Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Historischer Kontext Heinrich V
3. Quelleninterpretation
3.1 Quellenanalyse
3.2 Kritische Auseinandersetzung mit der Quelle
4. Heinrichs Herrschaftslegitimation
4.1 Legitimation gegenüber dem Vater
4.2 Legitimation gegenüber den Fürsten
4.3 Legitimation gegenüber der Kirche
5. Fazit
6. Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Heinrich V. gehört zu den bisher am wenigsten erforschten Herrschern in der Zeit der Salier. Dies ist besonders verwunderlich, da dessen Herrschaftsübernahme und die damit verbundene Absetzung seines Vaters Heinrich IV. historisch unverwechselbar ist. Heinrich V. wird in der Forschung häufig sehr geringschätzig beurteilt, allerdings gab es in den letzten Jahren, durch Stefan Weinfurter, Jutta Schlick und Jürgen Dendorfer, den Versuch einer Neubewertung.[1] Die Frage nach dem Charakter Heinrich V. und der Bewertung seiner Herrschaftsübernahme wird bis heute in der Forschung kontrovers diskutiert und somit können in dieser Arbeit nur verschiedene Standpunkte beleuchtet werden, um einen Einblick in Heinrich V. Herrschafts-legitimation zu geben.[2]
„Niemand ist in der Sinnflut gerettet worden außerhalb der Arche, welche die Gestalt der Kirche trug.“[3]
Dieser Hinweis, den die sächsischen Grafen in einem ihrer Briefe an den Grafen Berengar von Sulzbach richteten, soll Heinrich V. als einer der wichtigsten Motive gedient haben, sich gegen seinen Vater zu stellen. Sowohl Heinrich V., als auch seine fürstlichen Unterstützer, handelten demnach aus Angst um ihr Seelenheil.[4] Mit Blick auf die Wichtigkeit, die Heinrich V. diesem Motiv beimaß, wird der erhebliche Einfluss, den die katholische Kirche in der damaligen Zeit auf politische Entscheidungsprozesse nahm, deutlich. Auch Weber betont in seinem Werk die maßgebliche Rolle religiöser Institutionen im Mittelalter, beispielsweise in der mittelalterlichen Stadt.
„Die oft recht bedeutende Rolle, welche die kirchliche Gemeinde bei der verwaltungstechnischen Einrichtung der mittelalterlichen Stadt gespielt hat , ist nur eines von vielen Symptomen für das starke Mitspielen dieser, die Sippenbande auflösenden und dadurch für die Bildung der mittelalterlichen Stadt grundlegend wichtigen Eigenschaften der christlichen Religion.“[5]
Es wird somit offenkundig, dass die Kirche durch ihre Macht in nicht unerheblichem Maße dazu beitrug, die Herrschaft der Könige bzw. Kaiser zu sichern und zu beschränken.
Max Weber differenziert in dieser Hinsicht recht klar zwischen Macht und Herrschaft, wobei ein fließender Übergang von der reinen Machausübung hin zur legitimierten Herrschaft deutlich wird. Weber beschreibt Macht als das Vorhandensein von Möglichkeiten den eigenen Willen gegen den Willen anderer, auch beim Vorliegen unterschiedlicher Interessenslagen, durch verschiedenste Mittel durchzusetzen. Herrschaft hingegen basiert Weber zufolge auf Legitimität und Organisation. Sie sei, anders als das reine Ausüben von Macht, nicht ausschließlich auf die Durchsetzung des eigenen Willens reduzierbar, sondern bedürfe vielmehr der Überzeugung der Beherrschten, dass der Wille des Herrschers auch ihrem eigenen Willen entspräche. Die relative Stabilität einer solchen Herrschaft sei dabei erst gesichert, wenn Legitimitätsglaube, also der Glaube an die Rechtmäßigkeit der Herrschaft durch die Beherrschten, mit dem Legitimitätsanspruch des Herrschers in hohem Maße übereinstimme. In dieser Hinsicht sei Legitimität als die Anerkennung einer Ordnung zu verstehen, welche zur Stabilität der Herrschaft beitrage und gleichermaßen deren Erscheinungsweise präge. In Bezug auf dieses Verständnis von Herrschaft geht Weber davon aus, dass die Dyade zwischen Herrscher und Beherrschten zur relativ überdauernden Sicherung der Herrschaft durch einen dritten Akteur ergänzt werden muss. Daraus entstehe eine Herrschafts-Triade, der neben Herrschaft durch einen Beherrschten zusätzlich der sogenannte Verwaltungsstab angehöre. Diesem werde durch den Herrscher bestimmte Privilegien zugesprochen. Im Sinne einer Loyalitätsbeziehung sollen die Zugehörigen des Verwaltungsstabs im Gegenzug die Interessen des Herrschers durchsetzen und ihm treu ergeben sein, was häufig auf der Verfolgung eigener Interessen des Verwaltungsstabs basiere.[6]
Nach Weber kann die Legitimation von Herrschaft auf Basis dreier unterschiedlicher „Reinformen“ der Herrschaft bestehen:
Die rationale Herrschaft sei insbesondere durch den Glauben an die Legalität der Herrschaft geprägt. Es bestehe ein enger Bezug zu Gesetzen, die die Vergabe von Positionen und legitimierter Macht regeln. In dieser Hinsicht sei Herrschaft nur der herrschenden Position gesetzlich organisiert.
Dahingegen werde die traditionale Herrschaft durch den Glauben an die Fortsetzung bestehender Herrschaft „heiliger“ Traditionen legitimiert. Dies sei häufig in den alten Königshäusern, in denen Titel und Herrschaft durch eine Erbfolge weitergegeben wurden, der Fall.
Die charismatische Herrschaft basiere auf der Legitimationsgrundlage außeralltäglicher Leistungen oder Fähigkeiten und sei somit stark an eine bestimmte Person gebunden. Der Verlust dieser besonderen Fähigkeiten kann zugleich zum Verlust der Herrschaftslegitimation führen.[7]
Auf welcher Grundlage Heinrich V. seine Herrschaft legitimiert und wie sich seine Herrschaftsübernahme in der Zeit von 1099 bis 1106 in den Kontext von Webers Theorie der Herrschaftsformen einordnen lässt, soll im weiteren Verlauf dieser Arbeit erörtert werden.
Zu diesem Zweck wird zunächst der historische Kontext, in den Heinrich V. eingebunden ist, dargestellt. Dabei soll der Schwerpunkt insbesondere auf der Zeit der Machtübernahme von 1099 bis 1106 liegen. Im Anschluss daran erfolgt eine Auseinandersetzung mit einer Quelle, in der dieser Zeitraum aus der Sicht Ekkehard von Auras, dem Schreiber der Kaiserchronik von Heinrich V., beschrieben wird. Diese Chronik gilt als eine der wenigen ausführlichen Quellen, die über Heinrich V. existieren.[8] In der Forschung wird Heinrich V. häufig negativ wie beispielsweise von Waas oder Hampe bewertet.[9] Letzterer benennt die Absetzung seines Vaters sogar als „die teuflischste Tat der ganzen deutsche Geschichte“[10], während die Quelle Heinrich eher als wohlwollend und vernünftig darstellt. Unter Verwendung weiterer Literatur soll die Quelle aus diesem Grund ausführlich analysiert und kritisch betrachtet werden. Aufbauend auf der vorliegenden Argumentation soll daraufhin erörtert werden, unter welchen Legitimationsgrundlagen Heinrich V. die Herrschaft übernehmen konnte. Dabei sollen drei unterschiedliche Ebenen betrachtet werden: Zum einen die Legitimation gegenüber dem Vater, zum anderen die Legitimation gegenüber den Fürsten, sowie zum dritten die Legitimation gegenüber der Kirche. Abschließend erfolgt eine Überprüfung, inwieweit Webers drei Reinformen der Herrschaftslegitimation denen Heinrich V. entsprechen.
2. Historischer Kontext Heinrich V.
Heinrich V. war der vierte und zugleich letzte König der Salier. Die Salier waren die erste Herrscherdynastie, die sich als Deutsche verstanden haben, aus diesem Grund betitelt Laudage sie auch als erstes deutsches Königshaus.[11] Ihre Herrschaft begann im Jahr 1024 mit der Krönung von Konrand II., auf den Heinrich III. und Heinrich IV. folgten, und endete 1125 mit dem Tod Heinrich V.. Der Name Salier sei, laut Laudage, eine Schöpfung des Chronisten Ekkerhard von Aura, die sich auf die Herkunft Konrad II. begründete, der von den Salfranken abstammte.[12] Die gesamte Zeit ihrer Herrschaft kennzeichnete der Versuch, das Verhältnis von Kirche, der Fürsten und der eigenen Herrschaft in ein Gleichgewicht zu bringen. Aus diesen Schwierigkeiten entwickelte sich zum Ende der Dynastie eine Regierungsform, in der die Fürsten immer mehr Mitspracherecht hatten.[13]
Im Jahr 1086 wurde Heinrich V. als jüngster von zwei Söhnen des Kaisers Heinrich IV. geboren. Bis zu seinem zwölften Lebensjahr war sein Bruder Konrad als Mitkönig eingesetzt. Da dieser sich im Rahmen der Kirchenrevolution jedoch zunehmend gegen seinen Vater stellte, setzte Heinrich IV. Konrad im April 1098 auf der Reichsversammlung in Mainz ab, woraufhin Heinrich IV. den damals 12-jährigen Heinrich V. zum Mitkönig bestimmte. Heinrich V. musste einen Treueeid leisten, dass er solange Heinrich IV. lebe, nie versuche, sich dessen Herrschaft zu bemächtigen. Am sechsten Januar 1099 fand schließlich die Krönung in Aachen statt, in dessen Rahmen Heinrich V. seinen Treueeid erneuerte.[14] Da sich Heinrich IV. jedoch zunehmend in Konflikte mit der Kirche (vor allem durch den bereits seit längerem bestehenden Investiturstreit) begab und sich eine breite Opposition gegen Heinrich IV. entwickelte, wandte sich Heinrich V. im Jahr 1104 von ihm ab und schloss sich dessen Gegnern an. Einige Aufständische, darunter u.a. Graf Berengar von Sulzbach und Graf Otto von Habsburg-Kastl, sollen dabei Einfluss auf Heinrich V. genommen haben.[15] Betrachtet man die Herrschaftszeit der Salier, ist dieses Handeln sehr ungewöhnlich, da die salischen Herrscher eine „besondere Geschlossenheit“[16] demonstrierten. Die Vorgänge zur Zeit der Herrschaftsüber-nahme Heinrich V. gäben auf den ersten Blick ein anderes Bild ab. Bei genauerer Betrachtung jedoch ließe sich, so Weinfurter, die Intention erkennen, die Heinrich V. bewege, die Fortbestehung der salischen Dynastie.[17]
[...]
[1] Vgl. Weinfurter, Stefan: Reformidee und Königtum im spätsalischen Reich. Überlegungen zu einer Neubewertung Kaiser Heinrich V., In: Bomm, Werner; Kluger, Helmuth; Seibert, Hubertus (Hrsg.), Gelebte Ordnung – Gedachte Ordnung. Ostfildern 2005 Seite 181, In: Bomm, Werner; Kluger, Helmuth; Seibert, Hubertus (Hrsg.), Gelebte Ordnung – Gedachte Ordnung, Ostfildern 2005, Seite 290; Lubich, Gerhard (Hrsg.), Heinrich V. zu seiner Zeit. Herrschen in einem europäischen Reich des Hochmittelalters, Mainz 2013, Seite 45, Waas, Adolf: Heinrich V.. Gestalt und Verhängnis des letzten salischen Kaisers, München 1967, Seite 7.
[2] Vgl. Ebd.
[3] Jaffé, Phillip (Hrsg.), Monumenta Bambergensia, Aalen 1964.
[4] Vgl. Weinfurter, Reformidee und Königtum, 2005, Seite 296f.
[5] Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie, Tübingen 19725, Seite 746.
[6] Vgl. Müller, Hans-Peter: Max Weber, Köln 2007, Seite 121ff.
[7] Vgl. Weber, WuG, 19725, Seite 124ff.
[8] Vgl. Laudage, Johannes: Die Salier. Das erste deutsche Königshaus, München 20082, Seite 99.
[9] Vgl. Waas, Adolf: Heinrich V., 1967, Seite 7; Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer, Leipzig 19163, Seite 74.
[10] Ebd..
[11] Vgl. Laudage, Salier, 20082, Seite 11.
[12] Vgl. Ebd. Seite 12.
[13] Vgl. Ebd. Seite 8.
[14] Vgl. Althoff, Gerd: Heinrich V. (1106-1125), In: Schneidmüller, Bernd; Weinfurter, Stefan (Hrsg.), Die deutschen Herrscher des Mittelalters, München 2003, Seite 181f.
[15] Weinfurter, Reformidee und Königtum, 2005, Seite 291ff.
[16] Weinfurter, Stefan: Herrschaft und Reich der Salier. Grundlinien einer Umbruchzeit, Sigmaringen 1991, Seite 9.
[17] Vgl. Ebd. Seite 9f.