Thomas Robert Malthus und die Bevölkerungsökonomie


Hausarbeit, 2011

25 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Historischer Kontext

3. Biografie

4. Vorläufer der Bevölkerungsökonomie
4.1. Bibel und Kirche
4.2. Merkantilismus
4.3. Godwin

5. Das Bevölkerungsgesetz
5.1. Theorie
5.2. Rechtfertigung und Moral
5.3. Sozialpolitik

6. Wirkung und Kritik

7. Fazit

8. Quellen und Literaturverzeichnis
5.1. Quellenverzeichnis
5.2. Literaturverzeichnis
5.3. Internetquellenverzeichnis

1. Einleitung

Bei näherer Beschäftigung mit der Frage der Bevölkerung und ihrer Entwicklung stößt man bei Lektüre der Publikationen zu dieser Thematik meist schon in der Einleitung auf Zahlen, die die Brisanz der Bevölkerungsentwicklung hervorheben. In der gesamten Weltgeschichte kannte die Anzahl von Menschen tendenziell nur eine Entwicklungsrichtung: Wachstum. Zu Beginn des zivilisierten Lebens wurde in der Jungsteinzeit durch die neolithische Revolution, die Einführung von Ackerbau und Viehzucht um 8000 v. Chr., der Grundstein zu dieser Entwicklung gelegt, die bis heute anhält. Aus heutiger Perspektive war die Erde mit damals nur wenigen Millionen Menschen sehr dünn besiedelt, wuchs zu Beginn unserer christlichen Zeitrechnung jedoch schon auf 200-300 Millionen an und überschritt die 500-Millionen-Marke um das Jahr 1650. Schon 200 Jahre später fiel die markante Grenze von einer Milliarde Erdbewohnern. Von hier an vergrößerte sich der absolute Zuwachs noch rasanter, denn 1930 gab es zwei Milliarden, 1976 vier Milliarden[1] und in diesen Tagen, genauer gesagt am 31. Oktober diesen Jahres, wird der sieben Milliardste Mensch das Licht der Welt erblicken. Im Jahr 2100 werden, so laut UN-Projektionen, voraussichtlich 10,1 Milliarden Menschen diesen Planeten bevölkern.[2]

Dieser exponentiell anmutende Anstieg führt auch in Zukunft zu großen Herausforderungen, denn "wir müssen in den kommenden 40 Jahren die gleiche Menge von Lebensmitteln herstellen wie in den letzten 8000 Jahren"[3], so Jason Clay von der Umweltorganisation WWF.

Es zwingt sich die Frage förmlich auf, in wie weit die Erde dazu in der Lage ist, eine immer größer werdende Menschheit zu schultern. Oder mit anderen Worten: Gibt es eine Überbevölkerung und wo fängt diese an?

Bei Betrachtung der Bevölkerungsentwicklung über die Jahrhunderte liegt es auf der Hand, dass sich die Menschheit nicht erst seit heute Gedanken über diese Problematik macht. Wenn in den Medien in großer Regelmäßigkeit dieses Thema aufgegriffen wird, fällt sehr oft der Name Thomas Robert Malthus, ein Urvater dieses Fachgebietes, der sich als einer der ersten intensiv dieser Angelegenheit widmete. Der Geistliche und Ökonom, Inhaber des weltweiten ersten Lehrstuhls in dieser Disziplin überhaupt, gilt gemeinhin als bekanntester, jedoch nicht erster, Bevölkerungsökonom und Begründer des nach ihm benannten Malthusianismus, einer umstrittenen Interpretationsweise in der Bevölkerungswissenschaft. Sein Name ist fast zu einem Synonym für die Angst vor Überbevölkerung geworden.[4]

Daher wird heute noch bei jeder, in gewisser Regelmäßigkeit aufflammenden, Diskussion zur Bevölkerungsentwicklung, ob national oder international, auf ihn verwiesen, sei es auch nur für die Rechtfertigung des Insektenessens vor dem Hintergrund knapper werdender Ressourcen.[5]

„[…] Malthus [erscheint] inzwischen wieder aktuell, zumindest rauscht sein Name seit Monaten durch die Blätter, vom "Wall Street Journal" über den "Economist" bis zur "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Hintergrund sind die rapide gestiegenen Rohstoffpreise, die alle Erfolge im Kampf gegen Hunger zunichte zu machen drohen und die Frage aufwerfen, wie zukunftsfähig unsere von Kohle, Öl und Gas abhängige Wirtschaftsweise ist. Die Vorräte sind begrenzt, beim Erdöl dürfte das Maximum der Förderung bald erreicht sein. Der Klimawandel gibt zusätzlich Anlass für Szenarien des Weltuntergangs.“[6]

Eine gewisse Omnipräsenz auf diesem Themengebiet ist unübersehbar. Dabei waren und sind Malthus‘ Thesen, gelinde gesagt, polarisierend.

„Statt den Armen Sauberkeit zu predigen, sollten wir sie zum Gegenteil animieren. In unseren Städten sollten die Straßen noch enger gemacht, noch mehr dieser Menschen in die Häuser gepfercht und eine Rückkehr von Seuchen gefördert werden. Auf dem Land sollten wir die Dörfer möglichst nahe an stehenden Gewässern bauen und Siedlungen am besten in sumpfigen und unwirtlichen Gegenden fördern. Vor allem jedoch sollten wir Heilmittel gegen Seuchenkrankheiten nicht zulassen, die von gut meinenden Menschen entwickelt worden sind, weil sie irrtümlicherweise glauben, damit der Menschheit zu nutzen.“[7]

Um nachvollziehen zu können, wie ausgerechnet ein englischer Pastor des ausgehenden 18. Jahrhunderts auf solch kontroverse Aussagen kommen konnte, sind nicht nur eine Beschreibung seiner Person, der zeitlichen Umstände, sondern auch die Analyse seiner Werke vonnöten. Gerade in Bezug auf seine geistliche Tätigkeit kann ein Blick in die Bibel ebenso wenig schaden, wie der Vergleich mit seinen zum Teil weniger bekannten Vorgängern und Nachfolgern auf ökonomischer Ebene, um eine adäquate Erklärung und Einordnung seiner Bevölkerungstheorien zu gewährleisten.

2. Historischer Kontext

Es gilt im Allgemeinen als anerkannte Tatsache, dass jedes Individuum in gewisser Weise als Produkt seiner Zeit gesehen werden kann, was insbesondere auch auf Malthus zutrifft. Im Jahr seiner Geburt 1766 kamen in seinem Heimatland diverse, essentielle Entwicklungen zusammen.

Das Königreich England wurde durch schon weit in der Vergangenheit liegende Beschlüsse, wie etwa die bekannte Magna Carta[8], geprägt. Doch die fortschrittlichen, damit teilweise sehr konträr zum europäischen Festland stehenden, Umbrüche hielten unvermindert an. Explizit erwähnenswert ist in jedem Falle die „Glorreiche Revolution“ von 1688/89, die sich gegen den amtierenden Stuart-König Jakob II. richtete. Ohne Gewalt gelang es, den drohenden Absolutismus und Katholizismus dieser Zeit abzuwenden und mit der „Bill of Rights“ im folgenden Jahr das bis heute prägende parlamentarische Regierungssystem zu implementieren, das die Macht des Monarchen erheblich beschnitt.[9] Diese Revolution markierte den Beginn für das, in diverser Literatur so genannte „goldene Zeitalter“ in Großbritannien.[10]

Aber nicht nur in politischer Hinsicht gab es einen Wandel, sondern auch in Bezug auf Wirtschaft und Gerichtsbarkeit. Für Malthus später speziell von Bedeutung war die Gründung der „East India Company“ im Jahr 1600, der die Eroberungen neuer Kolonien durch die Krone vorangegangen waren. Zudem wurde die Bank von England 1694 gegründet, was den Beginn einer neuen Ära für Industrie und Handel darstellte. Die „Habeas Corpus Akte“ sicherte 1671 jedem inhaftierten Briten zu, die Gründe seiner Festnahme innerhalb von 24 Stunden zu erfahren[11], gefolgt vom „Act of Settlement“ von 1701, in dem erstmals die Souveränität der Justiz gesetzlich verankert wurde.[12]

„Bis zum Jahr 1789 hatte kein anderes Land in Europa eine solch freiheitliche Verfassung“ und dazu kam, dass „…England auf dem Weg [war], ein sehr wohlhabendes Land zu werden.“[13]

Die seinerzeit recht stabilen und fortschrittlichen Verhältnisse sind Ausgangspunkt des Lebens Malthus‘ und wurden zu seinen Lebzeiten durch drei große Revolutionen einem erheblichem Wandel unterworfen, die ihn nachhaltig prägen sollten. Mitte des 18. Jahrhunderts begann in England die Industrielle Revolution, ausgelöst durch einen regelrechten Technologiesprung, die zu einer Verstädterung und Landflucht führte.[14] Die Konsequenzen aufgrund der hohen Bevölkerungsdichte waren, dass es zu Seuchen samt Fieberkrankheiten kam und sich in den Slums ein großer Anteil an Kriminellen, Dieben, Prostituierten etc. bildete.[15]

Miteinhergehend kam es im 18. Jahrhundert zu einer regelrechten Bevölkerungsexplosion, ausgelöst durch enorme Fortschritte in Form neuer Fruchtwechselfolgen, Einführung ertragreicher Feldfruchtarten und modernerem Gerät in der Landwirtschaft. Der höhere Leistungsgrad der Landwirtschaft machte die Industrielle Revolution erst möglich. Zusätzlich sanken auf der anderen Seite die Sterberate sowie das Heiratsalter, was den demografischen Zuwachs weiter erhöhte.[16] Aufgrund des Überangebots an Arbeitskräften, die nun nicht mehr im primären Wirtschaftssektor gebraucht wurden, waren die Löhne in den neu entstandenen Fabriken sehr niedrig, was zum Entstehen einer neuen sozialen Klasse, den „Labouring Poor“ führte.[17] Trotzdem konnte die Nahrungsversorgung, von Missernten und zeitweise explodierenden Preisen vor Herausforderungen gestellt, nicht immer gewährleistet werden.[18] Diese Entwicklung einer wachsenden, von Armut bedrohten Bevölkerungsgruppe, sollte großen Einfluss auf Malthus‘ Schaffen haben.

Die Amerikanische Revolution, gipfelnd im Unabhängigkeitskrieg 1775, führte zu einem wirtschaftlichen und politischen Rückschlag Englands, das schon länger durch den Handel mit seinen Kolonien maßgeblich geprägt wurde. Das englische Weltreich erreichte gleichwohl ungeahnte Dimensionen. Die 1789 ausgebrochene Französische Revolution wurde in England, im Hinblick auf ihre eigene „Glorreiche Revolution“, erst mit Freude, später allerdings aufgrund der Reichweite, ablehnend zur Kenntnis genommen. Eine entsprechende Bewegung gab es in England ebenfalls, allerdings konnte sie nie an französische Verhältnisse anschließen.[19] Das Verhältnis zu Frankreich war seit jeher angespannt, schon 1744 war es zu den Karnatischen Kriegen[20] gekommen. Die indirekten Folgen der Französischen Revolution waren mehrere Kriege gegen die Franzosen (1793-97, 1799-1802, 1805 und die Schlacht bei Waterloo 1815), die den sozialen Umständen in England ebenfalls zusetzten.

[...]


[1] Vgl. Kern, Egon: Die menschliche Überzahl und ihre Folgen. Gibt es einen Ausweg? Wien: Universitäts-Verlagsbuchhandlung 1979, S.2.

[2] Vgl. Datenreport der Stiftung Weltbevölkerung (DSW) 2011, S.3f.

[3] Zit. Clay, Jason nach Resenhoeft, Thilo: Eigentlich genug für alle zu essen da, trotzdem hungern viele. Stuttgarter Zeitung Online 2011.

[4] Vgl. Többe, Bianca: Bevölkerung und Entwicklung. Münster: LIT Verlag 2000, S.8.

[5] Vgl. Schmundt, Hilmar: Grille statt Gulasch. Spiegel Nr.15. Hamburg: Spiegel Verlag 2011, S.142f.

[6] Vgl. Kaiser, Arvid: Thomas Malthus. Der pessimistische Pastor. Manager Magazin Online 2008.

[7] Zit. nach Malthus, Thomas Robert: Eine Abhandlung über das Bevölkerungsgesetz. Oder eine Untersuchung seiner Bedeutung für die menschliche Wohlfahrt in Vergangenheit und Zukunft, nebst Prüfung unserer Aussichten auf eine künftige Beseitigung oder Linderung, die es verursacht. Zweiter Band. Jena: Verlag von Gustav Fischer 1905, S.56f.

[8] Magna Carta: von 1215, sicherte dem Adel Freiheiten gegenüber dem König und den Bürgern ein Recht auf Unversehrtheit und Besitz.

[9] Vgl. Haan, Heiner / Niedhardt, Gottfried.: Die Geschichte Englands. Vom 16. Bis zum 18. Jahrhundert. München: C.H. Beck 1993, S.188ff.

[10] Vgl. Winkler, Helmut: Malthus. Krisenökonom und Moralist. Innsbruck: Studienverlag 1996, S.16.

[11] Vgl. Buba, Henry: Man denkt an Thomas Robert Malthus. An seine Warnung vor Überbevölkerung der Erde, an seine Zeit, an seine Zeitgenossen, an seine Vorgänger und Nachfolger. Frankfurt: R.G. Fischer Verlag 1988, S. 66f.

[12] Vgl. Haan / Niedhardt 1993, S.202ff.

[13] Zit. nach Buba 1988, S.67.

[14] Anteil Landbevölkerung Ende 18. Jh. England: 35%, im Vergleich Frankreich: 75%.

[15] Vgl. Winkler 1996, S.54f.

[16] Vgl. ebd., S.61f.

[17] Vgl. ebd., S.59.

[18] Vgl. ebd., S.56ff.

[19] Vgl. ebd., S.50ff.

[20] Karnatische Kriege: drei Kriege von 1744-1763 um die Karnatik (Gebiet in Indien), geführt von England und Frankreich, bzw. ihren Handelsgesellschaften.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Thomas Robert Malthus und die Bevölkerungsökonomie
Hochschule
Leuphana Universität Lüneburg  (Institut für Volkswirtschaftslehre)
Veranstaltung
Klassische Texte der Ökonomie und Nachhaltigkeitsökonomie
Note
1,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
25
Katalognummer
V277511
ISBN (eBook)
9783656701545
ISBN (Buch)
9783656702634
Dateigröße
661 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Alles richtig? Mein erster Upload ,)
Schlagworte
thomas, robert, malthus, bevölkerungsökonomie
Arbeit zitieren
Jan H. Bühring (Autor:in), 2011, Thomas Robert Malthus und die Bevölkerungsökonomie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/277511

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Thomas Robert Malthus und die Bevölkerungsökonomie



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden