Übersicht erhaltener Werke antiker Autoren. Band 9

Vitruv, Livius, Vergil, Horaz, Tibull, Properz, Ovid, Strabon, Velleius, Seneca, Lucan, Petron, Persius, Plinius, Quintilian, Tacitus, Plinius der Jüngere, Martial, Juvenal, Sueton


Fachbuch, 2014

111 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vitruv

Livius
Die Bücher 1 – 10 (bis zum Jahre 293 v.u.Z.)
Die Gründung Roms und die römischen Könige (1 1 – 42,3)
Die Servianische Ordnung (1 42,4 – 45)
Der letzte König und die Errichtung der Republik (1 46 – 2 3)
Der (erste) Auszug der Plebejer und Coriolan (2 21,6 – 40)
Der erste Streit um ein Ackergesetz (2 41ff)
Decimvirat und Zwölftafelgesetz (3 31 – 63)
Camillus und Manlius (5 – 6 20)

Vergil
Hirtengedichte
Gedicht vom Landbau
Aeneis

Horaz
Satiren I
Epoden, Satiren II
Oden I-III
Episteln I und II
Lied zur Jahrhundertfeier, Oden IV.

Tibull
Corpus Tibullianum.

Properz
Elegien I
Elegien II und III
Elegien IV.

Ovid
Liebesgedichte
Liebeskunst
Briefe der Heroinen
Metamorphosen, Fasti
Trista, Briefe vom Schwarzen Meer

Strabon

Velleius Paterculus

Seneca der Ältere

Seneca, Lucan, Petron und Persius
Über die Wohltaten
Trostschrift an Marcia
Über den Zorn, Von der Unerschütterlichkeit des Weisen
Über die Kürze des Lebens
Trostschrift an seine Mutter Helvia, Trostschrift an Polybius
Von der Gemütsruhe
Vom glücklichen Leben, Über die Muße
Von der göttlichen Vorsehung
An Neros Hof
Die Verkürbissung des Kaisers Claudius
Über die Güte
Lucan: Der Bürgerkrieg oder Pharsalia
Petron: Satyricon
Nach dem Rückzug
Briefe an Lucilius
Persius: Satiren
Naturwissenschaftliche Untersuchungen
Tragödien
Der rasende Herkules
Die Trojanerinnen
Phaedra
Weitere Stücke

Plinius der Ältere
Widmung und Verzeichnisse, Kosmologie und Geographie (1. – 6. Buch)
Der Mensch (7. Buch)
Tiere (8. – 11.), Pflanzen (12. – 19.), Arzneimittel (20. – 32. Buch)
Metalle und Steine (33. – 37. Buch)

Quintilian
Schulunterricht (Grammatik), Anfangsgründe, Überblick (1. – 3. Buch)
Die Teile der Rhetorik
Die Auffindung des Stoffes (Zugleich: Die Teile der Rede, 4. – 6. Buch)
Die Anordnung des Stoffes (Eigentlich: Die Statuslehre, 7. Buch)
Der Ausdruck (8. – 10. Buch)
Gedächtnis (11 2) und Vortrag (11 3)
Das Ethos des Redners, Stilgattungen (12. Buch)

Tacitus
Agricola, Dialog über die Redner, Germania
Historien, Annalen
Tiberius (Annalen 1. – 6. Buch)
Claudius (Annalen 11. – 12. Buch)
Nero (Annalen 13. – 16. Buch)
Thrasea Paetus (16 21-35)
Galba, Otho, Vitellius und Vespasian (Historien)

Plinius der Jüngere
Regulus
Valerius Licinianus, Pallas’ Grab
An Quintilian, Sueton, Tacitus – Gärten, Gespenster und Delphine
Die amtliche Korrespondenz mit Trajan (10. Buch)

Martial und Juvenal
Martial: Epigramme
Juvenal: Satiren

Sueton

Vitruv

Die zehn Bücher Über Architektur beginnen mit oft bunten Vorreden. Im ersten Buch eine Danksagung an „Caesar“, der ihm auf Bitten seiner Schwester sein Gehalt als Pension weiterzahlte. Auch in einigen späteren Vorreden wird „Caesar“ angesprochen, sie entstanden also bevor Octavian den Namen Augustus annahm. (1 1) erklärt, warum der Baumeister in Geschichte, Philosophie, Musik, Heilkunde, Recht und Astronomie bewandert sein muß. Die Grundlagen der Baukunst sind Taxis (die Anordnung der Gebäudeglieder), Diathesis (Grundriß, Aufriß, perspektivische Ansicht), Eurhythmie (das Ansprechende im Aussehen), Symmetrie, Angemessenheit und Ökonomie. (2) Die Architektur umfaßt das Bauen und die Herstellung von Uhren und Maschinen. (3) Im Rest des ersten Buches dann die Anlage einer Stadt: Wahl gesunder Plätze (4), Mauern und Türme (5), Lage der Gebäude und Plätze (6f, darin die einzelnen Winde).

Im zweiten Buch die Baumaterialien. Im ersten Kapitel eine sophistische Kultur­entstehungslehre, im zweiten kurz die Grundstoffe der Dinge nach Thales, Heraklit, Demokrit und den Pythagoreern. Im dritten Kapitel beschreibt Vitruv, wie Ziegel gestrichen werden und wie lange sie trocknen müssen und geht dabei schon auf lokale Besonderheiten ein. Es folgen Sand (4), Kalk (5), Vulkan­erde (6), Steinbrüche (7), Arten des Mauerwerks (8) und das Bauholz (9f). – In dem Kapitel über die Arten des Mauerwerks behandelt Vitruv die Bauten des Krösus, des Mausolos und seiner Witwe Artemisia und dann kurz römische Mietshäuser. Zur Verringerung der Brandgefahr war man davon abgekommen, Häuser mit hölzernen Schindeln zu decken (vgl. Plinius, Naturgeschichte 16 36). Doch um mehr Räume zum Vermieten zu haben, wurden in den oberen Geschossen hölzerne Verschläge eingebaut. Hierzu Vitruv: „Von dem Fachwerk wollte ich, es wäre gar nicht erfunden worden; denn wieviel es durch die Schnelligkeit [seiner Ausführung] und durch die Raumerweiterung nutzt, zu soviel größerem und allgemeineren Unheil gereicht es, weil es für Feuersbrünste gleichsam wie geschaffen ist. (…) Auch macht es durch die Verteilung der Balken Risse in den Verputz.“ (8,20)

Im dritten und vierten Buch geht es um den Tempelbau. Hier beschreibt Vitruv den menschlichen Körper als Vorbild von Symmetrie und Harmonie. (1 – Als Illustration dazu schuf Leonardo da Vinci seine berühmte Zeichnung eines in geometrische Figuren eingeschobenen Menschen.) Es folgen Tempelgattungen und Säulenordnungen. Korinthische Säulen wirken schlank, dorische altehrwürdig.

Das fünfte Buch behandelt öffentliche Gebäude. Römische Foren müssen anders angelegt werden als griechische Marktplätze, da auf dem Forum Gladiatorenspiele veranstaltet werden. Damit im Winter Markt- und Gerichtstage durchgeführt werden können, gibt es Basiliken; und hier beschreibt Vitruv eine solche Halle, die er in der iulischen Kolonie Fanum errichtete. (1) – Der Platz für das Theater muß sorgfältig ausgewählt werden, „denn die Bürger werden, die ganze Zeit hindurch mit Weib und Kind bei den Spielen sitzend, durch Ergötzung gefesselt, und die Körper, vor Vergnügen regungslos, haben offenstehende Poren, in welchen die herbeigewehten Dünste eindringen.“ (3,1) „Auch muß man sorgfältig darauf achten, daß der Ort nicht dumpftönend sei, sondern daß die Stimme sich möglichst hell ausbreiten könne.“ (3,6) Hier beschreibt Vitruv den Schall als Wellenbewegung in der Luft. Das ganze vierte Kapitel ist ein Exkurs über die Harmonie in der Musik, der folgendes vorbereitet: „Nach diesen theoretischen Ergebnissen mathematischer Forschungen sollen eherne Gefäße im entsprechenden Verhältnis zur Größe des Theaters verfertigt werden, und zwar so, daß sie, wenn sie berührt werden, in den einzelnen Gefäßen den Klang einer Quarte, Quinte und so der Reihe nach bis zur Doppeloktave geben können. Nachher stellt man sie in kleinen unter den Sitzen des Theaters errichten Kammern dort nach der musikalischen Ordnung so auf, daß sie keine Wand berühren und ringsum Raum haben.“ (5,1) Nachdem Vitruv die Verteilung der Schallgefäße genau beschrieb, räumt er ein, daß sich so eingerichtete Theater in Rom nicht finden. Aber in andern italienischen Städten und in den meisten Griechenstädten gibt es Theater mit Schall­gefäßen. L. Mummius hat die Schallgefäße aus dem zerstörten Korinther Theater im Tempel der Luna als „Götteranteil der Kriegsbeute“ geweiht. – Im sechsten Kapitel die Gestaltung des Theaters. „Die Bühnenwände selbst aber haben ihre vorgeschriebene Einrichtung also: das mittlere Tor soll eine Ausschmückung haben, wie es sich für einen Königshof geziemt, rechts und linke sind die Gasttüren; neben diesen aber sind jene für die Dekoration eingerichteten Räume, welche die Griechen Periaktoi (Dreher) nennen, deshalb, weil hier die Vorrichtung der drehbaren dreiseitigen Prismen mit je drei Dekorationsdarstellungen ist, welche, wenn entweder eine Ver­wandlung im Stück oder die Ankunft von Göttern unter plötzlichen Donnerschlägen vorgestellt werden soll, gedreht werden und die Darstellung an der Stirn­seite verwandeln (…). Es gibt nämlich drei Arten von Bühnendekoration (…). Die tragische Bühne wird mit Säulen, Giebeln, Statuen und sonstigen königlichen Gegen­ständen ausgeschmückt, die komische bietet die Ansicht von Privatgebäuden und erkerartigen Vorbauen und verschiedenen Ansichten durch Fenster, in Nach­ahmung der Beschaffenheit der gewöhnlichen Gebäude; die satyrische Bühne endlich wird mit Bäumen, Höhlen, Bergen und sonstigen ländlichen Dingen, zu einem landschaftlichen Bilde gruppiert, ausgeschmückt.“ (6,8f) – „Hinter der Bühne muß man Säulenhallen errichten, damit das Volk, wenn plötzliche Regengüsse die Spiele unterbrechen, einen Ort habe, worin es sich aus dem Theater zurückziehen kann, und damit man für die Zurüstung der Bühnenausstattung bequemen Raum habe; in der Art, wie die Säulenhallen des Pompeius, ferner auch zu Athen die Säulenhallen des Eumenes am Theater und Heiligtum des Dionysos, und das (…) zur Linken liegende Odeion, welches Themistokles mit den Masten und Rahen der Schiffe aus der persischen Beute überdeckte, das aber, nachdem es im Mithridatischen Krieg in Flammen aufgegangen war, der König Ariobarzanes wiederherstellte, ferner wie zu Smyrna das Stratouikon, zu Tralles die über ein Stadion lange Säulenhalle auf beiden Seiten der Bühne; und auch in den übrigen Städten, welche verständige Baumeister gehabt haben, sind rings um die Theater Säulenhallen und Promenaden.“ (9,1) – Es folgen Bäder (10), die Anlage der in Italien ungebräuchlichen Palästren (Ringschulen, 11) und Häfen (12).

Das sechste Buch behandelt Privathäuser. Vitruv unterscheidet fünf Arten von Höfen: tuskische (ohne Säulen), korinthische (mit Säulen), viersäulige, trauflose und überdachte: „Trauflose sind diejenigen, bei welchen die schräg aufwärts stehenden Dachbalken eine aufwärts gerichtete Umdachung tragen und so die Traufe (zu den Wänden) zurückführen. Diese gewähren bei Winterwohnungen sehr große Vorteile, weil die aufwärts gerichteten Dächer der Beleuchtung nicht hinderlich sind. Aber sie haben bezüglich der erforderlichen Reparaturen große Nach­teile, weil die Röhren, welche die rings an den Wänden zusammenströmende Traufe zusammenfassen sollen, das aus den Rinnen abfließende Wasser nicht schnell genug aufnehmen können; weshalb sie, überfüllt, überströmen und das Holzwerk und die Wände zu Schaden bringen.“ (3,2) Mit „überdachten Höfen“ meint Vitruv die Zentralräume in mehrstockigen Gebäuden. – „Schlafzimmer und Bibliotheken müssen gegen Osten gerichtet sein; denn ihr Gebrauch erfordert die Morgensonne; auch werden in den Bibliotheken die Bücher nicht vermodern. Denn in denjenigen, welche gegen Süden und Westen gerichtet sind, werden die Bücher von Motten und Feuchtigkeit verdorben, weil die daher kommenden feuchten Winde die Motten gedeihen lassen, und, indem ihr feuchter Hauch hineindringt, die Bücher durch Schimmel ver­derben.“ (4,1)

Das siebente Buch beginnt mit einer langen Vorrede über die Stiftung der Bibliothek von Alexandria. Aristophanes aus Byzanz entlarvte bei einem musischen Wettkampf Plagiatoren und wurde daraufhin Vorsteher der Bibliothek. Dann nennt Vitruv seine Quellen. Diese farbige Vorrede steht in schönen Kontrast zum Inhalt des Buches: Der Estrich (1), Vom Löschen des Kalkes (2), Decken, Stuck und Verputz (3f), Wandmalerei (5), Marmor (6), Farben wie Indigo, Ocker oder Purpur (7-14).

Das achte Buch, über das Wasser, ist zu großen Teil mit Annahmen über die Quellen von Flüssen und mit Besonderheiten bestimmter Quellen, Flüsse und Seen gefüllt. Sogar Epigramme auf Quellen werden zitiert. Im fünften Kapitel beschreibt Vitruv Werkzeuge zur Nivellierung der Wasserleitungen. Im sechsten unterscheidet er offene Rinnen, Blei- und Tonröhren. Tonröhren sind leichter zu reparieren als Bleiröhren und ihr Wasser ist gesünder, weil aus Blei das schädliche Bleiweiß entsteht. (6,10)

Vitruv läßt sich leicht durchschauen. In der Vorrede zum achten Buch hatte er es versäumt , Pindars berühmten Hymnos zu zitieren, der mit den Worten „Das Beste ist das Wasser“ beginnt, um die olympischen Spiele zu feiern. In der Vorrede zum neunten Buch versuchte er diesen Fehler auszubügeln: „Die alten Griechen haben den berühmten Wettkämpfern, welch in den olympischen, pythischen, isthmischen und nemeischen Spielen gesiegt haben, so große Auszeichnungen zuerkannt, daß sie nicht bloß in der Festversammlung (…) gefeiert wurden, sondern auch wenn sie mit dem Siege in ihre Städte zurückkehrten (…) von Staatswegen lebenslänglich aus den Staatsgefällen ihren Unterhalt bezogen. Im Hinblick auf dies nun wundere ich mich, daß dieselben Auszeichnungen und selbst noch größere nicht auch den Schriftstellern, welche für alle Zeiten den Völkern unendliche Dienste leisten, zuteil geworden sind.“ Dann erzählt er von den „mathematischen Lehrsätzen des Platon“ (4) und beschreibt die Figur, die Sokrates im Menon zeichnet. Später die Geschichte, wie Archimedes, als er die Verdrängung entdeckt hatte, Heureka! rufend aus der Wanne sprang. – Thema des neunten Buches sind Uhren. Es beginnt mit sechs Kapiteln Astronomie. Neben unterschiedlichen Erklärungen der Mondphasen finden sich hier Beschreibungen der Sternbilder. Im siebenten Kapitel die Konstruktion von Sonnenuhren, d.h. die Berechnung der Schattenlängen für die Stundeneinteilungen. Zuletzt ein Kapitel über Wasseruhren und mechanische „Winteruhren“.

Vitruv ist noch von der Astronomie erfüllt, als er das zehnte Buch, über Maschinen, beginnt: „Alle Mechanik ist von der Natur der Dinge vorgebildet und von dieser Lehrerin durch die Umdrehung der Welt gelehrt. Betrachten wir zuförderst das Zusammenhangsverhältnis von Sonne und Mond und auch die fünf Planeten. Würden diese nicht nach mechanischen Gesetzen kreisen, so würden wir nicht abwechselnd Licht haben, noch die Früchte zur Reife gelangen.“ (1,3) Die Maschinenkunst begann mit Webstühlen, Jochen und Pflügen für Rinder und den Vorrichtungen zum Weinkeltern und Ölpressen. Es folgen Hebemaschinen (2), Gerade und Kreis als Elemente aller Bewegungen (3), Wasserschöpfmaschinen (4-7), Wasserorgeln (8) und Wegmesser (9). Zuletzt Katapulte (10-12) und Belagerungsmaschinen (13-16).

Livius

Die Bücher 1 – 10 (bis zum Jahre 293 v.u.Z.)

„Ich zweifle nicht, daß die meisten Leser an der Gründungszeit und dem, was ihr unmittelbar folgt, weniger Vergnügen haben, weil sie zu unserer Gegenwart eilen möchten, in der die Kräfte unseres Volkes, schon längst des mächtigsten der Erde, sich selbst zerstören. Ich dagegen möchte auch darin einen Lohn meiner Mühe suchen, daß ich mich vom Anblick der Leiden, die unsere Generation so viele Jahre lang hat erleben müssen, wenigstens für die kurze Zeit abwenden darf, in der ich jene alten Begebenheiten im Geist aufsuche, frei von jeder sorgenvollen Rücksicht auf die Gegenwart.“ (Vorrede)

Livius hat ältere Geschichtswerke ausgewertet. In den ersten zehn Büchern seines Geschichtswerkes erwähnt er als Quelle viermal Q. Fabius Pictor, dreimal L. Piso und siebenmal L. Licinius Macer. Macer (der Vater des Redners P. Licinius Macer Calvus) entstammte einem alten plebejischen Geschlecht; in seinem Geschichtswerk hat er seine Vorfahren als Vorkämpfer der Gleichberechtigung der Plebejer mit den Patriziern besonders heraus­gestellt. (Vgl. 7 9,5) Er war Volkstribun, Prätor, Proprätor und wurde im Jahre 66 v.u.Z. wegen Erpressung seiner Provinz angeklagt und ver­urteilt. Obwohl Livius versucht hat, die Tendenzen seiner Quellen zu mildern, meint man beim Lesen seines Werkes doch öfters, einen wütenden Volkstribunen durch­zuhören.

Die Gründung Roms und die römischen Könige (1 1 – 42,3)

Das erste Buch beginnt mit dem Fall Trojas. In Italien gab Latinus, der König der Aboriginer, Aeneas, dem Sohn des Anchises und der Venus, seine Tochter zur Frau. Nach ihr nannte Aeneas die Stadt, die er gründete, Lavinium. (1) Anaeas starb kurz nach dem Sieg über den Rutulerkönig Turnus. (2) Ob Ascanius, der dreißig Jahre nach der Gründung von Lavinium die Stadt seiner Mutter überließ und Alba Longa gründete, der Sohn der Lavinia war oder schon geboren wurde, als Troja noch stand, möchte Livius nicht untersuchen. (3) Es folgen die Könige von Alba Longa: Anaeas Silvius, Latinus Silvius, Alba, Atys, Capys, Capetus, Tibernus (der beim Übergang über den Fluß Albula ertrank, worauf der Fluß dann Tiber hieß), Agrippa, Romulus Silvius, Aventinus (der auf dem danach Aventin heißenden Hügel bestattet wurde) und Proca. Proca hatte zwei Söhne: Numitor, der Ältere, wurde von Amulius vom Thron gestoßen. Seine Tochter Rea Silvia mußte Vestalin werden. (3) „Die Vestalin wurde vergewaltigt, und als sie Zwillinge geboren hatte, benannte sie – entweder weil sie es selber glaubte oder weil ein Gott als Grund der Verfehlung ihr ehrenhafter erschien – den Mars als Vater der unehelichen Nachkommenschaft. Aber weder Götter noch Menschen konnten sie oder ihre Kinder vor der Grausamkeit des Königs schützen; die Priesterin wurde in Haft genommen und gefesselt, die Knaben befahl er in fließendes Wasser zu werfen. (…) Die Sage will nun wissen: Als die sanfte Strömung die schaukelnde Wanne, in der die Knaben ausgesetzt waren, auf dem Trockenen zurückgelassen hatte, sei eine durstige Wölfin aus den Bergen der Umgebung gekommen und dem Kindergewimmer nachgegangen. Die habe den Kleinen ihr Gesäuge gereicht und sich so sanft gezeigt, das der königliche Oberhirte – Faustulus soll er geheißen haben – sie fand, wie sie die Knaben mit der Zunge leckte; dieser habe sie mit zu seiner Behausung genommen, und sie seiner Gattin Larentia gegeben. Es gibt auch die Meinung, daß Larentia, weil sie jedermann willfährig war, unter den Hirten >die Wölfin< genannt worden sei; daraus habe sich das Wundermärchen ent­wickelt.“ (4) Faustulus kannte von Anfang an die Identität der Kinder, und als Remus wegen angeblicher Einfälle in die Ländereien des Numitor bestraft werden sollte, eröffnete er sie dem Romulus. (5) Daraufhin erschlugen Romulus und Remus Amulius. „Nachdem Romulus und Remus die Herrschaft in Alba Longa den Numitor überlassen hatten, ergriff sie die Lust, an der Stelle, wo sie ausgesetzt und erzogen worden waren, eine Stadt zu gründen. (…) In der Folge beeinträchtigte das Erbübel der Familie, die Machtgier, diese Erwägungen, und es kam aus recht geringfügigen Anlaß zu bösen Streit.“ (6)

Nach Remus’ Tod befestigte Romulus zuerst den Palatin. Hier bringt Livius in einem Rückblick die Geschichte vom Hirten Cacus, der dem Herkules einige der Rinder des Geryones stahl und dort versteckte. (Bei Properz IV 9 ist Cacus ein dreiköpfiges Ungeheuer.) Romulus übernahm von den Griechen den Herkuleskult. (7) „Damit die Größe der Stadt nicht leere Vorspiegelung bliebe, eröffnete Romulus eine Stelle (…) als ein Asyl, um die Bevölkerung zu vergrößern – nach alten Brauch von Städtegründern, die verdächtige und niedriggeborene Elemente herbeiriefen und dann vorgaben, ihnen sei ein Volk aus der Erde erwachsen. (…) Er berief hundert Senatoren, entweder weil diese Zahl ge­nügte, oder weil es nur hundert gab, die man als >Patres< einsetzen konnte“ (8) Aber es gab einen Mangel an Frauen. „Deshalb schickte Romulus auf Beschluß des Senates Boten rings zu den Nachbarstämmen, die um Bündnis und Ehegemeinschaft nachsuchen sollten. (…) Nirgends wurde die Gesandtschaft freundlich angehört (…) Von den meisten wurden die Boten mit der Frage fortgeschickt, ob man denn nicht auch für Frauen ein Asyl geschaffen habe; das erst gebe doch eine passende Ehegemeinschaft. Die jungen Römer nahmen das mit Erbitterung auf.“ Romulus ordnete Spiele zu Ehren des Neptuns, des Schöpfers der Pferde, an; dabei kam es zum Raub der Sabinerinnen. (9) In darauf folgenden Kriegen können die Sabiner durch den Verrat der Tarpeia die römische Burg einnehmen (11), später „schlossen sie nicht nur Frieden, sondern vereinigten die beiden Staatswesen. Die Königswürde behielten sie [Romulus und der Sabinerkönig Tatius] gemeinsam, zum Sitz des Staates machten sie Rom. Seit dieser Verdopplung der Stadt wurden die Bewohner nach [der Sabinerstadt Cures] Quiriten genannt, damit den Sabinern doch etwas eingeräumt wurde.“ (13) Bei einem Staatsopfer in Lavinium wurde Tatius in einem Auflauf getötet. Kriege gegen Fifenae und Veji werden erfolgreich geführt. „Romulus war bei der breiten Masse beliebter als bei den Patriziern.“ Bei einer Versammlung auf dem Marsfeld beim Ziegensumpf „kam plötzlich mit gewaltigen Donnerkrachen ein Unwetter und hüllte den König in so dichten Dunst, daß der Versammlung sein Anblick entzogen wurde; und von da an war Romulus entschwunden. Nachdem einem solch stürmischen Wetter wieder heiterer Sonnen­schein gefolgt war, überwanden die römischen Männer endlich ihren Schrecken, und als sie den Platz des Königs leer sahen, glaubten sie den Patriziern, daß er im Sturm entrückt worden sei (…). Ich glaube aber, es hat damals auch einige gegeben, die im stillen den Argwohn hegten, der König sei von Patrizierhand beseitigt worden.“ (15f)

Die hundert Senatoren übernahmen gemeinsam die Herrschaft, doch als die Plebejer murrten, aus einem Herren seien nun hundert geworden, wählte man Numa Pompilius aus dem sabinischen Cures zum König. „Als seinen Lehrer nennt man, da es keinen anderen gab, fälschlich den Pythagoras von Samos, der bekanntlich erst über hundert Jahre später, am äußersten südlichen Rand Italiens, in der Gegend von Metapontum, Heraclea und Croto, seine Schülerkreise hatte. (…) Ich glaube eher, daß Numa durch seine eigene Veranlagung zu diesen hohen Eigenschaften bestimmt war und weniger durch fremde Lehren gebildet worden ist als durch die düstere und pedantische Zucht der alten Sabiner.“ (18) „Nachdem er (…) König geworden war, machte er sich daran, die Stadt, die auf Waffengewalt gegründet worden war, auf Rechtssatzungen und Kultbräuche ein zweites Mal zu gründen. (…) Er ließ im Argiletum den Janusbogen als Anzeiger von Krieg und Frieden aufstellen; geöffnet sollte er anzeigen, daß der Staat sich im Krieg befinde (…). Er ist dann nach Numas Tod noch zweimal geschlossen gewesen, einmal (…) nach dem Ende des Ersten Punischen Krieges, das zweite Mal – und das haben die Götter unserer Generation zu schauen vergönnt – nach der Schlacht bei Actium, als der Imperator Caesar Augustus zu Wasser und zu Lande den Frieden erkämpft hatte.“ (19) Es folgt die Einteilung des Kalenders und die Bestallung der Priester.

Nach dem friedlichen Numa wurde der kriegerische Tullus Hostilus zum König gewählt. Unter ihm kommt es zum Konflikt mit der Mutterstadt Alba. Man wollte größeres Blutvergießen vermeiden: „In beiden Heeren gab es zufällig Drillingsbrüder, die an Alter und Kräften einander ähnlich waren. Es ist allgemein bekannt, daß es die Horatier und die Curatier waren, denn kaum eine Geschichte unserer Vorzeit ist berühmter als diese.“ (24) Sie traten gegeneinander an. Nachdem die Curatier zwei Horatier töteten, siegte zuletzt der der einzige überlebende Horatier – und erschlug danach seine Schwester, die ihren Verlobten, einen Curatier, mehr betrauerte als ihre Brüder! Sollte man ihn als Held feiern oder als Mörder bestrafen? Hier zitiert Livius ein Gesetz und läßt dem Vater der Horatier eine kurze Rede halten. – Der Krieg gegen Alba flammte bald wieder auf, nach seinem Sieg ließ Tullus den König der Albaner, der das Bündnis zwischen Rom und Alba zerrissen hatte, von zwei Pferdegespannen zerreißen. „Es war dies die erste, aber auch die letzte Hinrichtung unter den Römern, bei der die Gesetze der Menschlichkeit zu wenig beachtet wurden; im übrigen aber dürfen wir uns rühmen, daß kein Volk einen milderen Strafvollzug hat als das unsere.“ (28,11)

Nach Tullus’ Tod wählte das Volk Ancus Martius, einen Enkel des Numa Pompilus zum König. „Ancus’ Charakter hielt die Mitte zwischen dem des Numa und dem des Romulus.“ (32,4) Auf ihn gehen laut Livius die völkerrechtlichen Regeln zur Kriegserklärung zurück. In den so erklärten Kriegen siegte er. „Den Vejentern wurde der Mesiawald abgenommen und so die Grenze bis zum Meer vorgerückt. An der Tibermündung wurde Ostia gegründet, beiderseits der Mündung legte man Salzgewinnungsbecken an.“ (33,9)

Aus Tarquinii wanderte der Sohn eines Flüchtlings aus Korinth in Rom ein. Er brachte das Vermögen seiner Frau Tanaquil mit, nannte sich in Rom Lucius Tarquinius Priscus und wurde der fünfte König Roms. „Er soll der erste gewesen sein, der sich selbst um die Königswürde bewarb und eine Rede hielt, um die Plebejer für sich zu gewinnen.“ (35,2)

„Das Haupt eines schlafenden Knaben vom Gesinde namens Servius Tullius soll wie von Flammen umleuchtet gewesen sein.“ (39,1) Tanaquil sorgte dafür, daß das so von den Göttern ausgezeichnete Sklavenkind wie ein Bürgersohn erzogen wurde, später wurde er mit einer Königstochter verlobt. Livius vermutet jedoch, daß Servius Tullius der Sohn der bei der Einnahme von Corniculum in Gefangenschaft geratenen Frau des Königs dieser Stadt gewesen sei. Die Söhne des Ancus wollten verhindern, daß ein als Sklave geborener König wird (40,3) und stifteten einen Anschlag auf Tarquinius an. Die kluge Tanaquil erreichte jedoch, daß nach dem Anschlag Servius Tullius König wurde. Seine Töchter verheiratete Tullius mit den Söhnen des Tarquinius.

Die Servianische Ordnung (1 42,4 – 45)

„Wie Numa den Grund für die kultische Ordnung gelegt hatte, so sollte man ihn [Servius Tullius] in Zukunft als den Schöpfer der bürgerlichen Ordnung preisen, durch die die Unterschiede in der politischen und wirtschaftlichen Bedeutung der einzelnen Gruppen der Bevölkerung sichtbar gemacht werden. Er führte nämlich die Ver­mögenseinschätzung ein, eine höchst heilsame Sache (…), denn von nun an würden die Lasten in Krieg und Frieden nicht mehr gleichmäßig nach Köpfen auf die Bürger verteilt werden, sondern nach dem Vermögensstand. (…) Aus denen, deren Census 100 000 As und mehr betrug, bildete er 80 Centuriae (…), als Waffen wurden ihnen vorgeschrieben: Helm, Rundschild, Panzer, Beinschienen, Lanze und Schwert. Dieser Klasse wurden zwei Centuriae Handwerker beigegeben (…), die im Felde die Belagerungsmaschinen bauen sollten. Die zweite Klasse umfaßte den Zensus bis 75 000 As, aus ihr wurden 20 Centuriae gebildet. Als Waffen waren vorgeschrieben Langschild statt des runden, sonst außer dem Panzer wie in der ersten Klasse. Den Zensus der dritten Klasse begrenzte er mit 50 000 As; es wurde dieselbe Zahl von Centuriae eingerichtet, bei der Bewaffnung fielen die Beinschienen weg. In der vierten Klasse betrug der Census 25 000 As; die Zahl der Centuriae war dieselbe, aber die Bewaffnung anders: nur Stoßlanze und Wurfspieß. Die fünfte Klasse war wieder stärker, es wurden nämlich 30 Centuriae geschaffen. Sie führten Schleudern und als Geschosse dienende Steine als Ausrüstung. Ihnen wurden die Horn- und Tubabläser in zwei Centuriae zugeordnet. Mit 11 000 As war der Census dieser Klasse fest­gesetzt. Die ganze übrige Menge faßte er in einer Centuriae zusammen, die vom Kriegsdienst frei blieb.“ Daneben gab es noch 18 Reitercenturiae. „Zum Kauf eines Pferdes wurden jedem Reiter 10 000 As aus der Staatskasse gegeben, und für dessen Ernährung wurde er an eine bestimmte ledige weibliche Person verwiesen, die jährlich 2 000 As für diesen Zweck zu zahlen hatte. (…)

Entsprechend wurden die politischen Rechte verteilt: (…) Die Ritter wurden nämlich bei den Abstimmungen zuerst aufgerufen, darauf die 80 Centuriae der ersten Klasse; war das Ergebnis jetzt noch nicht klar, was selten vorkam, so sollten die der zweiten Klasse aufgerufen werden, und durch dieses System würde es wohl kaum so weit kommen, daß die unteren Klassen überhaupt abstimmen mußten.“ Jede der 193 Centuriae gab eine Stimme ab. – „Bei der ersten Schätzung sollen 80 000 Bürger erfaßt worden sein, und der älteste Geschichtsschreiber, Fabius Pictor, fügte hinzu, das seien nur die Felddienstfähigen gewesen.“ – Servius Tullius stiftete auch einen Latinischen Bund.

Der letzte König und die Errichtung der Republik (1 46 – 2 3)

Die Ermordung des Königs Servius durch einen Sohn von Tarquinius Priscus gestaltet Livius zu einen Drama, in dem dessen Frau Tullia eine Hauptrolle spielt: „Getrieben vom Wahnwitz seines Weibes begann Tarquinius Anhänger zu werben, besonders unter den Senatoren plebejischer Herkunft.“ (47,7) Er sagte im Senat, Servius sei der Sohn einer Sklavin und nicht ordentlich gewählt. „Alle Lasten, die man früher gemeinsam getragen habe, seien durch ihn der Oberschicht aufgebürdet worden; den Census habe er nur eingeführt, damit die wirtschaftliche Lage der Wohlhabenderen zum Neide der übrigen bekannt würde und er einen Vorrat hätte, aus dem er Geschenke für die Armen schöpfen könne, sobald es ihm gelüste.“ (12) Nach der Ermordung von Servius fuhr Tullia im offenen Wagen über die Leiche ihres Vaters. (48,4) – „Nun begann Lucius Tarquinius seine Herrschaft, dem seine Taten den Namen >der Übermütige< [Superbus] eingebracht haben.“ (49,1)

Ich übergehe Tarquinius’ Kriege. Livius schreibt: „Tarquinius war übrigens kein schlechter Heerführer.“ (53,1) Auf dem „Tarpejusberg“ (dem Kapitol) errichtet er einen Jupitertempel. „Eifrig auf die Vollendung des Tempels bedacht, rief Tarquinius Handwerker überall aus Etrurien herbei und nahm zu diesem Werk nicht nur Staatsgelder in Anspruch, sondern auch Fronarbeiter aus der Plebs. Obwohl die Arbeit nicht leicht war und zum Kriegsdienst noch hinzukam, beschwerten sich die Plebejer doch weniger darüber, daß sie einen Göttertempel mit eigenen Händen erbauen mußten, als später, nachdem sie auch zu anderen, weniger ansehnlichen und bedeutend anstrengenderen Arbeiten herangezogen wurden, wie zum Bau der Sitzreihen im Circus und der Cloaca Maxima, die alle Abwässerkanäle der Stadt sammeln sollte und unter­irdisch ausgeführt werden mußte. Diesen beiden Werken hat unsere Zeit trotz ihren Prachtbauten kaum etwas an die Seite stellen können. Nachdem der König die Plebs durch diese Arbeiten stark belastet hatte, glaubte er, die große Menschenmenge könne für die Stadt, wo man keine Verwendung für sie hatte, eine Last werden, und da er außerdem die Grenzen des Reiches durch Bürgerkolonien zu sichern wünschte, sandte er Siedler nach Signiae und Circeji (…)

Während er noch damit beschäftigt war, erschien ein erschreckendes Wunderzeichen: eine Schlange schlüpfte aus einer Holzsäule und rief auf dem Königshof entsetzte Furcht hervor. (…) [Der König] beschloß, nach Delphi zu schicken, dem berühmtesten Orakel der Welt (…) und schickte zwei seiner Söhne durch damals noch unbekannte Länder und über die noch weniger bekannte See nach Griechenland. Titus und Arruns reisten ab, begleitet von L. Iunius, einem Sohn der Tarquinia, der Schwester des Königs, der ganz anders geartet war, als er sich äußerlich gab. Da er erfuhr, daß die hervorragendsten Männer der Stadt von seinem Oheim getötet worden waren, beschloß er, weder in seinem Herzen einen Gedanken zu dulden, den der König fürchten müßte, noch von seinem Vermögen etwas zu behalten, was Wünsche erregen könnte, um durch Verachtung sicher zu sein, wo das Recht zu wenig Schutz bot. Mit voller Absicht also stellte er sich einfältig (…) und wehrte sich auch nicht gegen den Beinamen Brutus [Dummkopf]; so konnte unter dem Schirm dieses Beinamens der Befreier des römischen Volkes seine Zeit abwarten. Der also wurde von den Tarquiniern mit nach Delphi genommen, mehr ihr Narr als ihr Begleiter.“ (56,1-9) Nachdem die Tarquinier erfahren hatten: „>Die höchste Gewalt in Rom wird der von euch haben, der zuerst die Mutter küßt.<“ (10) wollen sie eilig zu ihrer Mutter nach Rom. „Brutus aber, der glaubte, daß der Spruch der Pythia einen anderen Sinn habe, tat so, als ob er ausgerutscht sei, und berührte im Fallen die Erde, weil sie ja die gemeinsame Mutter aller Menschen sei.“ (12) – Als Sextus Tarquinius Lucretia vergewaltigt hatte und diese sich das Leben nahm, hielt Brutus vor dem Volk eine Rede: „Er sprach über die Gier und die Gewalttat des Sex. Tarquinius (…). Er erinnerte dann an den Hochmut des Königs und an die erniedrigenden Arbeiten beim Ausheben von Gräben und Abwasserkanälen, die die Plebejer, im Sumpfe wühlend, hätten leisten müssen!“ (59,8f) Daraufhin wurde der König vertrieben.

„Es besteht kein Zweifel, daß Brutus (…) zum größten Schaden der Allgemeinheit gehandelt hätte, wenn er in unzeitiger Freiheitssehnsucht einem der früheren Könige die Herrschaft entrissen hätte. Denn was wäre geschähen, wenn jene Bevölkerung von einfachen Hirten und Zugewanderten, die als Flüchtlinge aus ihren Gemeinden und nur durch den Schutz eines unverletzlichen heiligen Bezirks persönliche Freiheit oder doch wenigstens Straflosigkeit erlangt hatten – wenn die auf einmal, ohne durch Furcht vor der königlichen Gewalt gezähmt zu sein, der Agitation der Volkstribunen ausgesetzt worden wären und in einer Stadt, die nicht ihre Heimat war, den Kampf mit den Patriziern hätten beginnen sollen, ehe sie die Liebe zu Weib und Kindern und die Verbundenheit zum Boden – wozu es der Gewöhnung einer langen Zeit bedarf – zu einer politischen Gemeinschaft gemacht hätten? (2 1,3f) – Wenig später gibt Livius in den Gedanken der Anhänger der vertriebenen Tarquinier eine Apologie des Königtums: „Ein König [meinten sie] sei ein Mensch, man könne von ihm erlangen, was man brauche, sei es gesetzlich erlaubt oder nicht; er sei ein Hort der Gnade und gewährender Huld, er könne zürnen und verzeihen, er kenne den Unterschied von Freund und Feind. Die Gesetze aber seien unpersönlich-taub, Bitten nicht zugänglich, für den Schwachen besser und zuträglicher als für den Starken.“ (3,3f)

Der (erste) Auszug der Plebejer und Coriolan (2 21,6 – 40)

Der vertriebene König betrieb mit Hilfe verschiedener fremder Herrscher (wie dem etruskischen König von Clusium, Lars Porsenna, und zuletzt dem griechischen Tyrannen von Cumae, Aristodemos) lange seine Rückkehr. „Sein Tod ließ die Patrizier genauso aufatmen wie die Plebejer, jedoch blühte bei den Patriziern die Freude darüber zu üppig; es kamen jetzt nämlich Willkürakte von seiten des Adels gegen die Plebs vor.“ (21,6) – „Ein alter Mann stürzte aufs Forum, mit allen Merkmalen seiner Leiden: seine Kleidung starrte vor Schmutz, noch erbärmlicher aber war der Anblick seiner Blässe und seiner Magerkeit. (…). Aber trotz dieser Verwahrlosung konnte man ihn noch erkennen, und voll Mitleid erzählte man sich, er sei Centurio gewesen, und rühmte seine Waffentaten. Als man ihn fragte, woher sein heruntergekommener Zustand rührte – inzwischen hatte ihn eine Menschenmenge umringt –, sagte er, während er im Sabinerkrieg im Feld gewesen sei und wegen der Verwüstungen auf dem Lande keine Ernte gehabt habe, ja sein Hof abgebrannt gewesen sei, seine Ernte geplündert und sein Vieh weggetrieben, da sei die Kriegssteuer trotzdem zum üblichen Termin gefordert worden und er habe Geld aufnehmen müssen. Diese Schuld sei durch die Zinsen angewachsen und habe ihm erst das väterliche und großväterliche Erbe geraubt, dann alle anderen Vermögenswerte, zuletzt habe sie wie eine ansteckende Krankheit seinen Leib ergriffen: er sei von seinem Gläubiger in die Knechtschaft geführt worden. (…) Die Menge wandte sich an die Konsuln, der eine wies auf seine Fesseln, der andere auf seine Abgezehrtheit: das sei der Lohn für ihre Kriegsdienste. Sie forderten, und das war eher eine Drohung als eine Bitte, daß der Senat einberufen werde. (…) Währenddessen erhob sich ein viel größerer Schrecken: latinische Reiter preschten lärmend herbei mit der Nachricht, die Volsker zogen mit ihren Heere heran, die Stadt zu stürmen. Diese Nachricht wirkte auf die Patrizier ganz anders als auf die Plebejer. Die Plebejer begannen vor Freude zu jauchzen und behaupteten, die sei die Rache der Götter für den Übermut der Patrizier (…). Darauf trat der Konsul [P. Servilius] vor das versammelte Volk und erklärte, das Wohl der Plebs liege den Patriziern am Herzen. Aber jetzt seinen die Beratungen über den zwar bedeutendsten Teil der Bürgerschaft, der aber trotzdem nur ein Teil sei, durch die Sorge um den Staat als Ganzes unterbrochen. Es sei unmöglich, da die Feinde beinahe schon vor den Toren standen, daß er jetzt irgend etwas anderen den Vorrang vor militärische Fragen gebe (…). Er bekräftigte seine Rede durch eine Verordnung, in der er festlegte, niemand dürfe einen römischen Bürger gefesselt oder eingeschlossen halten, wenn dem dadurch die Möglichkeit genommen werde, sich bei den Konsuln zum Dienst zu melden, und niemand dürfe das Hab und Gut eines im Felde befindlichen Soldaten in Besitz nehmen (…). Nach Verlesung dieses Ediktes meldeten sich die anwesenden Schuldverpflichteten sofort zum Waffendienst.“ (23,3-24,7)

Die Feinde wurden besiegt, aber die Konsuln (inzwischen waren neue Konsuln im Amt) dachten gar nicht daran, Servilius’ Versprechen zu halten. „Die Senatoren befiel nun die Furcht, daß, wenn das Heer entlassen wäre, wieder geheime Versammlungen und Verschwörungen stattfänden. Sie waren der Meinung, daß das Heer durch den Fahneneid gebunden sei.“ (32,1) Um dieser Bindung zu entkommen, so erzählt Livius, „seien sie [die Plebeier] auf Veranlassung eines gewissen Sicinius auf den Heiligen Berg ausgezogen, ohne einen Befehl der Konsuln abzuwarten. Dieser heilige Berg liegt jenseits des Anios, drei Meilen vor der Stadt; so wird diese Geschichte häufiger erzählt als in der Form, wie Piso als erster berichtet, daß der Auszug den Aventin zum Ziel gehabt hätte. Dort legten sie ohne jede Führung ein mit Wall und Gräben befestigtes Lager an.“ (2f) – Der Senat beschließt einen Unterhändler zu den Plebejern zu schicken. Dieser Unterhändler, Menenius Agrippa, soll „in der altertümlichen und derben Redeweise von damals nur die folgende Geschichte erzählt haben: Zu einer Zeit, da im menschlichen Körper nicht alles zu einer Einheit verbunden war, sondern jedes einzelne Glied sein eigenes Bewußtsein hatte, hätten sich die übrigen Körperteile geärgert, weil durch ihre Sorge, Arbeit und Dienstbarkeit alles nur für den Magen herbeigeschafft werde, der Magen aber ruhig in der Mitte sitzt und nichts tue.“ Darauf hätten sie sich gegen den Magen verschworen. „Wie sie nun den Magen durch Hunger zähmen wollten, seien die Glieder alle und der Körper als Ganzes von der äußersten Schwäche befallen worden. Dadurch sei es klargeworden, daß auch der Magen einen recht beachtlichen Dienst verrichte und ebenso andere ernähre, wie er selbst ernährt werde, denn er gibt das Blut, durch das wir alle leben und bei Kräften bleiben, an alle Körperteile weiter, gesättigt von verarbeiteter Nahrung.“ (32,8ff) Schließlich verständigte man sich; „die Plebejer sollten eigene, unverletzliche Bevollmächtigte haben, denen das Recht der Hilfeleistung gegen die Konsuln zustünde, und keinen von den Patriziern sollte es erlaubt sein, dieses Amt zu bekleiden.“ (33,1) So wurden, wenn man Livius’ Chronologie folgt, im Jahre 494 v.u.Z. die ersten Volkstribune gewählt.

Im folgenden Jahr kam es in Rom zu einer Hungersnot. In Cumae gekauftes Getreide wurde von Aristodemos beschlagnahmt. Im nächsten Jahr „wurde eine riesige Menge Getreide aus Sizilien herangeschafft, und man verhandelte darüber, zu welchen Preis es an die Plebejer abgegeben werden sollte. Viele hielten die Zeit für gekommen, die Plebs in die Enge zu treiben (…). Besonders tat sich Marcius Coriolanus als Feind des Tribunenamtes hervor, indem er sagte: >Wenn sie den alten Getreidepreis wollen, dann mögen sie den Patriziern ihre alten Rechte wiedergeben. Warum soll ich Plebejer als Magistrate (…) sehen und mich demütigen lassen, als ob ich mich von Räubern hätte freikaufen müssen? Den Sinicius soll ich ertragen, der ich einen Tarquinius als König nicht ertragen habe? Soll er doch den Plebs wieder zum Auszug aufrufen! Mögen sie jetzt die Teuerung auskosten, die sie mit ihrer sinnlosen Empörung verursacht haben! (…)<“ (34,9ff) Die Plebejer forderten, daß sich Coriolan vor der Volksversammlung für seine Äußerungen verantwortet, der Senat gab nach, Coriolan erschien jedoch nicht zum angesetzten Termin und wurde in Abwesenheit verurteilt. Daraufhin ging er zu den Volskern in die Verbannung und wird von diesen zu einen der Feldherrn im Krieg gegen Rom gewählt! Unter seiner Führung eroberten die Volsker eine römische Kolonie nach der anderen, bis sie vor den Toren der Stadt standen. Der Senat versuchte erfolglos zu verhandeln, die zweite Gesandtschaft wurde nicht einmal mehr vorgelassen. „Darauf begab sich eine große Zahl Frauen zu Veturia, Coriolans Mutter, und zu seiner Gattin Volumnia. (…) Sie erreichten, daß sowohl Veturia, eine schon bejahrte Frau, als auch Volumnia, ihre beiden kleinen Söhne von Marcius an der Hand, mit ihnen zum feindlichen Lager gingen und als Frauen mit Bitten und Tränen die Stadt verteidigten.“ (40,1f) Veturia gelang es, ihren Sohn umzustimmen. „Als er dann seine Legionen aus dem römischen Gebiet weggeführt hatte, soll er dem daraus entspringenden Haß erlegen und auf die eine oder andere Weise umgekommen sein. Nur bei Fabius, weitaus dem ältesten Autor, finde ich, er sei sehr alt geworden. Dazu stimmt die Nachricht, er habe im hohen Alter häufig den Ausspruch getan, für einen Greis sei das Exil noch viel jammervoller.“ (10f – Vgl. Cicero, Brutus 10)

Der erste Streit um ein Ackergesetz (2 41ff)

„Sp. Cassius und Proculus Verginius wurden danach Konsuln. Mit den Hernikern schloß man ein Bündnis; zwei Drittel des Ackerlandes wurden ihnen weggenommen. Davon wollte der Konsul Cassius die eine Hälfte den Latinern zuteilen, die andere den römischen Plebejern. Dieses Geschenk wollte er noch beträchtlich vergrößern durch Boden, der von Privatleuten bewirtschaftet wurde, obwohl er Staatsland war – so lautete sein Vorwurf. Diese Absicht erschreckte viele Patrizier, weil sie selbst die Besitzer waren und eine Gefahr für ihr Vermögen darin sahen; aber auch eine politische Sorge beunruhigte sie: daß der Konsul nämlich durch seine Freigebigkeit eine Macht schaffen würde, die der Freiheit gefährlich werden könnte.

Damals wurde zum ersten Mal ein Ackergesetz vorgeschlagen, eine Sache, die bis in die jüngste Vergangenheit niemals ohne die heftigsten inneren Erschütterungen verhandelt werden konnte.“ (41,1f) Man beschuldigte Cassius, er strebe nach der Königswürde, zugleich stachelten Cassius’ Gegner die Gier der Plebejer an: „Was werde denn damit bezweckt, daß man den Hernikern, eben noch Feinden, ein Drittel des eroberten Landes wiedergebe, wenn nicht dies, daß diese Stämme statt in Coriolanus nun in Cassius ihren Führer hätten?“ (6) – „Nachdem er sein Konsulat niedergelegt hatte, wurde er bekanntlich verurteilt und hingerichtet. Manche berichten sogar, der eigene Vater habe die Todesstrafe über ihn verhängt (…). Bei anderen finde ich – und das ist glaubhafter –, die Quästoren Caeso Fabius und L. Valerius hätten einen Termin für einen Hochverratsprozeß angesetzt; dort sei er durch den Spruch des Volkes für schuldig befunden und sein Haus von Staats wegen zerstört worden. (…) Der Zorn des Volkes gegen Cassius hielt nicht lange an. Die angenehme Vorstellung einer Bodenverteilung schlich sich wie von selbst in die Gedanken ein, nun, da ihr Urheber tot war, und die Begierde danach wurde noch durch die Bösartigkeit der Patrizier gesteigert, die nach einem großen Sieg über die Volsker und Äquer in diesem Jahr die einfachen Soldaten um ihren Beuteanteil betrogen.“ (10-42,1)

Später widersetzten sich Volkstribunen Aushebungen, um Landverteilungen zu erzwingen. „Als die Senatoren wieder ratlos waren sagte Ap. Claudius (…): Es werde nie an einen fehlen, der über seine Amtskollegen den Sieg davontragen und die Dankbarkeit des besseren Teils der Bürgerschaft zu erwerben wünsche (…), und einer genüge ja schon gegen alle anderen.“ (44,2f) – Die so entmachteten Tribunen begannen, nach jeder Niederlage den das Heer führenden Konsul des Hochverrates anzuklagen. (Vgl. 52)

Decimvirat und Zwölftafelgesetz (3 31 – 63)

Konsulen und Tribunen wollten ihre gegenseitige Blockade überwinden, indem sie den Staat auf eine neue gesetzliche Grundlage stellen. Es wurden Gesandte nach Athen geschickt, um die Gesetze Solons abzuschreiben. (31,8) Zur Verabschiedung der neuen Gesetze wurden im Jahre 452 v.u.Z. anstelle der üblichen Magistrate zehn Männer mit unbeschränkter Vollmacht gewählt. (32,5) „Den größten Einfluß in der neuen Behörde hatte Ap. Claudius, und zwar dadurch, das er sich für die Plebs einsetzte; und er hatte sich in seiner Gesinnung tatsächlich so sehr gewandelt, daß aus einen trotzigen und wilden Verfolger der Plebejer plötzlich ein Volksfreund wurde, der nach jedem Schimmer der Volksgunst haschte.“ (8) Das Zehntafelgesetz, das „noch heute trotz der Riesenmasse übereinandergehäufter Gesetze die Quelle alles öffentlichen und privaten Rechts ist“, wurde verabschiedet. (34,6)

Wegen der noch fehlenden zwei Tafeln wurden auch für das nächste Jahr Decimvirn gewählt. Als einziger gehörte Ap. Claudius wieder zu ihnen. „Kaum hatten sie ihr Amt übernommen, machten sie gleich den ersten Tag ihrer Herrschaft durch die Ankündigung eines ungewöhnlichen Schreckensregimes denkwürdig. Denn während die ersten Zehnmänner es so gehalten hatten, daß einer die Rutenbündel hatte und dieses Symbol einer Königgleichen Stellung in ihrem Kreis von einem zum anderen wechselte, erschienen sie plötzlich jeder mit zwölf Fasces. Einhundertzwanzig Liktoren füllten das Forum.“ (36,3f) – Die Decimvirn wurden gestürzt, als Appius Claudius die Plebejerin Verginia besitzen wollte, einen seiner Klienten zu der Behauptung anstiftete, sie sei eine ihm gestohlene Sklavin, und er als Richter zu dessen Gunsten entschied. Als sich der Senat nicht einigen konnte, kam es zu dem zweiten Auszug der Plebejer. (52) Schließlich wurden wieder Konsuln und Tribunen gewählt. Um seine Verurteilung hinauszuschieben nahm Appius Claudius das Recht der Berufung an das Volk in Anspruch! „Da hörte man das Wort, das allein die verfassungsmäßige Freiheit verbürgt, aus dem Munde dessen, der erst neulich jedermann die Freiheit aberkannt hatte, und Schweigen breitete sich aus.“ (56,5) –– Daß die alten Konflikte weiter bestanden, zeigte sich schon bald, als der Senat den bei dieser Revolution gewählten Konsulen nach Siegen über Äquer, Volker und Sabiner einen Triumph verweigerte und dieser dann auf Geheiß des Volkes doch gefeiert wurde. (63)

Das vierte Buch beginnt mit einer Rede des Volkstribunen C. Canuleius für das Recht der Eheschließung zwischen Plebejern und Patriziern und das Recht der Plebejer, für das Konsulat zu kandidieren. (3-5)

Camillus und Manlius (5 – 6 20)

Zehn Jahre belagerten die Römer Veji. Nach einer Weissagung sollte die etruskische Stadt erst dann fallen, wenn die Wasser des Albaner Sees abgeleitet werden. Die Römer folgten dieser Weissagung jedoch erst, als sie aus Delphi eine Bestätigung erhielten. (15f) 396 v.u.Z. wurde Veji durch den Diktator M. Furius Camillus eingenommen. Wegen Streitig­keiten über die Verteilung der Beute wurde Camillus bald darauf verbannt.

Schon wenige Jahre später eroberten die Gallier unter ihren Häuptling Brennus Rom. Einige Römer verschanzten sich unter der Führung von M. Manlius Capitolinus auf dem kapitolinischen Hügel. Als die Gallier einen Aufstieg zum Kapitol entdeckten, wurde Manlius durch das Geschnatter und Flügelschlagen der heiligen Gänse geweckt. (47,4) – Vom Hunger gequält, erklärten sich die Römer bereit, tausend Pfund Gold für den Abzug der Gallier zu zahlen. Als das Gold abgewogen wurde, trat Camillus, der außerhalb der Stadt wieder zum Diktator gewählt worden war, dazwischen und vertrieb die Gallier. Anschließend verhinderte er, das die Römer ihre zerstörte Heimatstadt aufgaben und nach Veji übersiedelten (Staatsrede 51-54). Camillus wurde zum zweiten Gründer Roms verklärt.

Aus Neid auf den Ruhm des Camillus (so Livius) wurde M. Manlius „als allererster Patrizier zum Anhänger der Volkspartei, der gemeinsame Sache mit den plebejischen Magistraten machte. (…) Und nicht zufrieden mit den Anträgen zur Agrarfrage [d.h. zur Landverteilung], die den Volkstribunen immer schon Stoff zu Streitigkeiten geliefert hatten, begann er den Kredit zu erschüttern: schärfer noch sei ja der Stachel der Schulden, weil sie nicht nur mit Armut und Schande drohen, sondern auch den Freien mit Peitsche und Fesseln [der Schuldsklaverei] schrecken. Und tatsächlich waren durch das Bauen [den Wiederaufbau nach dem Galliersturm] sehr viele Schuld­verpflichtungen entstanden.“ (6 11,7ff) Unter dem Vorwand auswärtiger Kriege, tatsächlich aber gegen Manlius, wählte der Senat einen Diktator. „Ohne daß jemand eine Forderung erhoben hatte, machte sich der Senat zum freiwilligen Schenker und ordnete an, daß 2000 römische Bürger nach Satricum gehen sollten; jeden wurden zweieinhalb Joch Ackerland zugewiesen. Da das als geringfügiges Geschenk gewertet wurde und überdies als Belohnung für den Verrat an M. Manlius, verstärkte das Heilmittel die Aufruhrstimmung nur noch.“ (16,6f) Manlius wurde außerhalb der Stadt vor Gericht gestellt: „Bei keinen Schriftsteller finde ich, was die Ankläger dem Angeklagten außer den eigenmächtigen Versammlungen und den aufrührerischen Reden (…) nun eigentlich zu der Beschuldigung vorgehalten haben, daß er nach der Krone strebe; aber ich zweifle nicht, daß es keine geringen Argumente waren, da das Zögern der Plebs, das Urteil zu fällen, nicht in der Sache begründet war, sondern im Ort der Verhandlung. Folgendes scheint mir erwähnenswert, damit die Menschen erfahren, was für große Verdienste die verwerfliche Gier nach dem Königsthron nicht nur unbedankt ließ, sondern sogar verhaßt gemacht hat: Manlius soll beinah vierhundert Menschen vorgeführt haben, denen er zinslos Geld vorgeschossen, deren Besitz er vor dem Zwangsverkauf oder deren Person er vor der Überantwortung an den Gläubiger gerettet habe. Auch seine kriegerischen Auszeichnungen habe er nicht nur aufgezählt, sondern auch anschaulich vorgeführt: (…).“ Manlius wurde zum Tode verurteilt und vom Tarpeischen Fels gestürzt. (20,12) Kein Patrizier durfte danach mehr auf dem Kapitol wohnen.

Nachdem es einige Jahre lang immer wieder „Konsulartribunen“ gegeben hatte, zu denen oft auch ein Plebejer gehöre, wurde 367 v.u.Z. der erste plebejische Konsul gewählt. (6 42,9) Zum Ausgleich bekamen die Patrizier Prätoren und kurulische Ädilen. (7 1,1) Eine Seuche wütete; als sie sich nicht legte, „sollen unter anderem, was zu Besänftigung des göttlichen Zornes dienen mochte, auch die szenischen Spiele eingeführt worden seien.“ (2,3) Im Anschluß gibt Livius einen kurzen Ausblick auf die spätere römische Theatergeschichte. Im Jahre 327 v.u.Z. wurde beschlossen, daß der bei Neapolis stehende „Q. Publius Philo, sobald er das Konsulat niedergelegt habe, den Feldzug als >gewesener Konsul< weiterführen sollte.“ (8 23,11 – So wurde das Prokonsulat geschaffen.) – Im nächsten Jahr wurde die Schuldknechtschaft beseitigt. (Hier erzählt Livius, daß ein grausamer Wucherer, der einem jungen Mann, der sich wegen eines von seinem Vater aufgenommenen Darlehens verpflichten mußte, nachstellte, dazu den Anlaß gab. [28]) – Im nächsten Buch gestattet sich Livius einen Exkurs, indem er ausführt; daß die Römer Alexander dem Großen und dessen Heer überlegen waren. (9 17-19)

Vergil

Publius Vergilius Maro wurde am 15. Oktober 70 in einem Dorf bei Mantua geboren. Er ging zum Studium der Rhetorik nach Rom, trat einmal erfolglos als Anwalt auf und ging schließlich nach Neapel. Dort gehörte er zum Kreis des Epikureers Siro. In der unter Vergils’ Namen über­lieferten Sammlung von 17 kleinen neoterischen Gedichten, den Catalepton, finden sich zwei oder drei, die tatsächlich von Vergil stammen könnten: In der Nummer 5 der Sammlung heißt es: „Fort, Rednerampullen, / Wortschwall und Schwulst, pathetisch dröhnend, ungriechisch! (…) / Wir segeln fort nach des Seelenglückes Häfen, / des großen Siro Wort und Weisheitsspruch suchend…“ Und ganz am Ende der Georgica findet sich die Erinnerung: „Damals hat mich, Vergil, in Liebe und Freundschaft bewirtet / Parthenope, als ich blühte in der Kunst unrühmlicher Muße, / der ich den Hirten noch spielte ihr Lied und kühn in der Jugend, / Tityrus, unter dem Dach der breiten Buche dein Lob sang.“ In Parthenope, einem Ortsteil Neapels, lebte Vergil, als sich Octavian und Antonius verbanden, die Proskriptionen erließen, denen Cicero zum Oper fiel und die Republik 42 bei Philippi ihren letzten Kampf verlor.

Hirtengedichte

Die Sammlung der Bucolica besteht aus zehn Eklogen (d.h. ausgewählten Gedichten), die bis zum Jahre 39 entstanden. In der ersten Ekloge fragt Meliboeus seinen Hirtenkollegen Tityrus, wie er so ruhig im Schatten liegen kann, und dieser antwortet: „Ein Gott hat uns diese Muße verliehen.“ (6) Er will Rom besuchen, da ihn die Liebe zur Freiheit ergriff: „Solange Galatea mich liebte, / hoffte auf Freiheit ich nicht, ich dachte auch gar nicht ans Sparen. / Zahlreich war wohl das Vieh der Opfer aus meinen Gehege, / fett war der Käse, der oft in die Stadt so billig verkauft ward, / doch meine Rechte war leer, wenn vom Markt aus der Stadt ich nach Haus kam.“ (33f) Tityrus konnte sich als Greis freikaufen und verspricht, seinen Freund nicht zu vergessen. Meliboeus klagt: „Dieses so üppige Feld wird ein frevelnder Krieger besitzen / und diese Saat ein Barbar! Wohin hat uns elende Bürger / Zwietracht gebracht! Wir bestellen das Land für dieses Gesindel!“ (70f) Vergil legt seinen Hirten die Ängste und Hoffnungen der römischen Landbesitzer, die zugunsten von Caesars Veteranen enteignet wurden, in den Mund. Mit diesen Enteignungen hatte die Geschichte auch Vergil eingeholt: In Catalepton 8 lud er seinen enteigneten Vater ein: „Landhäuschen, einst des Siro Besitz, mein Äckerlein, armes (…). Ich empfehle zuerst dir den Vater; sei du ihm / jetzt, was Mantua einst und was Cremona ihm war.“ In der vierten Ekloge singt Vergil das Lied von dem kommenden Kinde, das unter dem Konsulat seines Gönners Pollio (im Jahre 40) geboren wird und bessere Zeiten bringt. Bei der Geburt des göttlichen Knaben herrscht Frieden zwischen den Löwen und den Tieren des Feldes.

Die fünfte Ekloge ist eine Apotheose des sagenhaften Hirten Daphnis. In der sechsten Ekloge erzählt Vergil, wie die Hirten den Satyr Silen fangen und dieser für sie ein Lied singt, und darin von Pasiphaes Liebe zu einem Stier: „Sie wäre glücklich fürwahr, hätt es niemals Rinder gegeben, / Jungfrau voll Leid, o weh! Welcher Wahnsinn hat dich ergriffen!“ Ihre Freundinnen müssen wie Rinder brüllen, sie sucht vergeblich Hörner an ihren Stirnen. Und was macht ihr Geliebter? „Auf Hyazinthen gestützt ruhet aus seine schneeige Flanke, / unter der dunklen Eiche verschlingt er die bläßlichen Kräuter, / oder folgt einer Kuh in der Herde.“ (46ff) – In der zehnten Ekloge grüßt Vergil seinen in Arkadien weilenden Gönner Cornelius Gallus und zitiert dabei aus den Elegien, die Gallus über seine unglückliche Liebe zu Lycoris schrieb. Es ist eine literarische Auseinandersetzung, Vergil läßt Pan selbst, „Arkadiens Gott“ auftreten: „>Hat dieses endlich ein Maß?< spricht er [Pan], >Amor selbst hasset dergleichen; / nicht durch Tränen wird Amor gesättigt.<“ (28)

Gedicht vom Landbau

Vergil bekam Dank Pollios Einfluß seinen Besitz zurück, er wurde von Maecenas (von dem die Kunst-„Mäzene“ ihren Namen haben) unterstützt, und konnte so in Ruhe an dem Gedicht vom Landbau, den Georgica, arbeiten. Landbau war nach einem hundertjährigen Bürgerkrieg etwas, was neu begann; auch Gelehrte wie Varro beschäftigten sich in dieser Zeit mit diesem Thema.

Im ersten Gesang beschreibt er den Ackerbau, schildert, an Hesiods Werke und Tage anknüpfend, die Schwere der Arbeit und am Ende die Verödung des Landes durch den Krieg: „Der Kriege auf Erden / sind so viele, so viel des Verbrechens Gestalt; ohne Ehre / ist jetzt der Pflug, die Gefilde sind wüst, die Bauern verschwunden, / und zum starrenden Schwert wird die krumme Sichel verwendet. / Hier erregt Germanien Krieg dort drohet der Euphrat…“ (505ff) Im zweiten geht es um Wein- und Obstbau, hier besingt er den Kreislauf der Natur, das immer wieder alles erblüht. Dasselbe im zweiten Buchpaar: im dritten Gesang die Viehzucht und zuletzt die Rinderpest, im vieren die Bienenzucht und der ideale Bienenstaat. Während bei Lukrez am Ende seiner drei Buchpaare Auflösung, Tod, Pest stehen, gibt es bei Vergil stets eine Wendung ins Optimistische.

Zuletzt ein Epyllion: Aristaeus, ein mythischer Kulturbringer, ist verzweifelt, weil er seine Bienen verlor. Er fragt seine Mutter, die Flußnymphe Kyrene, und die rät ihm, wie er den Seher Proteus finden kann und ihn zwingt, ihm zu helfen. Proteus erzählt Aristaeus, daß ihm die Götter wegen Orpheus zürnen. Orpheus folgte seiner Gattin Eurydike in die Unterwelt, es gelang ihm, sie heraufzuholen, aber ihr böses Verhängnis zwang sie zurück und Orpheus starb ihr nach. Er sagt ihm auch, daß er durch ein Rinderopfer Entsühnung finden kann. Den Leibern der geopferten Rinder, die er auf Proteus’ Weisung liegen ließ, entflogen am neunten Morgen Wolken von Bienen. (Daß Eurydike starb, als sie auf der Flucht vor dem verliebten Aristaeus von einer Schlange gebissen wurde, setzt Vergil als bekannt voraus. – Nach einem Kommentar von Servius [um 400] stand am Ende des vierten Gesanges ursprünglich das Lob des Gallus, Vergils alten Freund, der nach Octavians Sieg über Antonius Präfekt von Ägypten war und sich dort in Inschriften verewigte. Seine Selbstherrlichkeit wurde Gallus bald als Verrat ausgelegt, er wurde verurteilt und nahm sich im Jahre 26 das Leben.)

Aeneis

Die Verbindung der Gründung Rom mit dem Dardanerfürsten Aineias, lateinisch Aeneas, ist uralt. Schon griechische Autoren wie Stesichoros ließen Aineias nach Sizilien oder Italien flüchten, dies übernahmen Alexandrinische Philologen und schon die ältesten Römischen Geschichtsdarstellungen (z.B. Ennius) bauten die Geschichte weiter aus (vgl. Plutarchs Romulus). All das wurde durch Vergil ersetzt und geriet in Vergessenheit.

In Karthago staunt Aeneas, daß die Tempel schon mit Darstellungen der Troja­geschichte geschmückt werden (I 456ff). Im zweiten und dritten Buch erzählt er vor Didos Hof, wie sich die Trojaner trotz Laokoons Warnungen mit dem hölzernen Pferd täuschen ließen. In der Schilderung der brennenden Stadt gelingen grausig-schöne Bilder. Dann berichtet er von ihren Fahrten. In Thrakien störten Aeneas und seine Gefährten, die Penaten, beim ersten Versuch einer Stadtgründung die Totenruhe von Priamus’ Sohn Polydor (wir kennen ihn aus Euripides’ Hekabe). Später hörten sie, daß ein anderer Sohn von Priamus, Helenos, das einstige Reich des Neo­ptolemos regiert. (III 294ff – Hier „reinigt“ Vergil in Pindars’ Art die Fabel von Euripides’ Andromache. Vermutlich gerieten aufgrund dieser Anspielungen die Hekabe und die Andromache in die kaiserzeitliche Euripidesauswahl. –) Die Penaten durchquerten die Meerenge zwischen Scylla und Charybdis (551ff) und retteten vom Gestade der Zyklopen einen Griechen, den Odysseus zurückgelassen hatte (568ff). Zuletzt verliert Aeneas in Dreapanum seinen Vater Anchises. – Im Gegensatz zu Odysseus’ Erzählung bei den Phaiaken ist dies alles aber kein Exkurs, sondern gehört zur Handlung: Die lauschende Dido verliebt sich in Aeneas. Als ein Unwetter sie bei der Jagd überrascht, finden sie in einer Höhle zusammen (IV 125ff). Aber die Götter befehlen ihm, weiter zu ziehen und Dido, eine zweite Phaidra, nimmt sich das Leben.

Im fünften Buch die Leichenspiele des Anchises (vgl. die Leichenspiele des Patroklos im 23. Buch der Ilias). Aeneas veranstaltet sogar ein Schiffsrennen. Aber später verbrennen die des Umherziehens müden Frauen einen Teil der Schiffe! Das Schattenbild des Anchises erscheint Aeneas und befielt ihm, in die Unterwelt zu fahren, um sich die Weissagung der künftigen Stadt abzuholen (721ff).

Am Apollontempel von Cumae sieht Aeneas die Schwingen des Daedalus und – ein seltsames Weihegeschenk – „die gräßliche Brunst der Pasiphae, trügerisch dem Stiere / untergeschoben.“ (VI 24f – In diesem von Daedalus gefertigten Gestell empfing Pasiphae den Minotaurus.) Die cumäische Sybille ist dann Aeneas Führerin bei seiner Fahrt in die Unterwelt. Wie Odysseus (mit Elpenor) trifft auch er im Totenreich zunächst einen gerade verstorbenen Gefährten, Palinurus, der um die Bestattung seines Leichnams bittet (337ff). Im Bezirk der Selbstmörderinnen begegnet er Dido, die sich schweigend abwendet (450ff). Schließlich findet er im Gefilde der Seeligen seinen Vater; und dieser prophezeit in der Heldenschau die künftige Geschichte Roms: „Dies ist der Mann, den oft du dir hörtest verheißen, / Caesar Augustus, des Göttlichen Sohn, der die goldenen Zeiten / wieder nach Latium bringt. (…) Andere werden das Erz mit weicherem Atem beseelen, / sei’s – und lebendigerer Züge Gestalt abringen dem Marmor, / besser zu reden verstehn vor Gericht, mit dem Zirkel die Bahnen / zeichnen des kreisenden Runds und das Nahn der Gestirne verkünden; / dein sei, Römer, das Amt, als Herrscher die Völker zu zügeln.“ (791ff, 847ff – Schon im ersten Buch verhieß Jupiter zu Aeneas’ Mutter Venus den Römern imperium sine fine, Herrschaft ohne Grenzen [279], im achten Buch wird die Prophezeiung in der Schildbeschreibung wiederholt. Hier ist sogar der Sieg Octavians über Antonius und Kleopatra in der Seeschlacht von Actium dargestellt.) – Die Bücher 7-12 zeigen die Kämpfe von Aeneas und seinen Getreuen in Latium. Zuletzt besiegt er im Zweikampf den Rutulerfürsten Turnus und tötet den schon Entwaffneten in einem Wutanfall. –– Vergil starb auf dem Weg nach Griechenland, wo er der Aeneis den letzten Schliff geben wollte, am 21.September 19 in Brindisi. Gegen seinen Willen wurde die Aeneis auf Befehl von Augustus durch Varius herausgegeben. Sueton schrieb Vergils Biographie, aus der in Bearbeitungen einiges erhalten ist.

Horaz

Satiren I

Um das Jahr 34 veröffentlichte der am 8. Dezember 65 in Venusia geborene Quintus Horatius Flaccus das Erste Buch der Satiren. Die ersten drei Stücke sind epikureische oder sogar kynische Diatriben, in denen die Anspruchslosigkeit unter dem Gesichtspunkt des Geldes, der Liebe und der Freundschaft gepredigt wird. Dabei werden stoische Lehrer und Vielschreiber verspottet.

Nummer 5 ist die Reise nach Brindisi, der Bericht von einer Reise des Maecenas zu Antonius oder einen Abgesandten des Herrschers der östlichen Reichshälfte, bei der ihn bis Brindisi neben Horaz auch Vergil, Varius und andere Schützlinge begleiteten. Mitunter nächtigen sie in den Landsitzen reicher Römer, manchmal auch in Gast­höfen; dort stören Frösche den Schlaf, dort verbrennt der Wirt die zum Abendbrot bestimmten Drosseln, dort wird Horaz von einem Mädchen versetzt. – In der sechsten Satire stellt Horaz der Abstammung des Maecenas von etruskischen Königen seine eigene Herkunft gegenüber. Stolz erinnert er daran, daß er, der von einem Freigelassenen abstammt, eine römische Legion führte (48). Später haben Vergil und Varius Maecenas auf ihn aufmerksam gemacht. Der Grund dafür: Trotz seines bescheidenen Vermögens schickte der Vater ihn nicht in zu Flavius, der für 8 As monatlich die Söhne von Zenturionen unterrichtete, sondern wagte es „den Knaben nach Rom zur Belehrung / hinzubringen in Fächern, die jeder Senator und Ritter / eigene Nachkommen lehrt.“ (76f) Im folgendem wird dieser Stolz wieder satirisch gebrochen. – Im nächsten Stück sehen wir Brutus in Asien über zwei Händler zu Gericht sitzen. Die Satire zieht ihren Witz daraus, daß einer der beiden den Beinamen „Rex“ (König) trägt. Nach der Biographie des Dichters von Sueton fand Brutus Horaz, als er nach der Ermordung Caesars in den Rednerschulen für die Republik warb, und machte ihn später zu seinem Militärtribun.

In der achten Satire erzählt ein durch Tischlerhand zum Priap (einem phallischen Frucht­barkeitsgott) gewordenes Stück Feigenholz, wie es die Hexen Candia und Sangana verjagte. – In der neunten Satire wird der Erzähler auf der Heiligen Straße von einem Schwätzer angesprochen, der sich für einen Dichter hält und zu ihrem Kreis dazugehören möchte. – In der vierten und zehnten Satire setzt sich Horaz mit anderen Dichtern auseinander. Mit zehn Stücken – wie die Bucolica von Vergil – meinte Horaz für Maecenas genug geleistet zu haben, und Maecenas belohnte ihn mit einem von acht Sklaven (vgl. s. II 7, 118) bewirtschafteten Gut in den Sabinerbergen.

Epoden, Satiren II

Die Epoden und das Zweite Buch der Satiren erschienen um das Jahr 30. Das Epoden­buch beginnt mit einer Widmung an Maecenas. Dann eine wunderschöne ländliche Idylle. Aber sie ist als wörtliche Rede gekennzeichnet! „Als so gesprochen einst der Wucherer Alfius, / fast ganz schon der künftige Bauersmann, / da treibt er an den Iden ein sein ganzes Geld – / und sucht’s an den Kalenden wieder auszuleihn.“ (2,67ff) Es folgt eine Verwünschung des Knoblauchs. In 5 und 17 begegnen wir der Hexe Candia wieder. In der neunten Epode, einem Trinklied, feiert Horaz mit Maecenas Octavians Sieg über Antonius. – In einer anderen Epode klagt der Dichter, daß er Neaira nicht halten kann: „Du aber, wer immer du Glücklicher bist, der nun über mein / Unglück stolz einherschreitest, / magst du auch reich sein an Vieh und viel Land / mag dir der Paktolos strömen / und nicht dir entgehen des wiedergeborenen Pythagoras Geheimnisse, / magst an Schönheit du übertreffen Nireus selbst – / ach, ach, klagen wirst du, wenn die Liebe anderswohin gewandert, / und ich werde dann der sein, der lacht.“ (15,17ff) – Die 16. Epode beginnt rhetorisch: „Die zweite Generation schon reibt sich auf in Bürgerkriegen, / Rom richtet selbst sich durch eigene Kraft zugrund. (…) Wir, ein ruchloses Geschlecht, verfluchten Blutes Erben, werden es verderben, / und wieder wird von wilden Tieren bewohnt sein unser Land.“ In dieser Situation erteilt der Dichter den Rat, auszuwandern und malt die Fahrt über den Ozean gehörig aus.

Das Zweite Buch der Satiren beginnt damit, daß Horaz bei dem Juristen Trebatius Rat einholt: wie kann er vermeiden, mit seinen Satiren bei Caesar (d.h. Octavian) Anstoß zu erregen? – Im folgenden vermeidet Horaz politische Themen; am wenigsten noch in der zweiten Satire, in der Ofellus, offenbar eine reale Person aus Horaz’ Heimat, das einfache Leben preist und die Ablehnung des Luxus unversehens in eine Anklage mündet: „Gibt es nicht etwas / wofür du besser, das Geld, das dir übrig, verbrauchen könntest? / Warum darbt, während du reich bist, ein Gefährte? / Weshalb (…) spendest du Schuft nicht reichlich der Heimat aus solchen / Haufen?“ (100ff) Ofellus war zugunsten des Veteranen Umbrenus enteignet worden, jetzt dient er ihm als Verwalter; bald wird das Gut wieder ihm gehören. – Die dritte und siebente Satire sind stoische Diatriben; die zum einen durch Damasippus, einen ehemaligen Antiquitätenhändler, den nach seinem Konkurs der Stoiker Stertinius vor dem Selbstmord bewahrte, zum anderen durch seinen Sklaven Davus vorgetragen werden. Horaz hat hier populärphilosophische Schriften ironisierend in Verse gefaßt. In der vierten und achten Satire wird dagegen der Genußmensch karikiert. – In der fünften Satire fragt Horaz Teiresias, wie er seine Armut überwinden kann – und wird daraufhin über die Erbschleicherei belehrt.

Oden I-III

Die ersten drei Bücher Oden erschienen im Jahr 23. In ihnen behandelt Horaz auch Themen aus den Satiren und Epoden (I 37 verwendet Motive aus der 9. Epode, II 15 aus der 16; II 4 aus der Satire I 2), aber das spöttische wurde durch lyrisches verdrängt. Dementsprechend ersetzen auch Versformen von Sappho und Alkaios die den Jamben des Archilochos gleichenden Epoden. Alle möglichen Mythen und Historien werden zitiert, um doch wieder zu dem Schluß zu kommen, das es besser ist, friedlich sein Leben zu genießen, denn niemand wird zweimal geboren.

Am Anfang steht eine Widmung an Maecenas. Die fünfte Ode ist eine Absage an Agrippa, den Stifter des römischen Pantheons: „Besungen wirst du werden von Varius, Held du und der Feinde / Bezwinger. (…) Wir, Agrippa, dürfen weder dies schildern noch den unheilvollen Groll des Peliden (…). Wir wollen die Festmähler, wir die Kämpfe der Mädchen, / die nur mit geschnittenen Nägeln gegen die Jünglinge wüten, / singen – frei oder auch in Liebe entbrannt, / nicht anders als gewohnt leichten Sinns.“ (L. Varius Rufus war der bevorzugte oder bereitwilligste „Staatsdichter“. Für seine Tragödie Thyestes, die in den Spielen nach der Schlacht bei Actium aufgeführt wurde, bekam er eine Million Sesterzen.) – In der elften Ode eine kurze Lebensphilosophie: „Du frage nicht – zu wissen wäre Frevel –, was mir, was dir / als Ziel die Götter gesetzt. (…) Wieviel besser: Was auch geschieht, zu tragen. / Ob viele Winter noch, ob gewährt hat Jupiter schon den letzten, / der jetzt an widerstrebenden Klippen bricht das Meer / Tyrrhenias – weise sei, kläre den Wein, auf kurze Dauer / langwährende Hoffnung bemiß! Da wir noch sprechen, ist schon entflohen die neidische / Zeit. Greif diesen Tag [carpe diem], nimmer trau dem nächsten!“ – In den Oden feiert Horaz: „O schöner Mutter schönere Tochter du, / wie immer auch du magst, dem Schelten in Ende / wirst du machen in meinen Jamben.“ (16) – Seinen Freund Iccius tadelt Horaz für sein Vorhaben, an einem Feldzug gegen die Araber teilzunehmen: „Iccius, die Glücksgüter den Arabern neidest du, / die Schätze, und wilden Kriegszug rüstest du / wider die nie zuvor besiegten Sabäer- / könige? (…) Wer wollte noch leugnen, daß steil auf / die abwärts schießenden Ströme zu fließen vermögen / ins Gebirg und daß der Tiber kann umkehren, // nun du, nachdem du sie eben von überall her zusammengekauft, des berühmten / Panaitios Bücher samt der sokratischen Schule / einzutauschen gegen iberisches Rüstzeug / dich anschickst? Besseres hattest du versprochen!“ (29)

Das zweite Buch beginnt mit einem Gedicht an Asinius Pollio, den Dichter, ehemaligen Konsul und Triumphator, der nach seinem Rückzug aus der Politik eine Geschichte Roms schrieb: „Ein Werk, gefährlich, voll des Wagemuts, / beginnst du, schreitest hin durch Gluten, / die verborgen noch unter Asche voll Trug. (…) Zu hören meine ich schon die großen Feldherrn, / von ehrenvollen Staub geschwärzt, / und wie alles auf Erden untertan / außer der unbeugsamen Seele des Cato.“ – In einem Gedicht feiert Horaz die Begnadigung eines alten Gefährten: „Mit dir hab ich Philippi und die hastige Flucht / erlebt, als ich verlor unrühmlich meinen Schild, / als zerbrach Mannesmut (…) // Doch mich hat hin durch die Feinde Merkur rasch / trotz meines Zagens emporgehoben in dichter Wolke, / dich aber hat er wieder in den Krieg zurückgerissen.“ (7)

Das dritte Buch beginnt mit den sechs durch das gleiche Versmaß als Zyklus ausgezeichneten „Römeroden“. Auch sie schließen mit dem Rückzug ins Private oder einer ironischen Wendung. Gleich in der ersten Ode erinnert er daran, daß über den Gefolgsmann eines Großen stets ein Damoklesschwert hängt. In der Zweiten steht zwar: „Schön und ehrenvoll ist es, für die Heimat zu sterben“, aber es geht weiter: „der Tod verfolgt auch den fliehenden Mann“ (2,13). Hier erscheint Caesar Octavian unter seinem neuen Titel: „Am Himmel donnernd, so glaubten wir, Jupiter / herrschet: als gegenwärtiger Gott wird uns gelten / Augustus, hat eingeordnet er die Briten / ins Römerreich und die grimmen Perser.“ (5,1ff) Die Göttlichkeit des Augustus wird von Bedingungen abhängig gemacht, die kaum einzulösen sind (Sieg über die Perser!); und in derselben Ode wird Regulus, der standhafte Held aus republikanischen Zeiten gefeiert. –– In der neunte Ode tritt sich ein ehemaliges Paar gegenüber: Im ersten Strophenpaar erinnern sie sich, im zweiten wird den gegenwärtigen Partnern Abschied erteilt, im dritten findet man wieder zusammen. In der 21. Ode wird ein alter Weinkrug angeredet, zuletzt feiert sich Horaz selbst: „Errichtet habe ich ein Monument, das Erz überdauert, / das den majestätischen Bau der Pyramiden überragt…“ (30f)

Episteln I und II

Die Episteln sind vorgebliche Briefe in Versen. Das Erste Buch der Episteln enthält zwanzig solcher Briefe, in denen Horaz seine Philosophie predigt. Im ersten Brief natürlich an Maecenas. Originell ist der zweite Brief: „Den Dichter des Trojanischen Krieges (…) hab ich in Praeneste wieder gelesen: was schön, was schlecht, was nützlich und was nicht, erklärt er genauer als Chrysippus und Kantor. Warum ich das glaube, vernimm: Die Geschichte, in der erzählt wird, wie wegen der Liebe des Paris Griechenland mit den Barbaren in langen Konflikt geriet, schildert die Leidenschaften dummer Fürsten und Völker. Antenor beantragte, des Krieges Ursache mit raschem Schnitt zu beheben: aber Paris? Er erklärte, man könne ihn nicht zwingen, daß er unversehrt herrsche und glücklich lebe. Nestor ist eilends bemüht, den Streit zwischen dem Peliden und dem Atriden beizulegen: aber den einen setzte die Liebe in Flammen, die beiden gemeinsam ihr Jähzorn. (…) Was wiederum Tugend vermag und Weisheit, das zeigt uns Homer am nützlichen Beispiel des Odysseus. Dieser hat Troja bezwungen (…). Der Sirenen Sang, der Kirke Zaubertrank kennst du: Hätte er den zusammen mit seinen Gefährten in Dummheit und Geilheit genossen, wäre er unter die Herrschaft einer Hure geraten in Schande und Feigheit. (…) Wir sind nur Nullen, geboren, die Früchte der Erde zu genießen, wie nichtsnutzige Freier der Penelope. (…) Warum eilst du zu entfernen, was das Auge stört, aber verschiebst, wenn es um den Geist geht, die Heilung um Jahre? Wer beginnt, besitzt bereits die Hälfte des ganzen Werkes – wage es, weise zu sein [sapere aude], fange an!“ Der kurze vierte Brief, an Tibull, schließt: „Wenn du lachen willst, besuche mich – fett und glänzend findest du mich, die Haut wohl gepflegt, ein Schweinchen aus der Herde Epikurs.“ – Und im Zuge dieser Philosophie vernachlässigt Horaz das Dichten. Im 7. Brief schreibt er Maecenas: „Fünf Tage, hatte ich versprochen, würde ich auf dem Lande verweilen, wortbrüchig laß ich jetzt den ganzen Sextilis auf mich warten.“ Er, Horaz, hat jetzt Dank’ Maecenas keine Wünsche mehr, er ist frei; und zur Freiheit des Bedürfnislosen und zur Unfreiheit der anderen gibt er dann einige Beispiele und Anekdoten.

Das Zweite Buch der Episteln besteht aus nur drei Briefen zum Thema Kunst. Der Erste ist an keinen geringeren als Augustus gerichtet. Ernst werden die Rolle des Dichters im Staat, Probleme des Bühnenautors und des für ein Lesepublikum schreibenden Epikers erläutert. Der zweite Brief ist eine Variation von Epistel I 7: „Armut trieb mich an, kühn Verse zu machen. Nun aber, da ich genügend besitze – welcher Schierlingstrank könnte je vom Wahnsinn mich hinreichend reinigen, wenn ich nicht meinte, besser sei es zu schlafen als Verse zu schmieden? Im Vorüberziehen rauben die Jahre uns Stück für Stück; entrissen haben sie die Scherze, die Liebe, die Gelage, die Spiele. Nun ziehen sie herauf, mir auch die Gedichte zu entwinden.“ (51ff) – Der dritte Brief ist die Schrift Über die Dichtkunst (De arte poetica), ein Werk, das sich nur mit Aristoteles’ Poetik vergleichen läßt. Auch hier werden von jemanden, der nie für die Bühne schrieb, Forderungen für das Theater aufgestellt. (Aus dieser Schrift stammt das Bild vom Thespiskarren, mit dem der Erfinder der Tragödie umherzog [274f].)

Lied zur Jahrhundertfeier, Oden IV

Im Jahre 17 ließ Augustus feiern. Die Priester hatten die Vollendung eines saeculums von 110 Jahren festgestellt, Horaz schrieb das Festlied. – Im Anschluß daran entstand das Vierte Buch der Oden. Die 16. und letzte darin feiert die Schließung des Janustempels auf den Quirinal. –– Horaz starb am 27. November des Jahrs 8 vor Beginn unserer Zeitrechnung.

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Ende der Leseprobe aus 111 Seiten

Details

Titel
Übersicht erhaltener Werke antiker Autoren. Band 9
Untertitel
Vitruv, Livius, Vergil, Horaz, Tibull, Properz, Ovid, Strabon, Velleius, Seneca, Lucan, Petron, Persius, Plinius, Quintilian, Tacitus, Plinius der Jüngere, Martial, Juvenal, Sueton
Autor
Jahr
2014
Seiten
111
Katalognummer
V274019
ISBN (eBook)
9783656659020
ISBN (Buch)
9783656659006
Dateigröße
939 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
übersichten, werke, autoren, band, vitruv, livius, vergil, horaz, tibull, properz, ovid, strabon, velleius, seneca, lucan, petron, persius, plinius, ältere, quintilian, tacitus, jüngere, martial, juvenal, sueton
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Hans Belde (Autor:in), 2014, Übersicht erhaltener Werke antiker Autoren. Band 9, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/274019

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Titel: Übersicht erhaltener Werke antiker Autoren. Band 9



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