Widerspruch zwischen nonverbaler Kommunikation und dem verbalem Inhalt ist vorstellbar (zum Beispiel kann ein lang gezogenes „Jaaa!“ auch Unmut oder Ärger signalisieren)
- Parapragmatische Funktion: Darunter versteht Scherer zum einen die Reaktion der Interaktionspartner auf eine Äußerung, also Signale der Aufmerksamkeit oder Rückmeldungen an den Interaktionspartner (Zeichen des Verstehens, Zeichen der Bewertung von Äußerungen). Auch die Darstellung von Emotionen ist der parapragmatischen Funktion zuzurechnen. Die Darstellung von Gefühlen erfolgt zu einem großen Teil unbewusst, zum Teil aber auch bewusst. Möglich ist der bewusste Ausdruck von Emotionen über nonverbale Signale deswegen, weil „ein bestimmtes Repertoire von Gefühlsäußerungen allgemein verständliche Bedeutung hat.“ (Argyle 2002: 106)
- Dialogische Funktion: Eine wichtige Funktion von nonverbaler Kommunikation besteht in der Regulierung der Interaktion. Sprecherwechsel (Turntaking) werden in hohem Maß nonverbal vermittelt, wie auch der Beginn und das Ende von Redebeiträgen mit nonverbalen Mitteln markiert werden können. Interpersonale Einstellungen (der Beziehungsaspekt der Kommunikationspartner, z. B. der Status der Interaktionspartner oder Sympathie / Antipathie) werden meist ebenfalls nonverbal ausgedrückt (vgl. Argyle 2002: 117 ff.).

An dieser Stelle soll jedoch darauf hingewiesen werden, dass für die vorliegende Arbeit nur die parasyntaktischen und parasemantischen (darunter die illustrierenden) Funktionen von Relevanz sind und bei der Untersuchung in Betracht gezogen werden.

1.1.4 Bereiche nonverbalen Verhaltens

Wichtige Bestandteile der nonverbalen Kommunikation sind die Mimik und Gestik, auf die in diesem Teil der Arbeit ein Blick geworfen wird.

1.1.4.1 Gesten und Körperbewegungen (Kinesik)

Die Kinesik, d. h. Gesten und Körperbewegungen, stellt den bisher am besten erforschten Bereich des nonverbalen Verhaltens dar. Unter „Gesten“ werden meist nur Körperbewegungen verstanden, die der nonverbalen Kommunikation zuzurechnen sind:

The term „gesture“ will be used to mean any distinct bodily action that is regarded by participants as being directly involved in the process of deliberate utterance. Gesture, in my use of the term, comprises visible bodily action that is regarded by participants having “given” […] or intended communication as its primary function. (Kendon 1985: 215)

Gewisse nervöse Bewegungen (sich durch die Haare streichen) oder so genannte „Adaptoren“ (Selbst- oder Fremdberührungen) (vgl. Ekman und Friesen 1969: 64) werden in der Regel nicht den Gesten zugerechnet (vgl. McNeill 1992: 78).

McNeill (1992) nimmt in der nonverbalen Interaktion eine zentrale Stellung ein. Nach ihm können Gesten die Interpunktion unterstreichen, die Redestruktur verdeutlichen und einzelne Wörter oder Satzteile betonen. Sie dienen dazu, verbale Inhalte zu wiederholen oder zu veranschaulichen, besonders wenn diese Inhalte schwer durch verbale Mittel darzustellen sind. Gesten können auch den verbalen Input modifizieren oder im Widerspruch dazu stehen und sie können zusätzliche Informationen liefern, die nicht durch die Rede vermittelt werden können. Noch eine wichtige Funktion kommt Gesten und Körperbewegungen auch in der Interaktion zu: Mit Gesten kann Feedback gegeben, Aufmerksamkeit signalisiert oder ein Zeichen zum Sprecherwechsel gegeben werden. Deutlich seltener dienen Gesten dazu, Gefühle auszudrücken – diese Funktion kann am besten mit Hilfe des Gesichtsausdrucks erfüllt werden (vgl. Kendon 1985: 221 ff.; Argyle 2002: 237 ff.).

McNeill unterscheidet insgesamt vier Arten von Gesten nach ihrer Funktion im Gespräch (vgl. McNeill 1992: 12 ff. und 80 ff.):

- Ikonische Gesten: Bei diesen Gesten besteht eine enge Beziehung zwischen der Geste und dem Gesagten, zum Beispiel wenn das Wort „Kreis“ durch eine kreisartige Handbewegung unterstützt wird
- Bei metaphorischen Gesten besteht keine enge Beziehung zwischen der Geste und dem Gesagten. Metaphorische Gesten repräsentieren ein abstraktes Konzept ikonisch. Ein Beispiel dafür ist eine hohle Hand für das Wort „Frage“
- Deiktische Gesten sind Hinweisgesten, die auf Gegenstände, Personen, Kleidung etc. in der unmittelbaren Umgebung weisen. Diese können kulturspezifische Besonderheiten aufweisen (vgl. Apeltauer 1997: 32 f.)
- Beats sind Schlagegesten, die den Rhythmus des Gesagten unterstützen:
„Beats are so named because they look like beating musical time. […] The hand moves along with the rhythmical pulsation of speech […]. Unlike iconics and metaphorics, beats tend to have the same form regardless of the content […] The typical beat is a simple flick of the hand or fingers up and down, or back and forth; the movement is short and quick and the space may be the periphery of the gesture space.“ (McNeill 1992: 15)

Die beschriebenen vier Klassen von Gesten sieht McNeill in Anlehnung an Kendon (1988) auf einem Kontinuum angesiedelt, was ihr Verhältnis zum verbalen Input in einer Interaktion betrifft. Dieses Kontinuum reicht von „gesticulation“ (redebegleitenden, meist spontanen Bewegungen) zu den sogenannten „emblems“ (Emblemen) und den Zeichensprachen, die den verbalen Input völlig ersetzen können. Inwieweit Zeichensprachen als nonverbale Kommunikation betrachtet werden können, ist allerdings umstritten: Im Gegensatz zum nonverbalen Verhalten weisen Zeichensprachen deutliche syntaktische Strukturen auf; durch Kombination einzelner Zeichen können größere Einheiten gebildet werden. Die einzelnen Zeichnen sind meist willkürlich kodiert; in ihrer Gesamtheit sind diese Zeichensysteme ebenso unterschiedlich wie Sprachen und in ihrer Denotierbarkeit an bestimmte Gemeinschaften von Benutzern gebunden (vgl. dazu auch Argyle 2002: 245).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1.2.: Kontinuum der Gesten nach Kendon (1988)

Mit der Bezeichnung „emblem“ (Emblem) greift McNeill (1992: 38) auf frühere Werke von Efron (1941, 1972) bzw. Ekman und Friesen (1969) zurück. Embleme sind symbolische Gesten mit konventionalisierter Bedeutung, d. h. sie haben eine direkte verbale Übersetzung. Sie sind normalerweise kultur- oder gruppenspezifisch und können innerhalb ihres Umfelds ohne verbalen Input verstanden werden. Embleme können aber auch dazu verwendet werden, den verbalen Input zu wiederholen oder ihm zu widersprechen. Diese Gesten sind typischerweise mit einer Kommunikationsabsicht verbunden und werden bewusst gesendet und empfangen. Sie können ikonisch oder metaphorisch kodiert sein (vgl. Ekman und Friesen 1969: 63 ff.). Am anderen Ende des Kontinuums stehen sprachbegleitende Gesten („gesticulation“). „Language-like gestures“ sind in die Äußerung integriert und können unter Umständen auch ein Wort oder mehrere Wörter ersetzen. „Pantomimes“ sind Handlungen oder sehr konkrete ikonische Gesten, die einen Ausdruck eindeutig bezeichnen (vgl. McNeill 1992: 37).

Vor allem waren Embleme Gegenstand ausführlicher kulturkontrastiver Untersuchungen, da die Bedeutung von Emblemen interkulturell sehr stark variieren kann. Missverständnisse können vor allem in Fällen von Homomorphie entstehen, d. h. wenn eine bestimmte Geste in verschiedenen Kulturen als Emblem fungiert, aber mit unterschiedlichen Bedeutungen verbunden wird. Häufig bemerken die Interaktionspartner gar nicht, dass die Geste anders verstanden wurde als von ihnen intendiert (vgl. Poyatos 1984: 436 f.). Aber auch bei diesen in hohem Grad kulturspezifischen Gesten lassen sich Gemeinsamkeiten feststellen, zum Beispiel darin, wie Begrüßungen ausgeführt werden. Ekman und Friesen vermuten, dass es unter den ikonisch kodierten Emblemen universelle Zeichen für grundlegende Tätigkeiten wie Essen, Geschlechtsverkehr, Gehen, Schlafen und dergleichen gibt, auch für Rituale wie Segnen oder für den Schutz vor Geistern (vgl. Ekman und Friesen 1969: 66 f.).

Auf diese Weise können, wie dies bereits in interkulturellen Trainingsmethoden praktiziert wird, die wichtigsten konventionalisierten Gesten der Muttersprache bewusst gemacht werden. Kulturelle Unterschiede können auch bei den sprachbegleitenden Gesten (gesticulation) auftreten: So konnte Efron (1941, 1972) in einer vergleichenden Untersuchung von italienischen und jüdischen Immigranten in Amerika wesentliche Unterschiede in der Verwendung von veranschaulichenden Gesten feststellen (vgl. Argyle 2002: 241).

Kulturelle Unterschiede bestehen aber nicht nur in der Art der verwendeten Gesten, sondern auch in der Intensität der eingesetzten Gestik. Apeltauer (1997: 21 f.) unterteilt Kulturen nach dem Zusammenspiel von verbaler und nonverbaler Kommunikation in drei Gruppen, wobei die Übergänge zwischen diesen Gruppen fließend sind:

- Gestenreiche Kulturen: In diesen werden nonverbale Kanäle stärker genutzt (zum Beispiel Osteuropäer, Mittelmeeranrainer, Südasiaten). Für Angehörige dieser Kulturen ist die Verwendung von nonverbalen Strategien besonders hilfreich für das Verständnis bzw. auch für die Merkleistung (vgl. Argyle und Graham, 1975; Umoette 2001: 25)
- Gestenarme Kulturen, in denen nonverbale Kanäle weniger genutzt werden und stillschweigende Voraussetzungen eine geringere Rolle spielen (zum Beispiel der mittel- und nordeuropäische Raum)
- Kulturen, die stillschweigende Voraussetzungen (kontextuelle Merkmale) in besonderer Weise nutzen (zum Beispiel die javanische Kultur)

1.1.4.2 Gesichtsausdrücke (Mimik)

Das Gesicht ist eines der wichtigsten Bereiche des Körpers für nonverbale Signale und Mimik ist der Einsatz des Gesichtsausdrucks zu kommunikativen Zwecken (vgl. Glück 2010: 427). Durch Mimik werden Emotionen, interpersonale Einstellungen und Interaktionssignale, zum Beispiel Feedback und synchronisierende Signale, dargestellt. Nach Ekman (1972: 56 ff.) existieren universale Elemente im Ausdruck von Emotionen, die in jeder Kultur richtig erkannt werden, beispielsweise: Erschrecken, Ekel oder Kummer. Kulturelle Unterschiede betreffen vor allem die Intensität des Gesichtsausdrucks bzw. die Kompensation durch andere Gefühlsausdrücke, im Speziellen bei der Darstellung von negativen Emotionen. So zeigten Japaner in einer Untersuchung von Ekman (1972, 1979) Stressreaktionen nur dann offen, wenn sie sich unbeobachtet wähnten; in der Interaktion mit anderen wurden die Stresssignale durch höfliches Lächeln kaschiert. Englische und italienische Versuchspersonen konnten die Darstellung von Emotionen in anderen europäischen Kulturen fast so gut wie bei der eigenen Kultur beurteilen, bei der Identifikation von Emotionen in der japanischen Kultur waren sie aber weit weniger erfolgreich (vgl. Argyle 2002: 201 ff.).

Die Darstellung von interpersonalen Eigenschaften über den Gesichtsausdruck ist der Darstellung von Emotionen sehr ähnlich. In der Interaktion kann Mimik dazu dienen, verbale Inhalte zu ergänzen oder auch zu ersetzen (zum Beispiel um den Gesprächspartner nicht zu unterbrechen). Nonverbale Signale können Aufmerksamkeit oder Desinteresse anzeigen und dem Interaktionspartner Rückmeldungen geben, zum Beispiel über sein Verstehen oder Nichtverstehen. Zum Teil können auch Signale mit konventionalisierter Bedeutung ausgesendet werden (Zwinkern oder die Zunge herausstrecken). Anders als emotionale Ausdrücke laufen diese konventionalisierten Signale aber schneller ab und sind auf einen Teil des Gesichts beschränkt (vgl. Argyle 2002: 209 ff.).

Argyle (1979) hebt vier verschiedene Funktionen des Gesichtsausdrucks in der sozialen Interaktion hervor: a. er zeigt den Gefühlszustand der Interagierenden; b. er stellt eine kontinuierliche Rückkoppelung dar (ob jemand das Gesagte versteht, überrascht ist, ihm zustimmt); c. er zeigt die Einstellung gegenüber anderen an; d. er kann metakommunikativ wirken, indem er das, was jeweils gesagt wird, modifiziert und kommentiert. Obwohl bestimmte Emotionen in vielen Kulturen gleich ausgedrückt werden, hat es sich bisher als äußerst schwierig erwiesen, bestimmte Expressionen bestimmten Positionen zuzuordnen. Art und Ausmaß, in dem mimisches Verhalten gezeigt werden darf, sind häufig durch soziale Normen und Ausdrucksregeln bestimmt: Emotionen können durch Mimik maskiert oder überzeichnet werden. Von allen nonverbalen Verhaltensweisen unterliegt die Mimik am stärksten der Kontrolle, kann also auch bewusst eingesetzt werden. (vgl. Glück 2010 : 427)

Im folgenden Teil wird sich auf den Einsatz der Gestik und Mimik im Fremdsprachenunterricht konzentriert.

1.2 Gestik und Mimik im Fremdsprachenunterricht

In jeder face-to-face Interaktion, benutzt man nicht nur Sprache, sondern auch Gestik und Mimik, wobei Sprache und Gestik/Mimik immer eng zusammenhängen und sich sogar gegenseitig beeinflussen (Knabe 2007: 27). Ein Beleg für die enge Verbindung verbaler und nonverbaler Register ist die Tatsache, dass nonverbale Zeichen auch produziert werden, wenn der Gesprächspartner visuell gar nicht sichtbar ist und sie dann auch keinen Beitrag zur Kommunikation leisten können, zum Beispiel beim Telefonieren.

Da dieses nonverbale Verhalten im Erstspracherwerb allerdings sozial und kulturell (nicht institutionell) gelernt und erworben wird, wurde es beim Fremdsprachenerwerb im Unterrichtskontext bis Mitte der siebziger Jahre auch nicht berücksichtigt. Viele Forschungen zu Gestik und Mimik belegen aber ihre unterstützende Wirkung beim Verarbeiten, Deuten und Speichern von Informationen [zum Beispiel die Untersuchungen von Riseborough (1981) und Bauer/Grzybek (1984) zur Behaltensleistung verbalen Inputs mit und ohne die dazugehörige, unterstützende Präsentation mit Gestik; s. Kapitel 2.2.1 (S. 19, 20)]. Da Gestik und Mimik zu den nonverbalen Signalen gehören, die einen hohen Bewusstheitsgrad aufweisen können, besteht die Möglichkeit, sich diese Bewusstmachung für den Unterricht nutzbar zu machen (ebd.). Aus dieser Erkenntnis heraus wenden sich Fremdsprachendidaktiker mehr und mehr diesem Teilbereich der menschlichen Kommunikation zu und plädierten für eine systematische Integration in den Fremdsprachenunterricht. Obwohl dieses Thema schon seit den siebziger Jahren in der Fachpresse und in Fremdsprachenzeitschriften diskutiert wird, fehlt es noch immer an empirischen Untersuchungen, kontrastiven Studien und konkreten Vorschlägen für die praktische Umsetzung im Unterricht [vgl. Apeltauer (1986); Eßer (2002); Oomen-Welkes (2004); Knabe (2007)].

Schoffer (1977) hat sechs Thesen zur nonverbalen Kommunikation aufgestellt, die auch auf den Bereich Gestik und Mimik zutreffen. Darin beschreibt sie grundlegende Prinzipien für die Kommunikation im Fremdsprachenunterricht, gibt Hinweise für die Forschung und das Lehrer- und Lernerverhalten:

1. „Nichtverbales ist nicht Begleiterscheinung, sondern Grundbedingung und konstituierender Rahmen für verbale Kommunikation
2. Wer beim fremdsprachenlernen das Nonverbale ausschließt, riskiert, falsch zu verstehen und falsch verstanden zu werden
3. Wer Nonverbales einbezieht, kann fehlende Sprachkenntnisse kompensieren
4. Eine auf Sprache fixierte Forschung verhindert ein ganzheitliches Verständnis von Kommunikation; Paralinguistik und Verhaltensforschung müssen deshalb in die Sprachlehrforschung einbezogen werden
5. Ein auf Sprache fixierter Lehrer verhindert einen ganzheitlichen Lernprozess, er muss deshalb lernen, Nonverbales innerhalb und außerhalb der Schule zu sehen und zu verstehen
6. Ein auf verbale Sprache fixierter Schüler könnte nicht kommunizieren.“ (Schoffer 1977: 33)

Für den Bereich Gestik und Mimik im Fremdsprachenunterricht sind diese sechs Punkte von Bedeutung, weil hier auf den bewussten Einsatz der nonverbalen Signale im Unterricht verwiesen wird.

McNeill (1992) orientiert sich an de Saussure und spricht jeder Geste „signifier“ und „signified“ zu, die zusammen ein prototypisches Zeichen bilden. Das heißt, jede Geste hat seine eigene Bezeichnung und eine dazugehörige Bedeutung, quasi das, was sie bezeichnet. Damit ist die ausgeführte Geste die Bezeichnung und die damit assoziierte Bedeutung das Bezeichnende. Antes (1996) ergänzt, dass die ikonische Repräsentation von Gestik genauso gelernt werden kann, wie Bedeutungen von Wörtern gelernt werden (vgl. Antes 1996: 441, zitiert nach Knabe 2007: 27). Diese Erkenntnis beeinflusst die Betrachtungsweise der Gestik im Fremdsprachen-unterricht, denn sie macht deutlich, dass Kodierung und Entschlüsselung von Gestik lernbar ist. Dennoch müssen individuelle und kulturelle Unterschiede berücksichtigt werden: Antes spricht hier von „idiokinolects“ (ebd.) – aufgrund ihrer Konventionalität werden Gesten innerhalb einer Gruppe, Gesellschaft oder Kultur produziert und verstanden. Sie sind ebenso kulturspezifisch wie Sprache.

Im Folgenden wird zunächst das Thema der Gestik und Mimik und dann die konkrete Funktion und Wirkung der beiden im Fremdsprachenerwerb angeschnitten.

[...]

Ende der Leseprobe aus 80 Seiten

Details

Titel
Die Rolle der Gestik und Mimik bei der Wortschatzvermittlung im DaF-Unterricht
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Deutsch als Fremdsprache)
Note
1,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
80
Katalognummer
V272236
ISBN (eBook)
9783656640813
ISBN (Buch)
9783656640806
Dateigröße
1600 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
rolle, gestik, mimik, wortschatzvermittlung, daf-unterricht
Arbeit zitieren
Gargi Sarkhel Bagchi (Autor:in), 2012, Die Rolle der Gestik und Mimik bei der Wortschatzvermittlung im DaF-Unterricht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/272236

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