Jahrhunderte lang war die Klezmer-Musik die traditionelle Festmusik der aschkenasischen Juden in Osteuropa, die heute losgebunden von der traditionellen Funktionalität seit Anfang der 1970er Jahre, ausgehend von den USA, ein Revival rund um den Globus erlebt und Teil der modernen Musikkultur wird.
Mit den nationalen Grenzen wurden längst auch scheinbar vorhandene kulturelle und ethnische Grenzen überschritten. Es bildeten sich weltweit Ensembles mit jüdischen und nicht-jüdischen Musikern, deren Herangehensweise an die Musik bis heute sehr unterschiedlich sein kann. So unterscheiden sich „Traditionalisten“, die eine Rekonstruktion des Stils nach alten Vorbildern anstreben und „Modernisten“, die sich auf der Suche nach eigenen zeitgemäßen, sich weiterentwickelnden Ausdrucksformen befinden, aber dennoch die Verbindung zur Tradition aufrechterhalten. Das Genre wird somit immer differenzierter, die Musik wird mit aktuellen Stilen wie Rock und Jazz zu neuen hybriden Formen vermischt, die die Grenzen dessen, was als Klezmer definiert, vermarktet und rezipiert wird, immer weiter verschieben. Die neu entstandenen Stile und Mischformen werden von einigen Musikern und Kritikern als inauthentische Erzeugnisse gesehen, die den Schöpfern das Recht absprechen, noch in der Klezmer-Tradition zu stehen. Andere sehen in dieser Mischform das Authentische einer neuen Generation von Klezmer-Musikern, da in ihnen das Zeitgenössische ausgedrückt wird. Dieses Phänomen ist kein Einzelfall. Immer wieder werden und wurden Formen traditioneller Musik aus ihrem Kontext gelöst und finden Eingang in die allgemeine Musikwelt unter dem Begriff „Weltmusik“. Im Zuge dieser Entwicklung konnte es nicht ausbleiben, dass Fragen nach der (vermeintlichen) Authentizität der Klänge spezifischer Ethnien, die in Verbindung mit Begriffen wie Tradition und kulturelle Identität gebracht werden, auftauchen. Galt Klezmer-Musik lange Zeit als eine ethnische Musik, die ein begrenztes Publikum, vor allen Dingen in Amerika erreichte, so bereichert sie heute durch ihre „andersartige“ Klang- und Instrumentenvielfalt die westliche Musikwelt und beeinflusst Identitäten der überwiegend nicht-jüdischen Musiker und ihres Publikums. Besonders in Europa führte dies zu Debatten um Aneignung, Repräsentation und eben Authentizität.
In dieser Arbeit werden diese Diskussionen in Bezug auf das Land Polen hinterfragt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Vorgehensweise
- Zum Begriff „Klezmer"
- Etymologie und historischer Rückblick
- Einige Beispiele für heutige Definitionen
- Klezmer als traditionelle Musik der osteuropäischen Juden
- Klezmer als Hybridform
- Klezmer als jüdische Musik
- Klezmer als Sammel- und Marketingbegriff
- Klezmer als universale Kommunikationsebene
- Authentizität und Identität des Klezmer-Revivals
- Identität durch Differenz
- Das Klezmer-Revival im Zeitalter der Globalisierung
- Die Hybridität des Klezmer-Revivals
- Das Klezmer-Revival innerhalb einer Kultur der Diaspora
- Fazit
- Ein virtuelles Judentum
- Das Klezmer-Revival in Polen
- Gründe und Motive für ein Klezmer-Revival in Polen
- Das Klezmer-Revival in Krakau
- Das jüdische Kulturfestival in Krakau
- Die Klezmer-Band „Kroke"
- Die "Cracow Klezmer Band"
- Leopold Kozlowski
- Besitzen polnische nicht-jüdische Musiker das „Recht" Klezmer zu spielen?
- Die gegenwärtige Funktion der Klezmer-Musik in Polen
- Fazit
- Musikwissenschaftliche Betrachtung
- Melodik und Skalen
- Steiger mit Dur- oder Moll-Charakter
- Skalen mit übermäßigem Sekundschritt
- Modulation
- Fazit
- Das Repertoire
- Die Klassifizierung der Repertoires
- Veränderungen des Repertoires
- Fazit
- Instrumentierung
- Arrangement
- Phrasierung und Ornamentierung
- Improvisation
- Fazit
- Schlussbetrachtung
- Quellen- und Literaturverzeichnis
- Monographien und Sammelbände
- Aufsätze und Artikel in Sammelbänden, Lexika, Zeitschriften und Zeitungen
- Artikel in Begleitheften zu CDs und Liner Notes
- Artikel im Internet
- Diskographie
- Filmographie
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Magisterarbeit befasst sich mit dem Klezmer-Revival in Polen und der damit verbundenen Frage nach Authentizität und Identität. Die Arbeit analysiert, wie sich das Klezmer-Revival in Polen entwickelt hat, welche Faktoren zu dieser Entwicklung beigetragen haben und wie die Musik in der heutigen Zeit von polnischen Musikern und Zuhörern interpretiert wird.
- Die Definition des Begriffs „Klezmer" und die verschiedenen Interpretationen des Genres.
- Die Rolle von Authentizität und Identität im Kontext des Klezmer-Revivals.
- Die Entstehung eines „virtuellen Judentums" in Polen und die Bedeutung der Klezmer-Musik in diesem Kontext.
- Die musikalischen Merkmale der Klezmer-Musik und ihre Bedeutung für die Frage nach Authentizität.
- Die Rolle der Klezmer-Musik in der heutigen polnischen Gesellschaft und ihre Auswirkungen auf die polnisch-jüdischen Beziehungen.
Zusammenfassung der Kapitel
Im ersten Kapitel wird die Einleitung in das Thema gegeben und die Forschungsfragen der Arbeit formuliert. Kapitel 2 erläutert die Vorgehensweise der Arbeit und die einzelnen Schritte der Analyse. Kapitel 3 befasst sich mit dem Begriff „Klezmer" und dessen verschiedenen Definitionen, die im Kontext des Klezmer-Revivals von Bedeutung sind. Kapitel 4 analysiert den Begriff der Authentizität und die damit verbundenen Fragen der Identität im Zusammenhang mit dem Klezmer-Revival. Kapitel 5 beschreibt das Phänomen des „virtuellen Judentums" in Polen, das durch die Abwesenheit einer lebendigen jüdischen Kultur geprägt ist. Kapitel 6 beleuchtet das Klezmer-Revival in Polen, seine Geschichte und die verschiedenen Akteure, die an ihm beteiligt sind. Das Kapitel analysiert auch die verschiedenen Perspektiven auf die Frage, ob polnische nicht-jüdische Musiker das „Recht" haben, Klezmer zu spielen. Kapitel 7 stellt die musikwissenschaftlichen Merkmale der Klezmer-Musik vor, die für die Frage nach Authentizität von Bedeutung sind. Das Kapitel analysiert die verschiedenen Modi, das Repertoire, die Instrumentierung, das Arrangement, die Phrasierung und Ornamentierung sowie die Improvisation. Im letzten Kapitel wird ein Fazit gezogen und die Bedeutung der Klezmer-Musik für die heutige polnische Gesellschaft diskutiert.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den Klezmer, das Klezmer-Revival, Authentizität, Identität, jüdische Kultur, polnische Kultur, polnisch-jüdische Beziehungen, Diaspora, virtuelles Judentum, Krakau, Kazimierz, Kroke, Cracow Klezmer Band, Leopold Kozlowski, Musikwissenschaft, Melodik, Skalen, Repertoire, Instrumentierung, Arrangement, Phrasierung, Ornamentierung, Improvisation.
- Quote paper
- Cornelia Friebe (Author), 2008, Das Klezmer-Revival in Polen. Eine Suche nach Authentizität und Identität, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/273709