Erfolgsbedingungen von Friedensmissionen der Vereinten Nationen in Bürgerkriegen

Eine Analyse auf Basis der multi-value Qualitative Comparative Analysis


Hausarbeit, 2013

47 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Aktueller Forschungsstand
2.1 Quantitative Studien
2.2 Qualitative Studien

3. Konzepte und Definitionen
3.1 Bürgerkrieg
3.2 VN-Friedensmission
3.3 Erfolg von VN-Friedensmissionen

4. Theorie und Hypothesen
4.1 Theoretischer Ansatz – The Peacebuilding-Triangle
4.2 Hypothesen

5. Forschungsdesign
5.1 Fallauswahl und Daten
5.2 Analysemethode
5.2.1 Funktionsweise der mvQCA
5.2.2 Probleme - Limited Diversity und Individualisierung der Fälle
5.3 Operationalisierung
5.3.1 Abhängige Variable
5.3.2 Unabhängige Variablen
5.4 Deskriptive Statistik
5.5 Konfigurationstabelle

6. Analyse und Resultate
6.1 Analyse mit outcome =1, ohne simplifying assumptions
6.2 Analyse mit outcome =1 und simplifying assumptions

7. Zusammenfassung

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Seit dem Ende des Kalten Krieges fanden fast alle bewaffneten Auseinandersetzungen innerhalb des Territoriums souveräner Staaten statt. Intrastaatliche Konflikte beziehungsweise Bürgerkriege haben in Inzidenz und Prävalenz zwischenstaatliche Konflikte abgelöst und gehören heute zu den größten Herausforderungen für die internationale Gemeinschaft. Grund dafür sind die negativen sicherheitsbezogenen und ökonomischen Externalitäten, die von Bürgerkriegen ausgehen. Zu den direkten Folgen derartiger Konflikte zählen der Tod zahlloser Zivilisten und die Vertreibung großer Bevölkerungsteile. In relativen Zahlen ausdrückt, machten zivile Opfer im Jahr 1990 rund 90 Prozent aller kriegsbezogenen Toten aus. Die Zahl der Flüchtlinge infolge intrastaatlicher Konflikte wird weltweit auf 13 Millionen geschätzt, die der intern Vertriebenen sogar auf 38 Millionen (Doyle/Sambanis 2006, 1). Daneben bilden instabile oder durch Bürgerkriege geschwächte Staaten den Nährboden für Korruption, Kriminalität und Terrorismus. Unsicherheit führt zu einem Rückgang nationaler und internationaler Investitionen, was auch noch lange nach Beendigung von Bürgerkriegen zu einem verringerten Wirtschaftswachstum bei den betroffenen Staaten und deren Nachbarn führt (Murdoch/Sandler 2002). Zudem werden intrastaatlichen Konflikten Ansteckungs- beziehungsweise Diffusionseffekte zugeschrieben, die ganze Regionen destabilisieren können (Lake/Rothschild 1998).

Häufig wurde die internationale Gemeinschaft angerufen, Beobachter und Schutztruppen zu entsenden, um die Lage in bürgerkriegsgeplagten Staaten und Regionen zu verbessern. In der Folge haben seit Beginn der 1990er Jahre Anzahl, Größe und Umfang von Friedensmissionen (peacekeeping operations) explosionsartig zugenommen (Fortna 2008, 1; Heldt 2008, 13). Einer der am häufigsten angewandten Mechanismen, um Ordnung in die Anarchie von Bürgerkriegen zu bringen, sind Friedensmissionen der Vereinten Nationen (UN-peacekeeping operations). Die zunehmende Bedeutung von Friedensmissionen im Allgemeinen und VN-Friedensmission im Besonderen führte zu einer Vielzahl von Studien, die danach fragen, ob und wie derartige Interventionen zu einem Ende der Feindseligkeiten beitragen könnten. Grob lassen sich die Studien je nach methodischer Verortung in qualitative und quantitative Ansätze unterscheiden, wobei diese je für sich genommen ihre Vor- und Nachteile besitzen. Die quantitativen Studien (vgl. Doyle/Sambanis 2000, 2006; Fortna 2008; Sambanis 2008; Regan 1996) zeigen zwar, dass Frieden nach Bürgerkriegen wahrscheinlicher ist wenn eine UN-Friedensmission involviert ist. Zudem sind diese Ergebnisse aufgrund der großen Fallzahl stark generalisierbar. Allerdings können sie keine Erkenntnisse über die kausalen Pfade liefern. Die qualitativen Studien hingegen (vgl. Doyle/Sambanis 2008; Fortna 2008; Howard 2008) können kausale Ursachen für den Erfolg beziehungsweise Misserfolg von UN-peacekeeping operations angeben, sind jedoch wegen der geringen untersuchten Fallzahl in ihrer externen Validität begrenzt. Hinzu kommt, dass komplexe Kausalbeziehungen, sogenannte INUS-Bedingungen (vgl. Abschnitt 2), nicht aufgedeckt werden können.

Die vorliegende Arbeit verfolgt zwei Ziele. Zum einen knüpft sie an die Forschung an, die nach den Bedingungen für den Erfolg von UN-Friedensmissionen in intrastaatlichen Konflikten sucht. Die konkrete Forschungsfrage lautet dabei:

Was sind die hinreichenden und/oder notwendigen Bedingungen für den Erfolg von Friedensmissionen der Vereinten Nationen in Bürgerkriegen?

Zum anderen soll die Lücke geschlossen werden, die sich aus der Dichotomie der Studien mit großer und kleiner Fallzahl ergibt. Dies soll durch einen Fallvergleich aller UN-peacekeeping operations in intrastaatlichen Konflikten im Zeitraum 1946-1999 gelingen. Da es sich um eine Studie mit mittlerer Fallzahl handelt, sind rein quantitative beziehungsweise rein qualitative Methoden unzweckmäßig. Aus diesem Grund wird die Forschungsfrage mit der Methode der multi-value Qualitative Comparative Analysis (mvQCA) untersucht. Datengrundlage ist der Datensatz von Doyle und Sambanis (2000, 2006). Er beinhaltet Informationen zu 151 Bürgerkriegen und anschließenden Friedensprozessen im Zeitraum 1946-1999.

Der Hauptteil gliedert sich wie folgt: Zunächst wird in Abschnitt 2 ein Überblick über den aktuellen Forschungsstand gegeben. Im dritten Abschnitt werden die hier verwendeten Konzepte und Definition dargestellt. Im vierten Abschnitt wird der theoretische Rahmen erläutert und diskutiert – das von Doyle und Sambanis entwickelte peacebuilding-triangle. Der Abschnitt schließt mit daraus abgeleiteten Hypothesen. Im fünften Abschnitt wird das Forschungsdesign erläutert. Dem schließt sich im sechsten Abschnitt die Datenanalyse und Interpretation an. Der siebte Abschnitt fasst die Erkenntnisse dieser Arbeit zusammen und diskutiert die sich daraus ergebenden Implikationen.

Die Ergebnisse bestätigen weitestgehend die theoretischen Annahmen des peacebuilding-triangle. Demnach sind es drei Dimensionen – Feindseligkeiten zwischen den Konfliktparteien, lokale Kapazitäten und internationale Kapazitäten – die den Erfolg von VN-Friedensmissionen bestimmen. Eine geringere Ausprägung einer Dimension kann dabei durch stärkere Ausprägungen einer anderen Dimension substituiert werden. Mehrere kausale Pfade werden identifiziert, die zu einem Erfolg führen. Diese Pfade bilden hinreichende Bedingungen und spiegeln die Unterschiedlichkeit der Friedensprozesse wider. Daraus folgt, dass es kein Allheilmittel zur Friedenschaffung in Bürgerkriegen gibt, sondern die Strategie der peacekeeper von Fall zu Fall an den jeweiligen Kontext angepasst werden muss.

2. Aktueller Forschungsstand

Die im ersten Abschnitt eingeführte Unterscheidung zwischen quantitativen und qualitativen Studien soll hier fortgeführt werden, weil sie ein hilfreiches Instrument zur Strukturierung des aktuellen Forschungsstandes darstellt.

2.1 Quantitative Studien

Doyle und Sambanis (2006: Kap. 3) untersuchen die Effektivität von VN-Friedensmissionen durch Vergleich von peacebuilding -Ergebnissen in Fällen mit und ohne VN-Intervention. Dabei identifizieren sie Rahmenbedingungen, die einen Einfluss auf den Erfolg von VN-Friedensmissionen haben. Ihre Makrolevel-Analyse umfasst 121 Bürgerkriege im Zeitraum 1946 bis 1999. Abhängige Variable ist peacebuilding -Erfolg, gemessen zwei Jahre nach Ende des Bürgerkrieges und im Fall einer VN-Intervention nach Abzug der VN-Truppen, wobei sie zwischen souveränem Frieden und partizipatorischem Frieden unterscheiden. Ersterer ist charakterisiert durch die bloße Abwesenheit von Krieg, letzterer durch ein Monopol legitimer staatlicher Gewalt und ein Minimum politischer Öffnung. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass VN-Friedensmissionen einen positiven Beitrag während der Transitionsprozesse nach Bürgerkriegen leisten. Der Erfolg hängt jedoch von weiteren Faktoren ab. So hat ein größeres Ausmaß der Feindseligkeiten während des Bürgerkrieges beispielsweise einen negativen Effekt auf den Erfolg einer Friedensmission. Ähnliche Effekte werden für den Grad der sozioökonomischen Entwicklung identifiziert. Je unterentwickelter und weniger diversifiziert ein Wirtschaftssystem ist, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Friedensmission zum Erfolg führt.

Fortna (2008: Kap. 5) untersucht, ob Frieden nach intrastaatlichen Konflikten länger andauert, wenn peacekeeper im Einsatz sind, im Verhältnis zu Konflikten, in denen die Konfliktparteien auf sich allein gestellt sind. Datengrundlage ist der Datensatz von Doyle und Sambanis (2008), den die Autorin um Fälle von Bürgerkriegen bis 2005 erweiterte. Methodisch untersucht Fortna ihre Forschungsfrage mit einer survival analysis. In ihren Modellen analysiert sie den Effekt von VN-Friedensmissionen zum einen generell, zum anderen differenziert nach konsensbasierten (Kapitel 6 der VN-Charta) und erzwingenden Friedensmissionen (Kapitel 7 der VN-Charta) und zuletzt differenziert nach den gängigen vier Typen von Friedensmissionen (monitoring, traditional peacekeeping, multidimensional peacekeeping, enforcement peacekeeping). Fortna kommt zu dem Ergebnis, dass VN-Friedensmissionen einen starken empirischen Effekt aufweisen. Das Risiko eines erneuten Konflikts nach Ende eines Bürgerkrieges ist deutlich niedriger, wenn peacekeeper im Einsatz sind, verglichen mit Fällen, in denen keine Friedensmission durchgeführt wird. Konservative Schätzungen dieses Effekts lassen auf eine um 50 Prozent reduzierte Konfliktwahrscheinlichkeit schließen. Weniger konservativen Schätzungen zufolge sind es sogar 75 bis 85 Prozent. Diese Ergebnisse gelten selbst dann, wenn die peacekeeper das Einsatzland bereits wieder verlassen haben. Eine weitere Erkenntnis ist, dass konsensbasierte Friedensmissionen nicht weniger effektiv sind als robuste Missionen nach Kapitel 7 der VN-Charta. Werden die Friedensmissionen nach Typen differenziert, weisen multidimensionale Einsätze die höchste Effektivität auf.

Die Unsicherheit darüber, ob die positiven Ergebnisse hinsichtlich des Erfolgs von VN-Friedensmissionen dadurch erklärbar werden, dass die Vereinten Nationen nur in die „leichten Fälle“ intervenieren, führte zur Untersuchung der Frage, wohin Friedensmissionen entsendet werden. Fortna (2008) analysiert 94 Bürgerkriege in der Ära nach dem Ende des Kalten Krieges mit und ohne peacekeeping operations durch die Vereinten Nationen. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass es nicht generell die strategischen Interessen der großen Mächte im Sicherheitsrat sind, die bestimmen, wo Friedenstruppen zum Einsatz kommen. Entgegen der gängigen Erwartung werden derartige Missionen weder durch Bedrohung des internationalen Friedens noch durch einen humanitären Imperativ nach den schwersten Konflikten forciert. Hingegen gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Demokratisierungsgrad eines Staates und VN-Interventionen: peacekeeping operations, insbesondere enforcement missions finden häufiger in weniger demokratischen Staaten statt. Zudem sind konsensbasierte Friedensmissionen wahrscheinlicher in Staaten mit anspruchsvollem, das heißt gebirgigem Terrain und dort, wo aus dem Bürgerkrieg kein klarer Sieger hervorgegangen ist.

Aufbauend auf Doyle und Sambanis (2000, 2006) kommt Sambanis (2008) bei gleicher Fragestellung wie Fortna zu ähnlichen Resultaten. Das Ergebnis ihrer Studie zeigt, dass die Vereinten Nationen diejenigen Fälle auswählen, die hinsichtlich der Anzahl der Toten und Feindseligkeiten während des Bürgerkriegs sowie der lokalen Fähigkeit, die Konflikte allein zu bewältigen, am schwierigsten sind.

2.2 Qualitative Studien

Fortna (2008: Kap. 6) untersucht im qualitativen Teil ihrer Arbeit die Fälle Bangladesch, Sierra Leone und Mosambik hinsichtlich der kausalen Mechanismen, durch die UN-peace operations die Friedenswahrscheinlichkeit erhöhen sollen. Zur Analyse der theoretisch hergeleiteten Mechanismen führt sie im Rahmen von Feldstudien Interviews durch. Fortna kommt zu dem Schluss, dass ein glaubwürdiges Auftreten der peacekeeper die Aggressoren zur Raison bringen kann. Bereits die Präsenz einer Friedensmission verändert die Anreize der Konfliktparteien; entweder durch Einflussnahme auf die lokale Bevölkerung oder aber durch konditionale Entwicklungshilfe. Eine Friedensmission als legitime dritte Partei unterstützt die Rückkehr an den Verhandlungstisch und schafft Vertrauen, indem Meinungen kommuniziert und mediiert werden. Außerdem stehen den Konfliktparteien verlässliche Informationen über das Verhalten der gegnerischen Gruppen zur Verfügung. Die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung, Ausbildung und Training der Sicherheitskräfte sowie der Wiederaufbau ziviler Institutionen sind Faktoren die dazu beitragen, dass Staatsmacht weniger missbrauchsanfällig wird und die Rückkehr in einen Bürgerkrieg weniger wahrscheinlich ist. Insgesamt scheinen sich die kausalen Mechanismen zu bestätigen, wenngleich Fortna davor warnt sie als deterministisch zu betrachten. Der qualitative Teil ihrer Arbeit stößt allerdings auf Kritik. Hauptbeanstandung ist die Fallauswahl, bei der Fortna den Konflikt um die Chittagong Hill Tracts in Bangladesch als Untersuchungseinheit auswählt, obwohl es dort keine VN-Friedensmission gab. Neack (2009: 597) wendet ein, dass es unsinnig sei, Entscheidungsträger in Bangladesch danach zu fragen, wie sie die Rolle einer Friedensmission bewerten würden, wenn eine peacekeeping operation dort nicht einmal in Betracht gezogen wurde. Ein weiterer Kritikpunkt ist Fortnas ökonomisches Argument, wonach der beste Weg zum (Friedens-)Erfolg der sei, den lokalen Machthabern finanzielle Anreize zu bieten und gleichzeitig illegale Finanzierungsquellen zu versiegen. Damit widerspricht sie aber ihrem Untersuchungsfall Sierra Leone 1999, wo die Einnahmen aus dem Abbau von Diamanten in die Kassen der Konfliktparteien flossen und die Friedensmission dennoch scheiterte. Insgesamt ist die externe Validität der Erkenntnisse somit stark beschränkt.

Doyle und Sambanis (2006) analysieren elf Fälle von VN-Friedensmissionen auf der Mikroebene. Die Fallauswahl ist differenziert nach verschiedenen Aspekten von Friedensmissionen. Zunächst wird anhand der Entwicklungen in Somalia (UNOSOM I & II), Bosnien (UNPROFOR) und Kongo (ONUC) untersucht, warum die Vereinten Nationen dazu neigen, bei friedensdurchsetzenden Maßnahmen (peace enforcement) zu scheitern (a.a.O.: Kap. 4). Sie kommen zu dem Ergebnis, dass das Scheitern auf den multilateralen Charakter der Organisation zurückzuführen ist, der dazu einlädt den schwarzen Peter weiterzugeben. Das Problem sehen die Autoren insbesondere beim Sicherheitsrat, deren Mitgliedstaaten oftmals die gemeinsamen Interessen und ein kultureller Konsens fehlen. Zudem ist die Vetomöglichkeit der fünf ständigen Sicherheitsratsmitglieder ein Hindernis für rationale strategische Aktionen der Vereinten Nationen (a.a.O.: 195-196). In Kapitel 5 untersuchen Doyle und Sambanis erfolgreiche UN-peacekeeping operations, die in einen nachhaltigen Frieden mündeten. Die untersuchten Fälle umfassen El Salvador (ONUSAL), Kambodscha (UNTAC), Ostslawonien (UNTAES), Ost-Timor (UNTAET) und den bosnisch-herzegowinischen Distrikt Brcko (UNMIBH). Es zeigt sich, dass die VN-Friedensmissionen dann Erfolg versprechend sind, wenn sie einen substantiellen Schritt über einfache Beobachter-Missionen hinausgehen, gleichzeitig jedoch auf friedenserzwingende Maßnahmen verzichten. Es sind konsensbasierte multidimensionale Missionen, die zu nachhaltigem Frieden beitragen. Sie sind meist dadurch gekennzeichnet, dass die Vereinten Nationen Friedensabkommen unter ihrer Autorität implementieren, die die Konfliktursache an ihrer Wurzel beseitigen. Derartige Transitionsprozesse werden meist begleitet von einem Wiederaufbau politischer Institutionen, der Gewährleistung grundlegender Menschenrechte, der Förderung der lokalen Ökonomie bis hin zur Organisation und Absicherung demokratischer Wahlen. Die Vereinten Nationen übernehmen im Rahmen multidimensionaler Mandate quasi-souveräne Aufgaben und erhöhen somit die Erfolgswahrscheinlichkeit von Transitionsprozessen nach Bürgerkriegen (a.a.O.: 197-199). Weitere Erfolgsbedingung neben der transitionalen Autorität ist eine angemessene zivile und militärische Kapazität um die Feinseligkeiten der Konfliktparteien zu unterbinden (a.a.O.: 301). In Kapitel 6 analysieren Doyle und Sambanis zwei Fälle von Friedenmissionen, die trotz Friedensverträgen und Konsens der Konfliktparteien hinsichtlich der VN-Mission scheiterten: Zypern (UNFICYP) und Ruanda (UNAMIR I). Die Gründe für das Scheitern der Missionen sind vielschichtig. In Zypern war es die Unfähigkeit der VN-Operation, die Bildung von Enklaven auf griechischer und türkischer Seite zu verhindern und die Bewegungsfreiheit wiederherzustellen. Während die Enklaven in ihrer Größe zunahmen, entwickelten sich insbesondere auf türkischer Seite neue politische Strukturen, die eine Rückkehr in einen einheitlichen Staat unter griechischer Führung immer unwahrscheinlicher machten (a.a.O.: 277). In Ruanda hingegen zeigte sich ein Mangel an Ressourcen und begrenztem internationalen Engagement, begleitet von einem schlechten Verständnis des zugrunde liegenden Konflikts, als ursächlich für den Misserfolg der VN-Mission (a.a.O.: 301) Insgesamt eröffnen Doyle und Sambanis einen umfangreichen Blick auf die Mikroebene von peacekeeping-operations in verschieden Kontexten. Eben dort liegt aber auch der Schwachpunkt des Fallvergleichs. Die Verschiedenartigkeit der untersuchten Fälle und der unstrukturierte Vergleich schließen eine Kontrolle von Kontextvariablen aus, wodurch wie schon bei Fortna (2008) eine Generalisierbarkeit Erkenntnisse in Frage gestellt werden kann.

Howard (2008) untersucht zehn Fälle von multidimensionalem UN-peacekeeping, die nach Ende des Kalten Krieges durchgeführt wurden. Dabei nutzt sie die Methode der Differenz und die Methode der Übereinstimmung als grundlegendes Forschungsdesign. Der Fallvergleich ist strukturiert und fokussiert. Diese Vorgehensweise ermöglicht Howard die Identifikation von hinreichenden und notwendigen Bedingungen, um den Erfolg von VN-Friedensmissionen zu erklären. Die Daten wurden im Rahmen von Interviews erhoben. Außerdem analysierte sie Primär- und Sekundärliteratur. Von den zehn ausgewählten Fällen gelten sechs als erfolgreich: Namibia (UNTAG), El-Salvador (ONUSAL), Kambodscha (UNTAC), Mosambik (ONUMOZ), Ostslawonien (UNTEAS), und Ost-Timor (UNTAET). Vier der ausgewählten Fälle werden als gescheiterte Friedensmissionen angesehen: Somalia (UNOSOM II), Ruanda (UNAMIR), Bosnien (UNPROFOR) und Angola (UNAVEM II). Howard zufolge sind es drei Bedingungen, die für den Erfolg einer peacekeeping-operation notwendig sind. Diese drei Faktoren zusammengenommen, stellen außerdem eine hinreichende Bedingung für den Erfolg dar. Die drei Elemente bestehen aus vorteilhaften situationellen Faktoren (hauptsächlich der Wille der Konfliktparteien, die Kämpfe zu beenden), konsensuale und gleichzeitig moderate Interessen der Vetomächte im Sicherheitsrat und schließlich die Lernfähigkeit der Operation vor Ort (first-level-learning). Der letztgenannte Faktor erscheint besonders bedeutsam für den Langzeiterfolg von VN-Friedensmissionen und umfasst vier Indikatoren: (1) die Fähigkeit Informationen zu sammeln und zu analysieren; (2) Koordination der unterschiedlichen Aufgabenbereiche der Friedensmission; (3) Umgang der Organisation mit der Post-Bürgerkriegssituation und (4) Autorität durch Führungsstärke selbst in Krisensituationen. Die von Howard untersuchten erfolgreichen Fälle zeichnen sich durch ein Vorhandensein dieser Indikatoren aus, wodurch die Studie ein starkes theoretisches und operationales Fundament bildet. Insbesondere das systematische Vorgehen ermöglicht die Identifikation notwendiger und hinreichender Faktoren. Allerdings stößt die Generalisierbarkeit auch hier, aufgrund der geringen untersuchten Fallzahl, an ihre Grenzen.

Insgesamt zeigen die Studien, dass die qualitativen und quantitativen Ansätze eine Erkenntnislücke hinterlassen. Diese Lücke entsteht zwischen den probabilistischen Aussagen der statistischen Analysen mit großer externer Validität und den deterministischen Aussagen über kausale Mechanismen, die aufgrund der geringen Fallzahl aber nur eine geringe Generalisierbarkeit zulässt. Hinzu kommt, dass beide Ansätze weder Aussagen über Äquifinalität zulassen noch INUS-Bedingungen identifizieren können. Äquifinalität ist dadurch gekennzeichnet, dass unterschiedliche kausale Ursachen zu gleichen Ergebnissen führen können. Der Begriff der INUS-Bedingung (INUS = insufficient but necessary part of a condition which is itself unnecessary but sufficient for the outcome) wird auf Mackie (1974: 62) zurückgeführt. Dabei handelt es sich um Bedingungen, die zwar kausal relevant sind, aber für sich genommen weder hinreichend noch notwendig für ein bestimmtes zu erklärendes Ereignis sind. Formal lässt sich das folgendermaßen ausdrücken: A + BC à Y. Dabei ist Y das zu erklärende Resultat. Das Pluszeichen symbolisiert eine logische Oder-Verknüpfung der kausalen Faktoren A und BC. Die Darstellung besagt demnach, dass entweder das Auftreten von A oder das gleichzeitige Auftreten von B und C kausal ursächlich für Y ist. B wäre in diesem Fall eine INUS-Bedingung, weil sie allein weder notwendig noch hinreichend für das Auftreten von Y ist.

Methoden wie mvQCA können die Lücke zwischen qualitativen und quantitativen Forschungsdesigns schließen, wodurch die Untersuchung der eingangs formulierten Forschungsfrage im Sinne des zu erwartenden Erkenntnisgewinns ihre Rechtfertigung findet.

3. Konzepte und Definitionen

Die Literatur zu intrastaatlichen Konflikten und UN-peacekeeping ist umfangreich. Entsprechend ergibt sich eine gewisse Vielfalt bei der Definition der verwendeten Konzepte. Da die Forschungsfrage der vorliegenden Hausarbeit auf Grundlage der Daten von Doyle und Sambanis (2000, 2006) beantwortet wird, werden die dort verwendeten Definitionen weitestgehend übernommen. Eine kritische Auseinandersetzung wird am Rande geliefert, kann aber nur in zukünftigen Arbeiten Berücksichtigung finden, da eine Rekodierung der Daten auf Grundlage veränderter Definitionen den Rahmen dieser Hausarbeit sprengen würde.

3.1 Bürgerkrieg

Doyle und Sambanis (2006: 31) definieren Bürgerkrieg als „[…] an armed conflict that pits the government and national army of an internationally recognized state against one or more armed opposition groups able to mount effective resistance against the state; the violence must be significant, causing more than a thousand deaths in relatively continual fighting that takes place within the country’s boundaries; and the rebels must recruit mostly locally, controlling some part of the country’s territory.“ Diesen Kodierungsregeln zufolge haben die Autoren 151 intrastaatliche Konflikte im Zeitraum 1945-1999 identifiziert.

3.2 VN-Friedensmission

Die vielfältige Literatur zum Thema Friedensmissionen hat zu einer Verbreitung von unterschiedlichsten Definitionen, Unterscheidungen und Taxonomien der Begrifflichkeiten geführt. Im Folgenden werden die Begriffe Friedensmission, peacekeeping operation, peacebuilding und peace operation synonym verwendet und beziehen sich auf den Einsatz von internationalen Einsatzkräften zur Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit nach kriegerischen Auseinandersetzungen. Alle Friedensmissionen sind durch den Einsatz militärischen Personals gekennzeichnet, die nicht notwendiger Weise bewaffnet sein müssen. Darüber hinaus können Friedensmissionen eine beträchtliche zivile Komponente aufweisen. Friedensmissionen werden durch die Vereinten Nationen, regionale Organisationen oder ad hoc Gruppen von Staaten durchgeführt (vgl. Fortna 2008: 4-5). Da in der vorliegenden Hausarbeit Friedensmissionen der Vereinten Nationen untersucht werden, sind die oben genannten synonymen Begriffe durch ein VN, beziehungsweise UN ergänzt. Folgende vier Typen von VN-Friedensmissionen werden in Anlehnung an Doyle und Sambanis (2000: 4) unterschieden: (1) Beobachtermission (observer mission); (2) traditionelle Friedenssicherung (traditional peacekeeping); (3) multidimensionale Friedenssicherung (multidimensional peacekeeping) und (4) Friedensdurchsetzung (peace enforcement) mit oder ohne transitionaler Autorität (transitional authority). Die ersten drei Typen von VN-Friedensmissionen sind konsensbasiert und fallen unter Kapitel 6 der Charta der Vereinten Nationen, wohingegen der vierte Typ einen Konsens der Konfliktparteien nicht notwendig voraussetzt. Friedensdurchsetzung bezieht sich auf Missionen im Rahmen von Kapitel 7 der VN-Charta.

[...]

Ende der Leseprobe aus 47 Seiten

Details

Titel
Erfolgsbedingungen von Friedensmissionen der Vereinten Nationen in Bürgerkriegen
Untertitel
Eine Analyse auf Basis der multi-value Qualitative Comparative Analysis
Hochschule
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald  (Institut für Politik und Kommunikation)
Veranstaltung
Modul Global Governance
Note
1,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
47
Katalognummer
V274695
ISBN (eBook)
9783656676072
ISBN (Buch)
9783656676058
Dateigröße
683 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
QCA, Tosmana, mvQCA, multi-value Qualitative Comparative Analysis, Vereinte Nationen, Friedenmissionen, Bürgerkrieg, peacebuilding-triangle, Äquifinalität, VN-Interventionen, limited diversity, UN peacekeeping operations, Intrastaatliche Konflikte
Arbeit zitieren
René Springer (Autor:in), 2013, Erfolgsbedingungen von Friedensmissionen der Vereinten Nationen in Bürgerkriegen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/274695

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