John Dewey(1859-1952) ist heute in Deutschland in erster Linie unter Erziehungswissenschaftlern, Soziologen und Philosophen bekannt. Das lässt sich leicht aus Deweys wissenschaftlichen Schwerpunkten erklären: Denn gerade pädagogische und philosophische Fragen waren es, mit denen sich Dewey am meisten beschäftigt hat, so zum Beispiel in einem seiner bekanntesten Bücher, ”Democracy and Education”.
Aber auch für die Politikwissenschaft gibt es bei Dewey durchaus Anknüpfungspunkte, und zwar insbesondere in seiner Theorie der Demokratie. In Deutschland hat besonders Hans Joas zu einer Verbreitung von Deweys Gedanken beigetragen. In dieser Hausarbeit soll ein bisher noch wenig berücksichtigter Aspekt von Deweys Demokratietheorie, nämlich sein Öffentlichkeitsbegriff dargestellt und interpretiert werden.
Dewey hat seine Gedanken zum Thema Öffentlichkeit in einem Essay mit dem Titel ”The Public and its Problems” verarbeitet. Der Essay entstand aus Deweys Auseinandersetzung mit einem Buch von Walter Lippmann. In Lippmanns Buch ”The Phantom Public” wird ein zunehmendes Versagen der demokratischen Kontrolle der Regierung konstatiert. In einer immer komplexer organisierten Gesellschaft könne der Bürger viele Fragen überhaupt nicht mehr sachgerecht entscheiden. Auch viele andere Politikwissenschaftler und Kulturkritiker waren skeptisch gegenüber der modernen Massendemokratie und wollten sie durch eine stärker von Experten gelenkte Regierungsweise ersetzen.
Gegen diese Position hat sich Dewey immer gewandt: Die Prinzipien der Wissenschaft sind für ihn, wie er in „The Public and its Problems“ deutlich macht, mit denen der Demokratie insofern identisch, als sie beide auf freier Kommunikation beruhen. Eine wissenschaftliche und rationale Steuerung der Gesellschaft und ihre Demokratisierung schließen sich nach Dewey keineswegs aus. Im Gegenteil: Dewey versteht die Entstehung der Demokratie gerade als Fortschritt im rationalen Selbsterkenntnisprozess der Gesellschaft.
In dieser Hausarbeit soll zunächst Deweys Gedankengang dargestellt werden. In der anschließenden Interpretation will ich zeigen, dass Deweys Öffentlichkeitsbegriff sich am besten vor dem Hintergrund von Hegels „Grundlinien der Philosophie des Rechts“, als Bestandteil einer linkshegelianischen Theorie der Demokratie, verstehen lässt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- "The Public and its Problems"
- Die Öffentlichkeit und die Entstehung des demokratischen Staates
- Great Society und Great Community
- Demokratie als Selbsterkenntnis der Öffentlichkeit
- Deweys Wissensbegriff
- ,,The Public and its Problems“ als eine hegelianische Theorie der Demokratie
- Deweys Verhältnis zu Hegel
- Parallelen zwischen Dewey und Hegel in "The Public and its Problems'
- Kritik an einem formalen Freiheitsbegriff
- Staat und Great Community
- Demokratie als Ausdruck der vorhandenen Verhältnisse
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Essay „The Public and its Problems" von John Dewey analysiert die Entwicklung des demokratischen Staates und untersucht die Herausforderungen, die eine komplexere, industriell geprägte Gesellschaft für das demokratische Selbstverständnis darstellt. Dewey setzt sich mit der Frage auseinander, wie eine "Great Society" in eine "Great Community" transformiert werden kann, in der demokratische Ideale wieder Geltung erlangen.
- Die Entstehung des demokratischen Staates
- Die Rolle der Öffentlichkeit in der Demokratie
- Der Wandel von der "Great Society" zur "Great Community"
- Deweys Kritik an einer formalen Freiheitsauffassung
- Die Bedeutung von Hegels "Grundlinien der Philosophie des Rechts" für Deweys Demokratietheorie
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt John Deweys Lebenswerk und seinen Beitrag zur Politikwissenschaft vor. Sie führt in das Thema der Arbeit ein, indem sie Deweys Kritik an der zeitgenössischen Sichtweise auf die Demokratie beleuchtet, die die Rolle der Öffentlichkeit in Frage stellte.
Kapitel 2.1 untersucht die Entstehung des demokratischen Staates aus der Sicht Deweys. Er kritisiert traditionelle Staatsentstehungstheorien und argumentiert, dass die Existenz eines Staates aus der Notwendigkeit resultiert, die indirekten Folgen menschlichen Handelns zu regulieren und zu steuern. Diese Notwendigkeit führt zur Bildung einer Öffentlichkeit, die schließlich in einem Staat organisiert wird.
Kapitel 2.2 beleuchtet Deweys Konzept der "Great Society" und der "Great Community". Er zeigt auf, wie die demokratische Selbstbestimmung in einer komplexeren Gesellschaft gefährdet ist und wie eine Transformation hin zu einer "Great Community" möglich sein könnte.
Kapitel 3.1 und 3.2 befassen sich mit Deweys Verhältnis zu Hegel und den Parallelen zwischen Deweys Werk und Hegels „Grundlinien der Philosophie des Rechts“. Dewey kritisiert eine formale Freiheitsauffassung, die den Staat als einen abstrakten Apparat betrachtet und argumentiert, dass Demokratie sich aus den realen Verhältnissen der Gesellschaft entwickeln muss.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit dem Begriff der Öffentlichkeit, der Demokratie, der "Great Society" und der "Great Community". Sie analysiert Deweys Verhältnis zu Hegel und seine Kritik an einer formalen Freiheitsauffassung. Zentrale Themen sind die Entstehung des demokratischen Staates, die Rolle der Öffentlichkeit in der Demokratie und die Notwendigkeit einer gesellschaftlichen Transformation hin zu einer "Great Community".
- Quote paper
- Moritz Deutschmann (Author), 2004, Der Begriff der Öffentlichkeit in John Deweys "The Public and its Problems", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/27481