Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Zur Geschichte des Begriffs Autismus
1.2 Definition der Autismus- Spektrum- Störung
1.3 Symptome und Verhaltensmuster
1.4 Besondere Auffälligkeiten der Sprache
2. Was ist Musik?
2.1 Die Wirkung der Musik auf den Menschen
2.2 Die Wirkungsweise der Musik
3. Musiktherapie
3.1 Definition und Zielsetzung
3.2 Die Methodik der Musiktherapie
3.3 Das Setting
3.4 Musiktherapeutische Förderung von Menschen mit autistischem Verhalten
4. Musiktherapeutische Ansätze
5. Ein Exemplarischer Verlauf einer Musiktherapie
6. Der Bezug zum Seminar
7.Fazit Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Der Umgang mit Musik ist für utisten nicht immer einfach. Viele ertragen laute Musik nicht. Sie haben es am liebsten ruhig. Das trifft aber nicht auf alle zu. Ich habe es auch gerne ruhig. Doch bei der Musik, kann es nicht laut genug sein. Denn die Lautstärke hat eine bestimmte Fähigkeit. Sie macht die Töne sichtbar. Es ist nicht so, dass leise Töne nicht auch sichtbar sind, doch ist es bei lauten Tönen besser. Das berühmte Klangbild existiert wirklich. Es ist nicht nur ein Wort ohne Bedeutung. Nein, es ist real. Es gibt viele die Töne als Farbe oder Formen wahrnehmen. Doch für sie ist es normal, und sie schenken dem keine Bedeutung. Dies war für mich auch so. Ich habe mich nie gewundert. Erst als ich mit Personen darüber gesprochen habe, wurde mir langsam klar, dass ich etwas kann, was viele Menschen nicht können. Sie hören, sehen aber nicht. Es ist eine komplett andere Wahrnehmung.“
(Gerhard Gaudard -Gedankenwelt eines Autisten)
Als ich diesen Bericht las, war ich fasziniert. Ich hatte zuvor schon das ein oder andere Mal von Klangbildern gehört, doch dieses Phänomen dann von einem Autisten zu lesen hat mich beeindruckt und gab mir den Anreiz mehr über die Bedeutung der Musik für Menschen mit autistischem Verhalten zu erfahren.
Besonders interessiert mich die Musik als therapeutisches Medium. Was löst sie aus, welche Unterstützung erfahren Menschen mit autistischem Verhalten dadurch-, und wie funktioniert das überhaupt?
Zunächst einmal möchte ich mir aber bewusst werden, was Autismus ist- und inwieweit die Menschen mit einer solchen Störung eingeschränkt oder „anders“ sind. Auch sollte geklärt werden, was für eine Wirkung die Musik auf den Menschen hat, um zu verstehen, wie sie in der Musiktherapie wirkt. Des Weiteren werde ich auf den Begriff der Musiktherapie eingehen und mich anschließend mit musiktherapeutischen Ansätzen beschäftigen, um einen exemplarischen Therapieverlauf erstellen zu können.
1.1 Zur Geschichte des Begriffs Autismus
Autismus taucht erstmalig 1914 als Grundsymptom der Schizophrenie auf. Der Schweizer Psychiater Eugen Bleuer beschreibt mit diesem Begriff das aktive Isolieren eines schizophrenen Menschen von seiner Umwelt. Dieser nimmt im Verlaufe seiner Krankheit Abstand zu sozialen Kontakten und vertieft sich selbst in eine Art Binnenwelt. Wenig später prägen der Kinderpsychologe Leo Kanner und der Pädiater Hans Asperger den Begriff des Autismus neu. Beide schreiben in ihren Veröffentlichungen zwar ebenfalls von Autismus, jedoch nicht in Bezug auf die Schizophrenie. Außerdem gehen sie davon aus, dass jene Störung nicht aktiv vom Erkrankten angewandt wird.
Kanner spricht von einem frühkindlichen Autismus, welcher schon primär, also von Geburt an vorhanden ist. „Wir müssen also annehmen, dass diese Kinder zur Welt gekommen sind mit einer angeborenen Unfähigkeit, normale und biologisch vorgesehene affektive Kontakte herzustellen.“ (Kanner 1943: Autistische Störungen des affektiven Kontakts). Kanner geht demnach von einer rt des „autistischen Alleinseins“ aus, durch welches das Kind seine ußenwelt kaum wahrnimmt-, oder gar ignoriert. (vgl. Kanner 1943, S. 242)
Ein Jahr später veröffentlicht auch Hans Asperger seine Ergebnisse von vier Fällen des Autismus. Hierbei erwähnt er zum einen die Auffälligkeit, dass die unter der Störung leidenden Kinder kaum Mimik oder Gestik verwenden sowie meist keinen Blickkontakt halten. Eine andere Gemeinsamkeit, welche Asperger beschreibt, ist eine autistische Intelligenz, die er unter anderem damit definiert, dass jene Kinder ein „besonders schöpferisches Verhältnis zur Sprache besitzen“. ( sperger 1944: die autistischen Psychopathen im Kindesalter). Asperger erklärt dieses Verhalten als Kompensation der vorhandenen Defekte. Demnach schaffen die Kinder zu ihren verminderten sozialen Kompetenzen einen Ausgleich durch eine oder wenige besondere Begabungen. Außerdem schien für Asperger auch die Gefühlswelt der Kinder eine andere zu ihren Altersgenossen zu sein. Die Kinder waren eher egozentrisch, aber auch sehr distanziert und humorlos (vgl. Asperger 1944).
1.2 Definition der Autismus- Spektrum-Störung
Heute spricht man von einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) und fasst mit diesem summarischen Begriff alle Ausprägungen autistischer Störungen zusammen. Die meisten aktuellen Theorien sehen Autismus als eine genetisch bedingte, neurologische Störung.
Autismus gilt zudem als eine tiefgreifende Entwicklungsstörung, denn wie Kanner und Asperger erkannten, ist diese Störung schon seit der Geburt des Kindes vorhanden und beeinträchtigt den Betroffenen stark in Verhalten und Entwicklung. Autismus wird definiert als eine Reihe von Störungen, welche durch eine qualitative Beeinträchtigung im sozialen und kommunikativen Miteinander charakterisiert wird. Darunter ist vor allem ein eingeschränktes stereotypes Repertoire von Verhaltensmustern und Interessen zu verstehen. Diese Charakteristika sind in den meisten Fällen vorhanden und variieren nur im Ausprägungsgrad.
Des Weiteren ist diese Störung bei fast allen Betroffenen schon seit der frühen Kindheit vorhanden und manifestiert sich in den ersten fünf Jahren. Zum Teil ist auch eine allgemeine kognitive Beeinträchtigung vorhanden, doch das Störungsbild wird vor allem vom charakteristischen Verhalten geprägt. Dies hängt nicht vom Intelligenzniveau des Betroffenen ab (vgl. ICD-10, S.265).
1.3 Symptome und Verhaltensmuster
Durch die von Kanner und Asperger beschriebenen Fälle kam es zu einer Aufspaltung des Begriffs Autismus. Der Grund dafür waren die unterschiedlich erfassten Symptome und Verhaltensweisen der Patienten, welche zu dem Schluss führten, dass Autismus nicht gleich Autismus ist.
Bei dem von Kanner diagnostizierten Autismus werden schon im frühen Säugling- und Kindesalter atypische Verhaltensweisen deutlich, weshalb man hier vom frühkindlichen Autismus oder auch Kanner-Syndrom spricht. Die Symptome sind sehr weitreichend und von Kind zu Kind in ihrer Intensität oft sehr unterschiedlich. Die Störung beginnt vor dem dritten Lebensjahr und geht einher mit einer Bandbreite von Auffälligkeiten, besonders in der Entwicklung des Sozialverhaltens, der Kommunikation und der Wahrnehmung. Schon im Säuglingsalter gibt es meist Anzeichen des autistischen Verhaltens. Der Betroffene kann die Reize seiner Umwelt nicht aufnehmen oder ignoriert diese. uch ist die sogenannte „autistische Einsamkeit“ (vgl. Kanner 1943) erkennbar, welche verdeutlicht, dass jenes Kind sich von der Außenwelt abkapselt. Schon im Säuglingsalter wendet sich das Kind von Berührungen ab. Auch im weiteren Entwicklungsverlauf meiden sie zumeist Blick- und Körperkontakt. Des Weiteren sind zwanghaft sich wiederholende Spiele oder Verhaltensweisen ein Symptom des frühkindlichen Autismus. Da die Entwicklung durch die Störung beeinträchtigt ist, kommt es zu Sprachstörungen und bei einigen Fällen auch zur verminderten Intelligenz. Dennoch können Autisten über vereinzelte besondere Begabungen verfügen, insbesondere in mathematischen oder musischen Bereichen. (vgl. Damm 2007: Frühkindlicher Autismus- Symptome, Ursachen und Therapien, S. 4)
Eine weitere autistische Störung ist das Asperger-Syndrom. Die Symptomatik dieser Störung ist der des frühkindlichen Autismus sehr ähnlich, es tritt aber erst ab dem zweiten bis dritten Lebensjahr auf. Ein weiterer Unterschied hierbei ist, dass die Sprache meist nicht beeinträchtigt ist. Jedoch scheint sie „in den leeren Raum hineingeredet, so wie meist auch der Blick nicht den Partner trifft und festhält, sondern an ihm vorbeigeht“ ( sperger.1944). ußerdem sind die Betroffenen des Asperger Syndroms meist durchschnittlich bis überdurchschnittlich begabt.
1.3 Besondere Auffälligkeiten beim Sprachgebrauch
40 % aller autistischen Kinder sind mutistisch, d. h., sie haben keine aktive Sprache und manchmal ein vermindertes Sprachverständnis. Auch der größte Teil der restlichen 60 % der Kinder mit autistischem Verhalten weist Sprachabnormitäten auf (vgl. Kehrer. 1995: Autismus. Diagnostische, therapeutische und soziale Aspekte, S. 32). Die Betroffenen scheinen zudem den Sinn der Sprache als Kommunikationsmittel nicht zu begreifen. Sie verwenden die Sprache nicht um mit einem Mitmenschen zu kommunizieren, sondern wenden sie meist an, wenn sie alleine sind. (vgl. Kehrer 1995, S. 34).
2. Was ist Musik?
Musik ist eine Möglichkeit des Menschen, sich künstlerisch zu äußern. Dazu stehen Töne, Klänge und Geräusche zur Verfügung, die nach bestimmten Regeln miteinander verbunden, geordnet und geformt werden können. Bei regelmäßigen Schwingungen eines Körpers oder Gases entsteht ein Klang oder Ton, bei unregelmäßigen ein Geräusch. Die wichtigsten Eigenschaften eines Tones sind seine Höhe, die Lautstärke und seine Klangfarbe. Um der Musik Ausdruck zu verleihen, werden Melodie, Harmonie, Rhythmus, Metrum und Tempo eingesetzt. (vgl. Ziegenrücker 1984: Allgemeine Musiklehre, S. 11-14).
2.1 Die Wirkung der Musik auf den Menschen
„Musik wird zur Musik durch das Erleben des Menschen“ (Bruhn 1999: Musiktherapie - Geschichte. Theorie. Methoden, S. 18)
Wenn Musik entsteht, ist es nicht vielmehr als eine Aneinanderreihung von Schallwellen in den verschiedensten Tonlagen und Frequenzen, also ein physikalisches Ereignis. Erst durch das aktive Zuhören eines Menschen und dem damit verbundenen Erlebnis werden die Geräusche zu Musik.
Jeder Mensch macht die verschiedensten Erfahrungen mit der Wirkung von Musik. Sie kann im Menschen Emotionen hervorrufen, kann ihn inspirieren oder ihm neue Kraft schenken. Besonders Musiker erleben aber auch die Möglichkeit, sich durch die Musik auszudrücken, in dieser eine neue Sprache zu finden. Eine, die weiter reicht als jene die wir sprechen. In der Musikpsychologie, welche sich mit der Wirkung der Musik auf den Menschen auseinandersetzt, wird der Musikbegriff in drei Ebenen definiert. Diese drei Ebenen ergänzen sich zum Gesamtkonzept der Musik. Die erste Ebene beschreibt die Musik als extern koordinierte Information, also als Medium, welches durch Noten oder Aufnahmen festgehalten wird. Eine weitere Ebene zeigt den Blickwinkel auf die Musik als akustische Struktur, also als physikalische Schallwellen, welche sich im Raum ausbreiten. Die dritte Ebene ist für die Musiktherapie sehr relevant. Sie beschreibt die Musik als Phänomen menschlichen Erlebens, also die Aufnahme der Musik über das Ohr und die Verarbeitung dieser im Gehirn. Die ersten beiden Ebenen spielen in der Musiktherapie eher eine untergeordnete Rolle, relevant für den Prozess der Therapie ist allein das Phänomen des menschlichen Erlebens, denn nur in diesem Zusammenhang ist Musik therapeutisch wirksam (Bruhn 1994: Musikpsychologie - Ein Handbuch).
2.2 Die Wirkungsweise der Musik
Musik führt zu emotionalen und affektiven Erregungen, welche sich als vegetative Funktionsveränderungen in körperlichen Bereichen bemerkbar machen. Diese psychophysiologischen Veränderungen konnten durch wissenschaftliche Untersuchungen bestätigt werden (vgl. Scheytt in: Decker/Voigt 1983: Handbuch- Musiktherapie, S. 221). Durch die Musik kann die Atmung beeinflusst werden. Je nach Tempo der Musik ist es möglich, dass sich auch die Atem- und Pulsfrequenz beschleunigt. Dieses Phänomen ist zwar von Person zu Person variabel, aber dennoch vergleichbar. Subjektiv wird diese Veränderung jedoch nicht wahrgenommen. Auch der eigene Herzrhythmus spielt eine entscheidende Rolle beim Hören von Musik. Dieser beeinflusst die sinnliche Wahrnehmung des Tempos eines Musikstücks. Der Herzschlag kann aber auch gezielt durch akustische, insbesondere musikalische, Reize beeinflusst werden. Das liegt daran, dass vom Hörnerv aus direkte Reflexleitungen zu den motorischen Teilen im Hirnstamm verlaufen, welche für die Herzfunktion verantwortlich sind. Selbst die Hirntätigkeit kann von dem Rhythmus der Musik beeinflusst werden, da die Gehirnwellen einen Rhythmus annehmen, der sonst in Ruhe- und Entspannungsphasen vorhanden ist. (vgl. Scheytt in: Decker/Voigt 1983, S. 223).
Des Weiteren können gedanklich-assoziative und emotional-affektive Reaktionen durch die Musik ausgelöst werden. Ersteres ist in der Musiktherapie nur schwer zu erreichen, da dies auf die Verbindung mit der gehörten Musik zurückzuführen ist. Also auf eine Erinnerung, welche man mit dieser Musik in Zusammenhang bringt. Interessant für die Musiktherapie ist hingegen die emotional-affektive Reaktion eines Menschen.
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