Leseprobe
1. Aufklärung, Revolution u. Restauration: Ideengeschichtliche Grundzüge 1770-1830
1.1 Die geistige Bewegung d. europ. Aufklärung
- ab 1. Drittel 18. Jhd., v.a. von E + F ausgehende Aufklärung in ganz Europa
- Naturwiss. u. Philosophie befreiten sich
- Impulse für Geistes- u. Meinungsfreiheit
=> gesamteurop. Geistesbewegung. Wiss. Vernunft als absolute Erkenntnisgrundlage
=> Emanzipation des Menschen zum verantwortlich u. selbstbestimmt handelnden Vernunftswesen
=> Ziel: möglichst umfassende Entfaltung d. Individuums in seinem Besitz u. Bildung, die es gegen ges. u. staatliche Eingriffe zu verteidigen galt
- Bewegung nicht nur in Will. sondern auch anderen ges. Räumen
- Emanzipation des Individuums als Keim des europ. Liberalismus (Locke, Smith, Kant)
- aufsteigendes Bürgertum gegen absol. Staat als auch gegen Schranken d. Ständegesellschaft
- für wirt. Freiheit, Rechtssicherheit u. pol. Mitsprache
- neues Leistungs- u. Karrieredenken als neues Lebensmodell d. 2. Hälfte 18. Jhd.
- Anti-kirchliche Ausrichtung; Banner d. Toleranz gegenüber Andersgläubigen
- Verhältnis zwischen Staat u. Kirche vor Reform
Wirtschaft
- Landwirtschaft als Zentrum d. Wirtschaft
- Aufbau einheitlicher Zölle gut für Handel
- Zurückdrängung d. Zünfte u. Gewerbeförderung
Pädagogische Ausrichtung d. Aufklärung
- pädagogische "Volksaufklärung" als öffentliche Belehrung des Volks von seinen Rechten u. Pflichten mittels Schuleinrichtungen, Aufklärungsliteratur, Verbreitung d. dt. Hochsprache
Aufgeklärter Absolutismus
in Deutschland: als kritische Beschäftigung v. Staat u. Verw. als Handlungsrahmen für Reformprojekte in Wirt., Ges. u. Staat
in Italien: Kirche soll sich aus Zivilverw. zurück nehmen u. mehr auf spirituelle Funktionen orientieren; Kirchenzensur über Wissenschaft aufgehoben; Italienisch einzige Staatssprache; staatliche Wissenschaftspol. mit Gründungen Akademien, Instituten, Militärschulen, Universitäten
in Lombardei: Reform des Strafrechts herausragend; dazu: staatl. Steuerhoheit, Enteignung kirchl. Besitz, Abschaffung Inquisition, Einrichtung staatl. Schulen
in Florenz: wirtschaftslib. Vorstellungen: Handelsfreiheit, Veräußerungsfreiheit von Immobilien, Auflösung Handwerkerkorporationen -> aber kaum soz. Steigerung bei Kleinbauern wg. Halbpachtsystem; aber Abschaffung Folter + Todesstrafe 1786; Verfassungsentwurf 1787
=> alles Vorzeichen einer Republik und Demokratie
-> aber kaum Reformen zw. Staat u. Kirche, 3/5 immer noch unter feudaler Herrschaft
- auch Aristokratie wehrte sich lange gegen Aufklärung
Zusammenfassung
=> viele Reformen in Preußen, Habsburg, Russland, Toskana, Neapel verwirklicht!:
Agrarreformen, Bauernbefreiung, Gewerbeförderung, Rechtsgarantien, Presse- u. Meinungsfreiheit!!
-> Auftakt für grundlegenden Wandel von Staat, Wirtschaft, Gesellschaft u. Kultur!
-> neues Bewusstsein, dass ges. + wirt. Verhältnisse veränderbar sind! u. nicht mehr aus Gottesgnade u. Vernunft!
=> Aufklärung zum Abbau dogmatischer Traditionen u. absol. Autoritäten in Wissen. + Religion, sowie Lehre vom Gesellschaftsvertrag und Geburt des Liberalismus!
-> Aufklärungsbewegung kann bis zur Franz. Revo. wg. ihrer Unterschiedlichkeit keiner präzisen pol.-ideologischen Ausrichtung zugeordnet werden!
1.2 Die Revolutionsidee u. ihre polarisierende Wirkung
- Franz. Revo. 1789 ungeheure Beschleunigung d. Aufklärung u. brachte den Menschen die Veränderbarkeit d. pol. Verhältnisse in ihr Bewusstsein
- weltweite u. geschichtliche Einmaligkeit
- Tradition u. Kontinuität im Zwiespalt, Bruch mit Kirche sollte nicht vollends sein
Entstehung des Konservatismus (durch Burke)
- Ursprung: Folge aus Franz. Revolution
- Berufung auf Tradition u. Wertekontinuität
- Staatsvertrag als Vereinbarung d. Lebenden mit verstorbenen u. zukünftigen Mitgliedern d. Ges.!
- gegenwärtige Ordnung von Staat u. Ges., indem diese auf Vergangenheit u. Zukunft verpflichtet wurde!
- Grundprinzipien:
- Vertrauen in Werte u. Traditionen
- Skepsis gegenüber Zeitgeist u. unüberlegten Erneuerungsbestrebungen
- Wertschätzung d. Familie als tragende Inst. d. Ges.
- Verteidigung von Privateigentum u. wirt. Freiheit
- Orientierung an göttlicher Ordnung u. Achtung d. göttl. Schöpfung
- gegen absol. Machtanspruch der Fürsten, gegen Lib., aber auch gegen vorkonst. Ordnung (kein Ancién Régime!)!
- ab 1813 (Wiener Kongress) Durchbruch d. Konser. in Restauration von Thron u. Altar
- Spätromantik in D. auf gleichen Pfaden -> gegen europ. Moderne, aber für ...
=> Ideal eines dauerhaften Zusammenschlusses d. europ. Völker u. Fürsten zur übernationalen christlichen Friedensordnung! -> Vordenker d. heutigen EU !! -> "heilige Allianz" von 1815
Liberalismus (konstruktives Programm)
- Geistig: Freiheit d. Wissenschaften, Befreiung von Dogmen u. religiösen Beschränkungen
- Pol.: Menschen- u. Bürgerrechte, Verfassungs- u. Rechtsstaat, Gewaltenteilung u. Repräsentation
- Wirt.: Garantie d. Eigentumsrechte, Gewerbe- u. Handelsfreiheit, Freizügigkeit in Berufswahl
- Lib. u. Demokratismus aber nicht deckungsgleich, eher im Spannungsverhältnis zur direkten pol. Partizipation
2. Verein, Klub u. Geheimbund: Parteiengeschichtliche Grundzüge 1770-1830
2.1 Politisierung d. Gesellschaft i. d. Aufklärung
- korporative Inst. wie Stände, Zünfte, Universitäten verloren ihre Bindekraft
-> Recht d. freien Assoziation genutzt, um Gesellschaften, Akademien, Vereine, Sozietäten zu gründen -> alles private Vereinigungen
- Mitgliedschaft freiwillig und gleich
- Vereinswesen übernahm elementare Ordnungsfunktionen
- förderte demokr. Formen d. Willensbildung u. Bewusstsein für überregionale Zusammenhänge zw. Wirt. u. Pol.
- pol. Vereine zuvor durch Monopol d. absol. Staates verhindert
- Parteien = pol. Richtungsorganisation mit einer dauerhaften, statuarisch geregelten u. überregional aufgefächerten Orga.form; entstanden erst ab 1848/49
Voraussetzung für Übergang von pol. Verein zu Partei:
- Verein beruft sich auf freien Zugang u. freiwillige Mitgliedschaft, ohne ständische Einschränkungen
- schriftlich fixierte pol. Programmatik
- Selbstdarstellung u. Mitgliederwerbung in Öffentlichkeit
- strebt Übernahme pol. Ämter zur Einflussnahme auf pol. Willensbildung an
- dauerhafte Organisation
- beteiligt sich an Wahlen u. strebt Vertretung im Parlament an
-> europ. Parteiwesen aus Ausgangspunkt in Vereinen!
- in England Parteienentwicklung 1678 früher als anderswo, wg. Magna Charta (1215) als Basis, König brauchte Zustimmung des Parlaments (Aristokratie bis ins 19. Jhd. im Parlament herrschend)
- dank "glorreicher Revo." kam "Vorrang des Parlaments" u. damit auch d. Parteien gegenüber Krone im Verfassungssystem = "Bill of Rights (1689)" als Steuermonopol d. Parlaments, alle 3 Jahre Wahlen
-> Stärkung d. Parlaments gegenüber Exekutive, Parteien neue Bedeutung!
Def. Partei (nach Burke 1770): als feste, auf dem Freiwilligkeitsgrundsatz beruhende pol. Zusammenschluss, der sich auf Grundlage seiner besonderen weltanschaulichen Orientierung gemeinschaftlich für das nationale Interesse einsetzt.
- ab 1770 theo. Anerkennung d. Parteien als Grundlage d. Regierungswechsels
- Machtstreben d. Parteien u. Kontrolle durch Opposition als notwendige Voraussetzung
-> erst ab 1830 Zusammenwirken parl. Mehrheit + außerparl. Öffentlichkeit zur Realisierung d. Parlamentsreform
- Vereinsbildung auf dem Kontinent: gelehrte Gesellschaften bis zur Franz. Revo.
- diese "Lesegesellschaften" als 1. Sammelbecken für Aufklärer u. Keimzelle für 1. pol. Orga.form d. Neuzeit, aus denen sich später Vereine u. Sozietäten entwickelten
- Themen Sozial- u. Wirtschaftsordnungen sowie Förderung von Bildung u. öff. Wohlfahrt
- 2. Sammelbecken: die "Geheimgesellschaften", um der Zensur zu entgehen
- Bürgertum + Adel; starke Verflechtung zw. Staatspolitik u. Freimaurern oder Illuminatoren
- Ideale von Humanität, Brüderlichkeit u. Aufhebung ständischer Unterschiede
- Beitrag zur Entstehung einer ausgeklärten, ständeübergreifenden, bürgerl. Gesellschaft!
2.2. Entstehung pol. Richtungen von Franz. Revo. bis zur Restauration
Frankreich
- zunächst "clubs", keine Parteien
- Einkammerparlament ab 1791 Sitzverteilung in "links" u. "rechts" (Namensgebend!)
- Restauration in F 1814-1830, Wahlmanipulation u. Pressezensur verhinderte Parteienbildung
- durch Franz. Revo. u. Besetzung Napoleons enorme Politisierung d. Ges. in ganz Europa
Italien
- Verbot von jedweder Vereinigung 1819 bzw. nur mit behördlichen Auflagen
- alle Geheimbünde wurden als Sekten tituliert u. Mitglieder teilweise verfolgt
- trotz Verbot "Carboneria" als revo. lib. Orga. in Süditalien mit >600.000 Mitgliedern
- Mitglieder: Militär, Ärzte, Beamte, Justiz, Klerus, liberaler Adel = Kleinbürgertum + Teile d. Unterschicht + einige Frauen
- erste parteiähnliche Orgastruktur mit Aufnahmeritualen, Versammlungen, Tagesordnungen
- Grenze zur Öffentlichkeit mit teils okkulten Aufnahmeriutalen mit Schwur zur Geheimhaltung gegenüber allen Nichtmitgliedern; starke Zeichen- u. Bildsymbolik
- Ziele: Dezentralisierung u. Stärkung d. Regionen; repräsent. Verfassungssystem; Rede-, Presse-, Vereinigungsfreiheit; Kontrolle d. Regierung; handelspol. Reformen; Aufhebung Feudalsystem;
-> Versuch des Aufstandes gemeinsam mit Militär 1820 wurde niedergeschlagen
=> offener pol. Verein mit Verfassungsgebung u. Antritt b. Parlamentswahlen; Austritt aus Geheimen führte zur Spaltung u. später Bedeutungslosigkeit
Deutschland
- "Tugendbund" ähnlich wie Clubs, aber mit mehr Nationalgefühl (entscheidendes Motiv)
- "Deutscher Bund", erst geheim, dann national u. demokr.-lib. Programmatik in Freiheitskriegen
-> Kampf für Freiheit u. Einheit Deutschlands (um 1814)
- Burschenschaften als Sammelbeck unterschiedlicher Richtungen (radikal-demokr., lib., romantisch-koservativ)
=> Vorformen dt. Parteiwesens
- "Grundsätze d. Wartburgfeier" 1818 als 1. dt. Parteiprogramm: Bekenntnis zur nat. Einheit; Verfassung; prinzipiell demokr. Überzeugung; Volkssouveränität; unabhängige Justiz;
- in Restauration viele pol. Vereine in Repression, deutschlandweites Parteiverbot ab 1819
- Vereine nur noch im Untergrund als Geheimges. fortbestehend, viele Mitglieder im Exil
[...]
- Arbeit zitieren
- Michaela Sankowsky (Autor:in), 2011, Vom Geheimbund zur Massenpartei. Entwicklung und Organisation der politisch-weltanschaulichen Richtungen Europas 1770-1930, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/279185
Kostenlos Autor werden
Kommentare