Führt das freiwillige Ausscheiden von Arbeitnehmern nach Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste dazu, dass Kündigungen einzelner, in der Namensliste aufgeführter Arbeitnehmer vermieden werden, liegt darin keine wesentliche Änderung der Sachlage i. S. von § 1 Abs. 5 S. 3 KSchG. Dies gilt insbesondere, wenn die Betriebsparteien hierfür bei Abschluss des Interessenausgleichs eine Regelung vorgesehen haben.
Eine mit der Bildung von Altersgruppen im Rahmen der Sozialauswahl verbundene Ungleichbehandlung wegen des Alters kann bei Massenkündigungen durch legitime Ziele gerechtfertigt sein. Der Kreis der in die soziale Auswahl einzubeziehenden vergleichbaren Arbeitnehmer in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen, also zunächst nach der ausgeübten Tätigkeit. Dies gilt nicht nur bei einer Identität der Arbeitsplätze, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer auf Grund seiner Tätigkeit und Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit ausführen kann.
Bei der Frage, ob eine Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist und ob die soziale Auswahl grob fehlerhaft ist, handelt es sich um die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe.
Inhaltsverzeichnis
- Altersgruppenbildung zur Sozialauswahl - grob fehlerhafte Namensliste
- Die Rechtsfolgen des § 1 Abs. 5 KSchG
- Die Vermutungsbasis, dass eine Betriebsänderung nach § 111 BetrVG vorlag
- Die Wirkungen des § 1 Abs. 5 KSchG
- Die Sozialauswahl
- Die Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern
- Die Anrechnung von Beschäftigungszeit
- Die Anhörung des Betriebsrats
- Punkteschema für die Sozialauswahl
- Die Altersgruppenbildung
- Die Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten
- Die Sozialauswahl nach Abs. 3
- Die Dauer der Betriebszugehörigkeit
- Das Lebensalter
- Die Unterhaltspflichten
- Die Schwerbehinderung
- Die Unabkömmlichkeitsliste
- Die Auswahlrichtlinie
- Die Herausnahme von Arbeitnehmern aus der Sozialauswahl
- Die Bildung von Altersgruppen
- Die Sozialauswahl nach dem AGG
- Die Änderungskündigung
- Interessenausgleich und Sozialplan nach § 125 InsO
- Fazit
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der rechtlichen Problematik der Altersgruppenbildung bei der Sozialauswahl im Rahmen von betriebsbedingten Kündigungen. Dabei wird insbesondere die Frage behandelt, ob und unter welchen Voraussetzungen die Bildung von Altersgruppen im Rahmen der Sozialauswahl mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und dem europarechtlichen Verbot der Altersdiskriminierung vereinbar ist. Der Fokus liegt auf der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) und der Frage, ob die Bildung von Altersgruppen zur Erhaltung einer ausgewogenen Altersstruktur im Betrieb gerechtfertigt ist.
- Rechtliche Rahmenbedingungen der Sozialauswahl
- Altersdiskriminierung im Arbeitsrecht
- Legitime Ziele der Altersgruppenbildung
- Prüfung der Sozialauswahl auf grobe Fehlerhaftigkeit
- Anwendung des § 1 Abs. 5 KSchG
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel befasst sich mit der Rechtsprechung des BAG zur Altersgruppenbildung bei der Sozialauswahl. Dabei wird dargestellt, dass das BAG die Bildung von Altersgruppen im Rahmen von Massenkündigungen auf Grund einer Betriebsänderung regelmäßig als gerechtfertigt ansieht, da die Erhaltung einer altersmäßig ausgewogenen Personalstruktur in diesen Fällen gefährdet ist. Das BAG hat die Bildung von Altersgruppen im Rahmen von Zehnerschritten als unbedenklich angesehen. Es wird auch auf die Bedeutung des AGG und des europarechtlichen Verbots der Altersdiskriminierung eingegangen und erläutert, wie diese Vorschriften bei der Bildung von Altersgruppen zu berücksichtigen sind.
Das zweite Kapitel beleuchtet die Voraussetzungen für die Anwendung des § 1 Abs. 5 KSchG. Es wird erläutert, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 vermutet wird, wenn die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet sind. Die Rechtsfolge dieser Namensliste ist die Umkehr der Beweislast hinsichtlich der Betriebsbedingtheit der Kündigung zu Lasten des Arbeitnehmers. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Der Beurteilungsspielraum des Arbeitgebers bei der sozialen Auswahl wird zugunsten einer betrieblichen Gesamtlösung erweitert.
Im dritten Kapitel geht es um die Frage, ob die Sozialauswahl grob fehlerhaft ist. Es wird dargestellt, dass die Bildung von Vergleichsgruppen, die Auswahlkriterien und die Gewichtung der Sozialdaten von den Gerichten nur auf grobe Fehler überprüft werden. Grob fehlerhaft ist eine soziale Auswahl nur, wenn ein evidenter, ins Auge springender schwerer Fehler vorliegt und der Interessenausgleich jede Ausgewogenheit vermissen lässt.
Das vierte Kapitel befasst sich mit der Änderungskündigung. Es wird erläutert, dass auch bei einer Änderungskündigung die Sozialauswahl nach den Regeln des § 1 Abs. 5 KSchG zu prüfen ist. Die Vermutungen des § 1 Abs. 5 KSchG erstrecken sich auf den Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses zu den bisherigen Bedingungen einschließlich des Fehlens einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit im Betrieb. Die Sozialauswahl ist zudem nur auf grobe Fehlerhaftigkeit zu überprüfen.
Das fünfte Kapitel behandelt die Frage, ob die Voraussetzungen für das Eingreifen des § 1 Abs. 5 KSchG vorliegen. Es wird dargestellt, dass der Arbeitgeber die Vermutungsbasis, also die Betriebsänderung gem. § 111 BetrVG sowie den wirksamen Abschluss des Interessenausgleichs mit Namensliste, darzulegen und zu beweisen hat. Der Arbeitnehmer muss hingegen darlegen und beweisen, dass die Kündigung gerade nicht betrieblich bedingt ist. Die Vermutung der Betriebsbedingtheit der Kündigung ist als widerlegt anzusehen, wenn der Arbeitnehmer darlegt und im Bestreitensfall beweist, dass der nach dem Interessenausgleich in Betracht kommende betriebsbedingte Grund nicht vorliegt, weil das Beschäftigungsbedürfnis in Wirklichkeit nicht weggefallen ist.
Das sechste Kapitel befasst sich mit der Frage, ob eine wesentliche Änderung der Sachlage i. S. des § 1 Abs. 5 S. 3 KSchG vorliegt. Es wird dargestellt, dass eine wesentliche Änderung der Sachlage nur dann vorliegt, wenn von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage auszugehen ist. Eine geringfügige Veränderung genügt nicht.
Das siebte Kapitel behandelt die Frage, ob der Arbeitgeber seine Auskunftspflicht nach § 1 Abs. 3 S. 1 Halbs. 2 KSchG erfüllt hat. Es wird dargestellt, dass der Arbeitgeber auch in den Fällen des § 1 Abs. 5 KSchG verpflichtet ist, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen.
Das achte Kapitel befasst sich mit der Frage, ob ein Punkteschema für die Sozialauswahl mit dem AGG und dem europarechtlichen Verbot der Altersdiskriminierung vereinbar ist. Es wird dargestellt, dass das BAG die Verwendung von Punkteschemata für die Sozialauswahl auch unter Geltung des AGG als zulässig ansieht, wenn diese objektiv und angemessen sind und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sind.
Das neunte Kapitel behandelt die Frage, ob die Bildung von Altersgruppen im Rahmen der Sozialauswahl mit dem AGG und dem europarechtlichen Verbot der Altersdiskriminierung vereinbar ist. Es wird dargestellt, dass das BAG die Bildung von Altersgruppen im Rahmen von Massenkündigungen auf Grund einer Betriebsänderung regelmäßig als gerechtfertigt ansieht, da die Erhaltung einer altersmäßig ausgewogenen Personalstruktur in diesen Fällen gefährdet ist.
Das zehnte Kapitel befasst sich mit der Frage, ob die Bildung von Altersgruppen im Rahmen der Sozialauswahl mit dem AGG und dem europarechtlichen Verbot der Altersdiskriminierung vereinbar ist. Es wird dargestellt, dass das BAG die Bildung von Altersgruppen im Rahmen von Massenkündigungen auf Grund einer Betriebsänderung regelmäßig als gerechtfertigt ansieht, da die Erhaltung einer altersmäßig ausgewogenen Personalstruktur in diesen Fällen gefährdet ist.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Sozialauswahl, die Altersgruppenbildung, die betriebsbedingte Kündigung, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das europarechtliche Verbot der Altersdiskriminierung, die Betriebsänderung, der Interessenausgleich, die Namensliste, die Vermutungswirkung, die grobe Fehlerhaftigkeit, die Auswahlrichtlinie, das Punkteschema, die Erhaltung einer ausgewogenen Altersstruktur, die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) und die Anwendung des § 1 Abs. 5 KSchG.
- Arbeit zitieren
- Prof. Dr. Dr. Assessor jur., Mag. rer. publ. Siegfried Schwab (Autor:in), 2014, Altersgruppenbildung zur Sozialauswahl, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/274181