Migration in die DDR


Hausarbeit (Hauptseminar), 2013

25 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Allgemeines zur Vertragsarbeit in der DDR
2.1. Geschichte der Vertragsarbeit
2.2. Gesetzliche und rechtliche Grundlagen

3. Zu den bilateralen Regierungsabkommen mit einzelnen Entsendeländern
3.1 Die Abkommen mit den RGW-Partnern Polen und Ungarn
3.2 Das Abkommen mit Algerien
3.3 Das Abkommen mit Kuba
3.4 Das Abkommen mit Mosambik
3.5 Das Abkommen mit Vietnam

4. Die Migrationspolitik der DDR
4.1 Zu den Phasen der Migrationspolitik
4.2 Zur Hierarchie der bilateralen Abkommen

5. Schlussbetrachtungen

6. Literaturangaben

1. Einleitung

Wenn in Deutschland von Migration gesprochen wird, ist damit in aller Regel die Migration in die Bundesrepublik gemeint. Vor allem wenn von Arbeitsmigration die Rede ist, verbindet man hiermit im Allgemeinen die Migration der Gastarbeiter in die BRD in den 50er und 60er Jahren. Dem Thema Migration in die DDR wird hierbei zumeist wenig Beachtung geschenkt. So begegnete mir dieses Thema erstmalig während einer Fotoausstellung, die ehemalige mosambikanische Vertragsarbeiter zeigte, die nach dem Zusammenbruch der DDR wieder in ihre Heimat zurückkehren mussten, wo sie noch immer für die Auszahlung ihrer noch ausstehenden Restlöhne kämpfen. Dadurch inspiriert und weil die Ausstellung einige Fragen offen ließ, möchte ich mich in dieser Arbeit mit dem Thema „Migration in die DDR“ befassen.

In der DDR gab es jedoch nicht nur Vertragsarbeiter, zur ausländischen Wohnbevölkerung gehörten weiterhin Studenten und Schüler, Lehrlinge, politische Flüchtlinge und andere Beschäftigte.[1] Die politischen Flüchtlinge in der DDR kamen hauptsächlich aus Griechenland, Spanien und Chile, während die Studenten zumeist aus jungen Nationalstaaten in Afrika kamen, die sich aus der Kolonialherrschaft befreit hatten, und aus sozialistischen Ländern. Die größte Gruppe der ausländischen Wohnbevölkerung stellte in den letzten Jahrzenten der DDR jedoch die Vertragsarbeiter dar, die durch bilaterale Regierungsabkommen mit RGW-Ländern (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe) und sozialistischen Entwicklungsländern für eine befristete Zeit zur Arbeit und Ausbildung in die DDR kamen.[2] Darüber hinaus gab es zwischen 1949 und 1988 eine lange Zeit unerforschte Migration vom Westen in den Osten.[3]

Eine Beschäftigung mit allen Migrationsformen in die DDR würde allerdings den Rahmen dieser Arbeit sprengen oder es wäre eine nur oberflächliche Betrachtung möglich. Aus diesem Grund möchte ich mich in meiner Arbeit auf die größte Migrationsgruppe, die Vertragsarbeiter, beschränken. Da die DDR mit sehr unterschiedlichen Vertragspartnern bilaterale Regierungsabkommen zur „Arbeitskooperation“ abschloss, möchte ich mit Ausarbeitung dieses Themas dabei der Frage nachgehen, wie sich die Migrationspolitik der DDR hinsichtlich der Entsendeländer unterschied. Um diese Frage beantworten zu können, werde ich zu Beginn auf die Geschichte der Vertragsarbeit eingehen, um zu klären, wie es überhaupt zur Vertragsarbeit in der DDR kam, sowie die gesetzlichen und rechtlichen Grundlagen zur Vertragsarbeit betrachten. Im Anschluss daran werde ich auf einige ausgewählte bilaterale Regierungsabkommen mit verschiedenen Entsendeländern eingehen, um daraufhin im letzen Kapitel die Migrationspolitik der DDR in Bezug auf die verschiedenen Länder betrachten zu können.

2. Allgemeines zur Vertragsarbeit in der DDR

2.1. Geschichte der Vertragsarbeit

Arbeitsmigranten kamen hauptsächlich als Vertragsarbeiter aufgrund von Regierungsabkommen in die DDR. Diese wurden mit RGW-Mitgliedstaaten und später auch mit sozialistischen Entwicklungsländern abgeschlossen. Das Ziel der sogenannten „Arbeitskräftekooperation“, wie die Vertragsarbeit amtlich genannt wurde, war es, Menschen in der DDR aus- oder weiterzubilden, damit sie nach der Rückkehr in den ausgebildeten Industriezweigen für ihre Herkunftsländer von Bedeutung sind und sich am sozialistischen Aufbau ihrer Heimat beteiligen.[4] So deuten Elsner und Elsner daraufhin, dass solche Abkommen zumeist den Arbeitseinsatz mit einer Qualifizierung verbanden und für beide Vertragspartner sowie für die Arbeiter selber von Vorteil waren.[5] Mit der Anwerbung aus internationaler Solidarität wollte sich die DDR zudem bewusst von der Bundesrepublik absetzen, deren Gastarbeiterpolitik sie als kapitalistische Ausbeutung und Fortsetzung des NS-Fremdarbeiter-Einsatzes kritisierte. Die Vorteile der Vertragsarbeit wurden jedoch oft propagandistisch überbetont und mehr und mehr wich das Ziel der Kooperation dem Ausgleich des Arbeitskräftemangels in der DDR.[6]

In der Tat war die DDR eigentlich auf die Arbeitskräfte angewiesen, da durch die Abwanderung in den Westen bis zum Mauerbau 1961 mind. 2,7 Millionen Menschen das Gebiet der DDR verlassen hatten. Selbst nach dem Bau der Mauer waren es bis Ende 1988 nach statistischen Angaben noch 616.051 Menschen, die trotz Grenzsicherungsmaßnahmen einen Weg nach West-Deutschland gefunden haben.[7] Mit der Abwanderung von Arbeitskräften in den Westen entstand ein akuter Arbeitskräftemangel in der DDR. Dieser Mangel konnte auch trotz des hohen Grades an Frauenerwerbstätigkeit nicht behoben werden. Darüber hinaus war die natürliche Bevölkerungsentwicklung in der DDR rückläufig und stagnierte schließlich in den 80er Jahren. Daher sollten ausländische Arbeitskräfte im Land eingesetzt werden. Somit wurde das erste Abkommen 1963 mit Polen abgeschlossen, nach welchem 500 Polen zur Beschäftigung und Qualifizierung im Braunkohletagebau in die DDR kamen. Ein weiteres Abkommen mit Polen wurde 1966 beschlossen. Nach diesem Übereinkommen konnten polnische Arbeiter als Arbeitspendler im Grenzgebiet arbeiten. Worauf bis 1972 ca. 6.000 Pendler eine Arbeit in der DDR annahmen.[8] Doch da mit diesen Abkommen der Arbeitskräftemangel im gesamten Gebiet der DDR dennoch nicht gedeckt werden konnte, folgte das Modell der Vertragsarbeit durch bilaterale Regierungsabkommen.[9]

So folgen Regierungsabkommen zur Vertragsarbeit mit Ungarn (1967 und 1972), mit Algerien (1974), mit Kuba (1978), mit Mosambik (1979), mit Vietnam (1980), mit der Mongolischen Volksrepublik (1982) und mit Angola (1985).[10] Weitere kleine Abkommen wurden mit China und Nordkorea abgeschlossen.[11] Infolgedessen befanden sich 1970 in etwa 14.000 Vertragsarbeiter in der DDR. 1989 waren bereits um die 93.600 Vertragsarbeiter in der DDR tätig. Die meisten davon kamen aus Vietnam und Mosambik. Sie arbeiteten zumeist im Produktionsbereich und hauptsächlich im Schichtdienst.[12]

2.2. Gesetzliche und rechtliche Grundlagen

Festgehalten waren die Rechte und Pflichten der Ausländer, denen auch die ausländischen Arbeitskräfte unterlagen, im Ausländergesetz von 1979 und der dazugehörigen Ausländerverordnung von 1956. Insgesamt blieben das Ausländergesetz und die Ausländerverordnung jedoch recht grob. Sie befassten sich hauptsächlich mit Fragen der Aufenthaltsregelung und definierten die Rechtsgleichheit von Ausländern mit DDR-Bürgern, wobei die zuerst genannten bezüglich ihres Aufenthalts in der DDR keine einklagbaren Rechte besaßen. Folglich konnten erteilte Aufenthaltsgenehmigungen durch die Behörden versagt, jederzeit wieder entzogen oder für ungültig erklärt werden, wobei dies keinerlei Begründung bedurfte. So heißt es im Ausländergesetz von 1979 zwar:

„Ausländer (…) haben die gleichen Rechte – soweit diese nicht an die Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik gebunden sind – wie Staatsbürger der Deutschen Demokratischen Republik. (…)“[13]

Im Paragraf zur Aufenthaltsgenehmigung wird jedoch weitergeführt:

„Die Genehmigung kann zeitlich und örtlich beschränkt, versagt, entzogen oder für ungültig erklärt werden. Die Entscheidung bedarf keiner Begründung.“[14]

Insgesamt waren das Ausländerrecht und die Ausländerpolitik der DDR sehr restriktiv. Ausländergesetz und Ausländerverordnung sicherten vor allem dem Staat Rechte zu.[15]

Einzelheiten bezüglich des Aufenthalts der Vertragsarbeiter wurden in den bilateralen Regierungsabkommen mit den Entsendeländern geregelt.[16] Sie stellten somit die wichtigste rechtliche Grundlage für die Zeit des Arbeitseinsatzes dar. In Ihnen waren die strikten Arbeits- und Lebensbedingungen der Vertragsarbeiter bis ins Detail geregelt. Sie regelten die Einreise, die Dauer und den Ort der Beschäftigung, die Dauer der Einarbeitungszeit, den Umfang der Sprachkurse, Möglichkeiten zur Auflösung des Vertrags und alle finanziellen Angelegenheiten.[17] So wurde in den Regierungsabkommen auch vereinbart, wie viel des Bruttoverdienstes direkt an die Regierungen der Herkunftsländer überwiesen wurde oder wie viel Geld die Vertragsarbeiter erst bei der Rückkehr im Heimatland und wie viel ihnen vorher ausbezahlt wurde. Weiterhin definierten die Abkommen, ob und wie lange eine Heimreise genehmigt wurde, ob und in welchen Fällen ein vorübergehender Heimataufenthalt möglich war und ob eine Freistellung bei nationalen Feiertagen gewährt wurde.[18] Für alle Vertragsarbeiter galt zudem die Unterbringung in Wohnheimen, jedem Arbeiter stand ca. 5m² persönlicher Wohnraum zu, und der Anspruch auf Qualifizierung. Wobei letzterer ab Mitte der 80er Jahre mehr und mehr an Bedeutung verlor. Weiterhin galt das Verbot des Familiennachzugs.[19] So berichtet zum Beispiel Frau Minh Thi, eine ehemalige vietnamesische Vertragsarbeiterin, dass sie ihre Familie (sie war verheiratet und Mutter zweier Kinder) in Vietnam zurücklassen musste, als sie zum Arbeiten in die DDR ging. Als sie einige Jahre später aus wirtschaftlichen Gründen ein zweites Mal in die DDR migrierte, musste sie ihre beiden Kinder bei den Großeltern lassen, da sie zu diesem Zeitpunkt bereits geschieden war.[20]

Darüber hinaus wurde die Aufenthaltsdauer in den Verträgen gesichert. Hierbei herrschte ein striktes Rotationsprinzip. Ein Aufenthalt wurde für zwei bis fünf Jahre gewährt, eine Verlängerung war in der Regel nicht möglich. Nach Vertragsende mussten die Arbeitskräfte in ihre Heimat zurückkehren.[21]

3. Zu den bilateralen Regierungsabkommen einzelnen Entsendeländern

Abgesehen von den Gemeinsamkeiten, gab es jedoch auch unterschiedliche Regelungen für die Vertragsarbeiter. Diese wurden jeweils mit den Entsendeländern ausgehandelt und in den Regierungsabkommen festgehalten. Daher möchte ich im Folgenden auf einzelne Regierungsabkommen näher eingehen. Hierzu habe ich die bilateralen Abkommen mit Polen, Ungarn, Algerien, Kuba, Mosambik und Vietnam ausgewählt. Die Abkommen mit Polen und Ungarn habe ich gewählt, da sie den Beginn der Vertragsarbeit repräsentieren, die Abkommen mit Vietnam, Mosambik und Kuba, da aus diesen Ländern die meisten Arbeiter in die DDR kamen und das Abkommen mit Algerien, weil es das erste Abkommen mit einem jungen sozialistischen Staat außerhalb des RGW-Raumes war.

3.1 Die Abkommen mit den RGW-Partnern Polen und Ungarn

Erste Verträge mit Polen wurden 1963, 1966 (Pendlerabkommen) und 1971 abgeschlossen. Ziel der Abkommen war die Förderung von wirtschaftlicher und sozialer Annäherung unter den RGW-Partnern und der Ausgleich von Entwicklungsdifferenzen. Im Vordergrund der Abkommen stand also der Solidaritätsgedanke unter den RGW-Staaten. Durch die Kooperation sollte die Qualifizierung von polnischen Arbeitskräften erzielt werden.[22] Allerdings weist Schulz auch daraufhin, dass es der DDR 1963 erst mit der stärkeren Betonung der Qualifizierungskomponente überhaupt gelang, polnische Arbeiter zu gewinnen.[23] So wurde auch im Regierungsabkommen von 1966 festgehalten:

„Den Werktätigen wird gewährleistet, sich im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten zu qualifizieren.“[24]

[...]


[1] Vgl. Socke, SED-Staat, S. 8f

[2] Vgl. Ebd., S. 14; Elsner, Internationalismus, S. 30; Bade & Oltmer, Normalfall Migration, S. 95f

[3] Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung: http://www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/deutschlandarchiv/wunschik20130802/?p=all, 19.03.2013

[4] Vgl. Socke, SED-Staat, S. 14; Elsner, Internationalismus, S. 30; Kuck, sozialistischer Aufbau, S. 246

[5] Elsner, Internationalismus, S. 30

[6] Vgl. Kuck, sozialistischer Aufbau, S. 246; Socke, SED-Staat, S. 15; Hoerder, Deutsche Migration, S. 110; Jasper, Ausländerbeschäftigung, S. 151f

[7] Vgl. Bade & Oltmer, Normalfall Migration, S. 90

[8] Vgl. Bade & Oltmer, Normalfall Migration, S, 92; Kuck, sozialistischer Aufbau, S. 245ff; Jasper, Ausländerbeschäftigung, 153ff

[9] Vgl. Kuck, Sozialistischer Aufbau, S. 245ff

[10] Vgl. Elsner, Internationalismus, S. 30

[11] Vgl. Kuck, sozialistischer Aufbau, S. 246

[12] Vgl. Hoerder, Deutsche Migration, S. 110; Bade & Oltmer, Normalfall Migration, S. 93

[13] § 4 des Ausländergesetzes der DDR vom 28. Juni 1979

[14] § 6 (3) des Ausländergesetzes der DDR vom 28. Juni 1979

[15] Vgl. Socke, SED-Staat. S. 6f; Elsner, Internationalismus, S. 43f

[16] Vgl. Elsner, Internationalismus, S. 43f; Jasper, Ausländerbeschäftigung, S. 173

[17] Vgl. Jasper, Ausländerbeschäftigung, S. 174

[18] Vgl. ebd.; Bade & Oltmer, Normalfall Migration, S. 94f

[19] Vgl. Zwengel, Algerische Vertragsarbeiter, S. 75f

[20] Kirschnick, Ehemalige DDR-Vertragsarbeitnehmer, S. 7

[21] Vgl. Jasper, Ausländerbeschäftigung, S. 174; Bade & Oltmer, Normalfall Migration, S. 94f

[22] Vgl. Schulz, Migrationspolitik der DDR, S. 148; Socke, SED-Staat, S. 14

[23] Vgl. Schulz, Migrationspolitik der DDR, S. 148

[24] Artikel 2 (7) des Regierungsabkommens vom 17. März 1966

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Migration in die DDR
Hochschule
Pädagogische Hochschule in Schwäbisch Gmünd
Veranstaltung
Migration, ethnische Minderheiten und Nationalismus: Mehrperspektivische Betrachtungen
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
25
Katalognummer
V275115
ISBN (eBook)
9783656678595
ISBN (Buch)
9783656678588
Dateigröße
542 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
migration
Arbeit zitieren
Rebekka Schroth (Autor:in), 2013, Migration in die DDR, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/275115

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