Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung und Problemdarstellung
2 Konstrukt/ Skala: Adaptive Kapazität
2.1 Forschungsfrage und Ziel der Untersuchung
2.2 Fragebogenkonzeption und Items
2.3 Antwortkategorien
2.4 Pretestauswertung
3 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung und Problemdarstellung
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales weist aktuell durch die Arbeitsmedizinische Empfehlung „Psychische Gesundheit im Betrieb“ des Ausschusses für Arbeitsmedizin (Stand: Dezember 2013) auf die wachsenden Risiken und steigenden Zahlen psychischer Erkrankungen im Zusammenhang mit gesellschaftlichem Wandel und Arbeitsbelastungen hin. Diese Entwicklung verläuft entgegen dem allgemeinen Trend eines insgesamt rückläufigen Krankenstands (z.B. Muskel-Skelett- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen). Den veröffentlichten Daten zufolge sind für jede zehnte Krankschreibung heute psychische Krankheiten mit teils überdurchschnittlich langer Erkrankungsdauer verantwortlich, in 37% der Fälle sind sie als Ursache für eine Frühverrentung aufgrund von Erwerbsminderung zu betrachten. Diese Zahlen verdeutlichen Brisanz, Aktualität und vor allem akuten Handlungsbedarf im Bereich der Ursachenforschung, Prävention und Intervention zur Erhaltung und (Wieder-)Herstellung psychischer Gesundheit im Betrieb. Eine Herausforderung stellt nach wie vor die Identifizierung von psychischen Erkrankungen oder das spezifische Wissen über Risikofaktoren dar, die im direkten Umfeld des Arbeitsplatzes auftreten können, allerdings auch von „außen“ in den Kontext der beruflichen Tätigkeit hineingetragen werden und dort häufig eher verstärkt als entschärft werden. Im Vergleich zu den innerbetrieblich und über die Krankenkassen erfassten „harten“ Daten (z.B. AU-Statistiken) liegt hierbei vor allem die Chance, sich der Qualität und den (individuellen) Determinanten psychischer Erkrankungen anzunähern.
Die folgende Arbeit beschäftigt sich mit der Entwicklung einer Fragenbogenskala zur Identifizierung von psychosozialen Risiken und Belastungen von MitarbeiterInnen in Betrieben/Unternehmen, konkret mit der „adaptiven Kapazität“ als einem zentralen Aspekt psychischer Gesundheit/Krankheit. Psychische Erkrankungen entstehen durch eine Diskrepanz zwischen den einem Menschen zur Verfügung stehenden (internen und externen) Ressourcen und den entgegengebrachten Anforderungen seiner Umwelt. Die Indikation von Risikofaktoren für psychische Erkrankungen im Zuge der Auswertung des hier erarbeiteten Fragebogens kann im konkreten Fall idealerweise eine Ursachenforschung intensivieren sowie präventive und interventionistische Unterstützungsleistungen bereitzustellen. Hierzu gehört auch, äußere Anforderungen unter Umständen an die vorhandene interne Kapazität angleichen zu müssen. Die vorliegende Arbeit kann aufgrund der gegebenen Rahmenbedingungen kein verlässliches Messinstrument bereitstellen. Das zentrale Anliegen ist jedoch, verschiedene Bereiche des Konstrukts 'adaptive Kapazität' darzulegen, die wissenschaftlich fundiert als maßgeblich für die Skalen-/Fragebogenentwicklung im Zusammenhang mit psychischer Gesundheit im Betrieb oder Unternehmen betrachtet werden müssen.
2 Konstrukt/ Skala: Adaptive Kapazität
Die spezifische adaptive Kapazität (nach Gaebel, 2003)1 in der jeweiligen Lebensphase kann als Ergebnis der Herausbildung der psychischen Konstitution eines Menschen betrachtet werden. Diese wird von den Merkmalen seiner sozioökonomischen und biophysikalischen Lebensbedingungen beeinflusst. Hinsichtlich der Konzeption der Fragebogenskala ist zu beachten, dass beide Merkmale auch die Arbeitsbedingungen enthalten, die „entweder die Eigenschaft von Risikofaktoren oder von protektiven Faktoren einer gesunden Entwicklung aufweisen“ (ebd.). Die adaptive Kapazität ermöglicht dem Menschen ein angemessenes Reagieren auf die Anforderungen seiner Umwelt.
Differenziert werden kann in diesem Zusammenhang hinsichtlich der psychischen Konstitution als zentrale interne Ressource zur Bewältigung von Umweltanforderungen sowie der externen Ressourcen u.a. in Form von sozialen Beziehungen und sozialer Sicherheit, finanziellen Mitteln oder (materiellen) Gütern u.v.m., durch die die Umweltbewältigung unterstützt wird. Zwischen der psychischen Konstitution, den externen Ressourcen sowie der Bewältigung von Umweltanforderungen bestehen dynamische Wechselbeziehungen. Deutlich wird dies sowohl durch die Rolle der psychischen Konstitution für die Gewinnung externer Ressourcen als auch durch den Einfluss der Bewältigungsstrategien von Umweltanforderungen auf die psychische Konstitution. Zwar wird davon ausgegangen, dass die psychische Konstitution im zunehmenden Alter an Stabilität gewinnt, der dauerhafte Verlust von externen Ressourcen (z.B. Arbeitslosigkeit oder Partnerverlust) oder der Anstieg von Umweltanforderungen (z.B. kritische Lebensereignisse oder berufliche Belastungen) kann jedoch auch im Erwachsenenalter zu erheblichen Beeinträchtigungen führen (vgl. BMAS, 2013, S.15).
Die vorgenommene ausführliche Differenzierung und Darstellung des Konstrukts wird an dieser Stelle als sinnvoll erachtet, da nur in Kenntnis der verschiedenen Dimensionen der adaptiven Kapazität entsprechende Items formuliert werden können, um das Konstrukt bestmöglich zu erfassen. Zunächst wird aus obiger Ausführung folgende Hypothese2 für die Entwicklung der Forschungsfrage formuliert:
Konkrete Risiken für die Entstehung psychischer Erkrankungen im Kontext der beruflichen T ä tigkeit ergeben sich durch die spezifischen Anforderungen sowie Schutz- und Risikofaktoren in Verbindung mit den jeweiligen Merkmalen der individuellen psychischen Konstitution.
Das Konstrukt 'adaptive Kapazität' wird im Fragebogen zum Zweck der Komplexitätsreduktion für die Befragten durch die Überschrift „Arbeitserleben“ ersetzt (siehe Anlage: Fragebogen).
2.1 Forschungsfrage und Ziel der Untersuchung
Inwieweit können die Determinanten der adaptiven Kapazität in Bezug auf die psychische Gesundheit im Betrieb durch die Befragung erfasst und Rückschlüsse auf die individuelle adaptive Kapazität der befragten Person gezogen bzw. ein grundlegendes Gefährdungspotenzial für psychische Erkrankungen festgestellt werden?
Weiterführende Fragestellung: Welche Qualität kann der Skala „adaptive Kapazität“ insgesamt im Rahmen der (bereits bestehenden) Fragebogenkonzeptionen und Forschungsarbeit im Bereich „psychische Gesundheit im Betrieb“ beigemessen werden.
2.2 Fragebogenkonzeption und Items
Für den Fragebogen werden sechs Items konzipiert. Ziel der Itementwicklung ist eine möglichst genaue Abbildung und Erfassung der verschiedenen Dimensionen des oben beschriebenen Konstrukts hinsichtlich der internen Konsistenz. Hierbei wird durch inhaltliche Überschneidungen der Items zudem eine Itemhomogenität angestrebt. Im Kontext einer transparenten und eindeutigen Formulierung der Items sollen Messfehler eingeschränkt werden.
Die Qualitätskriterien können insgesamt aufgrund des gegebenen Rahmens dieser Arbeit nur im Ansatz erfüllt werden. Jedoch wurden im Zuge der Pretestauswertung die im Folgenden vorgestellten Items teilweise verändert bzw. modifiziert. Dieser Prozess wird unter Punkt 2.4 kurz erläutert.
Angaben zur Person:
Im Zusammenhang mit der Literatursichtung fällt der Entschluss zu einer kurzen vorangestellten Abfrage personenbezogener Daten. Diese Daten beziehen sich auf das Alter der befragten Person sowie das Geschlecht. Hintergrund sind Statistiken über die häufigere Diagnose von psychischen Erkrankungen bei Frauen im Vergleich zu Männern, zudem treten die höchsten Erkrankungshäufigkeiten und Ausfallzeiten bei beiden Geschlechtern bei den über 55jährigen auf (vgl. BMAS, 2013, S.8). Auf weitere kausale Vergleichsmöglichkeiten wie z.B. Tätigkeitsbranche/Tätigkeitsfeld oder eine generelle Abfrage von Beschäftigung/Arbeitslosigkeit wird im Rahmen dieser Forschungsarbeit verzichtet.
[...]
1 Vgl. BMAS, 2013, S.13ff Druckversion. PDF zum download: http://www.bmas.de/DE/Service/Publikationen/a450- psychische-gesundheit-im-betrieb.html
2 Bzgl. allgemeine Hilfestellungen im Bereich Forschungsfrage/Hypothese siehe u.a. Beller, 2008, S.9ff 4