Der Mutterkult im Nationalsozialismus


Hausarbeit, 2011

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Index

I Einleitung

II Hauptteil
2.1 Frau und Politik
2.2 Der „ureigene Beruf der Mutterschaft“
2.3 „Mädchen von heute – Mütter von morgen“
2.4 Die >deutsche Frau< berichtet
2.5 Das Mutterkreuz
2.6 >Erbbiologische Maßnahmen<
2.7 Mutterschutz vs. Mutterschändung

III Reflexion und Kritik

IV Bibliographie

Der Mutterkult im Nationalsozialismus

I Einleitung

„Hm . . . also, man sieht Ihnen ja mit einem Blick an, dass Sie nichts anderes sein können als eine reinblütige Arierin“, sagte er.

Unvermittelt knallte er mit lautem Ächzen seinen Stempel auf das Formular. >Deutschblütig< stand endlich in meinen Papieren.[1]

Mit diesen Worten beschreibt Edith Hahn Beer ihren Auftritt beim Standesamt in Brandenburg, wo sie als untergetauchte Jüdin um die Heiratserlaubnis mit einem NS-Offizier bangte. Wie viel Angst und Leid diesem Ereignis vorausgegangen war, ist kaum fassbar; wie viel dieser Stempel zu jener Zeit in Deutschland verhindern oder dessen Abwesenheit an Schrecken herbei führen konnte, jenseits aller Vorstellungskraft. Edith Hahn Beer hatte Glück.

In kaum mehr als einem Jahr war [sie] von der niedrigsten Kreatur im Dritten Reich – einer gesuchten jüdischen Sklavin, die sich vor dem Transport nach Polen gedrückt hatte – zu einer der angesehensten Volksgenossinnen geworden, einer gebärenden arischen Hausfrau.[2]

Dieser kurze Auszug aus Beers Autobiographie[3] bringt die wichtigsten Elemente des NS-Mutterkults auf den Punkt: >Deutschblütigkeit< und >Mutterschaft< waren die entscheidenden Kriterien, die einer Frau im Dritten Reich Ansehen und Ehre verschaffen konnten. Sie brachten nicht nur soziale, sondern auch finanzielle Vorteile mit sich und wurden von der gesamten Bevölkerung anerkannt.

So wie der Antisemitismus, die Bevölkerungspolitik, die Eugenik und die Rassenhygiene bereits vor 1933 existierten, so auch der >Mutterkult<, der mit der Einführung des Muttertages 1923 an immer mehr überzeugter Anhängerschaft gewann. Während alle diese Richtungen vor der Nazi-Herrschaft mehr oder weniger eigenständig waren, so verschmolzen sie nun zu einer Gesamtideologie,[4] die die bislang extremste Radikalisierung der einzelnen Teilaspekte in der deutschen Geschichte zur Folge hatte.

Die Vorstellung, Menschen könnten und müssten nach ihrem vermeintlichen >Erbwert< gegliedert werden, war weit verbreitet und führte letztlich zum Massenmord an den europäischen Juden so wie den Sinti und Roma. So nah bei einander lagen also Ehrung und Verachtung, Bevorzugung und Diskriminierung, Mutterkult und Massenmord.

Schon oft habe ich meine Großmutter und ihre Schwester aufgrund ihrer Kochkünste und Haushaltskompetenzen bewundert und mich gefragt, in wie weit sich ihre Erziehung wohl von der meinigen unterschieden hat. Heutzutage ist es doch sehr selten, dass eine Gymnasiastin Kochen oder Haushaltsführung in der Schule lernt. Vielmehr liegt heute der Fokus auf der höheren Bildung, dem Verdienst des selbstständigen Lebensunterhaltes, der Unabhängigkeit vom Mann. Die Frauenemanzipation wird hoch gepriesen, ein Rückgang zu traditionellen Weisen ist inzwischen fast undenkbar. Und doch wird von der Frau, wenn sie dann einmal verheiratet ist und Kinder hat, eben dasselbe gefordert wie eh und je – das Hüten des Heims und der Familie.

Auch die Autobiographie von Edith Hahn Beer, die ich zu Beginn dieses Jahres gelesen habe, und in der ihr „achtbarer arischer Haushalt“ gepriesen wird, hat mich dazu angeregt, dieses Thema etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. So fand ich es doch sehr amüsant und zugleich schockierend, dass eine Jüdin zu einer >Arierin< erklärt wurde, aufgrund der absurden Überzeugung, nur eine wahre >Deutschblütige< könne einen so ordentlichen Haushalt führen.[5]

Gleich zu Beginn meiner Recherche stieß ich auf die Auszeichnung des „Ehrenkreuzes der deutschen Mutter“ und fand anschließend in einem Gespräch mit meiner Großtante heraus, dass auch meine Urgroßmutter mit einem silbernen Ehrenkreuz ausgezeichnet worden war, welches sie nach dem Krieg jedoch sofort entsorgte. Da ich aus früheren Erzählungen wusste, dass meine Urgroßmutter sowohl eine Tochter mit Kinderlähmung aufgezogen hatte als auch einen Sohn geboren, der bereits nach wenigen Wochen an Lungenentzündung gestorben war, wollte ich näheres über die Bestimmungen des Mutterkreuzes erfahren. Wie standen die Nationalsozialisten zu meiner gelähmten Großtante? Wurde diese der Familie als >negativ< angerechnet? Hatte diese irgendeinen Einfluss auf die Verleihung des Mutterkreuzes in meiner Familie oder hat die politische Stellung meines Urgroßvaters als Bürgermeister seines Dorfes bei der Mutterkreuzverleihung seiner Frau eine Rolle gespielt?

Diese konkreten Fragen werde ich wohl nie wirklich beantworten können, da meine Großtante, die einzige noch lebende Zeitzeugung meiner Familie, zu jung war, als dass sie solche Details mitbekommen hätte. Doch möchte ich mich in dieser Seminararbeit mit dem allgemeinen Mutterbild im Nationalsozialismus befassen, bei dem auf ausreichendes Material zurückgegriffen werden kann. Die Monographien „Muttertag und Mutterkreuz“ von Irmgard Weyrather und „Frauen unterm Hakenkreuz“ von Wolfgang Schneider so wie zahlreiche weitere Literaturwerke waren bei dieser Recherche hilfreich.

II Hauptteil

2.1 Frau und Politik

Der große Tag war endlich gekommen: Der 12.November 1918, der Tag an dem die deutsche Frau das langersehnte aktive und passive Wahlrecht und somit die politische Gleichheit erhielt. Die Weimarer Verfassung hatte geschafft, was bis dahin undenkbar war. Zwei Monate später legten 84% der deutschen Bürgerinnen ihre erste Wahlstimme ab.[6] Ein historischer Moment. Die schweren Kriegsjahre des Ersten Weltkrieges hatten die Frauen dazu gezwungen, berufstätig zu werden und einen alleinerziehenden Haushalt zu führen. Diese Entwicklung hin zur >modernen Frau< fand großen Anklang, besonders unter den Linken der deutschen Bevölkerung. Doch nicht alle waren von diesen Entwicklungen begeistert. Die Rechten beschrieben die >Neue Frau< als „Schreckgespenst“ und wirkten aktiv gegen deren Durchsetzung.[7] Nur zwei Jahre später, auf der ersten Generalmitgliederversammlung der NSDAP, wurde einstimmig beschlossen, dass Frauen keinerlei Anrecht auf Führungspositionen innerhalb der Partei haben sollten.[8] Dieser Beschluss und dessen stumme Akzeptanz wird häufig als Beginn der Reversion deutscher Frauenpolitik in den darauffolgenden Jahren gesehen.

Erstmals 1907 in den USA promoviert, wurde der „Mother´s Day“ sieben Jahre später von der amerikanischen Regierung zum Staatsfeiertag erklärt. Auf die Initiative des „Verbandes Deutscher Blumengeschäftsinhaber“ hin wurde 1923 auch in Deutschland ein Muttertag eingeführt, der jedoch erst 1933 durch die Nationalsozialisten zum Staatsfeiertag erklärt wurde.[9]

Während der Muttertag in den Anfangsjahren ein starkes kommerzielles Ziel verfolgt hatte und vor allem im Interesse der Blumenverkäufer stand[10], führten die Nazis die Funktionalisierung des Muttertages auf politischer Ebene fort. Warum sie gerade den Muttertag als auserkorenen Feiertag wählten, kann an zwei Vorteilen festgemacht werden: Zum einen war der Muttertag noch nicht von religiösen oder politisch-oppositionellen Gruppen besetzt und somit >noch zu haben<. Zum anderen wurde er von der Bevölkerung nicht als rein nationalsozialistisch angesehen, da er bereits vor der Machtergreifung 1933 existiert hatte und dem Anschein nach durch den Nationalsozialismus lediglich an immer mehr Wertschätzung gewann.[11] Auch konnten die Nazis die Inhalte des Muttertags durch dessen kurze deutsche Vorgeschichte als „alte deutsche Tradition“ darstellen, die erst durch sie wieder den wahren Sinn erhalten würde.[12]

Nachdem 1929 die Weltwirtschaftskrise auch Deutschland erreicht hatte und Hitler wirksame Programme gegen die hohe Arbeitslosenzahl propagierte, gewann die NSDAP an immer mehr Gefolgschaft. Doch zog deren radikale Geschlechterideologie erste Folgen nach sich, als nicht Hitler, sondern Hindenburg als Sieger aus den Reichspräsidentenwahlen 1932 hervor ging.[13] Die Stimmen hatten nicht gereicht und >Schuld< waren die Frauen. Offensichtlich musste sich Hitler nun etwas einfallen lassen. Etwas musste sich ändern in der Weise, wie die Partei das weibliche Geschlecht in ihre Politik einband, denn plötzlich war die Frau ja auch politisch wertvoll. So begannen also die vielen Reden der NS-Politiker, um die Wichtigkeit der Frau. Sie gingen sogar soweit, dass sie ihr die Erhaltung der weiblichen Erwerbstätigkeit zusicherten[14] – obwohl dies in keiner Weise den Vorstellungen des Führers oder der Partei entsprach.

Am 30.Januar 1933 war es dann entschieden – die Macht im Deutschen Reich war gesichert und fest in nationalsozialistischer Hand. Unerschrocken formulierte nun NS-Ideologe Engelbert Huber in seiner Schrift „Das ist Nationalsozialismus“ den eigentlichen Standpunkt der NSDAP:

Für die politische Frau ist in der Ideenwelt des Nationalsozialismus kein Platz. [...] Die geistige Einstellung der Bewegung [...] weist die Frau in ihren naturgegebenen Kreis der Familie und in ihre Aufgabe als Gattin und Mutter zurück. [...] Die deutsche Erhebung ist ein männliches Ereignis.[15]

Dass sich nicht schon da die weiblichen Menschenmengen auflehnten und nach >Freiheit< schrien, mag den meisten post-modernen Frauen unverständlich erscheinen. Doch ist dabei zu bedenken, dass die meisten Frauen diese Schrift wahrscheinlich nie zu Gesicht bekommen haben, war doch die Politik Männersache.

Im Dezember 1933, ein knappes Jahr nach der Machtergreifung, beschloss die NSDAP, einen Numerus Clausus an Universitäten einzuführen, der es maximal zehn Prozent der weiblichen Bevölkerung erlaubte, ein Studium einzugehen.[16] Hitler wollte keine intellektuellen Frauen, sondern Frauen, die ihm und seiner Ideologie widerspruchslos folgten. Sie sollten zu „Trägerinnen der nationalsozialistischen Weltanschauung werden“[17] und ihre Kinder im nationalsozialistischen Sinne erziehen – weiter nichts. Diese Haltung musste jedoch vorsichtig und taktisch klug vertreten werden, da es galt, die Frau nicht zu verstimmen. So formulierte Goebbels im März 1933 folgende Erklärung für die Fernhaltung der Frau aus der Politik:

[...]


[1] Beer 2009, S.203-204

[2] ebd., S.209

[3] „Ich ging durchs Feuer und brannte nicht“

[4] vgl. Weyrather 1993, S.11

[5] vgl. Beer 2009, S.202-223

[6] vgl. Frauenwahlrecht in der Weimarer Republik: http://www.bundestagswahl-bw.de/frauenwahlrecht.html (eingesehen am 03.08.2011)

[7] vgl. Weyrather 1993, S.24

[8] vgl. Knopp 2000, S.120

[9] vgl. Weyrather 1993, S.18

[10] vgl. Weyrather 1993, S.19

[11] vgl. ebd., S.32

[12] vgl. ebd., S.18

[13] vgl. Schneider 2003, S.14

[14] vgl. ebd., S.15

[15] Huber, 1933. In: ebd., S.13

[16] vgl. Schneider 2003, S.16

[17] Baldur von Schirach. In: Knopp 2000, S.124

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Der Mutterkult im Nationalsozialismus
Hochschule
Pädagogische Hochschule Freiburg im Breisgau
Veranstaltung
Erziehung und Schule im Nationalsozialismus
Note
1,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
18
Katalognummer
V272284
ISBN (eBook)
9783656638506
ISBN (Buch)
9783656638476
Dateigröße
554 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mutterkult, Mütter, Hausfrau, Bund deutscher Mädel, Hitler Jugend, Edith Hahn Beer, Literatur
Arbeit zitieren
Susanna Harper (Autor:in), 2011, Der Mutterkult im Nationalsozialismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/272284

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