Die Pseudoisidorischen Dekretalen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2013

17 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Die Pseudoisidorischen Dekretalen

3. Die Auseinandersetzung mit den Fälschungen
3.1 David Blondel
3.2 Paul Hinschius, Johann Friedrich von Schulte und Ignaz Döllinger
3.3 Bernhard von Simson und Emil Seckel
3.4 Horst Fuhrmann und Klaus Zechiel-Eckes

4. Die falschen Dekretalen im 10. Jahrhundert
4.1 Die pseudoisidorischen Dekretalen und das Papsttum
4.2 Die falschen Dekretalen in den Kanonessammlungen
4.2.1 Collectio Anselmo Dedicata
4.2.2 Das Sendhandbuch Reginos von Prüm
4.2.3 Die falschen Dekretalen in weiteren Kanonessammlungen
4.3 Synoden und die Pseudoisidorischen Dekretalen
4.3.1 Die Synode von Hohenaltheim 916
4.3.2 Die Pseudoisidorischen Dekretalen auf weiteren Synoden

5. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Mit den Pseudoisidorischen Dekretalen entstand in der Mitte des 9. Jahrhunderts die wohl einflussreichste Kirchenrechtsfälschung des Mittelalters. Die falschen Dekretalen, eine Kompilation aus echten Dokumenten und gefälschten Textteilen, prägten über die Jahrhunderte das Kirchenrecht, selbst in der Neuzeit der römisch-katholischen Kirche spielt die Fälschung noch eine Rolle. Die Frage nach den Fälschern, den Umständen und der Entstehungsgeschichte der angeblich von „Isidorus Mercator“ verfassten Kirchenrechtssammlung, beschäftigte Historiker mehr als 1000 Jahre lang. Erst vor kurzem konnte eine Vermutung zur Person des Fälschers geäußert werden, die in der Forschung allgemeine Zustimmung fand. Die interessante Geschichte der Enthüllung der Pseudoisidorischen Dekretalen als Fälschungskomplex soll einen Aspekt dieser Arbeit darstellen. Neben dieser Darlegung der Forschungsgeschichte, soll als zweiter Aspekt auf die Wirkungsgeschichte der falschen Dekretalen im 10. Jahrhundert eingegangen werden. Dieser Zeitraum bildet eine Übergangsspanne zwischen der Zusammenstellung der Fälschung in der Mitte des 9. Jahrhunderts und einer vermehrten Berufung auf Isidor zur Zeit des Reformpapsttums im 11. Jahrhundert. Daher gibt es für das 10. Jahrhundert, im Vergleich zu den späteren Jahrhunderten, wenige Belege für eine Rezeption der falschen Dekretalen. Dennoch sind Informationen über die Berufung auf Isidor Mercator vorhanden und diese sollen im ersten Teil dieser Arbeit analysiert werden. Bevor auf die Wirkungsgeschichte im 10. Jahrhundert eingegangen werden kann, sind natürlich einige einleitende Bemerkungen über das Wesen der Pseudoisidorischen Dekretalen zu machen. Als wichtigste Grundlage für die Untersuchungen zur Wirkungsgeschichte des Fälschungskomplexes ist die umfangreiche Arbeit Horst Fuhrmanns über Verbreitung und Einfluss der pseudoisidorischen Dekretalen zu sehen.[1] Zur Forschungsgeschichte sind, soweit möglich, die Arbeiten der entsprechenden Forscher herangezogen worden, sowie diverse Lexika Artikel und weitere kleinere Aufsätze.

2. Die Pseudoisidorischen Dekretalen

Die sogenannten „Pseudoisidorischen Dekretalen“ stellen den größten Fälschungskomplex des Mittelalters dar und trotz eines enormen Forschungsaufwandes gelang über Jahrhunderte hinweg nicht Entstehungsort, Entstehungszeit, Entstehungskontext, geschweige denn einen Autor zu bestimmen. Die Pseudoisidorischen Dekretalen sind eine Sammlung spätantiker Papstbriefe die von Clemens (ca.50-100 n.Chr.) bis zu Gregor dem Großen (ca. 540-604 n.Chr.) reicht, die im Anschluss in eine Kanonessammlung einverleibt wurden. Der Verfasser des Fälschungskomplexes nennt sich selbst Isidorus Mercator und hat die Historiker bis ins 16. Jahrhundert, durch sein geschicktes Vorgehen bei der Anfertigung der Fälschung von deren Echtheit überzeugen können.[2] Bis in das 21. Jahrhundert hinein blieb die Identität des vermeintlichen Isidorus Mercator ungeklärt. Doch wie gelang es ihm, dass seine Gesetzessammlung über Jahrhunderte hinweg als authentisch angesehen wurde? Der „Trick“ den der falsche Isidor anwendet um seine Leserschaft von der Authentizität seiner Texte zu überzeugen, ist das er keine Texte neu „erfindet“, sondern Exzerpte aus bereits vorhandenen Texten anfertigte und diese neu anordnete. Zitate aus der Bibel, Konzilien, Dekretalen, römischem Recht, germanisches Volksgesetz, Kapitularien der Frankenkönige, Bußbücher, Kirchenväter und andere Schriftsteller, Briefe von Bischöfen und Privaten wurden so angeordnet das sie den Sinn ergaben, den der Fälscher und somit gleichzeitig auch Plagiator ihnen einverleiben wollte. Pseudoisidor muss sich aus nahezu 10.000 angefertigten Exzerpten einen „Zitatschatz“ angelegt haben, aus welchem er sich jederzeit dem Thema entsprechend ausgiebig bedienen konnte. Durch diese extrem aufwendige Methode der Fälschung gelang es ihm, dass seine Fälschungen ohne weiteres in die von ihm erwünschte zeitliche Epoche eingeordnet wurden, und die stets vorhandenen Zweifel an der Echtheit der Dekretalen zerstreut wurden.

In der Zeit nach dem Auftauchen der falschen Dekretalen, beriefen sich viele damalige „Autoritäten“ auf das Werk um ihren eigenen Standpunkt zu stützen. Vor allem durch diese starke Rezeption der Sammlung, die mit Hinkmar von Reims (806-882)[3] einsetzte, gewann sie an allgemeiner Verbreitung und Anerkennung. Hier kommen die Dekretalen auch, im Kampf verschiedener Bischöfe um die Vorherrschaft um die richterliche Vorherrschaft in einer Diözese, zu ihrer ersten Verwendung und entscheiden diese Auseinandersetzung auch. Und obwohl Hinkmar von Reims, wahrscheinlich als erster die Dekretalen als Fälschung erkannte, hat er dies doch aufgrund seines eigenen Vorteils verschwiegen. Nur partiell, in den Urkunden die gegen ihn wirkten bzw. keinen Einfluss auf sein Handeln hatten, bewies Hinkmar bereits damals die Unechtheit einiger Dokumente der Dekretalen.[4]

3. Die Auseinandersetzung mit den Fälschungen

3.1 David Blondel

Nach einer nun immer häufiger aufkommenden Kritik, die sich vorerst nur auf die ältesten Papstbriefe der Dekretalen erstreckte, gelang es zuerst dem calvinistisch-reformierten Theologen David Blondel (1590-1655) 1628 die gesamten Dekretalen als gigantische Fälschung zu entlarven.[5] Doch trotz dieses Fälschungsbeweises, hielt die Kirche weiterhin an der Echtheit der Dekretalen fest. Doch obwohl sich ein Großteil der Kurie weiterhin an ihre Authentizität klammerte, war die Allgemeinheit bereits davon überzeugt, dass es sich bei den Pseudoisidorischen Dekretalen um eine Fälschung handeln müsse. So verstummten nach und nach gänzlich alle, ausschließlich katholischen, Verfechter der Echtheit der Sammlung. Selbst jene welche sich noch auf sie beriefen, mussten eingestehen das es eine Fälschung war, beharrten jedoch darauf das die Dekretalen nur ungeschriebenes Recht feststellten und somit trotzdem eine gewissen Gültigkeit besaßen.[6] Bis aus die wenigen Katholiken die sich nun noch an die Echtheit der Dekretalen klammerten, war nun der breiten Masse bewusst, dass es sich bei den Dekretalen um eine Fälschung handeln müsse. Die Sammlung hatte sich jedoch in den Jahrhunderten eine allgemeine Akzeptanz erfahren so dass nicht direkt nach Blondels Fälschungsbefunds die Gesetze ihre Gültigkeit verloren.

Doch die Kritik Blondels brachte keinerlei Aufschluss über Entstehungsort und –Zeit der falschen Dekretalen.

3.2 Paul Hinschius, Johann Friedrich von Schulte und Ignaz Döllinger

Viele weitere Gelehrte legten Studien über die Pseudoisidorischen Dekretalen an um ihre Echtheit zu wiederlegen, so z.B. der Rechtsgelehrte Paul Hinschius (1835-1898). In seiner, zur damaligen Zeit einflussreichsten, kritischen Edition versuchte er vor allem über den angeblichen Namen des Autors „Isidorus Mercator“ dessen wahre Identität zu ermitteln. So kam er 1863 zu dem Schluss, dass sich der falsche Isidor bei seiner Namenswahl auf den afrikanischen Schriftsteller Marius Mercator beziehen müsse, und wahrscheinlich noch größere Zusammenhänge bestehen.[7] Die kritische Edition von Hinschius, blieb trotz einiger Kritikpunkte, neben der Edition von Jacques Merlin von 1525, bis ins 20. Jahrhundert maßgeblich. Auch Johann Friedrich von Schulte (1827-1904) schlug den Weg von Hinschius ein, und ging in seiner als Buch vorliegende Rede, noch weiter auf die Zusammenhänge und Verbindung zwischen Marius Mercator und Pseudoisidor ein.[8] Ein andere Zeitgenosse Hinschius, der sich ebenso wie dieser mit der Kirchengeschichte beschäftigte war Ignaz Döllinger (1799-1890). Döllinger der einer der bedeutendsten und einflussreichsten Katholiken seiner Zeit war, stellte schon bevor er die Edition von Hinschius 1863 las fest, dass die Pseudoisidorischen Dekretalen gefälscht waren, war jedoch wie viele Katholiken der Meinung, dass es sich eher eine „feststellende Fälschung“ handeln müsse. Nach der Lektüre dieser Edition jedoch sah er ein, dass er sein Urteil über die Sammlung revidieren musste und sie als komplette Fälschung ansehen musste. Ihm war damit auch bewusst das durch die Fälschung ein Wandel in der Kirche herbeigeführt wurden war, der zur den heutigen Missständen geführt hatte.[9] Da nun auch ein Altkatholik wie Döllinger die Dekretalen als „komplette“ Fälschung hinstellte verlor sie auch in der katholischen Kirche jeglichen Rückhalt, die von ihr vorgebrachten Strukturen jedoch blieben weiterhin bestehen. Döllinger befasste sich nie weiter mit den Pseudoisidorischen Dekretalen, da er das seinen Kollegen von Schulte, Simson oder auch Seckel überließ.[10]

3.3 Bernhard von Simson und Emil Seckel

Bernhard von Simson (1840-1915) war einer der ersten Historiker, die versuchten sowohl die Entstehungszeit der falschen Dekretalen als auch den Fälscher zu benennen.[11] Im Streit zwischen dem Ursprung der seit der Beweis der Fälschungsverdachtes stets vorhanden war, entschied sich von Simson für einen westfränkischen, statt dem römischen Ursprung. Durch eine gezielte innere und äußere Quellenkritik grenzte er weiterhin den Entstehungszeitraum ein, und kam am Ende seiner Betrachtungen auf einen möglichen Fälscher: Die Pseudo-Isidorischen Dekretalen müssen im direkten Umfeld des Bischofs Aldrich in Le Mans entstanden sein.[12] Dieses Ergebnis veröffentlichte, der in Jena habilitierte Professor, bereits 1886 in seinem Buch „Die Entstehung der pseudo-isidorischen Fälschungen in Le Mans“. Die Le Mans Hypothese Simsons blieb jedoch in der damaligen Forschung stark umstritten. So war auch Emil Seckel (1864-1924) kein Verfechter der Le Mans Hypothese. Mit seinem über viele Jahre hinweg wegweisenden Beitrag „Pseudoisidor“ in der „Realencyklopädie für protestantischen Theologie und Kirche“ von 1906, legte er den bisherigen Forschungsstand zu den falschen Dekretalen dar und gab darüber hinaus auch selbst noch einige Forschungsanregungen und –ergebnisse.[13] Im Gegensatz zu Simson kam Seckel, als er sich der Frage der Autorenschaft widmete jedoch zu einem anderen Schluss: „Die Person des wahren Verfassers kennen wir nicht. Bei diesem Verzicht auf die Beantwortung der Autorfrage ist (mit Hinschius u.a.) stehen zu bleiben, so schwer es auch der Neugierde fallen mag, die ars ignorandi zu üben. Der dichte Schleier, den der Verfasser oder die Verfassergruppe über sich gebreitet hat, ist bis zum heutigen Tage nicht gelüftet, und er wird auch vermutlich, falls nicht ein günstiger Zufall zu Hilfe kommt, niemals zu lüften sein.“[14] Seckel ahnte nicht, dass es doch noch möglich sein sollte diesen „dichten Schleier“ zu lüften, und er den, nach dem momentanen Stand der Forschung, mutmaßlichen Fälscher bzw. Kompilator auch bereits genannt hatte, nur in einem anderen Kontext.[15]

[...]


[1] Fuhrmann, Horst: Einfluß und Verbreitung der pseudoisidorischen Fälschungen. Von ihrem Auftauchen bis in die neuere Zeit (= Monumenta Germaniae Historica, Schriften, Bd. 24, 1-3), Stuttgart 1972–1974.

[2] vgl.: Seckel, Emil: Pseudoisidor, in: Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche Bd.16, Leipzig 1905, S. 265-307.

[3] vgl.: Bautz, Friedrich Wilhelm: Art. Hinkmar von Reims, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon(Band III), Hamm 1990, Spalten 882-885.

[4] vgl.: Seckel, Pseudoisidor, S.289.

[5] vgl.: Bautz, Friedrich Wilhelm: Art. Blondel, David, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (Band I), Hamm 1990, Spalte 625.

[6] vgl.: Seckel, Pseudoisidor, S. 293.

[7] vgl.: Stutz, Ulrich: Art. Hinschius, Paul, in: Allgemeine Deutsche Biographie 50 (1905), S.344-360.

[8] vgl.: Schulte, Friedrich von: Marius Mercator und Pseudo-Isidor, Wien 1904.

[9] vgl.: Friedrich, Johannes: Art. Döllinger, Johann Joseph Ignaz von, in: Allgemeine Deutsche Biographie 48 (1904), S. 1-19.

[10] ebd.

[11] vgl.: Nonn, Ulrich: Art. Simson, Bernhard von, in: Neue Deutsche Biographie 24 (2009), S. 453f.

[12] vgl.: Simson, Bernhard von: Pseudo-Isidor und die Le-Mans Hypothese, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte (Kan. Abt.) Bd. 40 (1914), S. 1-74.

[13] vgl.: Seckel, Pseudoisidor.

[14] siehe: Seckel, Pseudoisidor, S.284.

[15] ebda., S. 276.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Die Pseudoisidorischen Dekretalen
Hochschule
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Note
1,7
Autor
Jahr
2013
Seiten
17
Katalognummer
V276251
ISBN (eBook)
9783656691228
ISBN (Buch)
9783656691198
Dateigröße
500 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Pseudoisidorische Dekretalen, Pseudoisidor, Falsche Dekretalen, Fälschung, Fälschungen, Wirkungsgeschichte, ostfränkische Konzilien, 10. Jahrhundert, ostfränkisches Reich, Forschungsgeschichte, Quellenkritik, Kirchengeschichte
Arbeit zitieren
Michael Belitz (Autor:in), 2013, Die Pseudoisidorischen Dekretalen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/276251

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