Das Thema und der Inhalt dieser Arbeit nehmen in der Reihe bisher erschienenen sprachgeschichtlicher Schriften eine Sonderstellung ein. Während der überwiegende Teil der veröffentlichten Arbeiten zum deutschen Schulwesen sich mit der Geschichte der pädagogischen Gedanken und Zielvorstellungen auseinandersetzt, wird in dieser Arbeit die Schulterminologie in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt.
Die Sprachentwicklung wurde am Unterrichtsgeschehen an den verschiedenen Typen des niederen und höheren deutschen Schulwesens dargestellt, wodurch ein lebendiges Bild der die Schule begleitenden Sprachereignisse nachgezeichnet werden konnte, das die Veranschaulichung der Entwicklung und Veränderung des Schulwortschatzes ermöglichte.
Die vorgelegte Arbeit ist solch einem sprachlichen Phänomen nachgegangen und hat die historischen Wurzeln der für die deutschen Staaten im 19. Jahrhundert neuen Realität, die bis in die Gegenwart zu beobachten ist, bloßgelegt, von ihrem ursprünglichen Selbstverständnis her untersucht und in ihrer Entwicklung verfolgt.
Die Ergebnisse der Untersuchungen dürften in aller Deutlichkeit gezeigt haben, dass die Schulterminologie wandelbar ist, dass die tragenden Kräfte einer jeden Zeit den entsprechenden Schulwortschatz entwickeln müssen. Ebenso selbstverständlich sollte es aber auch sein, dass neu zu schaffende Schultermini nur Ausprägungen bestimmter geistiger Prinzipien und Haltungen sein können.
Die vorliegende Arbeit ist eine linguistische Abhandlung mit starken Bezügen zur Kulturgeschichte, vor allem zur Bildungsgeschichte. Gerechtfertigt aber dadurch, dass dies, wenn die Geschichte der Sprache nachgezeichnet werden soll, vor dem Hintergrund der allgemeinen historischen, politischen, schul- und sozialgeschichtlichen Entwicklung erfolgen muss. Denn die Sprachgeschichte eines Volkes, richtig verstanden und betrieben, darf keinen bloß antiquarischen oder musealen Charakter tragen – sie muss vielmehr wie in einem Brennspiegel seine geistige, soziale und politische Geschichte erkennen lassen.
Radoslaw Lis
Geschichte der deutschen Schule. Schulfächerbezeichnungen im 19. Jahrhundert.
In Preußen wurde, ähnlich wie in den anderen deutschen Staaten, die allgemeine Schulpflicht im Verlauf des 18. Jahrhunderts wiederholt proklamiert, jedoch erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts konnte sie durchgesetzt werden. Während zu Beginn kaum mehr als die Hälfte der Jugendlichen eine Schule besuchten, taten dies gegen Ende des 19. Jahrhunderts nahezu alle Jugendlichen.[1]
Innerhalb dieses Prozesses der Durchsetzung der allgemeinen Schulpflicht entwickelten sich auch zahlreiche neue Wortschatzstrukturen in Bezug auf die einzelnen Unterrichtsfächer – infolge der durchgeführten Schulreformen und eingeführten reformatorischen Bildungsideen und Lehrprogrammen ergab sich der Bedarf, für die modernen Lehrinhalte entsprechende Bezeichnungen zu finden.
Die Fachliteratur im 19. Jahrhundert beinhaltet zahlreiche synonymische Benennungen für den wohl am häufigsten auftretenden Nomen Schulfach, einer Zusammensetzung aus Schule (ahd. scuola, mhd. schuol(e), abgeleitet über das lat. schola vom griech. scholḗ – „Studium, Vorlesung“, ursprünglich „Müßiggang“, „Nichtstun in Bezug auf körperliche Arbeit“[2] ) und Fach (ahd. fah, mhd. vach – „Teil“, „Abteilung“, „Spezialgebiet“[3] ). Es werden eben erst seit dem 19. Jahrhundert unter den Fächern die Teildisziplinen an den Schulen verstanden[4], darüber hinaus bedient man sich auch solcher Zusammensetzungen wie Unterrichtsfach und Lehrfach – unter dem Begriff Unterricht (mhd. underriht[5]), der seit dem Anfang des 16. Jahrhunderts seinen Gebrauch in der deutschen Sprache findet, versteht man „regelmäßige Unterweisung“, „schulmäßige Belehrung“[6]. Auch die Lehre (ahd. lêra, mhd. lêre[7] ) weist eine ähnliche Bedeutung auf, und die beiden Nomen finden selbstverständlich auch im 19. Jahrhundert sehr oft ihren Einsatz, wodurch auch zahlreiche Zusammensetzungen entstehen. Daher begegnet man vielerorts in der Literatur solchen Komposita wie z. B. Lehrplan[8], Lehrstoff[9], Lehrstunde[10], Lehrobjekt[11], Unterrichtsstoff[12], Unterrichtszweig[13].
[...]
[1] Vgl. Rethwisch 1893, S. 1
[2] Vgl. Adelung 1798, Band 3, S. 1677
[3] Vgl. Schröder 1938, S. 271f.
[4] Vgl. Schröder 1938, S. 271f.
[5] Vgl. Grimm et al. 1971, Band 10, S. 1724
[6] Vgl. Grimm et al. 1971, Band 10, S. 1724
[7] Vgl. Adelung 1796, Band 2, S. 1984f.
[8] Vgl. Paulsen 1885, S. 53
[9] Vgl. Rethwisch 1893, S. 182
[10] Vgl. Brunnemann, 1890, S. 3
[11] Vgl. Unterrichts-Verfassung der Gymnasien und Stadtschulen vom 12. Januar 1816. In: Schweim 1966, S. 62
[12] Vgl. Spilleke 1821, S. 72
[13] Vgl. Süvern: Entwurf eines allgemeinen Gesetzes über die Verfassung des Schulwesens im preußischen Staate. Vom Jahre 1819. In: Thiele 1913, S. 12f.
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