Auf Grund wirtschaftlicher Erneuerungen im 18. Jahrhundert, verändert sich das Bild der Familie und damit einhergehend das Bild der Frau. Das 18. Jahrhundert wird auch als „pädagogisches Jahrhundert“ bezeichnet und immer mehr Theoretiker befassen sich auch mit der Bildung von Mädchen. Im Speziellen soll es um die Mädchenbildungstheorie von Joachim Heinrich Campe gehen, der einen großen Erfolg mit seinem Werk: „Väterlicher Rath für meine Tochter“ hatte. Um genau auf J. H. Campe eingehen zu können, müssen gesellschaftliche Strukturen und geschichtliche Ereignisse beleuchtet werden. Des weiteren war Campe ein Vertreter des Philanthropismus, und auch dessen Merkmale und Besonderheiten sollen berücksichtigt werden, um seine Theoriebildung zu verstehen. Da genau auf Campes Mädchenbildungstheorien eingegangen wird, muss auch die damalige Rolle der Frau und auch deren Bildungsmöglichkeiten berücksichtigt werden.
Das zweite Kapitel soll sich demnach konkret mit dem 18. Jahrhundert und seinen geschichtlichen Ereignissen und gesellschaftlichen Strukturen befassen.
Im dritten Kapitel wird die pädagogische Strömung des Philanthropismus erklärt. Im folgenden Kapitel soll genauer auf die Rolle der Frau und ihre Bildungsmöglichkeit gegangen werden. Die Biographie von Joachim Heinrich Campe wird dann im fünften Teil dieser Arbeit behandelt. Das Kernstück dieser Arbeit bildet das sechste Kapitel, in dem Campes Mädchenbildungstheorien an Hand seines Werkes „Väterlicher Rath für meine Tochter“ herausgestellt werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Das 18 Jahrhundert - Soziohistorischer Kontext
2.1 Geschichtliche Einordnung
2.2 Gesellschaft im 18. Jahrhundert
3. Philanthropismus
4. Frauenbild/ Mädchenbildung im ausgehenden 18. Jahrhundert
4.1 Das zeitgenössische Frauenbild im Bezug auf das Bürgertum
4.2 Mädchenbildung
5. Biographie Joachim Heinrich Campe
6. Joachim Heinrich Campe: „Väterlicher Rath für meine Tochter“
6.1 „Ueber die allgemeine und besondere Bestimmung des Weibes“
6.2 „Ueber die ungünstigen Verhältnisse des Weibes zur menschlichen 18 Gesellschaft“
6.3 „Mittel zur Verbesserung jener ungünstigen Verhältnisse zur 20 Erreichung der weiblichen Bestimmung“
7. Reflexion
8. Literaturverzeichnis
9. Abbildungsverzeichnis
Frauenrolle und Frauenbildung in der Zeit der Aufklärung am Beispiel Joachim Heinrich Campes „Väterlicher Rath für meine Tochter“
1. Einleitung
Der Frau ist es heute unvorstellbar nicht in allen Bereichen des gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Lebens zu partizipieren. Zumal die Frau ein Teil der Gesellschaft mit bildet.
Fast alle Türen stehen der Frau offen. Jüngstes Beispiel in diesem Zusammenhang ist der Zugang der Frau in die Bundeswehr. Es ist ihnen genauso möglich Dienst an der Waffe zu vollführen wie dem Mann. Früher konnte die Frau nur in die medizinischen Bereiche der Bundeswehr gehen. Seit dem 01.01.2001 können Frauen in alle Bereiche der „Männerdomäne“ Bundeswehr gehen.1 Schulen, Universitäten und fast sämtliche Arbeitsfelder stehen der Frau im selben Maße offen wie den Männern. Wenn zwar in der Berufswahl doch eher traditionelle Arbeitsfelder gewählt werden, die Möglichkeit auch andere zu wählen besteht. Dieser uneingeschränkte Weg zur Bildung ist nicht als etwas Selbstverständliches anzusehen und nicht als eine Möglichkeit, die schon immer bestand. Sie ist eher als ein kleiner Teil, der gesamten Bildungsgeschichte zu betrachten. Wenn Theoretiker wie J.J. Rousseau oder J.B. Basedow2 von allgemeiner Bildung sprachen, meinten sie damit die Bildung aller Schichten und zunächst die Bildung der Knaben. Zwar haben sich beide auch mit der Bildung der Mädchen auseinander gesetzt, aber dieses Thema immer als etwas Besonderes gehandelt. Ähnlich verhielt es sich auch mit dem allgemeinen Wahlrecht von 1867.3 Allgemeines Wahlrecht bedeutete zunächst, dass alle Männer über 25 Jahren aus allen Schichten zur Wahl gehen können. Das weibliche Geschlecht durfte erst ab 1918 zur Wahl gehen.4 Wenn Historiker von der allgemeinen Geschichte sprachen, war damit die „männerdominierte“ Geschichte gemeint. Karin Hausen beschrieb dies ganz treffend:
„ Das konsequente Ausblenden all jener gesellschaftlichen Bereiche, in denen Frauen in der Geschichte hätten angetroffen werden können, war bis dahin so selbstverständlich, daßjahrzehntelang nicht einmal Frauen zu Bewußtsein kam, wie unvollständig unser Geschichtsbild bleiben mußte, solange darin die weibliche Hälfte der Gesellschaft so gut wie nichts tradiert wurde. “ 5
Erst seit ungefähr 110 Jahren ist den Frauen die Immatrikulation an der Universität erlaubt. Im Vergleich dazu, eine der ersten Universitäten in Deutschland wurde 1386 in Heidelberg gegründet.6 Bis 1908 gab es keine schulische Institution für Mädchen, die mit dem Gymnasium der Jungen vergleichbar gewesen wäre. Damit fehlten einfach auch die akademischen Voraussetzungen für die Aufnahme eines Studiums.7 Von 1900-1909 verfügten dann die deutschen Einzelstaaten die Zulassung von Frauen als Studierende an den Universitäten. Baden ermöglichte als erstes Land 1901 das Immatrikulationsrecht für Frauen, und Preußen 1908/1909 als letztes.8 In Frankreich, Großbritannien konnten die Frauen im Vergleich zu Deutschland schon viel früher die Universität besuchen.9 Der Zugang war zwar somit geschaffen, aber der Einstieg in vielen sich anschließenden akademischen Berufen sowie auch die universitäre Laufbahn blieb ihnen verwehrt. Erst ab 1920 war es den Frauen dann auch möglich zu habilitieren.10
Verdeutlichen möchte ich mit diesem nur sehr kurzem Abriss über Frauen und ihrem Zugang zur Universität, wie kurz doch erst der Abschnitt ist, in dem Mädchen und Frauen das gleiche Recht auf Bildung haben wie Männer, und wie schnell doch dieses Jahrhunderte lang umkämpfte „Gut“ in unseren Köpfen zur Selbstverständlichkeit geworden ist.
Mein Blick soll aber nicht auf diese kurze Zeitspanne von 110 Jahren fallen, sondern noch zwei Jahrhunderte zurück in das allgemein so bezeichnete „Jahrhundert der Aufklärung“.
Auf Grund wirtschaftlicher Erneuerungen im 18. Jahrhundert, verändert sich das Bild der Familie und damit einhergehend das Bild der Frau. Das 18. Jahrhundert wird auch als „pädagogisches Jahrhundert“ bezeichnet und immer mehr Theoretiker befassen sich auch mit der Bildung von Mädchen. Im Speziellen soll es um die Mädchenbildungstheorie von Joachim Heinrich Campe gehen, der einen großen Erfolg mit seinem Werk: „Väterlicher Rath für meine Tochter“ hatte. Um genau auf J. H. Campe eingehen zu können, müssen gesellschaftliche Strukturen und geschichtliche Ereignisse beleuchtet werden. Des weiteren war Campe ein Vertreter des Philanthropismus, und auch dessen Merkmale und Besonderheiten sollen berücksichtigt werden, um seine Theoriebildung zu verstehen. Da genau auf Campes Mädchenbildungstheorien eingegangen wird, muss auch die damalige Rolle der Frau und auch deren Bildungsmöglichkeiten berücksichtigt werden.
Das zweite Kapitel soll sich demnach konkret mit dem 18. Jahrhundert und seinen geschichtlichen Ereignissen und gesellschaftlichen Strukturen befassen. Im dritten Kapitel wird die pädagogische Strömung des Philanthropismus erklärt. Danach gehe ich im vierten Kapitel genau auf die Rolle der Frau und ihre Bildungsmöglichkeit eingegangen ein. Die Biographie von Joachim Heinrich Campe wird dann im fünften Teil dieser Arbeit behandelt. Das Kernstück dieser Arbeit bildet das sechste Kapitel, in dem Campes Mädchenbildungstheorien an Hand seines Werkes „Väterlicher Rath für meine Tochter“ herausgestellt werden.
2. Das 18 Jahrhundert - Soziohistorischer Kontext
Das 18. Jahrhundert wird in der Literatur verschieden betitelt wie zum Beispiel: „das pädagogische Jahrhundert“ oder „Epoche der Aufklärung“ oder auch „das Jahrhundert der Vernunft“. Es ist ein Jahrhundert, in dem der „Geist“ des Menschen in den Mittelpunkt rückt.
„ Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! “ von Immanuel Kant wurde zum Losungswort dieser Zeit.1
2.1 Geschichtliche Einordnung
Um das 18. Jahrhundert zu betrachten, kann Deutschland nicht isoliert gesehen werden. Frankreich war ein entscheidender Motor, der die Ereignisse in Europa stark vorantrieb und bedeutend prägte. Mit dem Auftauchen der Intellektuellen wie Diderot, d´Alambert, d´Holbach und vor allem Voltair wurde die Vernunft in den Mittelpunkt jeglichen Denkens gestellt. „ Sie kümmerten sich um die unsinnigen Taten der Regierungen und die Mißstände der Gesellschaft. “ 2 Es entstanden erste Enzyklopädien, die Religion und Glauben durch Wissenschaft und Vernunft ersetzen sollten.
Der vorherrschende Absolutismus wurde von der Staatsform des aufgeklärten Absolutismus allmählich abgelöst, das bedeutet, dass der Monarch nicht mehr absoluter Herrscher über alle Untertanen war, sondern jetzt als erster Diener des Staates fungierte. In diesem Zusammenhang sind einige Namen großer Monarchen nur kurz zu nennen, wie Katharina II., der Zarin aller Russen. Sie setzte umfassende Reformen durch unter anderem gründete sie Schulen für Mädchen. Mit Blick auf Deutschland, das nicht wie heute als ein gesamtdeutscher Staat existierte, sondern aus vielen kleinen und großen Einzelstaaten bestand, war es am Anfang des Jahrhundert die Herrschaftszeit des Friedrich Wilhelm I.. Als sogenannter „Soldatenkönig“ bekannt, baute er auf zwei Institutionen: die Schule und die Armee. Er führte 1722 in Preußen die allgemeine Schulpflicht ein. Friedrich II., als „der Große“ bezeichnet, folgte als Sohn von Friedrich I. 1740 auf den Königsthron. Unter seinem Befehl im Siebenjährigen Krieg zwischen Preußen und Österreich um das Territorium Schlesien wurde Preußen zu einer Großmacht.
Das 18. Jahrhundert war ein Jahrhundert großer Revolutionen. Erst setzt ein siebenjähriger Krieg zwischen England und Frankreich (1756-1763) ein, und dreizehn Jahre vor der französischen Revolution beginnt der amerikanische Freiheitskampf. Dieser Unabhängigkeitskrieg dauerte ebenfalls sieben Jahre (1776- 1783).
Schwanitz schreibt zu dem Krieg zwischen England und Frankreich und der Beseitigung Frankreich als kolonialer Rivale: „ Der Sieg Englands im siebenjährigen Krieg und die Herrschaftüber den Welthandelöffnet das Tor zu industriellen Revolution. “ 3 Eine der größten Erfindungen, mit enormen Auswirkungen war die der Dampfmaschine durch James Watt 1765. Damit wurde das Fabriksystem geschaffen, welches große Umformungen der Gesellschaft bewirkte.
Die französische Revolution von 1789 mit der Erstürmung der Bastille hatte auch bedeutenden Einfluss auf Deutschland. Es war eine Revolution „von unten“ gegen die Obrigkeit und ihr Ende bedeutete auch das Ende des Feudalismus in Frankreich.4
Dies sind nur einige wenige von vielen weiteren Ereignissen, mit denen ich zeigen will, dass das 18. Jahrhundert ein Jahrhundert voller Umbrüche war. „ Im 18. Jahrhundert entsteht eine neue Welt. “ 5
Geschichtliche Ereignisse sind immer im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Bedingungen und Strukturen zu betrachten.
Jedes geschichtliche Ereignis hat unmittelbaren Einfluss auf die Gesellschaft und umgekehrt. Der Schwerpunkt meiner Arbeit soll mehr auf die gesellschaftlichen Gegebenheiten liegen und konkret das letzte Drittel des 18. Jahrhundert in Augenschein nehmen, in dem J. H. Campe wirkte.
2.2 Gesellschaft im 18. Jahrhundert
Die Gesellschaft in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts war eine Ständegesellschaft, bestehend aus Adel (Reichsadel, landsässiger Adel etc.), Bürgertum (Patriziat, Kaufleute, Zunftbürger, Beamte, etc.) und Bauern. Diese Struktur geriet auf Grund der französischen Revolution langsam in Bewegung, indem der Adel in Frage gestellt wurde. Es kommt zum Erstarken des Bürgertums. Langsam erfolgte ein Übergang von der ständischen Gesellschaft hin zu einer bürgerlichen Gesellschaft. Neu in der Gesellschaft ist der Blick auf das Kind. Die Kindheit wurde jetzt als eigene Lebensphase anerkannt6 und es entstanden damals erste Kinder- und Jugendbücher.
Deutschland war zu dieser Zeit eine Agrargesellschaft und ungefähr 80% der Bevölkerung lebte auf dem Land.7 Die wirtschaftliche Lage war schlecht. Ein Grund dafür war das rasante Bevölkerungswachstum. „ (...): Zwischen 1740 und 1805 nahm die Bevölkerung Brandenburg- Preußens im Besitzstand von 1740 auf mehr als das Doppelte, im Besitzstand von 1748 auf rund 180 v.H. zu (von etwa 3,2 Millionen auf etwa 5,7). “ 8 Als Folge des Bevölkerungszuwachses kam es zur Geldentwertung.9 Auch durch die vorrangegangenen Kriege und der vielen Missernten kam es zum Verarmungsprozess.10 Das letzte Drittel des 18.Jahrhundert war also geprägt von Massenarmut und Hungerkriesen.11 Um hier entgegenzuwirken versuchten die Landesherren Gegenmaßnahmen zu treffen, in dem sie zum Beispiel neue Anbaupflanzen wie die Kartoffel einführten.12 Es entstanden eine Reihe von landwirtschaftlichen Vereinen und ökonomische Gesellschaften, um neue Ideen zu verbreiten. Des weiteren „ rückte damals die Landwirtschaft in den Mittelpunkt des Interesses auch der gebildeten Welt. “ 13 Landwirtschaftliche Neuerungen waren jedoch abhängig von der Arbeitswillig- und Arbeitsfähigkeit der Bauern. Vieles wurde mit Skepsis betrachtet, weil für die Landbevölkerung das „Mehr“ und „Neues“ zu produzieren auch höhere Ausgaben bedeutete.14 Von vielen fortschrittlichen Denkern wurde erkannt, dass ein Wandlung im Denken der „Untertanen“ erfolgen musste. Ab Mitte der 1780 er Jahre setzte ein „ Trend zur Industrieschule “ ein.15
„Industriösität“ oder auch zweckmäßige- oder zweckorientierte Erziehung stand im Mittelpunkt der Philanthropen am Ende des 18. Jahrhundert. Wie sollte diese Erziehung aussehen, die auch J.H. Campe als Philanthrop vertrat? Im nächsten Kapitel soll darüber Auskunft gegeben werden.
3. Philanthropismus
Übersetzt aus dem Griechischen bedeutet Philanthrop: der Menschenfreund. Die selbstständige pädagogische Bewegung der „Menschenfreunde“ entstand in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Laut Blankertz ist die pädagogische Theorie des Philanthropismus eine „ (...) im Zeitalter der Aufklärung erstmalig als eine selbständige, auch empirische Wissenschaft (...). “ zu bezeichnen.1 Johann Bernhard Basedow (1723-1790) wird als geistiger Vater oder Gründer dieser Richtung angesehen. Mit seiner Werbe- und Programmschrift für seine Musterschule „Vorstellung an die Menschenfreunde“ (1768) rückten seine bildungstheoretischen Vorstellungen in das Licht der Öffentlichkeit. Basedow gründete 1771 seine Musterschule „das Philanthropinum“ in Dessau. Zu den Anhängern des Philanthropismus zählten in erster Linie Pädagogen (zuvor meist Theologen), die dort als Lehrer tätig waren oder eine eigene Erziehungseinrichtung im Sinne des Philanthropismus gründeten. Pädagogen wie Salzmann, Campe, Rochow und Trapp gehörten zu diesem Kreis.2
Zum erzieherischen Leitbild der philanthropischen Reform wird die „Glückseligkeit“ des Staates erklärt, die bedingt sei durch die Tugend der „Gemeinnützigkeit“. Der Staat und seine Bürger seien voneinander abhängige Variablen. Basedow schrieb dazu : „ (...), daßdie Glückseligkeit des Staates von der gemeinen Glückseligkeit der Bewohner nicht zu unterscheiden sei; daßdiese Glückseligkeit mit deröffentlichen Tugend in Proportion stehe; (...). “ 3 Erziehung wurde als das wichtigste Instrument für das Wohl des Staates angesehen. Somit sollte die Aufsicht über die Schule nicht mehr der Kirche sondern dem Staat obliegen. „ (...),daßdie Oberaufsichtüber Erziehung und den Unterricht wegen ihrer Wichtigkeit ein angesehenes Staatskollegium erfordere,(...). “ 4 Ziel war die Brauchbarkeit des Menschen: „ Was hilft dem künftigen Tischler oder Maurer sein Vokabelbuch, sein Donat, sein lateinischer Katechismus! “ 5 Die Philanthropen sahen als großen Wegweiser Jean- Jacques Rousseau (1712-1778) mit seinem Werk „Emile oder Über die Erziehung“. Viele seiner Ideen wurden übernommen wie die freie Entfaltung des kindlichen Wachstums oder die Schaffung naturnaher, einfacher Lebens- und Lernverhältnisse. Eine große Rolle spielte die Körper- oder Leibeserziehung und auch die Sexualerziehung kam nicht zu kurz, die aber eher belehrenden Charakter hatte. Im Mittelpunkt des Bestrebens der Philanthropen stand, ganz im Gegensatz zu Rousseau, den Erwerbssinn und die Berufstüchtigkeit so früh wie möglich zu wecken. Praktischer und anschaulicher Unterricht wurde in den Vordergrund gerückt. Da das Wohl des Staates als abhängig von der „Glückseligkeit“ seiner Bürger angesehen wurde, sollte die Schule diesen „Frohsinn“ fördern. Strafen sollten abgeschafft werden, und an ihrer Stelle ein Belohnugssystem treten. Lerninhalte sollten mit spielerischen Methoden erlernt werden. Mit der Anerkennung der Kindheit als eine eigene Entwicklungsphase entstanden die ersten Kinder- und Jugendbücher, wie z.B. von J.H. Campe „Robinson der jüngere, zur angenehmen und nützlichen Unterhaltung der Kinder“.6
Bis zum Ende des 18. Jahrhundert gab es über 60 Schulen der „Menschenfreunde“7, die wohl bekannteste ist die Schule in Schnepfenthal, die von Salzmann gegründet und noch lange im Besitz der Familie Salzmann war. Es gab viele Streitigkeiten mit dem Gründer Basedow als Person sowie auch der Philanthropen untereinander. Kurz nach der Schließung der Musterschule kam auch die Bewegung des Philanthropismus zum Erliegen. Gründe für dies Erliegen waren zum einen verschiedene Ansichten und Meinungsverschiedenheiten unter den Philanthropen, vor allem aber mit dem Begründer Basedow. Zum anderen entstand fast gleichzeitig neben den Philanthropismus die Strömung des Neuhumanismus, die mehr den Menschen als ein eigenständiges Individuum in den Mittelpunkt stellte.
4. Frauenbild/ Mädchenbildung im ausgehenden 18. Jahrhundert
Um auf die Mädchenbildungstheorien von J.H. Campe genauer einzugehen, ist vorher zu betrachten wie das Frauenbild zu der damaligen Zeit aussah und wie damit verbunden der Zugang der Mädchen zur Bildung war.
Durch die geringe Primärquellenlage wird die Darstellung und Übersicht des Frauenbildes erschwert. Aus pädagogischen und geschichtlichen Sekundärquellen wie „Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung“ von Elke Kleinau und Claudia Opitz1 oder „Geschichte der Frauen“ von Goerge Duby und Michelle Perrot kann dieses Bild dennoch gut nachkonstruiert werden.2
4.1 Das zeitgenössische Frauenbild im Bezug auf das Bürgertum
Auf Grund sozialer und ökonomischer Veränderungen wandelte sich das Familienleitbild von einer primär Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft hin zu einer Lebens- und Gefühlsgemeinschaft.3 War vorher die ganze Familie für das Erwirtschaften des Lebensunterhaltes verantwortlich, vollzog sich nun eine Trennung. „ Der von aristotelischen oikia geprägte Begriff von Familie als Lebensgemeinschaft erfuhr seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine den Kernbereich erfassende Umformung “ 4 Erwerbsleben und Familienleben entwickelten sich auseinander.5 Diese Entwicklung hatte große Auswirkungen auf das Leben der bürgerlichen Frau. Durch diese Trennung kamen konkrete Geschlechterrollen auf. Für das Erwerbsleben war der Mann zuständig und für das Familienleben die Frau. Besonders aufschlussreich schildert Friedrich Schiller (1759-1815) in seinem Lied von der Glocke6 die Geschlechterrollen zu dieser Zeit:
„ (...)
Der Mann muß hinaus Ins feindliche Leben, Muß wirken und streben Und pflanzen und schaffen, Erlisten, eraffen, Muß wetten und wagen, Das Glück zu erjagen. (...)
Die züchtige Hausfrau, Die Mutter der Kinder, Und herrschet weise Im häuslichen Kreise, Und lehret die Mädchen Und wehret den Knaben, Und reget ohn` Ende, Die fleißigen Hände, (...).“
[...]
1 vgl. www.meinhard.privat.t-online,de/frauen/lexikon.html (01.05.2004)
2 vgl. Rousseau, Jean- Jaques: „Emile und über die Erziehung“(1760). Reclam. Ditzingen. 2001. IX. Buch. S.719-954 vgl. Basedow, Johann- Bernhard: „Das Methodenbuch für Väter und Mütter der Familien und Völker “ (1770). mit Einl. von M.P. Krause. Topos Verlag AG. Vaduz/Lichtenstein. 1979. S. 272- 327
3 vgl. www.Bundestag.de/parlament/geschichte/wahlhist (29.04.2004)
4 vgl. www.meinhard.privat.t-online,de/frauen/lexikon.html (01.05.2004)
5 Hausen, Karin/ Wunder, Heide (Hrsg.): „Frauengeschichte- Geschlechtergeschichte“. Campus Verlag. Frankfurt/ Main. 1992. S. 9
6 vgl. www.uni-heidelberg.de/univ/historie.html (01.05.2004)
7 vgl. Wobbe, Theresa: „Aufbrüche, Umbrüche, Einschnitte“. in: Kleinau, Elke/ Opitz, Claudia (Hrsg.): „Geschichte der Mädchen und Frauenbildung“. Bd 2. Frankfurt/Main. 1996. S. 343
8 vgl. Glaser, Edith: „Die ersten Studentinnengeneration- ohne Berufsperspektiven“. in: Kleinau, Elke/ Opitz, Claudia (Hrsg.): „Geschichte der Mädchen und Frauenbildung“. Bd 2. Frankfurt/Main. 1996. S. 310
9 vgl. Wobbe, Theresa: „Aufbrüche, ...“. 1996. S. 343
10 vgl. Wobbe, Therese: „Aufbrüche, ...“. 1996. S. 344
1 Kant, Imanuel: „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ in: „Ausgewählte kleine Schriften“. Taschenbuchausgabe der Philosophischen Bibliothek. Heft 24. Felix Meiner Verlag. Hamburg.1969. S.1
2 Schwanitz, Dietrich: „Bildung- Alles, was man wissen muss“. Eichborn AG. Frankfurt/ Main. 1999. S. 199
3 Schwanitz, Dietrich: „Bildung...“. 1999. S. 213
4 vgl. Schwanitz, Dietrich: „Bildung...“. 1999. S. 199 – S. 236
5 Schwanitz, Dietrich: „Bildung...“. 1999. S. 199
6 Schwanitz, Dietrich: „Bildung...“. 1999. S. 214
7 Schmale, Wolfgang / Dodde, Nan L. (Hrsg): „Revolution des Wissens?: Europa und seine Schulen im Zeitalter der Aufklärung (1750-1825); ein Handbuch zur europäischen Schulgeschichte“. Verlag Dr. Dieter Winkler. Bochum. 1991. vgl. S. 640-647
8 Abel, Wilhelm: „Massenarmut und Hungerkrisen im vorindustriellen Deutschland“. Kleine Vandenhoeck-Reihe. Göttingen 1986. S.31
9 vgl. Abel, Wilhelm: „Massenarmut...“. 1986. S. 32-34
10 vgl. Schmale, Wolfgang: „Revolution...“. 1991. S. 642
11 vgl. Abel, Wilhelm: „Massenarmut...“. 1986. S. 46-54
12 vgl. Schmale, Wolfgang: „Revolution...“. 1991. S. 642 / vgl. Abel, Wilhelm: „Massenarmut...“. 1986. S. 66
13 Abel, Wilhelm: „Massenarmut...“. 1986. S. 34
14 vgl. Schmale, Wolfgang: „Revolution...“. 1991. S.642
15 vgl. Schmale, Wolfgang: „Revolution...“. 1991. S. 658
1 Blankertz, Herwig: „Die Geschichte der Pädagogik- Von der Aufklärung bis zur Gegenward“. Büchse der Pandora. Wetzlar. 1982. S. 87
2 Reble, Albert: „Geschichte der Pädagogik“. Klett-Cotta. Stuttgart. 16. Aufl. 1992. S. 160
3 Rutt, Theodor (Hrsg.): Johann Bernhard Basedow. Ausgewählte pädagogische Schriften be sorgt von A. Reble. Verlag Ferdinand Schöning. Paderborn. 1965. hier: „Vorstellung an die Menschenfreunde“ (1768) S. 6/ §3
4 Basedow, J.-B.: „Vorstellung...“. 1768. S.8/ §6
5 Basedow, J.-B.: „Vorstellung...“. 1768. S.26/ §23
6 vgl. Blankertz, Herwig: “Die Geschichte...”. 1982. S. 79-87
7 vgl. Blankertz, Herwig: „Die Geschichte...“1982. S. 80
1 Kleinau, Elke/ Opitz, Claudia (Hrsg.): „Geschichte der Mädchen und Frauenbildung“.Bd 1/ Bd 2. Frankfurt/Main. 1996
2 Duby, George/ Perrot, Michelle: „Geschichte der Frauen“. Campus Verlag. Fankfurt/Main. 1994
3 Rosenbaum, Heidi: „Formen der Familie“. Suhrkamp. Frankfurt/Main. 1993. S. 263-267
4 Schwab, Dieter/Brunner, Otto (Hrsg.): „Geschichtliche Grundbegriffe- Historisches Lexikon zur politisch- sozialen Sprache in Deutschland“. Bd. 2. Klett- Cotta. Stuttgart. 1992. S. 271
5 vgl. Schwab, Dieter: „Geschichtliche Grundbegriffe...“. 1992. S. 253-301
6 Schiller, Friedrich: „Gedichte und Dramen“. Volksausgabe zur Jahrhundertfeier. Verlag des Schwäbischen Schillervereins. Stuttgart und Marbach. 1905. S. 65
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