Ghana als afrikanischer Musterstaat des Parlamentarismus


Hausarbeit, 2014

26 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe

Inhalt

1. Einleitung

2. Länderinformationen
2.1 Historische Einblicke

3. Analyse des ghanaischen Parlamentarismus anhand des theoretischen Konzepts des Evolutorischen Institutionalismus
3.1 Institutionelle Architektur
3.2 Nische
3.3 Parlamentsfunktionen
3.3.1 Wahlfunktion
3.3.2 Gesetzgebungsfunktion
3.3.3 Kontrollfunktion
3.3.4 Repräsentationsfunktion

4. Allgemeine Handlungsempfehlungen

5. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Mit Afrika verbindet die westliche Bevölkerung nicht unbedingt als erstes Demokratie oder Parlamentarismus, vielmehr einen Kontinent mit unüberschaubaren Konfliktherden, viel Armut und Hunger. Auch in der Geschichte ist zu sehen, dass der Westen den afrikanischen Ländern oft nicht so viel zutraut wie anderen und sie lieber unter westlicher Kontrolle wüsste. So sagte auch der britische Politiker und Zeitungsverleger Lord William Maxwell Aitken Beaverbrook: „Für manches unterentwickelte Land ist das Geschenk der völligen Unabhängigkeit so sinnvoll wie ein Rasiermesser in der Hand eines Kindes.“[1] Doch auch Afrika hat eine vielschichtige kulturelle und politische Geschichte und gerade durch die stark differenzierten Regionen sollte dieser Kontinent nicht als gesamt afrikanisches Problem gesehen werden. In dieser Seminararbeit soll es speziell um das Land Ghana gehen, welches, als damals erstes unabhängiges Land viel Ansehen erreichte und als ein Positivbeispiel für den afrikanischen Parlamentarismus gesehen werden kann.[2] Der Demokratisierungsprozess Ghanas galt für viele andere afrikanische Staaten als Vorbild, doch gilt es weiterhin als Entwicklungsland und steht auch in Zukunft noch vor einigen Problemen und Aufgaben die gelöst werden müssen.

Als erstes soll ein kurzer historischer Abriss der politischen Entwicklung Ghanas gegeben werden, da dieser für die weitere Analyse notwendig sein wird und die politische Entwicklung eng verbunden ist mit der geschichtlichen. Anhand des theoretischen Konzepts des Evolutorischen Institutionalismus soll die institutionelle Struktur Ghanas dargestellt werden. Dabei wird speziell darauf eingegangen, wie der Aufbau des Parlaments aussieht, welche Antriebskräfte vorherrschen und welche Umweltfaktoren und Nischenakteure Einfluss auf die Entwicklung des Parlaments nehmen. Nach der Darstellung der speziellen Parlamentsfunktionen soll versucht werden weitere Handlungsempfehlungen für den ghanaischen Parlamentarismus zu geben. Weitere Betrachtung erfährt die Frage: Inwieweit ist die starke Exekutive gut bzw. schlecht für die junge Demokratie und den Parlamentarismus?

Die Parlamentarismusforschung über afrikanische Länder müsste weiter ausgebaut werden, denn gerade unvollkommene Demokratien bieten interessante Herausforderungen für Konzepte wie zum Beispiel dem Evolutorischen Institutionalismus. Als Quellen dienen vorwiegend Literaturen über die ghanaische Geschichte und des Parlaments und das Hauptwerk über den Evolutorischen Institutionalismus von Prof. Dr. Werner J. Patzelt, welches den umfangreichen Forschungsstand über dieses Theoriekonzept primär darlegen kann.

2. Länderinformationen

Der in Westafrika liegende Staat Ghana, der mit seinen vielen verschiedenen Ethnien zu einem Vielvölkerstaat zählt ist eine unabhängige Republik.[3] Ghana grenzt im Westen an die Elfenbeinküste, im Norden an Burkina Faso, im Osten an Togo und im Süden an den Atlantik. Es ist knapp 240.000 qkm groß und hat ca. 25 Millionen Einwohner wobei schon über zwei Millionen in der Hauptstadt Accra wohnen.[4] Die Landessprache ist Englisch jedoch gibt es weitere über 40 Sprachen und Dialekte, welche die ethnische Vielfalt des Landes wiederspiegeln.[5] Die Naturreligionen spielen neben dem Islam und der Protestantischen und der Katholischen Kirche eine herausragende Rolle. Diese Naturreligionen bilden eine friedliche Einheit und haben über die Zeit ein einheitsstiftendes kulturelles Muster entwickelt, welches dazu führte, dass es in den letzten 200 Jahren zu keinen größeren ethnischen und religiösen Differenzen kam.[6] Ghana ist ein sehr ressourcenreiches Land und die Bevölkerungsstruktur entspricht der klassischen Bevölkerungspyramide mit einer Lebenserwartung von 60 Jahren, was für ein afrikanisches Land wie Ghana gut ist.[7] Auch wirtschaftlich gesehen steht Ghana vergleichsweise gut da, sowohl das Wirtschaftswachstum kann stetig ausgebaut werden aber auch die internationalen Wirtschaftsbeziehungen. Mit Hilfe des Internationalen Währungsfond konnte auch die Inflation weiter bekämpft werden. Als Exportgüter gelten in Ghana besonders Kakao und Gold und mit der Entdeckung von Ölvorkommen im Golf von Guinea nun auch Öl. Gerade mit Deutschland pflegt Ghana eine gute Handelsbeziehung und importiert auch viele Güter aus Deutschland wie zum Beispiel Fahrzeuge und Maschinen.[8]

2.1 Historische Einblicke

Die geschichtliche Entwicklung Ghanas ist eng verbunden mit dem Entstehen ihres politischen Systems. Die Darstellung der Geschichte ist dabei auch unabdingbar für das Theoriekonzept des Evolutorischen Institutionalismus, denn sie bieten die Grundlage um eventuelle Pfadabhängigkeiten und vorhandene Verfassungsstrukturen zu erklären.

Die Ursprünge der ghanaischen Kultur gehen viele Jahrhunderte weit zurück in die Geschichte. Wie es in dieser Region üblich war, gab es unzählige Einwanderungswellen und Wanderbewegungen die in ihrer Gesamtheit hier nicht dargestellt werden können. Zur Zeit der Kolonialisierung wuchs der Handel mit Gold und Menschen und dies lockte viele Europäer auf den afrikanischen Kontinent, was auch Ghanas Geschichte stark beeinflusste.[9] Noch heute gibt es viele Befestigungen die davon zeugen, dass bis zum 18. Jahrhundert ein harter Kampf um die Vorherrschaft in der Region der Goldküste herrschte.[10] Am Ende zeigten sich die Engländer am hartnäckigsten und übernahmen die Herrschaft als Kolonialherren über diese Region zum Ende des 18. Jahrhunderts. Mit den Freiheitsbewegungen der unzufriedenen ghanaischen Bevölkerung verloren die Briten in den 1950er Jahren schnell an Einfluss und somit war der weg zur Selbstbestimmung frei.[11] Die Unabhängigkeit erreichte Ghana dann am 06.03.1957 welcher bis heute als Nationalfeiertag zelebriert wird. Die beiden Parteien UGCCP und dann die CCP haben mit dem späteren Nationalhelden Kwame Nkruma, der das Land sozialistisch gestaltete und an die Ostblockstaaten angliederte, einen wesentlichen Beitrag dazu beigetragen.[12] Die Verbindung zu Großbritannien ist jedoch nie ganz abgerissen und so wurde Ghana auch das erste schwarzafrikanische Land welches die Vollmitgliedschaft im Commonwealth of Nation bekam.[13] Die größte Aufgabe war es nun die kolonialen Strukturen wieder abzubauen und ein neues afrikanisches Selbstbewusstsein zu schaffen. Zwischen den Jahren 1957 und 1981 existierten immer wieder demokratisch legitimierte Zivilregime die jedoch von militärischen Ordnungsdiktaturen abgelöst wurden und somit machte das Land verschiedene Regierungssysteme durch.[14] Durch die Militärputsche rutschte Ghana in den Autoritarismus und neue Verfassungen gaben den Präsidenten starke Machtbefugnisse die das Land in wenigen Jahren zu einem Einparteienstaat führten und Korruption, Schulden und auch hohe Arbeitslosigkeit[15] nach sich zog. Somit kann gesagt werden, dass die ersten Regierungen von starker Instabilität geprägt waren.

Einer der wichtigsten Hauptakteure war Jerry J. Rawling der als ehemaliger ghanaischer Luftwaffenhauptmann 1979 einen erfolglosen Militärputsch durchführte und daraufhin zum Tode verurteilt wurde.[16] Er wurde jedoch vor der Vollstreckung durch einen erneuten Putsch befreit und zum neuen Regierungschef ernannt. Er übernahm 1981 die politische Macht und versuchte seine Herrschaft populistisch zu legitimieren in dem er propagierte, dass Führer und Volk eine Einheit bildeten.[17] Er genoss große Sympathien, da er die Korruption bekämpfen wollte und flächendeckend für Modernisierung sorgen wollte du schaffte es sogar dem Land wieder etwas Stabilität zu geben. Die Wirtschaft konnte sich erholen und Anfang der 1990er Jahre sollten wieder demokratische und dezentralisierte Verhältnisse im Land geschaffen werden. So Rawlings:

„Fellow citizen of Ghana, as you would have noticed we are not playing the National Anthem. In other words this is not a coup. I ask for nothing less than a revolution, something that would transform the social and economic order of this country. The military is not to take over. We simply want to be part of the decision-making process in this country. […] We are asking for nothing more than to organize this country in such a way that nothing will be done from the Council […] without the consent and the authority of the people.”[18]

Rawlings gelang es zu modernisieren und auch zu demokratisieren und schaffte zum Teil auch eine Umverteilung zu Gunsten der Armen in dem er sich unter anderen an westliche Institutionen wandte wie dem IWF oder der Weltbank.[19] Auch wenn es so aussah, das Jerry Rawlings die Vorgaben und Auflagen der internationalen Gemeinschaft erfüllte und schon als „Musterschüler der Bretton-Woods Institutionen“[20] bezeichnet wurde, blieben dennoch viele auf der Strecke und entwickelten sich zu Gegnern seiner Regierung. 1992 wurde unter Rawlings für Ghana eine neue Verfassung eingeführt, die als demokratische Verfassung ähnlich eines französischen Präsidialsystems, heute noch Bestand hat: die Verfassung der vierten Republik.[21] Sie ermöglichte freie Wahlen, Presse- und Meinungsfreiheit, das Recht auf körperliche Unversehrtheit, Gleichheit vor dem Gesetz und erkannt offiziell die Menschenrechte an.[22] Durch die geschichtlichen Erfahrungen mit verschiedenen politischen Systemen und besonders durch die allgemein große religiöse Toleranz und Akzeptanz kam es zu einem Mehrparteiensystem. Rawlings trat bei den Wahlen als Zivilist an und wurde mit seiner Partei PNDP (Provisional National Defence Party) und mit über 50% zum neuen Präsidenten Ghanas gewählt.[23] Für das neue Ghana wurde die Leitidee der Gewaltenteilung, der Gewaltlosigkeit und Sicherheit wieder umgesetzt und so konnte das Land zum Vorbild für die Region werden mit wachsender inneren Stabilität und einem großem Maß an Liberalität.

Der Machtwechsel 2000 gilt als ein demokratischer Meilenstein, da Jerry Rawlings sein Amt ohne Widerstreben an John Agyekum Kufuor abgab und so die politische Lage weiterhin stabilisierte. Ghanas Geschichte ist eine außergewöhnliche in Afrika, sie ist größtenteils friedlich verlaufen und es gab weder Teilungen, Völkermorde oder Säuberungen.[24] Der besondere Einfluss der Naturreligionen bzw. der Naturverehrung wirkt oft versöhnend zwischen den verschiedenen Volksgruppen, sodass überall muslimische und christliche Elemente zusammen existieren und durch Naturrituale sogar oft zusammen praktiziert werden können.[25] Dieses kulturelle Muster der Einheit ist jahrelang gewachsen und wurde weitervererbt. Es führt so zu einem integrativen und harmonischen System mit großer ethnischer und religiöser Toleranz, die auch im politischen Prozess eine wichtige Rolle spielt und als kulturelles Muster der Integration ein Eckpfeiler des politischen und sozialen Systems ist.[26] Die beschriebenen politischen Veränderungen in Ghana wurden fast immer von hoch gebildeten Eliten und hohen politischen und militärischen Rängen durchgeführt.

[...]


[1] Siehe: http://www.zitate-online.de/literaturzitate/allgemein/15658/fuer-manches-unterentwickelte-land-ist-das.html, (07.03.2014).

[2] Straßner, Alexander: Militärdiktaturen im 20. Jahrhundert, Motivation, Herrschaftstechnik und Modernisierung im Vergleich, Wiesbaden, 2013, S. 314f.

[3] Siehe: Auswärtiges Amt, Länderinformation Ghana, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Ghana_node.html, Stand April 2013, (07.03.2014).

[4] Ebd.

[5] Ebd.

[6] Straßner, 2013, S. 315f.

[7] Siehe: Auswärtiges Amt, Länderinformation Ghana, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Ghana_node.html, Stand April 2013, (08.03.2014).

[8] Siehe: Auswärtiges Amt, Länderinformation Ghana, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ghana/Wirtschaft_node.html, Stand April 2013, (08.03.2014).

[9] Von Gnielinski, Stefan: Ghana, Tropisches Entwicklungsland an der Oberguineaküste, Darmstadt, 1986, S. 77ff.

[10] Ebd.

[11] Ebd.

[12] Nohlen, Dieter: Lexikon Dritte Welt; Länder, Organisationen, Theorien, Begriffe, Personen, Hamburg, 2002, S. 28f.

[13] Ebd.

[14] Straßner, 2013, S. 314f.

[15] Ebd.

[16] Ebd.

[17] Ebd.

[18] Hansen, Emmanuel: Ghana Under Rawlings, Early Years, Lagos, 1991, S. 13.

[19] Ebd.

[20] Gieler, Wolfgang: Personenlexikon Afrika, Bonn, 2011, S. 172.

[21] Tetzlaff, Rainer / Jakobeit, Cord: Das nachkoloniale Afrika, Politik-Wirtschaft-Gesellschaft, Wiesbaden, 2005, S. 177f.

[22] Ebd.

[23] Ebd.

[24] Owusu, Maxwell: Tradition and Transformation, Democracy and the Politics of Popular Power in Ghana, The Journal of Modern African Studies 34, 1996, S. 322ff.

[25] Owusu, 1996, S. 322ff.

[26] Ebd.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Ghana als afrikanischer Musterstaat des Parlamentarismus
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Politikwissenschaft)
Note
2,7
Autor
Jahr
2014
Seiten
26
Katalognummer
V275354
ISBN (eBook)
9783656676423
ISBN (Buch)
9783656676409
Dateigröße
546 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
ghana, musterstaat, parlamentarismus
Arbeit zitieren
Friederike Selle (Autor:in), 2014, Ghana als afrikanischer Musterstaat des Parlamentarismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/275354

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