Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Deutschland- ein Einwanderungsland
2.1. Geschlechterproblematik im Unterricht
3. Sexismus in deutschsprachigen Unterrichtsmaterialien
3.1. Unterrepräsentation von Frauen
3.2. Unterordnung und Abhängigkeit
3.3. Stereotypisierung
3.4. Sexistischer Sprachgebrauch
3.5. Nachlässigkeit und Ungenauigkeit
3.6. Degradierung, Isolierung, Oberflächlichkeit
4. Fazit
5. Literaturliste
1. Einleitung
Das Herabwürdigen, Verschweigen, Minderbewerten weiblicher Leistungen, die Darstellung von Frauen als Sexobjekte oder von Männern abhängige Personen, das Denken in Geschlechtsstereotypen und das Setzen alles Männlichen als Norm - sind nur einige Aspekte von Sexismus.1 Sowohl Männer als auch Frauen werden dabei in der Entfaltung ihrer individuellen Fähigkeiten und Interessen durch anachronistische Vorstellungen von geschlechtsangemessenen Rollen eingeschränkt.2 Unter sexistischen Unterrichtsinhalten kann man im Folgeschluss geringere Identifikationsinhalte für Schülerinnen und eine nicht sachgemäße Widerspiegelung des weiblichen Alltags in puncto gesellschaftlicher Leistung und Lebenserfahrung erwarten. Durch Erziehungs- und Lernsituationen wird die althergebrachte Geschlechterhierarchie durch Frauendiskriminierung bestätigt. Diese Hausarbeit befasst sich mit der Fragestellung inwieweit Sexismus in der Deutsch als Fremdsprachenliteratur3 überhaupt Bestand hat. Dabei werden diesbezügliche Kritiken aus deutsch- und fremdsprachigem Raum aufgegriffen und mit der aktuellen DaF Literatur, für die repräsentativ das „Ja genau!“ von dem Verlagshaus Cornelsen und den Ergebnissen der Analyse des Fernsehsprachkurses „Alles Gute“ aus dem Jahre 1994 verglichen.4 Um die Arbeit ordnungsgemäß in einen situativen Kontext einzubetten, wird unter „2.1. Deutschland ein Einwanderungsland“ noch einmal die Geschichte der Migration nach Deutschland beleuchtet und einige aktuelle Fakten und Zahlen genannt. Im Rahmen von „2.2. Geschlechterproblematik im Unterricht“ wird eine ausländische Studie von David Caroll und Johanna Kollwitz und ein Teil ihrer Ergebnisse zur Gewährleistung der Sensibilisierung auf das Thema vorgestellt. Kapitel 3 widmet sich der Vorstellung der o.g. Lehrwerke und ihrem formalen Aufbau und geht in folgenden Unterpunkten auf einzelne Kriterien zur näheren Analyse, Bewertung und Vergleich über.
2. Deutschland - ein Einwanderungsland
Deutschlands Geschichte ist nicht erst seit dem Bestehen der Bundesrepublik durch Zu- und Abwanderungen geprägt. Über die Jahrhunderte gingen in großer Zahl Deutsche als Arbeits-, Siedlungs-, Heirats-, Wohlstands- und Kulturwanderer ins Ausland, ebenso wie Ausländerinnen und Ausländer aus denselben Gründen nach Deutschland kamen.5 Hinzu traten als Folge der beiden Weltkriege zusätzlich noch Zwangswanderungen. Die ersten Gastarbeiter bevölkerten Deutschland bereits in den 1880er Jahren, als im Zuge der expandierenden Industrie der natürliche Bevölkerungszuwachs nicht mehr ausreichte, um Arbeitskräfte zu stellen. Über 1,2 Millionen „ausländische Wanderarbeiter“, vornehmlich polnischer Herkunft, waren in Deutschland bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges beschäftigt.6
31 Millionen Menschen sind seit 1954 nach Deutschland immigriert, zwischen 1955 und 1973 waren es Millionen Arbeitskräfte aus dem Mittelmeerraum, deren Arbeitskraft maßgeblichen Einfluss auf das „zweite Wirtschaftswunder“ hatte.7 Die größte Zuwanderungsquote hatte Deutschland allerdings zwischen 1988 und 1993. Innerhalb dieser sechs Jahre immigrierten 7,3 Millionen Aussiedler, Asylbewerber, „neue Gastarbeiter“ und nachziehende Familienangehörige in die Bundesrepublik. Laut dem statistischen Bundesamt hatte im Jahr 2005 jeder fünfte Mensch in Deutschland ausländische Wurzeln und seit 2010 sind es erstmals mehr als 16 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, die in der Bundesrepublik aus unterschiedlichen Gründen beheimatet sind. Damit steigt der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund auf 19,9 %.8
Waren im Zuge der ersten Einwanderungswellen in den fünfziger Jahren Sprachkurse zum Erwerb der deutschen Sprache noch auf freiwilliger Basis, wurden in den darauffolgenden Jahren Integrationskurse für Zuwanderer zu einem wichtigen Bestandteil der deutschen Integrationspolitik.
Der Integrationskurs dient als Maßnahme zum Erwerb deutscher Sprachkenntnisse für Ausländer in Deutschland. Seine Durchführung bestimmt sich nach der Verordnung über die Durchführung von Integrationskursen für Ausländer und Spätaussiedler.9 Bislang sieht die gesetzliche Regelung nach § 44a Abs. 1 Nr. 2 des Aufenthaltsgesetzes einen 645-stündigen Deutschkurs nur vor, wenn man keiner (un-)selbstständigen Arbeit nachgeht oder innerhalb von zwei Monaten nach dem Zuzug den Sprachtest, in dem Grundlagen der deutschen Sprache abgefragt werden, nicht besteht. In anderen europäischen Ländern herrschen bereits strengere Vorschriften. So ist es in den Niederlanden oder in Frankreich ein Bestandteil des Integrationsvertrages, Sprachkurse und Staatsbürgerkundekurse zu besuchen.10 Die Union plant noch in diesem Jahr eine Verschärfung der Integrationsvereinbarungen im Bereich der Sprachanforderungen für Zuwanderer und strebt damit offiziell, wie auch bereits 2004 von dem Sachverständigenrat für Zuwanderung gefordert, eine gleichgewichtige Beziehung zwischen den Handelnden bzw. ein Einbezogensein aller Handelnden in die Gesellschaft an.
2.1. Geschlechterproblematik im Unterricht
In Deutschland gibt es zahlreiche private und öffentliche Institutionen, welche Integrationskurse anbieten und dabei mit unterschiedlichen Lehrmitteln arbeiten. Diese werden vor ihrer Einführung auf dem freien Markt auf ihre Lehrmittelkonzeption, also auf ihren didaktischen Ansatz, Inhalt, Progression, Binnendifferenzierung, Stufung und Lehrwerksteile, intern und extern von einem Projektteam auf ihre Qualität überprüft und durchlaufen mehrere Testphasen bevor sie im Handel erhältlich sind.11 Die Qualitätskontrolle findet also nachgewiesenermaßen sehr intensiv statt. Es gibt nicht nur in Deutschland klare Vorstellungen darüber, welche Themen sich für Lehrbücher besonders gut oder überhaupt nicht eignen. So sind z.B. Themen wie Rechtsextremismus, Antisemitismus oder Verherrlichung von Drogenkonsum nicht geeignet für Lehrbücher aller Art. Das Thema der Geschlechtsproblematik hat mittlerweile seinen Einzug in unseren Lebensalltag gefunden und wird in regelmäßigen Abständen neu problematisiert, z.B. in der Diskussion über die Frauenquote oder Ähnliches aus der Vergangenheit.
Für den Bereich DaF gibt es kaum Veröffentlichungen, die sich mit der Geschlechtsproblematik im Erwachsenen-Unterricht befasst. Außerhalb des deutschsprachigen Raums fanden dazu intensivere Forschungen statt. So wurde bereits in den 70er Jahren in einigen Artikeln der amerikanischen Fachzeitschrift „Die Unterrichtspraxis“ über Sexismus im DaF-Unterricht diskutiert und einige Workshops veranstaltet, in denen man sich mit der Eliminierung von Geschlechtsstereotypen im Fremdsprachunterricht auseinandersetzte.12 So konstatierte Christopher Renner in seinem Artikel „Women are `busy, tall and beautiful.´ Looking at sexism in EFL Materials” ebenfalls, dass das Frauenbild in der Gesellschaft sich zwar merklich gewandelt hätte, in EFL Lehrmaterialien13 aber unverhältnismäßig oft in der alten traditionellen Weise präsentiert werden würde. Er bediente sich dabei einer Studie von David Caroll und Johanna Kollwitz aus dem Jahr 1994, in der festgestellt wurde, dass in der EFL Literatur Begriffe in der männlichen Form wesentlich häufiger auftreten würden als in beiden Formen oder nur in der weiblichen und das der Begriff „Ehefrau“ im Vergleich zu dem Begriff „Ehemann“ wesentlich stärker genutzt werden würde. Adjektive, wie: stark, reich, faul, mutig, berühmt, zufrieden und glücklich, seien größtenteils in Verbindung mit Männern oder männlichen Ereignissen zu finden, im Gegensatz zu Adjektiven wie: vielbeschäftigt, schön, traurig und wütend, die häufiger in Verbindung mit Frauenbildern oder Ereignissen aus der weiblichen Erlebenswelt stehen würden. Die Studie stellte heraus, dass die gezeichneten Figuren aus der EFL Literatur stark klischeebelastet seien und Männer sowie Frauen nur auf eine bestimmte Art auf den Leser wirken würden: Frauen nämlich als „busy, tall and beautiful“, also als vielbeschäftigt, vermutlich im Sinn von fleißig, groß und schön. Für die Männer erkenne die Studie zwei Möglichkeiten der Präsentation, entweder als „poor, young, strong and tall“, also als arm, jung, stark und groß oder als „rich, old, strong and fat“ also reich, alt, stark und fettleibig.14 Ein weiterer Kritikpunkt ist nach Renner ebenfalls die Tatsache, dass in sämtlichen Lehrwerken das Thema Homosexualität überhaupt nicht thematisiert und damit „totgeschwiegen“ werde.15 Nun ist natürlich eine Studie aus dem amerikanischen Raum und dem Jahr 1994 nicht ohne weiteres übertragbar auf Deutschland, wirft aber immerhin die Fragestellung auf, wie das Verständnis für Männer und Frauenrollen heute in der DaF- und DaZ-Literatur umgesetzt wird. Natürlich ist es im Rahmen dieser Hausarbeit nicht möglich alle Lehrwerke zu begutachten und auf die ausgewählte Fragestellung zu untersuchen sondern nur exemplarisch ein Werk zu begutachten, welches aufgrund seines beliebten Verlagshauses und seines recht neuen Veröffentlichungsdatums exemplarisch einstehen muss.
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1 Vgl. Schutzmann, Ingrid: Sexismus im Fremdsprachenunterricht, in Ehlich, Konrad; Redder, Angelika (Hg.) Materialien Deutsch als Fremdsprache, Heft 45, Regensburg 1997, S. 106.
2 Ebd. S.107.
3 Im Folgenden wird Deutsch als Fremdsprache mit DaF abgekürzt.
4 Die nalysen aus „ lles Gute“ sind von Ingrid Schutzmann und werden im Rahmen der eigenen Analyse als Vergleich herangezogen.
5 Vgl. Bundeszentrale für Politische Bildung auf www.bpb.de, Zugriff im März 2011.
6 Vgl. ebd.
7 Vgl. Zandonella, Bruno: Zuwanderung nach Deutschland: Döner Kebab mit Sauce, Themenblätter im Unterricht, Nr.31, 2003, S. 3.
8 Vgl. Statistisches Bundesamtes auf www.destatis.de, Zugriff im März 2011.
9 Bundesministerium der Justiz: Verordnung über die Durchführung von Integrationskursen für Ausländer und Spätaussiedler Zugriff im März2011
10 Vgl. Cochy, Cecile im Österreichischen Integrationsfonds: Integration im Fokus, Ausgabe 2/2008. http://www.integrationsfonds.at Zugriff im März 2011.
11 Vgl. Qualitätssicherung in der Lehrmittelentwicklung, Lehrmittelsymposium der ilz, Wolfsberg, 2010, S.5.
12 Vgl. Schutzmann, Ingrid: Sexismus im Fremdsprachenunterricht, in Ehlich, Konrad; Redder, Angelika (Hg.) Materialien Deutsch als Fremdsprache, Heft 45, Regensburg 1997, S. 106.
13 Gemeint ist damit English as Foreign Language Englisch als Fremdsprache.
14 Vgl͘ Renner, Christoph: “Women are Busy, Tall and Beautiful - Looking at Sexism in EFL Materials” in Mind the Language, Orlando, 1997, S͘ 4-5.
15 Vgl. ebd. S. 7.