Mit der vorliegenden Arbeit soll dieser Antagonismus in den Forschungsergebnissen durch die folgende Annahme aufgelöst werden: Die sich widersprechenden Zetkin-Bilder und damit auch die sich widersprechenden Antworten auf die Frage nach der Prinzipientreue Zetkins sind primär dem Umstand geschuldet, dass das Handeln und Wirken Zetkins von zwei (methodisch) unterschiedlichen Standpunkten aus betrachtet wird. Badia als Vertreter des prinzipientreuen, ersten Zetkin-Bildes betrachtet die Radikalisierung des Handelns Zetkins unter der Prämisse eines statischen Katalogs von Idealen und Werten, welcher sich trotz der Parteiübertritte Zetkins und der Variationen in bestimmten politischen Positionen nicht bzw. nicht signifikant ändert. Die Befürworter des zweiten Zetkin-Bildes sehen hingegen eine Interdependenz zwischen dem politischen Handeln und den Idealen und Werten der Sozialistin, wobei die Zunahme der Radikalisierung beider Gegenstände entlang der zeitlichen Dimension proportional anwächst. Dieses Modell geht also von einem dynamischen Wertekatalog aus. Eine Ausnahme hierbei bildet die Zetkin-Biografie von Puschnerat, welche durch die Konstruktion einer Bildungsreligiosität einen stabilen, bürgerlichen Teilhabitus zugrundelegt. Die selektive Festsetzung von Werten bei Puschnerat führt jedoch dazu, dass die hiervon nicht betroffenen Werte Zetkins nach wie vor als dynamisch angesehen werden und Puschnerat somit zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt wie Nettl. Das Ziel der vorliegenden Hausarbeit ist eine umfassendere Fixierung von Zetkins Werten, welche durch eine soziologische Betrachtung wesentlicher Sozialisationsmerkmale und Charakteristika Zetkins erreicht werden soll.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Zetkins Sozialisation im bürgerlichen und im proletarischen Milieu
- Die Frage der sozialen Gerechtigkeit innerhalb der bürgerlichen Familie und der bürgerlichen Ausbildung
- Die protestantische Ethik bei Clara Zetkin
- Die Sozialisation im proletarischen Milieu — neue Methoden, alte Werte
- Zetkins Positionen Ende des 19. Jahrhunderts.
- Bourdieus Gruppensoziologie bei Zetkin — die Ideologie der „reinlichen Scheidung"
- Die Gefahr der Mésalliance — Zetkin und die bürgerlichen Frauenrechtlerinnen in Preußen
- Fazit und Ausblick
- Abkürzungsverzeichnis
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit analysiert das politische Denken und Handeln von Clara Zetkin im 19. Jahrhundert. Sie setzt sich zum Ziel, die widersprüchlichen Bilder, die von Zetkin gezeichnet werden, durch eine soziologische Betrachtung ihrer Sozialisation und ihrer politischen Positionen aufzulösen. Die Arbeit argumentiert, dass Zetkins politisches Handeln von einem statischen Wertekatalog geprägt war, der durch ihre bürgerliche und proletarische Sozialisation geformt wurde. Die Radikalisierung ihrer politischen Positionen wird als Reaktion auf ihre Enttäuschung darüber interpretiert, dass sie ihre Ideale mit den ihr zur Verfügung stehenden Handlungsoptionen nicht umsetzen konnte.
- Die Rolle der Sozialisation in der Formierung von Zetkins politischen Werten und Idealen
- Die Bedeutung der „reinlichen Scheidung" der bürgerlichen und proletarischen Frauenbewegung für Zetkins politisches Handeln
- Die Auswirkungen von Enttäuschungen auf Zetkins politische Entwicklung
- Die Verbindung von bürgerlichen Werten und sozialistischer Ideologie in Zetkins Denken
- Die Rolle der Bildung und Erziehung in Zetkins sozialistischer Vision
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die kontroverse Auseinandersetzung mit Clara Zetkin dar, die bereits zu ihren Lebzeiten stattfand und bis heute anhält. Sie beleuchtet die unterschiedlichen Interpretationen ihres politischen Wirkens und stellt die zentrale Frage nach der Prinzipientreue Zetkins. Die Arbeit argumentiert, dass die widersprüchlichen Bilder von Zetkin darauf zurückzuführen sind, dass ihr Handeln und Wirken von zwei unterschiedlichen Standpunkten aus betrachtet werden: dem eines statischen und dem eines dynamischen Wertekatalogs.
Kapitel 2 widmet sich Zetkins Sozialisation im bürgerlichen und proletarischen Milieu. Es analysiert die Einflüsse, die ihr Wissen und ihre Positionen prägten, sowie die Faktoren, aus denen sich ihr Habitus generierte. Der Schwerpunkt liegt auf den Jahren vor dem Tod ihres ersten Ehemannes Ossip Zetkin und ihrem zweiten Eintritt in die SPD (1889). Es werden die Einflüsse ihres Vaters, der sich für soziale Gerechtigkeit einsetzte, und ihrer Mutter, die für die Gleichberechtigung der Frau kämpfte, sowie die Bedeutung der protestantischen Ethik und des Berufsethos für Zetkins Lebensweise beleuchtet. Darüber hinaus wird die Rolle ihrer Mitschülerin Warwara, die zur Narodniki-Bewegung gehörte, und die Auseinandersetzung mit den Nihilisten für Zetkins politische Entwicklung untersucht.
Kapitel 3 beleuchtet Zetkins politische Positionen Ende des 19. Jahrhunderts. Es wird anhand ausgewählter politischer Gegenstände dargestellt, wie sich die statischen Elemente in Zetkins Charakter und Weltanschauung in ihren politischen Grundhaltungen und Idealen manifestieren. Die Arbeit unterscheidet zwischen politischen Grundhaltungen und politischen Handlungen Zetkins, wobei letztere als dynamisch betrachtet werden. Die „reinliche Scheidung" der proletarischen und der bürgerlichen Frauenbewegung wird als ein konkretes Beispiel für Zetkins politisches Handeln im Kontext ihrer statischen Grundhaltungen analysiert. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf dem Verhältnis Zetkins zu den radikalen, bürgerlichen Frauenrechtlerinnen in Preußen, insbesondere zu Minna Cauer und Lily von Gizycki.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen Clara Zetkin, Frauenemanzipation, Sozialdemokratie, Marxismus, Klassenkampf, bürgerliche Frauenbewegung, proletarische Frauenbewegung, Sozialisation, Habitus, „reinliche Scheidung", Enttäuschung, politische Radikalisierung, Bildung, Erziehung, Selbstzweck.
- Arbeit zitieren
- Kevin Rimek (Autor:in), 2014, Clara Zetkin. Die politische Transformation einer Enttäuschten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/272910