Die Leitfrage dieser Arbeit lautet: Können Naturerfahrungen in der Sozialen Arbeit dazu beitragen, die Menschen näher an ihr Selbst heranzuführen und somit einen Zugang zum Selbst ermöglichen?
Um dieser Frage nachzugehen, soll zunächst geklärt werden, was überhaupt unter „Natur“ zu verstehen ist und welche Arten von Naturerfahrung es gibt. Das ist Gegenstand der ersten beiden Kapitel.
Darauf folgt eine Betrachtung der entwicklungspsychologischen Wirkung von Naturerfahrungen mit besonderem Fokus auf direkte, unmittelbare und ganzheitliche Erfahrungen. Es werden symbolisch-ästhetische Übertragungsprozesse beschrieben und mit der ontologischen Besonderheit der Naturerfahrung in Verbindung gesetzt. (Kapitel 4). Die Art und Weise, wie direkte Naturerfahrungen auf die psychische Entwicklung einwirken können, werden dann im fünften Kapitel auf aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen und das Aufgabenspektrum der Sozialen Arbeit bezogen.
Eine ausführliche Betrachtung des Verhältnisses der Erlebnispädagogik zur Naturerfahrung folgt im sechsten Kapitel. Während früher eher von einer Eigenwirkung der Natur ausgegangen wurde („the mountains speak for themselves“) sind die theoretischen Anforderungen an erlebnispädagogische Programme heute höher. Diese werden dargestellt und auf das Praxisbeispiel einer Visionssuche bezogen.
Die Visionssuche, englisch „Vision Quest“, geht auf alte traditionelle Übergangsrituale zurück und wurde von Steven Foster und Meredith Little für die heutige westliche Gesellschaft wiederentdeckt und methodisch entwickelt. Hier wird die Annahme der Übertragbarkeit von Naturerfahrungen auf das menschliche Selbst praktisch umgesetzt. Ist die Visionssuche eine Methode, die den derzeitigen theoretischen Anforderungen der Erlebnispädagogik genügt, und wie wirken die direkten Naturerfahrungen in ihr? Dieser Frage soll im siebten und letzten Kapitel nachgegangen werden.
Inhaltsverzeichnis
- Was ist „Natur"? - zur Schwierigkeit des Naturbegriffs
- Naturerfahrung
- Naturerfahrungen heute- medialisierte Lebenswelten
- Aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen - Individualisierung und Pluralisierung
- Naturerfahrungen als Zugang zum Selbst — eine entwicklungspsychologische Betrachtung
- Naturerfahrungen in der Sozialen Arbeit
- Erlebnispädagogik — eine Methode zur Nutzung von Naturerfahrungen
- Erlebnispädagogik - was bedeutet Erlebnis?
- Erlebnispädagogik - Grundlagen
- Ziele der Erlebnispädagogik
- Erlebnispädagogik — Transfer und Reflektion
- Naturerfahrung und Erlebnispädagogik
- Visionssuche — Direkte Naturerfahrungen in Methoden der Sozialen Arbeit
- Ablauf einer Visionssuche
- Wer macht Visionssuchen?
- Naturerfahrungen und Visionssuche
- Symbolische Übertragungsprozesse
- Das Medizinrad und die Vier Schilde
- Psychische Objektrepräsentanzen
- Die Visionssuche als Übergangsritual
- Die Visionssuche als erlebnispädagogische Methode
- Die Visionssuche als Aufgabe mit Ernstcharakter
- Erlebnispädagogik als gruppenpädagogisches Angebot
- Prozessgestaltung einer Visionssuche
- Die Übertragbarkeit der Erfahrungen in den Alltag
- Visionssuche und Persönlichkeitsentwicklung
- Sicherheit bei der Visionssuche
- Fazit
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Bachelorarbeit untersucht die Bedeutung direkter Naturerfahrungen für die menschliche Selbsterkenntnis und ihre Einsetzbarkeit in Methoden der Sozialen Arbeit. Sie fokussiert auf das Praxisbeispiel der „Visionssuche", ein altes Übergangsritual, das in der heutigen Zeit wiederentdeckt und methodisch aufbereitet wurde.
- Die Arbeit analysiert den Begriff der „Natur" und die verschiedenen Formen der Naturerfahrung.
- Sie beleuchtet die entwicklungspsychologischen Wirkungen direkter Naturerfahrungen auf die Selbstfindung.
- Sie untersucht die Einsetzbarkeit von Naturerfahrungen in der Erlebnispädagogik, einer handlungsorientierten Methode der Sozialen Arbeit.
- Sie untersucht die Visionssuche als erlebnispädagogische Methode und ihre Fähigkeit, Menschen einen Zugang zu ihrem Selbst zu ermöglichen.
- Die Arbeit betrachtet die gesellschaftlichen Herausforderungen, die eine gelingende Selbstfindung erschweren, wie die zunehmende Medialisierung und die Individualisierung der Gesellschaft.
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beschäftigt sich mit der Definition des Begriffs „Natur" und zeigt die Schwierigkeiten auf, die mit seiner Einordnung verbunden sind. Es wird eine Arbeitsdefinition für die vorliegende Arbeit entwickelt, die sich auf den nicht-menschlichen, belebten Teil der Umwelt bezieht, der extensiv und nicht industriell bewirtschaftet wird und eine gewisse Kulturferne aufweist.
Kapitel 2 beleuchtet den Begriff der Naturerfahrung und grenzt verschiedene Formen voneinander ab: primäre, sekundäre und tertiäre Naturerfahrungen. Es wird der Schwerpunkt auf die ästhetische Dimension der Naturerfahrung gelegt, die als besonders bedeutsam für die psychische Entwicklung gilt.
Kapitel 3 untersucht die Auswirkungen der medialen Lebenswelten auf das Naturverhältnis von Jugendlichen. Es wird die These aufgestellt, dass die zunehmende Technisierung und Medialisierung zu einer Naturentfremdung führt und die Möglichkeiten zur direkten Naturerfahrung einschränkt.
Kapitel 4 skizziert aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen wie Individualisierung und Pluralisierung und deren Auswirkungen auf die Anforderungen an den Einzelnen. Es wird deutlich, dass die Gesellschaft immer weniger Leitlinien für eine tragfähige Identitätskonstruktion bietet und der Mensch zunehmend auf sich selbst zurückgeworfen wird.
Kapitel 5 befasst sich mit der entwicklungspsychologischen Wirkung von Naturerfahrungen. Es wird gezeigt, dass die Beziehung zur nicht-menschlichen Umwelt einen wichtigen Beitrag zur Selbstfindung leisten kann, indem sie Raum für Abgrenzungsprozesse, Aneignungsprozesse und die Entwicklung von psychischen Objektrepräsentanzen bietet.
Kapitel 6 bezieht die gewonnenen Erkenntnisse auf den Aufgabenbereich der Sozialen Arbeit. Es wird ein lebenslauforientierter Ansatz vorgestellt, der die Unterstützung von Menschen bei der Bewältigung von Integrationsaufgaben und Übergängen im Lebenslauf in den Vordergrund stellt.
Kapitel 7 beschäftigt sich mit der Erlebnispädagogik, einer handlungsorientierten Methode der Sozialen Arbeit, die Naturerfahrungen explizit mit einbezieht. Es werden die Grundlagen, Ziele und Funktionsweisen der Erlebnispädagogik dargestellt und die Bedeutung von Naturerfahrungen in diesem Kontext herausgestellt.
Kapitel 8 analysiert die Visionssuche als erlebnispädagogische Methode. Es werden der Ablauf, die Ziele und die Wirkung der Visionssuche dargestellt, wobei der Schwerpunkt auf den symbolischen Übertragungsprozessen aus der Natur und den psychischen Objektrepräsentanzen liegt, die während der Visionssuche entstehen. Es wird gezeigt, dass die Visionssuche als ein Übergangsritual verstanden werden kann, das Menschen bei der Bewältigung von Krisen und Wandlungsprozessen unterstützt.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die direkte Naturerfahrung, die Selbsterkenntnis, die Visionssuche, die Erlebnispädagogik und die Soziale Arbeit. Die Arbeit beleuchtet die Bedeutung von Naturerfahrungen für die menschliche Entwicklung und ihre Einsetzbarkeit in Methoden der Sozialen Arbeit, insbesondere im Kontext von Übergangsritualen und der Bewältigung von Krisen und Wandlungsprozessen.
- Quote paper
- Ansgar Beyerle (Author), 2013, Direkte Naturerfahrungen in der Sozialen Arbeit. Ein Zugang zum Selbst, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/273642