Leseprobe
Radoslaw Lis
Geschichte der deutschen Schule. Lehrerbezeichnungen im 19. Jahrhundert.
Im 19. Jahrhundert ergibt sich immer wieder der Bedarf, die in Verbindung mit den zahlreichen Schulanstalten stehenden Beamten und Fachleute entsprechend zu bezeichnen. Wie auch früher holt man die nötigen Benennungen für die entsprechenden schulischen Vorgänge und Erscheinungen vorwiegend nicht nur aus dem Latein (da die lateinische Sprache immer noch die deutsche Schulterminologie in hohem Maße beeinflusst), sondern auch von der Kirchenterminologie, die an vielen Stellen in den Schulordnungen zu finden ist, auch wenn die jeweiligen Schulanstalten nicht mehr der Kirche unterstehen.
Das Nomen Lehrer (got. laisareis, ahd. lêrari, mhd. lêrære[1] ), das bereits seit dem 8. Jahrhundert belegt ist und meist einen „Unterweiser im göttlichen Wort“[2] bezeichnet, gewinnt erst im 18. Jahrhundert allgemeineren Gebrauch und erfreut sich im 19. Jahrhundert in deutschen Quellen viel häufigerer Verwendung als in vorangehenden Epochen. Darunter versteht man jetzt eigentlich jede berufsmäßig unterrichtende Person, die an einer Schulanstalt arbeitet und anderen sein Wissen vermittelt.
Durch diese bereits in der althochdeutschen Zeit aufgenommene Bezeichnung entstehen auch zahlreiche Zusammensetzungen, die u. a. auf eine ganze Reihe von bestimmten, im 19. Jahrhundert bestehenden Schulformen zurückzuführen sind. Aus diesem Grund spricht man beispielsweise von einem Gymnasiallehrer, Mittelschullehrer, Volksschullehrer[3] etc.
Auch in Bezug auf die einzelnen Unterrichtsfächer dient der oben genannte Begriff als Basis für zahlreiche Komposita. Darunter sind u. a. solche Zusammensetzungen zu verstehen wie z. B. Gesanglehrer, Musiklehrer, Religionslehrer (evangelischer, katholischer, altkatholischer, jüdischer), Sprachlehrer, Tanzlehrer, Turnlehrer, Zeichenlehrer[4] und viele andere.
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[1] Vgl. Kluge 1899, S. 242
[2] Vgl. Kluge 1899, S. 242
[3] Vgl. Thomé 1890, S. 49
[4] Vgl. Poeschel 1901, S. 86