Der Verlust der Wohnung ist eine der schlimmsten Auswirkungen von Armut. „Für das Jahr 2002 schätzt die Bundesarbeitsgemeinschaft für Wohnungslosenhilfe die Gesamtzahl der Wohnungslosen in der BRD auf 410.000 Menschen. Davon lebten 13%, also ca. 20.000 Menschen auf der Straße, „machten Platte“. 1 Sie leben in öffentlichem Raum und gleichzeitig gehören sie zu dem Teil der Bevölkerung über den die Öffentlichkeit kaum etwas weiß bzw. wissen möchte. „Dies drückt sich bereits im alltäglichen Sprachgebrauch aus, wenn Begriffe wie „Nichtsesshafte“, „Obdachlose“ oder „Wohnungslose“ meist unreflektiert angewandt werden. Insbesondere die Bezeichnung der „Nichtsesshaftigkeit“ bringt ein dahinterstehendes gesellschaftliches Problem auf den Punkt. Althergebrachte Ausdrücke wie „Penner“, „Trebegänger“ oder eben „Nichtsesshafte“ drücken Stigmatisierungen und Vorurteile“ 2 aus, wie z.B. „sind alles Alkoholiker und Arbeitsscheue“. Dies ist auf die Entwicklungsgeschichte der Vorstellung vom Wohnungslosen zurückzuführen und hängt mit gesellschaftlichen Bedingungen und den sie begleitenden Erklärungsansätzen der Wissenschaft zusammen.
„Bereits im 19. Jahrhundert wurde nach ursächlichen Erklärungen für die sogenannte „Landstreicherei“ gesucht.“ 3 Im Rahmen dieser Arbeit soll kurz auf die Problematik der Begrifflichkeiten eingegangen werden und warum andere Termini sich als adäquater erweisen. Im Anschluss werden typische Erklärungsansätze, die Wohnungslosigkeit ursächlich erklären wollen, von damals bis heute vorgestellt. Sie spiegeln auch das für die jeweilige Zeit kennzeichnende Verständnis, das diesem Personenkreis entgegengebracht wurde und den daraus resultierenden gesellschaftlichen Folgen für die Betroffenen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Begriffsklärung
- 3. Theoretische Erklärungsansätze der Erscheinungsform Nichtsesshaftigkeit
- 3. 1 Psychiatrisch- neurologische Ansätze
- 3. 2 Der psychologische Ansatz
- 3. 3 Der Armutsansatz
- 3. 4 Der Unterversorgungsansatz
- 3. 5 Der Etikettierungs- / Stigmatisierungsansatz
- 4. Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit dem Phänomen der Nichtsesshaftigkeit und untersucht die historischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, die zu den heutigen Erklärungsansätzen geführt haben. Sie analysiert die verschiedenen Perspektiven auf die Ursachen von Wohnungslosigkeit, wobei der Fokus auf die Entstehung und Veränderung der Begrifflichkeiten liegt, sowie auf die dahinterstehenden gesellschaftlichen Vorurteile und Stigmatisierungen.
- Entwicklung des Begriffs „Nichtsesshaftigkeit“ und seine historische Kontextualisierung
- Kritik an stigmatisierenden Begriffen und die Bedeutung einer wertschätzenden Sprache
- Analyse verschiedener theoretischer Modelle zur Erklärung von Wohnungslosigkeit
- Die Rolle sozialer und gesellschaftlicher Faktoren bei der Entstehung von Wohnungslosigkeit
- Der Wandel von individualisierenden zu sozialstrukturellen Erklärungsansätzen
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung
Das Kapitel behandelt die Problematik von Wohnungslosigkeit als Ausdruck von Armut. Es wird auf die hohe Anzahl von Menschen in Deutschland hingewiesen, die ohne Wohnung leben und die weit verbreitete Stigmatisierung dieses Personenkreises durch Begriffe wie „Nichtsesshafte“ kritisiert. Die Einleitung skizziert die Notwendigkeit, gesellschaftliche Vorurteile und die historischen Entwicklungen, die zu den aktuellen Erklärungsansätzen für Wohnungslosigkeit geführt haben, zu untersuchen.
2. Begriffsklärung
Dieses Kapitel beleuchtet die historische Entwicklung des Begriffs „Nichtsesshaftigkeit“ und seine Verwendung in der öffentlichen Debatte. Es zeigt auf, wie der Begriff im Laufe der Zeit als Ausdruck für soziale Stigmatisierung verwendet wurde und diskutiert die Notwendigkeit einer Änderung der Sprache, um die Komplexität des Problems zu erfassen.
3. Theoretische Erklärungsansätze der Erscheinungsform Nichtsesshaftigkeit
Der dritte Teil der Arbeit stellt verschiedene theoretische Modelle zur Erklärung von Wohnungslosigkeit vor und untersucht deren Entwicklung von individualisierenden hin zu sozialstrukturellen Perspektiven.
3.1 Psychiatrisch- neurologische Ansätze
Dieses Kapitel analysiert den Ansatz, der Nichtsesshaftigkeit als psychiatrische Erkrankung (Wandertrieb) betrachtet, und dessen historische und wissenschaftliche Relevanz.
- Arbeit zitieren
- Iris Gorke (Autor:in), 2004, Theoretische Erklärungsansätze der Erscheinungsform Nichtsesshaftigkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/27719