Die Figur der Julie Danton in Georg Büchners Drama "Dantons Tod"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2013

15 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Ansatzpunkte für die Bedeutung der Frauenfiguren
2.1 Die gesellschaftliche Rolle der Frau im Drama
2.2 Dichterische Schöpfung statt historischer Bezüge für die Charaktere der Frauenfiguren

3. Das Wesen der Julie Danton und das Verhältnis zu ihrem Gatten
Georg Danton

4. Zusammenfassung

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Auch wenn Gutzkow in einem Nachruf 1837 zum stark zensierten Drama erklärt, dass der echte Danton nicht erschienen sei, sondern nur ein „notdürftiger Rest“[1], reicht die Wirkung und Rezeption des Dramas „Dantonʼs Tod“ bis in die Gegenwart, denn es bleibt bis heute ein wichtiger Gegenstand in der Forschung und gilt als beliebtes Bühnenstück.

In der Forschungsliteratur ist den Frauenfiguren, im Gegensatz zum Revolutions-geschehen, oft nur eine untergeordnete Rolle eingeräumt worden, wie Grimm (1979) kritisiert. Sie schienen häufig einzig in ihrer Funktion als Liebende wichtig, spielten als eigene Charaktere aber keine Rolle, da sie nur in wenigen, entbehrlichen Szenen vorkämen.[2] Eine genauere Untersuchung des Dramas zeigt jedoch, dass diese Sichtweise in keiner Weise ihren wichtigen Einfluss auf die Atmosphäre des Stücks und ihren komplexen Rollen gerecht wird. Im Unterschied zu den männlichen Akteuren sind die Frauenfiguren nicht ihren realen Quellen nachgebildet, sondern Ergebnis dichterischer Phantasie in Anlehnung an literarische Shakespeare Figuren.[3] Einige Forscher sind gar der Meinung, dass die Thematik der Liebe nicht minder beherrschend sei als diejenige der Revolution. Büchner lässt sein Stück mit Dantons Überlegungen zu „coeur“ und „carreau“ beginnen, die weiterführen zu einer Liebeserklärung an Julie, und beendet es mit Luciles Schlussworten, die ihren Gatten nicht überleben will, womit das Stück als Ganzes von der Liebe und den beiden weiblichen Hauptfiguren eingeschlossen ist.[4] „Lieb Georg“, sagt Julie zu ihrem Danton. Und Danton nennt seine Frau „lieb Kind“, so wie Büchner selbst seine Wilhelmine Jaeglé gerne anredete,[5] was für ein besonderes Interesse Büchners an der Julie-Figur spricht, die in dieser Arbeit mit ihrem Wesen und ihrer Beziehung zu Danton im Fokus der Betrachtung stehen soll.

Um die Figur der Julie Danton näher zu untersuchen, wird zunächst auf die gesellschaftliche Rolle der Frau im Drama eingegangen. Danach wird gezeigt, dass Büchner im Fall der Frauenfiguren von den historischen Vorbildern abweicht, um sie nach seiner Phantasie so zu gestalten, dass sie die von ihm angedachten Rollen erfüllen können.

Im anschließenden Teil wird durch die Untersuchung der vier Auftritte von Julie (I.1, II.5, IV.2, IV.6) gezeigt werden, dass sie die stärkere und gefasstere Persönlichkeit der beiden Eheleute ist und sich gegenüber Danton als echte Partnerin erweist. Die Entscheidung für den Liebestod steht für Julies bedingungslose Liebe und tiefe Verbundenheit. Mit ihrem selbstbestimmten, mühelosen Sterben gelingt ihr zuletzt genau das, wovon Danton nur träumen kann: „Doch hätte ich anders sterben mögen, so ganz mühelos, […], wie ein Lichtstrahl in klaren Fluten sich begräbt“.[6]

2. Ansatzpunkte für die Bedeutung der Frauenfiguren

2.1 Die gesellschaftliche Rolle der Frau im Drama

In der ersten Szene sitzt Danton auf einem Schemel zu den Füßen von Julie, während die Grisette Marion in ihrer Szene zu seinen Füßen ruht. Dies ist laut Grimm (1979) kein Zufall, sondern kann als Zeichen für die zwei unterschiedlichen Rollen der Frauenfiguren in Dantons Tod gedeutet werden.[7] Denn war eine Frau nicht die liebende, treue Ehefrau, deren „cœur“ dem Mann gehörte und in dessen Schatten sie im öffentlichen Raum blieb, so galt sie als eine öffentlich verfügbare Frau, eine Hure, die allen Männern ihr „carreau“ hinhielt.[8]

Das Frauenbild des späten 18. Jahrhunderts gab Frauen als ungeeignet für das öffentliche Leben aus. Sie wurden identifiziert über ihre Körperlichkeit und ihre Sexualität, während Männer ganz im Zeichen der Vernunft, Politik und ihrer Leistungskraft standen. Frauen galten als Unruhestifter und als unberechenbar. Sie sollten ganz in den privaten Raum verbannt werden, da Chaos im öffentlichen Raum entstünde, wenn man ihnen Einzug in das politische Leben gewähren würde, so die Meinung der Sansculotten und Jakobiner.[9] Frauen, wie die Grisetten im Drama, die sich inmitten der Gesellschaft präsentierten, wurden ausschließlich auf ihre sexuellen Reize reduziert. Die Männer im Drama gelten als Repräsentanten der patriarchalischen Revolution. Ihr Trieb verhindert, Frauen als etwas anderes als „das andere Geschlecht“ wahrzunehmen,[10] denn ihre allgegenwärtige Sexualität bestimmt selbst das Denken der Männer im politischen Kontext: „Jeder muss sich geltend machen und seine Natur durchsetzen können“,[11] wie Hérault die Ziele der Dantonisten formuliert.

Demgegenüber stehen die anständigen, liebenden Ehefrauen Julie und Lucile im Drama, die in ihrer ungebrochenen idealistischen Natur und Reinheit Kontrastfiguren zu allen anderen Charakteren darstellen, die Sexualität weder in Worten noch in Gesten scheuen.[12] Sie repräsentieren die private Sphäre, die durch gelingende Bindungen dem restlosen Scheitern öffentlicher Beziehungen gegenübergestellt wird.[13] Julie und Lucile sind gefühlvoll, glauben an die Liebe und sagen ihren Ehemännern, fernab der Öffentlichkeit, was sie zu sagen haben, wobei sie dabei stets unterhalb der Höhe des Mannes bleiben.

Büchner bewahrt Lucile und Julie bewusst „vor jedem Anflug des Erotischen und schließt damit in seiner Darstellung der Frauenfiguren, an den Dualismus von „amour de tendresse“ und „amour physique“ in den Liebeskonzeptionen des achtzehnten Jahrhunderts an“.[14]

2.2 Dichterische Schöpfung statt historischer Bezüge für die Charaktere

der Frauenfiguren

„Unser Wohlgefallen an idealistischen Charakteren verliert nichts durch die Erinnerung, dass sie poetische Fiktionen sind, denn es ist die poetische, nicht die historische Wahrheit, auf welche alle ästhetische Wirkung sich gründet“.[15]

Neben der großen Nähe des Dramas zu den historischen Fakten ist es auffällig, dass Büchner gerade bei der Darstellung der Frauenfiguren von den historischen Vorbildern abweicht, obwohl er es als seine Aufgabe sah, „der Geschichte, wie sie sich wirklich begeben, so nahe als möglich zu kommen“.[16] Dennoch hieß die wahre Julie nicht Julie, sondern Sebastienne-Louise Gély. Und diese dachte überhaupt nicht daran, gemeinsam mit ihrem Gatten in den Tod zu gehen, sondern heiratete 3 Jahre nach seinem Tod einen Aristokraten und lebte noch bis 1856, also sogar bis lange nach Büchners Tod.[17]

Die wirkliche Lucile wurde 1771 als Lucile Laridon geboren und erhielt bald zusätzlich den Namen ihres Stiefvaters Duplessis. Mit neunzehn heiratete sie den gut zehn Jahre älteren Revolutionsführer Camille Desmoulins.[18] Sie war beileibe nicht die geistig Verwirrte, die Büchner aus ihr machte, sondern kämpfte bis zuletzt für die Freilassung von Camille und intervenierte dafür sogar bei Robespierre, ihrem einstigen Trauzeugen. Sie wurde einer „Verschwörung“ beschuldigt und acht Tage nach ihrem Mann verhaftet und guillotiniert,[19] während sich die Lucile im Stück selbst der Justiz ausliefert und mit ihrem Ausruf „Es lebe der König!“[20] am Ende des Stücks ganz bewusst für ihren eigenen Tod sorgt.

[...]


[1] Karl Gutzkow in einem Nachruf im „Frankfurter Telegraf“ im Juni 1837. Zitiert nach: Gerhard Knapp: Georg

Büchner. 3. Auflage. Stuttgart: Metzler 2000. S. 93.

[2] Grimm, Cœur und Carreau, Über die Liebe bei Georg Büchner, S. 299.

[3] Haag, Die Frauen in Georg Büchner: Dantons Tod , S. 379.

[4] Grimm, Coeur und Carreau, Über die Liebe bei Georg Büchner, S. 304.

[5] Georg Büchner in Briefen vom 13. Januar 1837 sowie vom 27. Januar 1837 an Wilhelmine Jaeglé. Zitiert nach: Georg Büchner: Sämtliche Werke und Briefe. Hg. von Ariane Martin. Stuttgart: Reclam 2012. S. 319.

[6] Büchner, Dantons Tod, S. 74.

[7] Grimm, Cœur und Carreau, Über die Liebe bei Georg Büchner, S. 316.

[8] Haag, Die Frauen in Georg Büchner: Dantons Tod , S. 377.

[9] Vgl. ebd., S. 375.

[10] Vgl. ebd., S. 375.

[11] Büchner, Dantons Tod, S. 7.

[12] Knapp, Georg Büchner, S. 121.

[13] Voges, Dantons Tod, S. 50.

[14] Knapp, Georg Büchner, S. 121.

[15] Schiller, Über das Pathetische, S. 94.

[16] Georg Büchner in einem Brief an die Familie vom 18. Juli 1835. Zitiert nach: Georg Büchner: Sämtliche Werke und Briefe. Hg. von Ariane Martin. Stuttgart: Reclam 2012. S. 318.

[17] Popp, Dantons Tod, S. 77.

[18] Buck, Liebe, Revolution und Tod, Zur Lucile-Figur in Büchners Drama Dantons Tod, S. 132.

[19] Broch, Die Julia und die Ophelia der Revolution, S. 244.

[20] Büchner, Dantons Tod, S. 84.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Die Figur der Julie Danton in Georg Büchners Drama "Dantons Tod"
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Deutsches Institut)
Veranstaltung
Dantons Tod
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
15
Katalognummer
V274444
ISBN (eBook)
9783656670421
ISBN (Buch)
9783656670209
Dateigröße
561 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
figur, julie, danton, georg, büchners, drama, dantons
Arbeit zitieren
Lorraine Möller (Autor:in), 2013, Die Figur der Julie Danton in Georg Büchners Drama "Dantons Tod", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/274444

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