Heidentum und Christentum in Joseph von Eichendorffs „Das Marmorbild“


Hausarbeit, 2009

21 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Eichendorffs Auseinandersetzung mit der Zeit der Spätromantik

3. Heidentum und Christentum in Eichendorffs „Das Marmorbild“
3.1 Die Verkörperungen des Heidentums
3.1.1 Venus
3.1.2 Donati
3.2 Die Verkörperungen des Christentums
3.2.1 Bianka
3.2.2 Fortunato

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Zu einer der bekanntesten Geschichten aus dem Werk Joseph von Eichendorffs zählt „Das Marmorbild“. Neben „Aus dem Leben eines Taugenichts“ gehört die Novelle heutzutage zu den am häufigsten im Schulunterricht verwendeten Lektüren aus der Feder des Autors. Die bildreichen und stimmungsvollen Beschreibungen machen die Geschichte um den Jüngling Florio zwischen zwei Frauenbildern, die das Christentum und das Heidentum verkörpern, zu einem auch für heutige Leser faszinierenden Text. Im Jahr 1818 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ veröffentlicht, zählt es zur literarischen Phantastik der deutschen Spätromantik. Zur Zeit der Veröffentlichung musste sich Eichendorff heftige Kritik an seiner Novelle gefallen lassen. Für die Leser derzeit war es ein Text voll überblühender Phantasie und Übertreibungen der christlichen Mythologie. Erst die Veröffentlichung in der Buchausgabe, gemeinsam mit „Aus dem Leben eines Taugenichts“ sieben Jahre später, verhalf Eichendorff zur erwünschten Resonanz. (vgl. Mudrak 2008, S. 65)

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den christlichen und heidnischen Merkmalen in dem „Marmorbild“. Insbesondere stehen dabei die wichtigsten Figuren um die Hauptperson Florio im Mittelpunkt. Um einen Einblick in die zeitgeschichtliche Situation und ihrer Auswirkungen auf den Autor zu bekommen, soll im zweiten Kapitel kurz die Auseinandersetzung Eichendorffs mit der Zeit der Spätromantik erläutert werden. Um dem Umfang der Arbeit gerecht zu werden, wurde dabei bewusst auf die detaillierte Erläuterung zeitgeschichtlicher Ereignisse verzichtet. Vielmehr sollen Eichendorff und seine Ansichten im Mittelpunkt dieses Kapitels stehen. In Kapitel drei werden schließlich christliche und heidnische Elemente im Text gegenüber gestellt. Insbesondere stehen auf der heidnischen Seite Venus und Donati und auf der christlichen Seite Bianka und Fortunato als wichtigste Figuren um Florio im Zentrum der Untersuchung. Ein abschließendes Fazit, soll die Ergebnisse zusammenfassen.

2. Eichendorffs Auseinandersetzung mit der Zeit der Spätromantik

In der Spätromantik herrschte eine Krise was die Idee des „goldenen Zeitalters“ betrifft. Die Französische Revolution hatte eine Umbruchsituation geschaffen, die deutliche Zweifel an den bestehenden Situationen aufkommen ließ. Zwar war noch deutlich der Einfluss dieser Auffassung zu spüren, jedoch war sie mit den zeitgeschichtlichen Erfahrungen der jüngeren Romantiker nicht mehr vereinbar. Vor allen Dingen die Ansprüche der Universalität zeigten sich mit der gegenwärtigen Situation nicht mehr konform, sodass immer mehr Zweifel an dieser Idee laut wurden. Auch in den spätromantischen Texten wurden die typischen Merkmale der frühromantischen Zeit deutlich reduziert. Das Verlangen nach einer Poetisierung der Welt musste sich plötzlich gegen das Anliegen der Autoren sich auch in der Literatur mit der politisch-gesellschaftlichen Situation auseinanderzusetzen behaupten. Auch in Eichendorfs Werk sind diese Umbrüche deutlich zu spüren. Es zeichnet sich durch die Kontrastierung von Harmonien und Dissonanzen sowie dem Wechsel von Bildern der Versöhnung und Entfremdung aus. Der Autor setzte sich mit alternativen Geschichtsmodellen auseinander und befasste sich mit „der Idee einer teleologischen Entwicklung und zyklischen Wiederkehr.“ (Schmitz-Emans 2009, S. 129). Die Frage nach der Stellung des Dichters und die Bedeutung der Kunst in der Geschichte standen im Mittelpunkt seiner Überlegungen. Für Eichendorff bestand die Problematik darin, dass sich die Kunst, die als „Konsequenz aus dem Verlust eines integrativen und zum Heil führenden Glaubens“ (Ebd.) erscheint, an den Platz der Religion setzen wolle. Da er jedoch auch durch die romantische Idee geprägt ist mit Hilfe der Poesie die Erlösung aus der entfremdeten Welt zu erlangen, beschäftigte er sich, ähnlich wie Novalis, mit der so genannten Sprachmagie. Mit Hilfe dieser soll die irrsinnige Welt erlöst und von ihrer Erstarrung befreit werden. (vgl. Schmitz-Emans 2009, S. 129)

In der Spätromantik wird das Fortschreiten der Geschichte zwar besonders stark wahrgenommen, jedoch nicht zum Vorteil der Welt und ihrer Bewohner. Vielmehr entspricht dies einem Prozess des Verfalls, in dem eine pessimistische Grundstimmung herrscht.

„Geschichte wird modelliert als Entfernung vom Ursprung, als Verlust einstiger Einheit und als Einzug von Dissonanzen zwischen Ich und Welt sowie in die Beziehung des Ichs zu sich selbst.“ (Schmitz-Emans 2009, S. 130 f.)

Der Irrsinn der Welt und somit der folgende Sinnverlust bedroht das Individuum und das einzelne historische Ereignis, was dazu führt, dass der Einzelne nicht mehr aus dem großen Zusammenhang rausgelöst werden kann (vgl. Schmitz-Emans 2009, S. 130) Bei Eichendorff kommt zu den gesellschaftspolitischen Ereignissen der Umbruchszeit zusätzlich die persönliche Lage hinzu, in die sich der Dichter befand und die unbedingt betrachtet werden sollte, um seinen Zwiespalt zu verstehen. Eichendorff konnte durch die Zerrüttungen der napoleonischen Kriege kein Unterkommen auf dem Besitz der Eltern finden, was für ihn und seinen Bruder Wilhelm „den Verlust der Heimat, des „Kindheitsparadieses“ (46)[1] von Lubowitz bedeutete. (vgl. Hanß 1989, S. 16) Für ihn folgte eine Zeit tiefster Erschütterungen und Enttäuschungen, die auch sein literarisches Werk beeinflussten. Beruflich war Eichendorff lange Zeit eher erfolglos, er musste sich durch die Soldatenzeit von seinem Bruder Wilhelm trennen, erlebte einen Konflikt mit seinen Eltern und steckte nach der Heirat ständig in finanziellen Schwierigkeiten. Die Geschichten in seinen Texten können somit als „Flucht aus seiner als zerrissen empfundenen Gegenwart in die Vergangenheit des vermeintlich harmonischen Mittelalters“ (Hanß 1989, S.16 f.) gesehen werden.

„Der Dichter empfindet diese Weltflucht als Befreiung, bemerkt dabei aber wohl auch, daß er damit der Realität nicht standhält, ihr in eine Welt der Poesie, der Träume entflieht. Es wird somit deutlich, dass die Unzufriedenheit mit den persönlichen Verhältnissen die Sehnsucht nach dem „Paradiesgärtlein der Kindheit“ bewirkt wie der Zeitverdruß die Sehnsucht nach dem verklärten „goldenen“ Mittelalter, dem verlorenen Paradies.“ (Ebd.)

Auch die Novelle „Das Marmorbild“ entstand in einer solch schwierigen Zeit kurz nach dem Tod des Vaters und der Veräußerung der Familiengüter in Schlesien (vgl. Heinisch 1966, S.157). Einen Hinweis darauf, dass der Autor in dem Text eigene Sehnsüchte und Zweifel verarbeitete, gibt der Name der Hauptfigur „Florio“. Eichendorff benutzte bis ins Jahr 1815 häufig den Namen „Florens“ als Pseudonym für seine Arbeiten (vgl. http://www.enzyklo.de/Begriff/Florens). Eichendorff stand zwischen der „dogmatischen Religiosität seiner späten theoretischen Schriften und dem hartnäckigen Widerspruch seiner Dichtung“ (Pott 1988, S. 7) sowie politischen und literarischen Strömungen seiner Zeit. Dies verschaffte ihm zusätzlich zu seiner persönlichen eine literarische Krise. (vgl. Ebd.) Eichendorff wies immer wieder daraufhin nicht sich selbst zum Mittelpunkt der Welt zu machen (Subjektivität), da dies die Abkehr von Gott bedeute. Diese „von Eichendorff oftmals beschworene revolutionäre „Subjektivität“ […] deutet er in diesem Sinne als Entfremdung von Gott und Gefahr der Hinwendung zum Bösen“ (Ries 1997, S. 172). Indem sich der Mensch selbst zum Zentrum macht, löst sich der Mensch von der Weltordnung und letztlich auch von Gott, was ihn letztendlich in den Abgrund stürzen lässt (vgl. Ries 1997, S.174). Der Widerstand des Autors gegen die Subjektivität des Menschen, findet sich auch in seiner Kritik an der Frauenemanzipationsbewegung seiner Zeit. Eichendorff hält nicht nur konservativ an der hierarchischen Struktur Gott-Kirche-Mensch fest, er tritt auch für die patriarchalische Ordnung innerhalb der Gesellschaft ein. Innerhalb Eichendorffs Werk sind es jedoch oft Frauen, die ohne den Vater aufwachsen und ohne Mann an ihrer Seite ihren Weg gehen. (vgl. Ries 1997, S. 175 f.) Das Ideal der Jungfräulichkeit, das in der damaligen Zeit herrschte wurde von einflussreichen theologischen Strömungen übernommen. Dabei stellte die Schönheit von Frauen eine ebenso wichtige Rolle. Die natürliche Schönheit stand der künstlichen gegenüber, genauso wie die Tugendhaftigkeit und die Sündhaftigkeit. Es war an der Frau die richtige Balance zwischen diesen Eigenschaften zu finden, um in der Gesellschaft akzeptiert zu werden.

Der Autor stellt in seinem Werk häufig das Christentum und die heidnische Antike gegenüber, was auch einen Kontrast von Jugend und Reife darstellt. Die Antike war in den Augen Eichendorffs von Bejahung und Verherrlichung des Sinnlichen geprägt. Erst das Christentum konnte dieses Weltbild verdrängen, mit der Auffassung alles Irdische sei ein Verweis auf das Unendliche und Überirdische. Benutzt Eichendorff in seinen Texten antike Mythengestallten, so lässt er diese die Verführung und Sinnlichkeit verkörpern. Wer dieser dämonischen Verführung unterliegt, fällt seiner Ansicht nach auf eine niedrigere Entwicklungsstufe zurück. (vgl. Schmitz-Emans 2009, S. 133) Die Versuchung, die von der antiken Welt auf den Künstler ausgeht ist besonders stark, da „das Schöne und die Kunst hier noch im Zentrum einer als harmonisch-homogen aufgefassten Welt standen“ (Schmitz-Emans 2009, S. 136), derer es keinerlei Rechtfertigung bedurfte (vgl. Ebd.). Eichendorff war der Meinung, dass es die Aufgabe des Menschen sei, das Göttliche mit Hilfe der Poesie zu vermitteln.

„Diese Vermittlung wird dann möglich, wenn der Mensch sich der angemaßten Eigenmacht, seiner Verkrampfung in die eigene Innerlichkeit, begibt und im inneren Gleichklang die Natur aus dem Zustand des Schweigens erlöst. Im Eichendorffschen Poesiekonzept sind somit Subjekt und Objekt – Kunstpoesie und Naturpoesie – aufeinander angewiesen.“ (Schwering 1985, S. 29)

Eichendorff stand ebenfalls im Zwiespalt was sein Verhältnis zu Phantasie und Gefühl betraf, denn für ihn stellten sie dämonische aber auch schöpferische Kräfte dar. Ziel für jeden Poeten sollte es seiner Meinung nach sein, diese beiden Seiten in Einklang zu bringen, damit das Individuum sich nicht in seiner Phantasie verliert oder von seinen Gefühlen erdrückt wird. Gerade dies sah er bei einigen Vertretern der Romantik, wie etwa bei Kleist, gefährdet, was er stark kritisierte. Um nicht an seinen Gefühlen zu ersticken bedarf es für Eichendorff der Religion, die für ihn eine wichtige Rolle in der Poesie einnahm. (vgl. Hanß 1989, S. 66)

3. Heidentum und Christentum in Eichendorffs „Das Marmorbild“

Um die Hauptfigur Florio sind symmetrisch die übrigen Figuren angeordnet. Auf der einen Seite Fortunato und Bianka, die das Christentum verkörpern und auf der anderen Seite Venus und Donati, die die heidnische Seite vertreten. Eichendorff unterstrich ihre Funktion durch die Namensgebung und viele weitere symbolhafte Eigenschaften, wie etwa der Zeichnung in schwarz und weiß, die im Folgenden erläutert werden sollen.

[...]


[1] Ab sofort verweisen alle in Klammern stehenden Seitenzahlen ohne weitere Erläuterungen (Autor etc.) auf: Eichendorff, Joseph von: Das Marmorbild. Novelle. Reclam. Stuttgart. 2008.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Heidentum und Christentum in Joseph von Eichendorffs „Das Marmorbild“
Hochschule
Universität Koblenz-Landau
Note
1,7
Autor
Jahr
2009
Seiten
21
Katalognummer
V274551
ISBN (eBook)
9783656672500
ISBN (Buch)
9783656672456
Dateigröße
435 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
heidentum, christentum, joseph, eichendorffs, marmorbild
Arbeit zitieren
Lisa Biebricher (Autor:in), 2009, Heidentum und Christentum in Joseph von Eichendorffs „Das Marmorbild“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/274551

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