Die Rolle des Umbrischen in Jacopone da Todis Lauda LVIII "Epistola terzia al prefato papa da poi ch'el fo preso".


Hausarbeit (Hauptseminar), 2013

22 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Jacopone da Todi
2.1 Sein Leben
2.2 Sein Werk

3. Textanalyse der Lauda LVIII Epistola terzia al prefato papa da poi ch’el preso
3.1 Metrik…
3.2 Stil
3.3 Thematischer Hintergrund
3.4 Inhalt
3.5 Übersetzung eines Gedichtabschnitts

4. Sprachwissenschaftliche Analyse der Lauda LVIII Epistola terzia al prefato papa da poi ch’el preso
4.1 Phonetik / Graphemik
4.2 Morphosyntax
4.3 Lexik

5. Schlussbetrachtung

6. Literaturangabe

7. Anhang: Lauda LVIII

1. Einleitung

Das Duecento ist in Italien eine Zeit des Neuanfangs: „[Wir] können […] zu Beginn des 13. Jh. in allen Lebensbereichen einen Bruch mit dem Alten und einen Willen zum Aufbruch erkennen.“[1]

Auch die Geschichte der volkssprachigen Literatur beginnt in Italien im Duecento und setzt damit als letzte der drei großen romanischen Literaturen ein, was sich u.a. mit der Omnipräsenz der lateinischen Sprache erklären lässt, die auf der italischen Halbinsel als dem ehemaligen Zentrum des römischen Reiches länger verständlich blieb.[2]

Die ersten italienischen Texte von künstlerischem Wert finden sich im spirituellen Raum. Es sind religiöse Lobgesänge (Laude), allen voran der Cantico di Frate Sole des heiligen Franz von Assisi. Jener Gesang auf die Schöpfung wird als Beginn der italienischsprachigen Literatur rezipiert. Chronologisch folgen ihm die Laude des Jacopone da Todi, dem nach Franz von Assisi wohl bedeutendsten religiösen Lyriker des Mittelalters.[3] Auch Jacopone da Todi kommt „eine tragende Rolle in der jungen volksprachlichen Literatur“[4] zu. Seine Lauda LVIII Epistola terzia al prefato papa da poi ch’el preso[5] soll in dieser Hausarbeit von zentraler Bedeutung sein.

Anhand dieses Lobgesangs werde ich die sprachlichen Besonderheiten Umbriens in der Zeit des Duecento analysieren.

Bevor ich mich jedoch der o.g. Lauda widme, möchte ich zuvor das Leben Jacopone da Todis etwas näher beleuchten, da man sein Werk wohl kaum davon losgelöst betrachten kann.

In der Schlussbetrachtung sollen die gewonnen Erkenntnisse in einen sinnvollen Zusammenhang gebracht werden.

2. Jacopone da Todi

2.1 Sein Leben

Jacopone da Todi, ursprünglich Jacopo de’ Benedetti[6], wurde zwischen 1230 und 1236[7] in der umbrischen Stadt Todi, die damals zum Herzogtum Spoleto gehörte, geboren. Er entstammte einer vornehmen, wohlhabenden Familie, die ihm das Studium der Rechte in Bologna ermöglichte. Nach dem Studium kehrte er in seine Heimatstadt zurück, wo er den Beruf des Advokaten ausübte – eine Beschäftigung, die vom anonymen Biografen beschrieben wurde als ”de tanto periculo che chinon a la conssienzia molto limata tira lomo nela dannatione eterna & lui [Jacopo, Anm. d. Verf.] era uno de quilli.“[8] Er genoss das Leben in vollen Zügen (”era amatore molto del mondo Superbo“) und war wenig gottesfürchtig (”era lopossito ennemmico & persecutore de quilli che volivano gire per la via de dio“). 1267 heiratete er Vanna, Tochter des Bernardino di Guidone, Graf von Coldimezzo. Doch das Glück währte nicht lange. Auf einem Tanzfest, kaum ein Jahr nach der Hochzeit, kam Vanna beim Einsturz eines Balkons ums Leben. Als sie in ihr Leichengewand gekleidet werden sollte, entdeckte man unter ihrem Prunkgewand ein härenes Büßerhemd. Beim Anblick dieses Zeichens der weltabgewandten Frömmigkeit erkannte Jacopo – zumindest der Legende nach – die Geringfügigkeit seines Lebens und vollzog einen radikalen Lebenswandel. Alles was ihm vorher von Bedeutung war, ließ er hinter sich: seinen Beruf, seine Verwandten und Freunde. Sein Vermögen verschenkte er an die Armen und lebte fortan als armer Büßer in den Straßen seiner Heimatstadt. Seine drastischen Symbolhandlungen, mit denen er sich selbst erniedrigte, um u.a. auf das rücksichtslose Streben in der Gesellschaft seiner Zeit aufmerksam zu machen, brachten ihm den Namen Jacopone ein, was so viel bedeutet wie verrückter, närrischer Jakob.[9]

Nach zehn Jahren als umherziehender Büßer trat er 1279 als Laienbruder in den Minoritenorden ein. Seine Zeit im Kloster widmete er der Theologie sowie der religiösen Dichtung. Während dieser Zeit entstanden seine Laude, von denen uns eine, nämlich Lauda LVIII Epistola terzia al prefato papa da poi ch’el preso, im Folgenden noch näher beschäftigen soll.

Lange konnte er die Ruhe jedoch nicht genießen, denn innerhalb des Ordens, der von Franz von Assisi gegründet und 1210 von Papst Innozenz III. bestätigt wurde, waren kurz nach den Tode des Stifters (1226) zwei Richtungen entstanden, die sich im sog. „Armutsstreit“ heftig bekämpften. Während die Spiritualen als Verfechter des Armutsideals galten, bestrebten die Konventualen eine Milderung der Regel.

Jacopone, der zur Gruppe der Spiritualen gehörte, setzte sich radikal für die absolute Armut im Sinne Franz von Assisis ein. Der Zwist beider Gruppierungen dauerte einige Jahre ohne nennenswerte Ereignisse an, bis im Jahre 1294 der Eremit Pietro di Morrone als Coelestin V. den Papststuhl bestieg. Der neue Papst bewilligte den Spiritualen, ihr Ideal zu betrachten. Doch als er nach wenigen Monaten auf das Papstamt verzichtete, zog sein Nachfolger Bonifaz III. diese Anerkennung wieder zurück.

Jacopone trat ins Rampenlicht der Kirchengeschichte, als er die Kardinäle Jacopo und Pietro Colonna aktiv im Kampf gegen Bonifaz unterstützte. Sie erkannten die Amtsniederlegung Coelestins sowie die Legitimität der Wahl Bonifaz’ nicht an und forderten in einem offenen Schreiben dessen Abdankung. Das Manifest von Lunghezzo wurde auch von Jacopone unterzeichnet, der daraufhin exkommuniziert und zu lebenslanger Kerkerhaft verurteilt wurde.

Nach dem Tod des Papstes im Jahre 1303 hob sein Nachfolger Benedikt XI alle Strafen seines Vorgängers auf und Jacopone wurde aus seiner Gefangenschaft befreit. Daraufhin zog er sich in das Kloster San Lorenzo bei Collazzone zurück, wo er am Weihnachtstag 1306 starb.[10]

2.2 Sein Werk

Als Zeugnis seines poetischen Schaffens hinterlässt uns Jacopone einige lateinische Werke, die ihm jedoch nicht alle mit 100%iger Sicherheit zugeschrieben werden können. Aus jenen Gedichten ungeklärter Verfasserschaft sticht eines besonders hervor: das berühmte Stabat mater. Es wurde in der Vergangenheit mehreren Dichtern zugeschrieben, von denen laut Underhill jedoch nur Jacopone und Papst Innozenz III. ernsthaft als Verfasser in Erwägung gezogen werden können.[11] Eine ausführliche Diskussion über den möglichen Urheber findet sich in Julians Dictionary of Hymnology.[12]

Den wichtigsten Teil des jacoponeschen Schaffens stellen sicherlich seine Laude dar. Diese sind uns in zahlreichen Manuskripten überliefert, die sich allerdings wesentlich unterscheiden, was Anzahl, Ordnung und literarische Form der Gedichte betrifft. Wie es zu diesem Umstand kam, erklärt Rizzo wie folgt:

Das erklärt sich dadurch, dass die Lieder Jacopones in der zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts, als die Kämpfe zwischen Spiritualen und Conventualen nunmehr beendet waren und Jacopone nicht mehr als der Standartenträger einer Partei, sondern als eine ruhmreiche Gestalt im Franziskanerorden betrachtet wurde, ungeheure Ausbreitung und Popularität gewannen und zu unzähligen Umänderungen, Verfälschungen und Nachahmungen Anlass gaben.[13]

Aufgrund der Imitationen wurde die Zahl der jacoponeschen Laude immer größer. Enthielt die erste Ausgabe der Laude, die florentinische aus dem Jahre 1490, noch 102 Gedichte, so waren die Gedichte im 17. Jahrhundert bereits auf mehr als 200 angestiegen. Während Rizzo die 102 Gedichte der ersten Ausgabe für „im grossen [sic!] und ganzen echt“[14] hält, sprechen Luperini et al. nur von 92 „echten“ Laude.[15]

Über die zeitliche Abfolge der Entstehung der einzelnen Werke ist nichts bekannt. Klar ist nur, dass die Reihenfolge der Laude in der florentinischen Ausgabe keineswegs chronologisch ist.

[...]


[1] Hausmann, Frank-Rutger (1992): „Anfänge und Duecento“, in: Kapp, Volker (Hg.): Italienische Lite-ratur, Stuttgart, Weimar: Metzler, S. 1-29, S. 6.

[2] Vgl. Wiegmann, Hermann (2003): Abendländische Literaturgeschichte. Die Literatur in Westeuropa von der griechischen und römischen Dichtung der Antike bis zur modernen englischen, französischen, spanischen, italienischen und deutschen Literatur, Würzburg: Könighausen & Neumann, S. 186.

[3] Vgl. Schulze-Witzenrath, Elisabeth (32006[1998]): Literaturwissenschaft für Italianisten. Eine Einfüh-rung, Tübingen: Narr, S. 109.

[4] Hösle, Johannes (1995): Kleine Geschichte der italienischen Literatur, München: Beck, S. 23.

[5] Die Lauda befindet sich im Anhang auf Seite 21f.

[6] In der von Tobler herausgegebenen Vita del beato fra Jacopone da Todi, in der er sich auf eine anonym erschienene Biografie des Dichters vom Ende des 14. Jahrhunderts beruft, wird Jacopone auch als Jacomo bezeichnet.

[7] Mitunter findet sich als Geburtsjahr ebenso 1228. So z.B. in, wie bereits am Titel ersichtlich, Underhill, Evelyn (1919): Jacopone da Todi. Poet and mystic – 1228-1306. A spiritual biography, London, Toroto: J. M. Dent & Sons Ltd./New York: E. P. Dutton & Co.

[8] Tobler, Adolf (1878): ”Vita del beato fra Jacopone da Todi“, in: Zeitschrift für romanische Philologie, Band 2, S. 25-39, S. 26.

[9] Vgl. Underhill (1919), Chapter II ”Ser Jacomo”, S. 34-56.

[10] Vgl. zu diesen Abschnitt Rizzo, Alfredo (1981): Scienza impura. Pagine di filologia e umanità, Roma: Edizioni di Storia e Letteratura, Kap. 6 ”Jacopone da Todi“, S. 77-102, hier: S. 78-88.

[11] Vgl. Underhill (1919), S. 202.

[12] Vgl. Julian, John (21907[1892]): Dictionary of Hymnology, London: Murray, S. 1081-1084.

[13] Rizzo (1981), S. 96f.

[14] Ebd., S. 97.

[15] Vgl. Luperini, Romano/Cataldi, Pietro/Marchiani, Lidia (1996): La scrittura e l’interpretazione, Mi-lano: Palumbo, S. 224.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Die Rolle des Umbrischen in Jacopone da Todis Lauda LVIII "Epistola terzia al prefato papa da poi ch'el fo preso".
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Note
2,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
22
Katalognummer
V275931
ISBN (eBook)
9783656685449
ISBN (Buch)
9783656685425
Dateigröße
480 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Jacopone da Todi, Lauda, Lauda LVIII, Epistola terzia al prefato papa da poi ch'el fo preso, Laudendichtung, religiöse Dichtung, scrittori religiosi, Umbrien, Umbrisch, Duecento, Literatur des Duecento, Gedichtanalyse
Arbeit zitieren
Patrizia Scamarcio (Autor:in), 2013, Die Rolle des Umbrischen in Jacopone da Todis Lauda LVIII "Epistola terzia al prefato papa da poi ch'el fo preso"., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/275931

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