Gewalt an Schulen als aktuelles Sozialisationsproblem


Seminararbeit, 2000

23 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Beispiele aus der nahen Vergangenheit

II. Gewalt an Schulen als aktuelles Sozialisationsproblem
1. Gewalt als Sozialisationsproblem
2. Erklärungsansätze für Gewalt
2.1 Frustrations-, Aggressionstheorie – Erklärung anhand eines Fallbeispiels
2.2 Theorie der sozialen Desorganisation
3. Erscheinungsformen von Gewalt
3.1 Fremdenfeindlichkeit: Rassismus in der Schule – Verdeutlichung anhand eines Fallbeispiels
3.2 Verbale Gewalt bei Kindern und Jugendlichen
4. Pädagogische Maßnahmen als Konsequenz zu Gewalt an Schulen
4.1 Konzept an einer Münchner Tagesheimschule (praktische Aufarbeitung der Aggressionsproblematik gemeinsam in einer Gruppe)
4.2 Mediation

III. Anhang

IV. Resümee

V. Bibliographie

I. Beispiele aus der nahen Vergangenheit

Gewalt an Schulen als aktuelles Sozialisationsproblem – ein Thema, das immer mehr an Aktualität gewinnt und die Diskussion über das Problem nicht abreißen läßt. Beispiele aus der nahen Vergangenheit haben gezeigt, welche Ausmaße die Gewalt annehmen kann.

Auch wenn die Fälle aus Amerika immer sehr herausgehoben werden, braucht man nicht zu glauben, daß die Gewalt vor den deutschen Schultüren haltmacht, ziehe man nur die Beispiele von Metten und Brannenburg heran. In diesen gravierenden Fällen wurde zumal bewußt hingenommen, daß die Anwendung von Gewalt zum Tode führen kann.

Aber warum ist Gewalt ein Sozialisationsproblem? Was bedeutet eigentlich Sozialisation?

Inhalt der folgenden Seminararbeit soll unter anderem sein, welche Erklärungsansätze es für Gewalt gibt, welche Erscheinungsformen auftreten und welche pädagogischen Maßnahmen ergriffen werden können, um Gewaltausschreitungen zu verhindern.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle: Ulich, Seite 10)

II. Gewalt an Schulen als aktuelles Sozialisationsproblem

1. Gewalt als Sozialisationsproblem

Sozialisation ist ein „Prozeß, in dem der Mensch in die ihn umgebende Gesellschaft und Kultur hineinwächst und durch das Erlernen sozialer Normen und Rollen zum eigenständigen, handlungsfähigen sozialen Wesen wird.“[1] Gerhard Wurzbacher sieht die Sozialisation „ als `Vorgang der Führung, Betreuung und Prägung des Menschen durch Verhaltenserwartungen und Verhaltenskontrollen seiner Bezugspartner`“.[2] Wichtig bei dieser Entwicklung sind die sogenannten Sozialisationsinstanzen wie zum Beispiel Familie und Schule, die den Menschen die gesellschaftlichen Werte und Normen vermitteln sollen. Bestehen allerdings Störungen im Sozialisationsprozeß, kann es zu Sozialisationsdefiziten kommen, die sehr negativ auf das jeweilige Individuum wirken können, was wiederum negative Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft haben kann. Solche Sozialisationsdefizite sind zumeist schwer reparabel. Wenn Normen und Werte nicht genügend vermittelt werden, ist es wahrscheinlich, daß Fehlentwicklungen im Verhalten auftreten. Nehmen Familie oder auch Schule ihre `Erziehungsfunktion` nicht wahr, so hat dies Sozialisationsprobleme zur Folge, wie auch die Gewalt eines dieser Probleme darstellt, da Gewalt nicht das Ergebnis einer werteorientierten Erziehung sein kann.

Durch die Pluralisierung der Familienformen, die unter anderem mit dem Monopolverlust der Familie einhergeht, haben sich die Sozialisationsbedingungen doch sehr stark verändert. Man hat sich von der Mehrkindfamilie abgewandt, hin zu einer Klein- beziehungsweise Kernfamilie mit nicht mehr als zwei Kindern. Auch die Zahl von Einkindfamilien hat erheblich zugenommen. Für Kinder und Jugendliche, die in kleinen Familien oder Haushalten aufwachsen, vielleicht auch noch als Einzelkind, gibt es „wenig Chancen, Erfahrungen sozialen Lernens zu sammeln und Solidarität zu erleben“.[3]

Aber auch der Wandel der räumlichen Umwelt, wie Verstädterung oder die explodierende Verkehrsentwicklung, tragen einen großen Teil zur Entwicklung der Kinder bei. Die Kinder werden gehemmt, ihren Aktivitätstrieb auszuleben und die Möglichkeiten des Spielens auszuschöpfen. So nehmen vor allem andere Spielarten, die zu Hause `erlebt` werden können, einen hohen Stellenwert bei den Kindern ein. Solche `Ausweichspielarten` sind zum Beispiel Video, Computer, Fernsehen, Radio und so weiter, was allerdings zu einer Abkapselung von der Außenwelt führen kann. Ebenso wird das Spielen auf der Straße immer gefährlicher. Kinder und Jugendliche werden in speziell für sie vorgesehene Spielräume `hineingedrängt`, aus denen sie oftmals auszubrechen versuchen. Die Folge daraus sind bereits schon sehr frühe Kontakte und Konflikte mit staatlichen Kontrollinstanzen. Kindern wird die Möglichkeit geraubt, ihren Bedürfnissen, die viel mit Erleben und Abenteuer zu tun haben, nachzugehen. Für die Übernahme gesellschaftlicher Normen und sozialer Fähigkeiten wird dem Spiel eine überaus gewichtige Rolle zuteil. Erst im Spiel mit anderen kann das Kind in Interaktionen Erfahrungen sammeln, die von großer Bedeutung für den Sozialisationsprozeß sind. Hier lernt es, in spätere Rollen hineinzuwachsen und auch Grenzen des eigenen Handeln zu sehen.

2. Erklärungsansätze für Gewalt

2.1 Frustrations-, Aggressionstheorie – Erklärung anhand eines Fallbeispiels

Manche Psychologen waren früher der Meinung, daß die Ursache einer Aggression in jedem Fall in einer vorausgegangenen Frustration zu suchen sei, und umgekehrt jede Frustration zwangsläufig zur Aggression führt. Dabei liegt eine Frustration dann vor, wenn die Aktivität, die auf ein bestimmtes Ziel gerichtet ist, derart gestört wird, daß sie erfolglos verläuft und deshalb eine Enttäuschung entsteht. Aggression wäre demzufolge ein Verhalten reaktiver Art, das durch die erlebte Enttäuschung ausgelöst wird und sich zum Beispiel in einer Tätigkeit gegenüber der frustrierenden oder aber auch anderen Person äußert. Allerdings können auch Emotionen verschiedenster Art wie beispielsweise Neid, Haß, Schmerz und so weiter zu Aggressionen führen. So kann als Frustration praktisch jeder Mangelzustand, nicht zuletzt der Mangel an Triebbefriedigung, genannt werden. Aus diesem Grund schreiben viele Psychologen Frustration heute eher eine auslösende als eine ursächliche Funktion zu, denn es kommt hier vor allem darauf an, wie die betreffende Person mit Frustration umgeht und wie groß ihre Frustrationstoleranz, beziehungsweise die Fähigkeit Frustration zu ertragen, ist. Deshalb müssen Frustrationen nicht in jedem Fall zur Aggression führen. Mehr Bedeutung, als lediglich momentan auftretenden beziehungsweise kurzfristigen Frustrationsereignissen, ist den Langzeitfrustrationen beizumessen. Dazu gehören vor allem auch die frühkindlichen Frustrationserlebnisse, die in hohem Maße für spätere Aggressionen beziehungsweise für eine erhöhte Aggressionsbereitschaft verantwortlich sind.

Es gibt verschiedene Einflüsse, die für das Auftreten aggressiven Verhaltens mitverantwortlich sind, wie zum Beispiel familiäre Bedingungen, Geschlechtsunterschiede, Mängel in der Wahrnehmung sozialer Geschehnisse (Unfähigkeit, Bedrohungen und Angriffe seitens der Umwelt richtig einschätzen zu können), Mängel im Sozialverhalten (Unfähigkeit, mit Frustrationen, Konflikten und aggressiven Impulsen umgehen zu können), Konflikte sowie aggressionsbegünstigte Umstände (z.B. Streß, Lärm, räumliche Enge etc.).

Um noch einmal auf die Familie zurückzukommen, die ja eine überaus wichtige Sozialisationsinstanz darstellt, muß man sagen, daß hier eine der häufigsten Ursachen für kindliches Aggressionsverhalten liegt. Die meisten Eltern, wie auch andere Erzieherpersonen (Lehrer, Erzieher...), reagieren auf das aggressive Verhalten ihres Kindes mit starkem Druck und Bestrafung. Dadurch verfestigen sich nicht nur die Fronten zwischen den Familienmitgliedern. Dem Kind werden meist noch aggressive Modelle vor Augen geführt. Es ist offensichtlich, daß regelmäßige Formen von Gewalt in der Familie (Schläge usw.) eine Hauptursache für kindliche Aggressionen sind. Charakteristisch ist für solche Familien, daß sie eine ablehnende Haltung ihrem Kind gegenüber zeigen. Sie vertreten harte Erziehungspraktiken, bieten wenig Zuwendung und üben häufig Kritik am Kind. Sie weisen unrealistische Vorstellungen und Erwartungen dem Kind gegenüber auf und handeln meist inkonsequent, emotional labil und schnell erregbar, was zur Willkür im Umgang mit dem Kind führt. Die Familienverhältnisse sind oft gekennzeichnet durch finanzielle Nöte, beengte Wohnverhältnisse, Arbeitslosigkeit und Auseinandersetzungen in der Ehe, sowie Scheidung. Dies alles sind Bedingungen, in denen Aggressionen gut `gedeihen`.

Das folgende Fallbeispiel beruht auf der Erzählung einer Erzieherin, die an einer Münchner Tagesheimschule tätig ist und diese Situation selbst miterlebt hat:

Steffi ist elf Jahre alt und besucht die vierte Klasse in der Tagesheimschule. Steffis Situation ist sowohl in der Tagesheimschule als auch zu Hause sehr problematisch. Ihre Eltern leben momentan in Scheidung, bewohnen aber immer noch dasselbe Haus. Dabei lebt die Mutter, nach Steffis Aussage, im oberen und der Vater im unteren Stockwerk. In beiden besitzt Steffi ein Kinderzimmer und scheint die ganze Zeit zwischen beiden Elternteilen hin und her zu pendeln. Von der Beziehung ihrer Eltern sagt Steffi, daß sie sehr viel streiten, vor allem, wenn Papa seine neue Freundin mit nach Hause bringt. Auch ihre Mutter scheint regelmäßig ihren Freund mitzubringen. Über das Verhalten ihrer Eltern ist Steffi sehr empört und fühlt sich dadurch auch offenbar sehr verletzt, da sie häufig weint, wenn sie davon erzählt. Steffis Mutter, eine Hauswirtschaftsleiterin, scheint eine `harte` Frau zu sein, die Steffi nur wenig Zuwendung gibt, zu härteren Erziehungsmethoden neigt und leicht reizbar ist. Steffi scheint häufig Angst vor ihr zu haben, weil sie auch gleich zu weinen anfängt, wenn sie etwas verliert und sagt: `Meine Mutter verprügelt mich`! Das Verhältnis zum Vater, einem Frührentner, ist offenbar wesentlich herzlicher, da Steffi oft sehr liebevoll von ihm erzählt, was sie von ihrer Mutter nie tut. Dabei berichtet Steffi meist nur in Konfliktsituationen von ihren Eltern und ihrer Situation zu Hause, da ihr von ihren Eltern aufgetragen wurde, nichts über die Familienverhältnisse zu erzählen.

[...]


[1] Schäfers, Grundbegriffe der Soziologie, Seite 269

[2] Schäfers, Grundbegriffe der Soziologie, Seite 269/270

[3] Schad, Verbale Gewalt bei Jugendlichen, Seite 30/31

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Gewalt an Schulen als aktuelles Sozialisationsproblem
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Einführung in die Soziologie der Kindheit - Monsterkids, Computerkids, Handykids usw.?
Note
2
Autor
Jahr
2000
Seiten
23
Katalognummer
V27457
ISBN (eBook)
9783638295031
Dateigröße
547 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gewalt, Schulen, Sozialisationsproblem, Einführung, Soziologie, Kindheit, Monsterkids, Computerkids, Handykids
Arbeit zitieren
Claudia Faschingbauer (Autor:in), 2000, Gewalt an Schulen als aktuelles Sozialisationsproblem, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/27457

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