Die Kritik der sowjetischen Wirklichkeit in den Liedern von V. S. Vysockij


Hausarbeit, 2012

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einführung

I. V.S. Vysockij als Vertreter des Undergrounds

II. Vysockijs Lieder. Besonderheiten seines Schaffens

III. Kritik der sowjetischen Wirklichkeit in den Liedern von Vysockij
III.1. Lieder über die Freiheit
III.2. Lieder über die sowjetische Bürokratie
III.3. Lieder über den sowjetischen Alltag
III.4. Lieder über Stalinismus und Krieg.

Fazit

Literaturverzeichnis

Einführung

Der Name des sowjetischen Schauspielers, Dichters und Liedermachers[1] Vladimir Semjёnovič Vysockij gehört zu einer der bekanntesten, allgemein anerkannten und populärsten Namen in der Geschichte der russischen Kultur des 20. Jahrhunderts. Seinen ungewöhnlichen Erfolg erreichte er hauptsächlich dank hunderte seiner Liedern, die in der ganzen Sowjet Union bekannt und beliebt waren.

Das Spektrum von Themen seiner Lieder umfasste fast alle Probleme des menschlichen Daseins. Vysockij sang über Freundschaft, Einsamkeit, Treue, Verrat, über das ewige Problem des Guten und des Bösen. Alle seine Werke waren aktuellen Zeitthemen gewidmet. Schlüsselrolle in Vysockijs Liedern spielte die Regimekritik, in der sich alle Laster der sowjetischen Gesellschaft widerspiegelten. Regimekritische Lieder in einem totalitären Staat, die grösstenteils illegal verbreitet wurden, machten aus ihren Autor eine Kultperson. Vysockij ist noch beim Leben von Tausenden Menschen als „Sprachohr der Nation“ verehrt wurde.

Die vorliegende Arbeit ist dem Thema der Kritik der sowjetischen Wirklichkeit in den Liedern von Vysockij gewidmet. Die meisten von ihnen beruhten Zitaten verteilt, Sätze aus diesen Liedern sind zu Sprichwörtern und Redensarten geworden, man lernt sie seitdem auswendig und singt sie. Seine Lieder helfen uns nicht nur die sowjetische Vergangenheit zu verstehen und aus der heutigen Sicht sie zu bewerten, sondern auch sich mit den Problemen der modernen russischen Gesellschaft, deren Wurzeln aus den sowjetischen Zeiten stammen, auseinanderzusetzen. Die Sowjet Union zerfiel 1991, aber das Phänomen des „homo soveticus“ als Träger seiner bestimmten Charakteristika und Züge, existiert noch. Zu diesen gehören nach der Meinung der Wissenschaftler aus dem „Levada Zentrum“[2] folgende: die Massenmentalität (Orientierung nach dem Prinzip „der Gleichheit aller“), die Anpassung (Adaptation an die herrschende soziale und politische Ordnung), Orientierung auf die vereinfachte intellektuelle und kulturelle Modelle, das hierarchische Denken (materielle und andere Güter werden nach dem strengem hierarchischen Prinzip verteilt), das Unsicherheitsgefühl und die korrupte Verhaltensmuster[3].Alle oben erwähnte Züge des sowjetischen Menschen waren für die zahlreichen Figuren seiner Lieder charakteristisch und lieferten Stoff für die Satire und Kritik des Sängers. Da die spezifische sowjetische Art des Denkens noch längst nicht tot ist und sogar im Gegenteil unter breiten Schichten[4] der russischen Bevölkerung aktiv verbreitet ist, bleibt das Kulturerbe von Vysockij (vor allem seine regimekritischen Lieder) im heutigen Russland höchst aktuell.

Der zweite Grund der Aktualität des ausgewählten Themas ist durch den korrumpierten, imperialistischen, neostalinistischen und heuchlerischen Charakter des Putinregimes bedingt. Das poststalinistische politische System der Brežnevzeit, das keine Freiheit den Bürgern garantierte, erlebt unter Putin seine Wiedergeburt. Die Renaissance der einzelnen stalinistischen Mechanismen im öffentlich-politischen Leben der russischen Gesellschaft in den letzten zwölf Jahren führt zu einer extremen Erhöhung der Bedeutung des Schaffens von Vladimir Vysockij unter der russischen Bevölkerung. Das bestätigen folgende Tatsachen: in den letzten zehn Jahren wurden mehr als zehn Dokumentarfilmen über Vysockij gedreht. Zahlreiche Filme und Szenen beziehen sich auf sein Wirken wie beispielsweise in „Kopejka“ von Ivan Dychovničij , „Dom solnca“ von Garik Sukačev und in der Fernsehserie „Galina“. Mehr als zwanzig Vysockij- Denkmäler wurden in Russland und im Aussland errichtet, über ihn und sein Schaffen wurden hunderte Bücher, wissenschaftlichen Monografien, Erinnerungen seiner Kollegen und Freunde veröffentlicht. Laut der Online Abstimmung, die am 17.06.2007 in der Radiosendung „Echo Moskvy“ stattfand, denken 96% der Radiohörer, dass „die Lieder von Vysockij nach wie vor lebendig sind“ und nur 4 % sind der Meinung, dass sie veraltet seien[5].

Die Lieder von V. Vysockij waren auch im Ausland gut bekannt. Seine Lieder übersetzte man in viele Sprachen. Besondere Bedeutung hatten sie in den osteuropäischen Staaten wie in der Tschechoslowakei[6] und Polen[7], wo ähnliche sozialistisch geprägte politische Systeme mit hohen Bürokratisierungsaufwand den Alltag beherrschten. Die „Vysockovedenie“, die wissenschaftliche Rezeption zu Vladimir Vysockij und sein Schaffen, spielt auch eine besondere Rolle in obengenannten Staaten, da seine Lieder eine wertvolle Enzyklopädie über den vierzigjährigen sozialistischen Alltag wiedergeben. Keine wissenschaftliche Arbeit stellt so treffend und auf dem Punkt bringend den damaligen Zeitgeist dar und trägt in exemplarischer Weise zum Verständnis der Lieder Vysockijs bei. Diese Arbeit verfolgt das Ziel anhand der Interpretationen in den Liedern von Vysockij ihren antisowjetischen Vektor aufzudecken.

Folgende Thesen sollen in der gegebenen Arbeit bestätigt werden:

1. Das Schaffen von Vladimir Vysockij hält sich an die Tradition des Undergrounds
2. Die Kritik an dem Regime in den Liedern von Vysockij trägt keinen offenen Charakter, sondern ist in der Regel durch Metaphorik, äsopische Sprache, Humor und durch andere stilistischer Mittel verschleiert
3. Vysockij war Sänger der Glasnost und des Protestes gegen das Regime
4. Die Lieder von Vysockij rekonstruieren das ausführliche Bild des „sowjetischen Lebens“
5. Die Lieder von Vysockij sind nicht nur auf emotionale Klänge aus, sondern bezwecken auch ein gesellschaftskritisches Nachdenken.

Vysockijs Lieder werden in der vorliegenden Arbeit nicht ins Deutsche übersetzt. Eine adäquate Übersetzung der Lieder von Vysockij ist eine schwere und anspruchsvolle Aufgabe, die im Rahmen dieser Arbeit nicht verwirklicht werden kann.

Zu den Hauptmethoden der Forschung beim Schreiben dieser Arbeit gehören die Analyse der über Vysockij und sein Erbe geschriebenen wissenschaftlichen Publikationen, Erinnerungen von Zeitzeugen, über ihn gedrehte Filme und der Vergleich und die Interpretation einzelnen seiner Lieder.

Für das Schreiben dieser Arbeit wurden hauptsächlich Internetquellen benutzt (russisch- und deutschsprachige Internetseiten über Vysockij und sein Schaffen), die im Literaturverzeichnis der vorliegenden Arbeit aufgelistet werden. Die wissenschaftliche Artikeln von Tomenčuk Ludmila,[8] Tumanov Vadim,[9] Bücher von Natalja Krymova,[10] Igor Bestužev-Lada,[11] Bazilevskij Andrej,[12] Zajcev V.N.,[13] Dychanova B.S.[14] wurden auch aktiv verwendet.

Die Arbeit wird in drei Kapitel eingeteilt. Das erste Kapitel behandelt die Verbindung Vysockijs zur Undergroundkultur. In erster Linie wird die Definition „Underground“ analysiert und aufgrund der kurzen Analyse wird festgestellt, ob Vladimir Vysockij Meister des Undergrounds ist oder nicht. Im zweiten Kapitel wird die allgemeine Charakteristik seines Schaffens gegeben, in der die Besonderheiten seiner Vortragsweise berücksichtigt werden. Im letzten dritten Kapitel werden einige seine Lieder dargestellt, in denen regimekritische Motive eine besonders grosse Rolle spielen. Dieses Kapitel besteht teilt sich in vier Unterkapitel. Im ersten Unterkapitel geht es um das Thema Freiheit, im zweiten um die sowjetische Bürokratie, im dritten um den sowjetischen Alltag, um vierten um Stalinismus und Krieg.

Die russischen Namen sowie Fachtermini erscheinen in der Regel in der wissenschaftlichen Transliteration.

I. V.S. Vysockij als Vertreter des Undergrounds

Da der Schlüsselbegriff des Seminars war das Wort „Underground“ war und die ganze Veranstaltung vornehmlich dem Phänomen des ostmitteleuropäischen Undergrounds gewidmet war, ist es notwendig fürs erste zu verstehen, was sich hinter diesem Wort verbirgt. Die Enzyklopädie der alternativen Kultur definiert Underground in erster Linie als „eine Subkultur (Netz von Subkulturen), deren Träger die Ansichten und Kreativitätsverfahren, die den Herrschenden zuwider sind, vertreten“.[15]

Zu den wichtigsten Zügen des Undergrounds gehören der Bruch mit der offiziell herrschenden Ideologie, die Ignoranz im Schaffen stilistischer und sprachlicher Beschränkungen, die Ablehnung offizieller Werte, Normen sozialer und künstlerischer Traditionen und die Konfrontation mit der offiziellen Kultur.

Viele von oben genannten Charakteristika waren für das Schaffen von Vysockij typisch. Seine Lieder in der Form in der sie existierten, passten dem Inhalt nach nicht zu den Kanon der offiziellen sowjetischen Estrade. Vysockij selbst hat einem Interview gemerkt: „[…] diese Genre, in dem ich singe, ist bei uns noch nicht verbreitet, obwohl es in der ganzen Welt sehr viele Sänger gibt, die auf eigene Musik ihre Texte selbst singen; bei uns ist es noch nicht sehr verbreitet, bei uns man gewöhnt, dass das Lied von drei Personen geschaffen wird: vom Komponist, vom Autor und vom Sänger. Und wenn ein Mensch, der dabei keine vokale Fähigkeiten hat, das macht, dann erregt das Behutsamkeit“[16].

[...]


[1] sich selbst hat V.S. Vysockij nie als Liedermacher bezeichnet. Siehe Kapitel II.

[2] „Levada Zentrum“ – ist ein gemeinnütziges und unabhängiges Meinungsforschungsinstitut.

[3] Kudrjavceva, Anna. „Homosovetikus“ – čelovek nemenjaemyj. http://discussiya.com/2011/01/18/homo-soveticus-2/ (letzter Zugriff 16.02.2012).

[4] Vgl.: Stenogramma pjatogo otkrytogo seminara proekta „Demokratija v Rossii“ „Čelovek sovetskij ili sovremennyj? Političeskaja kultura i cennosti rossijan,20 sentjabrja 2011. http://www.levada.ru/stenogramma-pyatogo-otkrytogo-seminara-proekta-demokratiya-v-rossii-chelovek-sovetskii-ili-sovremenn (letzter Zugriff 16.02.2012).

[5] Vgl.: Naše vsё – Vladimir Vysockij. http://www.echo.msk.ru/programs/all/52563/ (letzter Zugriff 16.02.2012).

[6] Vladimor Vysockij „Dialog u televizora” http://www.youtube.com/watch?v=RF1UMOST95s&feature=results_main&playnext=1&list=PLE14D1C54F4F2F755 (letzter Zugriff 16.02.2012).

[7] Włodzimierz Wysocki. http://www.wysotsky.com/1045.htm?102 (letzter Zugriff 16.02.2012).

[8] Tomenčuk, Ludmila: Vysockij i ego pesni:pripodnimem zanaves na kraešek.

http://vysockiy.ouc.ru/tomenchuk-vysotskij-i-ego-pesni.html (letzter Zugriff 17.02.2012).

[9] Tumanov, Vadim: Žizn bez vranja. http://www.odin-fakt.ru/vysockii/jizn_bez_vranya/ (letzter Zugriff 17.02.2012).

[10] Krymova, Natalja (Hrsg.): Ja, konečno, vernus: stichi i pesni Vysockogo. Moskva, 1988.

[11] Bestužev-Lada, Igor: Otkryvaja Vysockogo. Moskva, 1989.

[12] Bazilevskij, Andrej (Hrsg.): V.Vysockij:Vsjo ne tak.Memorialnyj almanach-antologija. Moskva, 1991.

[13] Zajcev V.N.: Čerty epochi v pesne poeta (Žorž Brassens i Vladimir Vysockij). Moskva, 1990.

[14] Dychanova B.S.: Vladimir Vysockij: issledovanija i materialy. Voronež, 2009.

[15] Alternativnaja kultura: enciklopedija. http://altermond.ru/ (letzter Zugriff 17.02.2012).

[16] Vladimir Vysockij – Intervju 1975 god. http://www.youtube.com/watch?v=0OK1818gvZs (letzter Zugriff 17.02.2012).

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Kritik der sowjetischen Wirklichkeit in den Liedern von V. S. Vysockij
Hochschule
Universität Potsdam  (Institut für Slavistik)
Veranstaltung
Polnischer Underground im ostmitteleuropäischen Kontext
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
18
Katalognummer
V274505
ISBN (eBook)
9783656673101
ISBN (Buch)
9783656673118
Dateigröße
568 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kritik, wirklichkeit, liedern, vysockij
Arbeit zitieren
Ivan Kulnev (Autor:in), 2012, Die Kritik der sowjetischen Wirklichkeit in den Liedern von V. S. Vysockij, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/274505

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