Vom Aufbau der „antifaschistischen Arbeiter- und Bauernarmee“ der SBZDDR in der Zeit von 1945 bis 1949

Ein Aufbau ohne Wehrmachteinflüsse?


Seminararbeit, 2013

22 Seiten, Note: 2,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung - Zielstellung und Struktur der Arbeit

2. Neuanfang bei der deutschen Polizei nach 1945 - ein Überblick

3. Die „Verschärfung des Klassenkampfes“ und seine Folgen für die sicherheits- und militärpolitischen Planungen in der SBZ bis zur Gründung der DDR

4. Das Entstehen der Bereitschaften und ihre Entwicklung bis zur Gründung der DDR im Oktober 1949

5. Woher die Kader nehmen? Aspekte der Personalbeschaffung für die neuen Sicherheitsorgane in der SBZ
5.1 „Bewährte Antifaschisten“ Kader der ersten Stunde - die glückliche Rückkehr ehemaliger Generale und Offiziere in die SBZ
5.2 Militärische Qualifikation und verwaltungstechnisches Wissen als Eintrittskarte für ehemalige Wehrmachtangehörige

6. Einmal Uniform, immer Uniform? Von Kontinuitäten und Brüchen - zwei ehemalige Wehrmachtangehörige auf der Karriereleiter in der SBZ/DDR
6.1 Vincenz Müller
6.2 Fritz Streletz

7. Schlussbetrachtung

Quellen und Literaturverzeichnis

1. Einleitung - Zielstellung und Struktur der Arbeit

Bis zu ihrem Ende 1990 sah sich die DDR in ihrem Selbstverständnis als der positive Gegenentwurf zum westlichen Teil Deutschlands. Gegenüber dem kapitalistischen Deutschland stand die sozialistische DDR, ein antifaschistischer Staat1 in marxistisch-lenististischer Lesart, der Vorbildcharakter haben sollte. Vorbildcharakter, weil hier nicht nur das bessere staatliche Gebilde entstehen sollte, sondern auch, weil dieser Staat sich ganz und gar seiner nationalsozialistischen und faschistischen Vergangenheit entledigen würde. Diese Reinheit sollte dem Anspruch der KPD/SED- Führung nach von Beginn an in allen gesellschaftlichen Bereichen erreicht werden, so auch beim Aufbau von Strukturen, die für die öffentlichen Verwaltung und Sicherheit notwendig waren. Der vorliegende Aufsatz will sich diesem Aufbau vor allem hinsichtlich der Polizei- und den aus ihr hervorgehenden Bereitschaften, Vorläufer der im Jahre 1956 gegründeten NVA, nähern und sich dabei u.a. mit der Frage auseinandersetzen, ob es der SED-Führung gelungen war, dem sich aufgetragenen antifaschistischen und antimilitaristischen Ideal zu entsprechen. Die Arbeit wird dazu in zwei Teile gegliedert, von denen sich der erste mit der Frage nach dem Verlauf des Aufbaus der Sicherheitsorgane in der SBZ/DDR vor dem Hintergrund der politischen Entwicklungen zwischen 1945 und 1949 beschäftigen wird. Im zweiten Teil wird konkret nach den Lösungsansätzen für die virulent werdenden Personalfragen insbesondere für die höheren Führungsebenen gefragt. Zur Veranschaulichung der beiden Teile werden zwei Portraits ehemaliger Wehrmachtangehöriger vorgestellt, die verdeutlichen, dass die Aufnahme für Angehörige dieses Personenkreises in die ab 1948 neu entstehenden militärischen Sicherheitsorgane nicht nur möglich war, sondern auch eine große Karriere bedeuten konnte. Im abschließenden Resümee werden die wesentlichen Beobachtungen zusammengefasst und beurteilt.

Für die Arbeit wurde primär auf folgende Literatur zurückgegriffen: die Dissertation „Das feldgraue Erbe von Daniel Niemetz“; Aufsätze aus dem Band „Volksarmee schaffen - Ohne Geschrei“ von Bruno Thoß (Hrsg.) und sehr aufschlussreiche und zum Weiterlesen einladende Portraits von Generalen der DDR im Band „Genosse General“ von Hans Ehlert und Armin Wagner (Hrsg.).

2. Neuanfang bei der deutschen Polizei nach 1945 - ein Überblick

Nachdem Deutschland im Mai 1945 von den Alliierten Mächten vernichtend geschlagen worden war, galt es nun unter Berücksichtigung der im Potsdamer Abkommen formulierten Ziele das Land wieder aufzurichten. Zu den vordringlichsten Zielen gehörte die politische Neuorganisation Deutschlands. Dazu wurde unter Punkt A u.a. formuliert:

„Völlige Abrüstung und Entmilitarisierung Deutschlands […]. Zu diesem Zweck: a) werden alle Land-, See- und Luftstreitkräfte Deutschlands, SS, SA, SD und Gestapo mit allen ihren Organisationen, Stäben und Ämtern, einschließlich des Generalstabes, des Offizierkorps, der Reservisten, der Kriegsschulen, der Kriegervereine und aller anderen militärischen und halbmilitärischen Organisationen zusammen mit ihren Vereinen und Unterorganisationen, die den Interessen der Erhaltung der militärischen Tradition dienen, völlig und endgültig aufgelöst, um damit für immer der Wiedergeburt oder Wiederaufrichtung des deutschen Militarismus und Nazismus vorzubeugen.[...]“2

Insgesamt sollten die vorgesehenen Maßnahmen darauf hinauslaufen, dass Deutschland so gestaltet werden sollte, dass von ihm keine erneuten Aggressionen ausgehen könnten, dass Militarismus und Nazismus für immer verbannt würden. In dem zu entnazifizierenden und entmilitarisierenden Land, das in vier Besatzungszonen unterteilt wurde, mussten jedoch bestimmte Bereiche, u.a. die Verwaltung, die Wiederherstellung und Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit und Ordnung, gewährleistet sein, damit ein allgemeiner Wiederaufbau überhaupt erfolgen konnte. Für die letztere Aufgabe stellte man die Polizeien wieder- oder sogar neu auf. Wie die Besatzungsmächte dabei vorgingen, soll hier mit wenigen Bemerkungen nachgezeichnet werden: so orientierten sich beispielsweise die Briten und die Franzosen bei der Neuorganisation an der eigenen Tradition, die Amerikaner kommunalisierten die Polizei in Orten mit über 5000 Einwohnern. Da es sich allerdings als unumgänglich herausstellte, auf ehemalige Polizisten des „Dritten Reiches“ zurückzugreifen, da nur diese die erforderlichen Qualifikationen besaßen, gelangte man bald zu der Einsicht, dass das hochgesteckte und an sich unrealistische Ziel der vollständigen Entnazifizierung in diesem Bereich ein unerfüllbarer Wunsch bleiben musste.3

In der sowjetisch besetzten Zone (SBZ), die der Kontrolle der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) unterstand, wurde wie folgt vorgegangen: die SMAD verfügte die annähernd vollständige Entlassung4 aller bis zum Kriegsende aktiven deutschen Polizisten, wodurch dem im Potsdamer Abkommen formulierten Ziel der Entnazifizierung auf den ersten Blick entsprochen wurde. Da Moskau beabsichtigte, den östlichen Teil Deutschlands gänzlich in seinen Herrschaftsbereich einzuhegen, sorgten die Verantwortlichen unverzüglich für eine entsprechende Besetzung der ranghohen Polizei- und Verwaltungsposten mit Kommunisten, bew ä hrten Vertretern der Arbeiterklasse oder bew ä hrten Antifaschisten 5. Diese Praxis diente dem vorrangigen Ziel, die langfristige Sicherung der ostdeutschen Verwaltung und Polizei als Herrschaftsinstrument Moskaus auf dem Gebiet der SBZ zu garantieren.6

Ein erstes Urteil nach dem bisher Gesagten könnte lauten, dass das gesetzte Ziel der Entnazifizierung für die unmittelbare Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges hinsichtlich des deutschen Polizeiapparates in den westlichen Zonen als eher gescheitert7, auf dem Gebiet der SBZ als überwiegend „geglückt“8 betrachtet werden kann. Die zweite Feststellung bleibt zunächst eine vorläufige und wird im Laufe dieser Arbeit noch differenzierter zu betrachten sein. Wir lenken unsere Aufmerksamkeit als nächstes auf die konkreten Entwicklungen im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands; d.h. auf die sich herausbildenden institutionellen Strukturen innerhalb der ostdeutschen Polizei bis zum Jahre 1949/50.

3. Die „Verschärfung des Klassenkampfes“ und seine Folgen für die sicherheits- und militärpolitischen Planungen in der SBZ bis zur Gründung der DDR

Die politischen Tatsachen und Entwicklungen zwischen 1945 und 1949 waren in den besetzten Zonen zunächst nicht eindeutig. Das heißt, dass zunehmend sehr unterschiedliche Interessen und Vorstellungen hinsichtlich der zukünftigen Gestaltung Deutschlands und Europas hervortraten, was wiederum zu vermehrten Spannungen zwischen den westlichen Siegermächten und der Sowjetunion führte. Wie stellten sich vor dem Hintergrund dieser Spannungen die institutionellen sicherheits- und militärpolitischen Entwicklungen in der SBZ/DDR dar? Welche konkreten Reaktionen zeigten

die Verantwortlichen im Osten auf die Maßnahmen des Westens?

Zunächst einmal unterstanden ausnahmslos alle Entscheidungen der Kontrolle und dem Interesse der Regierung Moskaus, deren vorderstes Ziel die Machtsicherung im eigenen Einflussbereich war. Die Besetzung und Kontrolle der Verwaltungs- und Sicherheitsorgane war für dieses Ziel von höchstem Rang. Darum wurden auf den höheren und höchsten Leitungsebenen dieser Institutionen gezielt Mitglieder aus der 1946 gegründeten SED eingesetzt, womit ein wesentlicher Schritt für die zentralistische Kontrolle und Leitung sämtlicher gesellschaftlicher Bereiche nach dem Vorbild der KPdSU getan worden war. Die oberste Verantwortung, auch für den hier zu untersuchenden Bereich der Polizei, oblag dem SED-Vorsitzenden Walther Ulbricht.9

Mit der von der SMAD angeordneten verdeckten Gründung der Deutschen Verwaltung des Innern (DVdI) im August 1946 entstand ein erstes Organ zur zentralen Lenkung aller Einrichtungen verwaltungs- und sicherheitsrelevanten Charakters in der SBZ; auch die Polizei wurde damit der zentralen parteilichen Kontrolle unterworfen, was den Dezentralisierungsabsichten des Potsdamer Abkommens widersprach.10 Selbstverständlich wurden alle entscheidenden Posten in der DvdI mit SED-Mitgliedern oder bew ä hren Antifaschisten besetzt. Diese entschieden entsprechend der Parteilinie über Fragen des Einsatzes und der Ausbildung der Polizeikräfte. Auch für die im selben Jahr durch die SMAD aufgestellte und zunächst durch sie geführte Grenzpolizei war hinsichtlich der Einstellungsangelegenheiten die DVdI zentral verantwortlich. Aus den eigenen Reihen hervorgebrachte Einwände gegen die sich abzeichnenden Zentralisierungsmaßnahmen wurden mit dem Hinweis auf die ausufernde Kriminalität und ihrer effizienten Bekämpfung zerstreut.11

Die von westlicher Seite am 1. Januar 1947 gebildete Bizone, die Planung einer sich darauf gründenden Wirtschaftszone und die Verkündung der Truman-Doktrin am 12. März desselben Jahres bezeugten nicht nur die weitere Auseinanderentwicklung der Interessen der Besatzungsmächte, es schienen sich damit auch die Einflussmöglichkeiten der SED-Führung auf den westlichen Teil Deutschlands und damit auch die Chancen für einen Einheitsstaat nach ihrer Vorstellung zu reduzieren. Daraus resultierte wiederum eine verstärkte Konzentration der Machtsicherung nach innen. In diesem Zusammenhang können der weitere Ausbau und die Sicherung der zentralen Lenkung der Verwaltungs- und Polizeiorgane durch die DVdI als konkrete Reaktionen auf die genannten Maßnahmen der Westmächte gesehen werden.

[...]


[1] So ist in Art.6 der DDR-Verfassung von 1968 zu lesen: „Die Deutsche Demokratische Republik hat getreu den Interessen des deutschen Volkes und der internationalen Verpflichtung aller Deutschen auf ihrem Gebiet den deutschen Militarismus und Nazismus ausgerottet und betreibt eine dem Frieden und dem Sozialismus, der Völkerverständigung und der Sicherheit dienende Außenpolitik.“

[2] Vgl. Mitteilung über die Dreimächtekonferenz von Berlin "Potsdamer Abkommen" vom 2. August 1945;http://www.documentarchiv.de/in/1945/potsdamer-abkommen.html

[3] Vgl. Carsten Dams. Die Polizei in Deutschland 1945 - 1989, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 48/2008, S. 9 f.

[4] Insgesamt wurden bis zum Ende 1948 520000 ehemalige Mitglieder der NSDAP oder ihrer Gliedorganisationen aus ihren Dienstposten entlassen, Vgl. Joachim Tornau: Nationale Traditionen unseres Volkes, S. 185 f.http://webdoc.gwdg.de/edoc/p/fundus/4/tornau.pdf (10. März 2013). Insgesamt waren ca. 6,6 Millionen Deutsche Mitglied in der NSDAP und weitere Millionen in angegliederten Organisationen, Vgl. Michael Lippa: Antifaschismus in der SBZ/DDR, in: DDR im Recht, 14, 2006, S. 47 - 51.

[5] Um welche Personengruppen es sich bei den „bewährten Antifaschisten“ handelte wird im Verlaufe der Untersuchung erläutert werden.

[6] Vgl. Rüdiger Wenzke: Auf dem Weg zur Kaderarmee. Aspekte der Rekrutierung, Sozialstruktur und personellen Entwicklung des entstehenden Militärs in der SBZ/ DDR bis 1952/52, in: Thoß, Bruno: Volksarmee schaffen ohne Geschrei! München 1994, S. 207.

[7] Weitergehende Untersuchungen für den Bereich der westlichen Polizeien; Gründe und Folgen dieses Rückgriffs:Vgl. Jeffrey S. Richter: „Entpolizeilichung“ der öffentlichen Ordnung. Die Reform der Verwaltungspolizei in der britischen Besatzungszone 1945 -1955, in: Gerhard Fürmetz/Herbert Reinke/Klaus Weinhauer (Hrsg.): Nachkriegspolizei. Sicherheit und Ordnung in Ost - und Westdeutschland 1945 - 1969, Hamburg 2001, S. 35 - 60.;Vgl. Stefan Noethen: Alte Kameraden und neue Kollegen. Polizei in Nordrhein-Westfalen 1945 - 1953, Essen 2003.

[8] „Geglückt“ bedeutet nicht, dass zu dieser Zeit ausnahmslos Personen ohne Wehrmachtshintergrund eingestellt wurden.

[9] Vgl. Wolfgang Eisert: Zu den Anfängen der Sicherheits- und Militärpolitik der SED-Führung 1948 - 1952, in:Bruno Thoß: Volksarmee schaffen ohne Geschrei! München 1994, 144 - 146.

[10] Vgl. Eisert: Anfänge, S. 148 f.

[11] Vgl. ebenda, S. 150 f.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Vom Aufbau der „antifaschistischen Arbeiter- und Bauernarmee“ der SBZDDR in der Zeit von 1945 bis 1949
Untertitel
Ein Aufbau ohne Wehrmachteinflüsse?
Hochschule
Universität Potsdam  (Historisches Insitut)
Veranstaltung
Rote Preußen
Note
2,0
Jahr
2013
Seiten
22
Katalognummer
V275437
ISBN (eBook)
9783656681557
ISBN (Buch)
9783656681526
Dateigröße
586 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
aufbau, arbeiter-, bauernarmee, sbzddr, zeit, wehrmachteinflüsse
Arbeit zitieren
Anonym, 2013, Vom Aufbau der „antifaschistischen Arbeiter- und Bauernarmee“ der SBZDDR in der Zeit von 1945 bis 1949, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/275437

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