Der Film hat es mit seinem Stellenwert als Quelle in der Geschichtswissenschaft nicht leicht. Auch wenn sich Walter Benjamin schon in den 1930er Jahren in seinem „Passagen-Werk“ für eine visuell bestimmte Historiografie aussprach, dauert die Etablierung des Mediums Film als Beschäftigungsgegenstand in der Geschichtswissenschaft bis heute an. Das Interesse an ihm ist gewachsen, doch eine Außenseiterposition hat er bis heute inne – dabei geht die Diskussion, den Film als historische Quelle aufzunehmen, bis weit in seine Anfänge zurück. Die Einflussnahme auf das allgemeine Geschichtsbild ist der besondere Reiz, den eine visuelle Darstellung für die Untersuchung im geschichtlichen Kontext ausmacht. Das Medium Film mit seiner künstlerischen Umsetzung kann Abbild für die Vorstellungen und Einstellungen einer Gesellschaft zu Ereignissen oder Geschehen zur jeweiligen Zeit sein. Dabei können die Eindrücke, die es beim Zuschauer hinterlässt, nicht nur sehr unterschiedlich sein, sondern lassen ebenso Rückschlüsse auf unterschiedliche Personengruppen bzw. soziale und gesellschaftliche Verhältnisse zu. Gleichzeitig kann ein Film zum Zeitpunkt seines Entstehens ganz andere Reaktionen auslösen als viele Jahre später unter anderen gesellschaftlichen Verhältnissen und Rahmenbedingungen. Bei der Untersuchung von Filmen als geschichtliche Quelle bewegt sich die Geschichtswissenschaft auf neuem Terrain. Dem Geschichtswissenschaftler sind die ästhetischen Mittel des Films fremd. Die Aneignung von Wissen über die Filmkunst steht primär im Vordergrund, um eine allgemeine Methode zu finden, mit der sich eine umfassende Filmanalyse aus geschichtlicher Perspektive durchführen lässt. Bisherige Ansätze sind entweder nicht detailliert genug oder beziehen sich nur auf Teilaspekte unterschiedlicher Filme. Eine adäquate Lösung zu finden, ist ein gewaltiges Projekt.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich im Hinblick auf den Spielfilm als historische Quelle mit dem thematischen Vergleich zweier Filme aus den 1960er Jahren. Der Spielfilm „Karla“ von Regisseur Hermann Zschoche wurde 1965 in der Deutschen Demokratischen Republik gedreht und fiel dem Verbot durch die Entscheidung des 11. Plenums des Zentralkomitees der SED zum Opfer. Damit gehört er zu den sogenannten „Kaninchen-„ bzw. „Kellerfilmen“ des Produktionsjahres 1965/66. Der zweite Spielfilm „Ich bin ein Elefant, Madame“ von Regisseur Peter Zadek wurde derweil 1969 in der Bundesrepublik Deutschland gedreht und gezeigt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Film als historische Quelle in der Geschichtswissenschaft
- Der Film in den sechziger Jahren im geteilten Deutschland
- Der „Neue Deutsche Film\" in der BRD
- Die „Kaninchenfilme“ in der DDR
- Vergleich der beiden Spielfilme
- Darstellung des Lehrerkollegiums
- Darstellung der Schülerschaft
- Darstellung des Reformwillens und der Reformwünsche
- Darstellung des Umgangs mit der Vergangenheit
- Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert den Spielfilm als historische Quelle anhand der beiden Werke „Karla“ (DDR) und „Ich bin ein Elefant, Madame“ (BRD), um die unterschiedlichen Lebenswelten von Schülern und Lehrern in der geteilten Bundesrepublik in den 1960er Jahren zu beleuchten. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen die spezifischen Herausforderungen und Möglichkeiten, die sich durch die unterschiedlichen politischen Systeme und Schulsysteme ergaben.
- Der Spielfilm als Quelle für die Geschichtsforschung
- Der „Neue Deutsche Film“ und die „Kaninchenfilme“ als Spiegel ihrer Zeit
- Die Darstellung von Schule und Jugend in beiden Filmen im Kontext der politischen Systeme
- Vergleichende Analyse der Lehrer-Schüler-Beziehungen und der Reformbestrebungen
- Der Umgang mit der Vergangenheit in der BRD und DDR
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel widmet sich der Bedeutung des Films als Quelle in der Geschichtswissenschaft. Die besondere Relevanz des Mediums Film, trotz seiner jungen Geschichte, wird beleuchtet. Das zweite Kapitel gibt einen Überblick über die beiden dominierenden Spielfilmströmungen der 1960er Jahre in der DDR und BRD. Der Hauptteil der Arbeit vergleicht die beiden Filme „Karla“ und „Ich bin ein Elefant, Madame“ anhand verschiedener Schwerpunkte, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten in Bezug auf Schule und Jugend aufzuzeigen. Die Analyse betrachtet die Darstellung des Lehrerkollegiums, der Schülerschaft, des Reformwillens und des Umgangs mit der Vergangenheit in beiden Filmen.
Schlüsselwörter
Spielfilm, historische Quelle, Geschichtswissenschaft, „Neuer Deutscher Film“, „Kaninchenfilme“, DDR, BRD, Schule, Jugend, Lehrer, Schüler, Reformwillen, Vergangenheit, Vergleichende Analyse, Kulturwissenschaftliche Perspektive.
- Arbeit zitieren
- Anja Brauer (Autor:in), 2012, Schule und Jugend im geteilten Deutschland. Ein Vergleich der Spielfilme „Karla“ und „Ich bin ein Elefant, Madame“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/275871