Als am 9. November 1989 die Berliner Mauer fiel, jubelten die Bürger der DDR. Bundeskanzler Helmut Kohl erkannte die Gunst der Stunde und setzte alles daran, die beiden deutschen Staaten wiederzuvereinigen. Doch entstand dadurch wirklich eine „Deutsche Einheit“?
Dieses Buch beleuchtet zunächst die Gründe der Wende. Es zeigt, welche gesellschaftlichen und außen- wie innenpolitischen Prozesse die Bevölkerung und die Politik zum Handeln brachten. Weiter werden die komlizierten diplomatischen Verhandlungen nachvollzogen und dabei kritisch hinterfragt, ob die Wievereinigung überstürzt war – und ob noch heute eine „geteilte Einheit“ zwischen Ost und West besteht.
Aus dem Inhalt:
Wiedervereinigung oder Dritter Weg?
Die Rolle der Bundesregierung unter Helmut Kohl,
Friedliche Revolution und Transformation,
Diskrepanz staatlicher und innerer Einheit,
Ost- und Westdeutsche nach der Wiedervereinigung
Inhalt
Wiedervereinigung oder Dritter Weg? Die DDR 1989/90 von Michael Vollmer (2004)
Einleitung
Die Chancen eines Dritten Weges – Die DDR 1989/90
Schlussbetrachtung
Bibliographie
Der Weg zur deutschen Einheit. Die Rolle der Bundesregierung unter Helmut Kohl während des Wiedervereinigungsprozesses von Franziska Eichhorn (2009)
Einleitung
Das Jahr 1989
Das Jahr 1990
Schlusswort
Literaturverzeichnis
Die friedliche Revolution von 1989/90. Deutschlands überstürzte Vereinigung? Von der Diskrepanz staatlicher und innerer Einheit von Alexis Demos (2008)
Einleitung
Das Ende des real existierenden Sozialismus
1989 – das annus mirabilis
Das Endziel der Einheit
Von der unverhofften zur überstürzten Einheit?
Die Suche nach der inneren Einheit
Resümee
Literaturverzeichnis
Friedliche Revolution und Transformation. Geteilte Einheit? Ost- und Westdeutsche nach der Wiedervereinigung 1989/90 von Viktoria Dießner (2009)
Einleitung
Angleichung der Lebensbedingungen in Ost und West
Vergleich der Sozialstruktur in Ost und West vor und nach 89/90
Probleme warum?
Fazit
Quellenverzeichnis
Einzelbände
Wiedervereinigung oder Dritter Weg? Die DDR 1989/90 von Michael Vollmer (2004)
„Wir wären von allen guten Geistern verlassen, wenn über den Umweg der Deutschlandpolitik sozialistische Vorstellungen eingebracht würden.“[1]
(Theo Waigel, 1989)
Einleitung
Problemstellung
Mit dem politischen Ende der SED-Diktatur im Herbst 1989 traten Geister aus Ost und West zu Tage, die aus dem abgewirtschafteten Staat zwischen Ostsee und Erzgebirge ein Musterland jenseits von Kapitalismus und Sozialismus gestalten wollten. Doch welche Zukunft, welche Existenzberechtigung hätte eine marktwirtschaftlich orientierte DDR neben einer kapitalistischen BRD gehabt? „Natürlich keine!“, wie Professor Dr. Otto Reinhold, Mitglied des Zentralkomitees der SED, es am 1. September 1989 in der „Zeit“ formulierte.[2] Und dennoch gab es beiderseits der innerdeutschen Grenze seit jeher Kräfte, die eine bessere, demokratische, entstalinisierte DDR und damit ein wirkliches Alternativmodell zur Bundesrepublik errichten wollten. Nicht selten wurde der antiradikal anmutende Terminus vom „Dritten Weg“, im Munde seiner Wortführer, zum Mittel semantischer Begriffsverwirrung, denn allzu häufig waren deren Visionen abstrakte Hirngespinste, bisweilen ideologisch, nicht selten utopisch und fern von jeglichem ökonomischen Verständnis. Trotz alledem entwickelte sich gerade in der DDR ein Gespür für die Notwendigkeit von Reformen, wenngleich die Mahner dort allzu oft mundtot gemacht wurden. Ihnen bot die Untergrundliteratur der achtziger Jahre den kreativen Raum, den ihr die Lakaien der marxistischen Orthodoxie verwehrten. 1989, nach Jahren der Stagnation, war endlich die Stunde für Veränderungen gekommen. Mit dem jahrelang ertragenen und nun öffentlich zur Schau gestellten Frust wollten die Menschen die kleinbürgerliche Enge durchbrechen.
Was bewegte die Bürger der DDR? Welche Veränderungen wollten sie mit ihrem Protest erreichen? Wieviel Reform konnte der Staat, die Partei, das System überhaupt ertragen? Zunächst soll die Frage beantwortet werden, in welchem Maße die Bürger im emotional aufgeheizten Deutschen Herbst den Ideen eines Dritten Weges zwischen Kapitalismus und Sozialismus zugeneigt waren? Wie veränderte sich diese Haltung mit Fortschreiten des Erosionsprozesses des alten Systems? Ein Dritter Weg wäre ein neuerliches Experiment gewesen, das keinen Erfolgsautomatismus garantieren konnte. Niemand kannte die zu erwartenden Unwägbarkeiten. Aber waren die Menschen überhaupt noch bereit, reform-sozialistische Experimente zu erdulden, deren Ausgang nur mehr neue Ungewissheiten bot? Welchen zukünftigen Handlungsspielraum eröffnete die desolate Wirtschaftslage des Staates? Wie verhielt sich die Jugend, der Zukunftsträger des Staates, dem realexistierenden Sozialismus gegenüber? Die Beantwortung dieser Fragen soll den realen Verwirklichungsspielraum, der sich den Anhängern eines Dritten Weges am Ende der achtziger Jahre bot, aufzeigen.
Aufbau und Vorgehensweise
Die vorliegende Arbeit ist sowohl als deskriptive als auch als analytische Studie konzipiert. Sie versucht nicht nur die Atmosphäre am Vorabend der politischen Wende und den Monaten des deutschen Einigungsprozesses 1989/90 einzufangen, sondern auch die Ursachen der Resignation und allgemeinen Unzufriedenheit, deren Konsequenzen zu Wandel und Abbruch des gesamten Systems führten, zu ergründen. Die Exposition des zweiten Kapitels befasst sich mit der Ausgangssituation der DDR, der politischen Stabilität und der gesellschaftlichen Akzeptanz des Systems. Die folgenden Abschnitte sind der gefühlsdominierten Atmosphäre der Endphase der deutschen Teilung gewidmet. Neben dem Zusammenbruch der DDR werden das wachsende Verlangen der Menschen nach einer Wiedervereinigung beider deutscher Staaten sowie die Absage der Bürger an politische Experimente und Zwischenlösungen Berücksichtigung finden. In diesem Zusammenhang wird die ungelöste nationale Frage auf, die das Entstehen einer eigenen DDR-Identität zeitlebens und nachhaltig beeinflusste aufgegriffen. Zwar basierten kommunistische Strategien stets auf Methoden, die unterschiedliche Wege und Vorgehensweisen zur Erreichung der Pläne zuließen, in ihrer Quintessenz durften diese jedoch niemals Zweifel an der moralischen Überlegenheit des Sozialismus aufkommen lassen. Ein weiterer Abschnitt ist daher der Rolle der DDR-Jugend gewidmet, die im Gefolge des Entspannungsprozesses der siebziger Jahre ein Eigenleben entwickelte, das negativ auf die Stabilität des Staatsgefüges zurückstrahlte und deren gewachsene Strukturen vor neue, scheinbar unlösbare Herausforderungen stellte. Weiterhin wird sich mit der wirtschaftlichen Situation der DDR in der Spätphase der Achtziger befasst, soll der Fokus auf die ökonomische Realität gerichtet und die Frage beantwortet werden, welche Chancen sich der Umsetzung eines Dritten Weges in einer eigenständigen DDR überhaupt darboten. Ein anderer Abschnitt ist der Rolle der DDR-Intelligenz gewidmet, die offensiv als Avantgarde politisch-wirtschaftlicher Dritter-Wegs-Konzeptionen in Erscheinung trat und ebenso häufig die Eigenständigkeit einer entstalinisierten Deutschen Demokratischen Republik forderte. Die Schlussbetrachtung. wird den Themenkomplex und die gewonnenen Erkenntnisse resümieren und die Frage beantworten, warum der Kampf für einen Dritten Weg, trotz zeitweiliger Sympathien, zum Scheitern verurteilt war. Eine Auswahlbibliographie diese Arbeit ab.
Quellenlage und Forschungsstand
Die schiere Menge wissenschaftlicher Publikationen über die politischen Ereignisse der Jahre 1989/90 ermöglichen einen umfassenden Einblick in die Thematik. Publikationen wie Stefan Wolles „Die heile Welt der Diktatur. Alltag und Herrschaft in der DDR 1971–1989“, Alexander von Platos „Die Wiedervereinigung Deutschlands – ein weltpolitisches Machtspiel“ und Manfred Görtemakers „Kleine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“ seien stellvertretend für die Vielzahl detaillierter Betrachtungen genannt. Zur Masse politisch-historischer Werke gesellt sich eine vergleichbar hohe Anzahl an Schriftstücken, die sich der sozio-ökonomischen Situation der DDR und den Ursachen der 89er Revolution widmet. Das noch vor der politischen Wende in Ostdeutschland verfasste Werk „Realer Sozialismus. Anspruch und Wirklichkeit“ von Heinz Kallabis bietet dabei eine ebenso realistische Einschätzung über die Notwendigkeit von Reformen, wie das 1987 in der Bundesrepublik erschienene Buch „Die DDR auf dem Weg in das Jahr 2000“ von Hermann von Berg, Frank Loeser und Wolfgang Seiffert. Doch erst der nach Überwindung der Teilung ermöglichte Zugang zu bis dato verschlossenen Archiven erlaubte eine umfassende empirische Analyse des ökonomischen Desasters und des politischen Bankrotts der DDR. Alexandra Nepit hat mit „Die SED unter dem Druck der Reformen Gorbatschows. Der Versuch der Parteiführung, das SED-Regime durch konservatives Systemmanagement zu stabilisieren“ eine solch umfangreiche Studie zur Thematik beigesteuert. Patrik von zur Mühlens Arbeit, „Aufbruch und Umbruch in der DDR. Bürgerbewegungen, kritische Öffentlichkeit und Niedergang der SED-Herrschaft“, ist ein Überblick über Zielsetzungen verschiedenster Bürgerrechtsgruppierungen der achtziger Jahre und zugleich eine Synthese sozio-ökonomischer Fakten und politisch-historischen Hintergründe.
Auch die Anzahl an Publikationen von direkt am Transformationsprozess beteiligter Politiker, Schriftsteller und Widerständler erreicht eine unüberschaubare Dimension. Dabei ermöglicht Manfred Stolpes Buch „Schwieriger Aufbruch“ gleichermaßen eine Einsicht auf individuelle Systemerfahrungen und Vorstellungen, wie Günter Schabowskis „Abschied von der Utopie“ oder Friedrich Schorlemmers Werk „Bis alle Mauern fallen“. Die in Eckhard Jesses „Eine Revolution und ihre Folgen. 14 Bürgerrechtler ziehen Bilanz“ retrospektiv zu Wort gekommenen ehemaligen Dissidenten vermitteln ihrerseits nicht nur neue, differenzierte Einsichten, sondern auch ihre alte Meinungsheterogenität gegenüber dem Prozess der Deutschen Wiedervereinigung. Über diese DDR-Opposition hat der Theologe und Wissenschaftler Erhart Neubert, mit dem Buch „Geschichte der Opposition 1949–1989“, Informationen zu 40 Jahren Widerstand gesammelt und zu einem umfangreichen Kompendium verarbeitet. Eine spezielle Sicht auf Gedankengänge und Dritte-Wegs-Konzeptionen von DDR-Widerständlern ermöglicht auch das von Ilko-Sascha Kowalczuk herausgegebene Sammelsurium politischer und zeitgenössischer Dokumente „Freiheit und Öffentlichkeit. Politischer Samisdat in der DDR 1985–1989“. Mittlerweile existiert eine Vielzahl an Publikation zum Zeitgeschehen, die aufgrund des engen formalen Rahmens jedoch unbenannt bleiben muss. Und dennoch bieten unerforschte Dokumente und Akten des MfS, auch im Zusammenhang mit der Operation „Rosenholz“, breiten Raum für weitere Aufklärungs- und Forschungsarbeit. Die für die vorliegende Arbeit verwendete Literatur kann nicht annähernd das Spektrum des vorhandenen Schrifttums wiedergeben, wobei für die getroffene Auswahl keine weitere Wertung vorgenommen werden soll.
Die Chancen eines Dritten Weges – Die DDR 1989/90
Der Zusammenbruch
1989 waren Ost und West gleichermaßen unvorbereitet mit dem rasanten politischen Umbruch konfrontiert worden. Die Krisenerscheinungen des gesamten Ostblocks markierten jedoch nur den Endpunkt einer langen, dahinschleichenden Entwicklung stetig zunehmender Unzufriedenheit, deren Quintessenz nun eine Kettenreaktion war, die aufgrund fehlender struktureller Steuerungsinstrumentarien zum völligen Zusammenbruch des Systems führte.[3] In vier Jahrzehnten der Trennung hatten die Deutschen beiderseits der Grenze gelernt, sich auf bescheidene Ziele einzurichten. Es ging im Wesentlichen nur mehr darum, den Menschen, denen politische Gestaltungsfreiheit und das Selbstbestimmungsrecht gleichermaßen versagt blieben, das Leben zu erleichtern.[4] Bei den meisten Bürgern der Bundesrepublik war die Einsicht gewachsen, dass es zur Kooperation mit der DDR, auf Grundlage eines sich gegenseitigen Anerkennens, keine Alternative gab.[5] Während bundesdeutsche Politiker in den Jahren nach der Staatsgründung ernstgemeinte – im Gegensatz zur SED – Wiedervereinigungspolitik betrieben, setzte der 1969 ins Amt gewählte Kanzler Willy Brandt mit einer amtlichen Neuausrichtung der offiziellen Regierungspolitik neue Akzente. Seine Deutschlandpolitik orientierte sich an dem Ziel, die Substanz der Nation in der Teilung zu erhalten, neue Verbindungen zu schaffen und alte Bindungen aufrechtzuerhalten. Diese Politik des „Wandel[s] durch Annäherung“ setzte grundsätzlich die Bereitschaft voraus, mit der Führungsriege in Pankow politische Kontakte aufzunehmen, Verträge abzuschließen und die DDR faktisch als zweiten deutschen Staat zu akzeptieren.[6]
In deren Folge hielt die SPD enge Kontakte zu den politisch Verantwortlichen in Ostberlin, denn ein Wandel in der DDR sollte von den Machthabern selbst ausgehen. Und während sich die CDU/CSU-Opposition anfangs heftig gegen die neue Maxime verwehrte, kam sie doch nicht umhin, diese nach der Regierungsübernahme 1982 selbst fortzusetzen. Um die Substanz der Nation zu erhalten war es vonnöten, aktive Beziehungen zur DDR zu suchen, deren Konstitution nicht durch eine zu harsche Wiedervereinigungsrhetorik gefährdet werden durfte. Um den Genossen keine verbale Steilvorlage für ihre antiimperialistische Agitation zu liefern, lag die Einheit der Nation bis ins Schicksalsjahr 1989 vorerst auf Eis.[7] Während dieser Zeit hatte auch Bundeskanzler Kohl keine aktive Politik zur Destabilisierung der Deutschen Demokratischen Republik betrieben.[8] Als der Lauf der Geschichte eine Einheit nun doch in greifbare Nähe rücken ließ, erschien das Festhalten der Bundesregierung an den Vorgaben der Grundgesetzpräambel als umso bemerkenswerter.[9] In der CDU war die politische Wende und die Aussicht auf Wiedervereinigung von Anfang an begrüßt worden,[10] während sich einige Amts- und Würdenträger der Sozialdemokratie, darunter auch Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder, zunächst verhalten bis ablehnend äußerten. Selbst SPD-Ikone Willy Brandt hatte die Wiedervereinigung beider deutscher Staaten noch 1988 als „die Lebenslüge der Bonner Republik“ bezeichnet. Und dennoch unterschätzten Parteien jedweder Couleur die Rasanz, mit der sich der Verfallsprozess der DDR fortsetzte. In den politischen Debatten zwischen November bis Anfang Dezember 1989 setzte man weder in der BRD, noch in der DDR auf eine rasche Reunion, wenngleich der Druck der Straße, durch Parolen wie „Wir sind ein Volk“ und „Deutschland einig Vaterland“, nach der Grenzöffnung zunehmend stärker wurde.[11]
Kohls Politik hatte Anfang November 1989 dazu beigetragen, dass die Opposition in der DDR offiziell zugelassen werden musste. Seit 1984 hatte sich die Opposition, die sich fortan verstärkt Menschenrechtsfragen widmete, im Fahrwasser des Samisdat und unter der Ägide der evangelischen Kirche formiert.[12] Zu dieser Zeit hatte der Widerstand bereits ein Niveau erreicht, in dem verbale Attacken und Widerspruchshandlungen gegen das Regime, allein schon aufgrund ihrer schieren Menge, längst nicht mehr alle strafrechtlich verfolgt werden konnten.[13] Ein Novum der DDR-Geschichte gab es dann 1989. Bei den Kommunalwahlen vom 7. Mai konnten Bürgerrechtsgruppen den Machthabern Wahlfälschung nachweisen, wodurch die in Selbstdisziplin unterdrückte Unzufriedenheit weiter Bevölkerungskreise zusätzlichen Auftrieb erhielt. Schon im Vorfeld der Wahl war die Legitimität der SED zunehmend hinterfragt worden. Auch ihre demonstrative Unterstützung für die Niederschlagung der chinesischen Demokratiebewegung auf dem Tian’an men im Juni signalisierte der Bevölkerung, dass die SED zum eigenen Machterhalt entschlossen war. Ihr Ansehen schwand weiter.[14]
Seit Ende Juli 1989 begann ein Formierungsprozess der Opposition, die sich der sich anbahnenden Krise der DDR bediente, mehr Öffentlichkeit anstrebte, sich programmatisch profilierte und die SED direkt herausforderte.[15] Das Zusammenspiel zwischen Opposition, Ausreisewelle und Demonstrationsbewegung bewirkte Anfang Oktober, dass die Partei die ursprünglichen Absichten zur gewaltsamen Niederschlagung aufgeben musste. Als im November 1989 der Demokratisierungsprozess irreversibel und die deutsche Frage zum beherrschenden Thema wurde, waren alle politischen Kräfte bemüht, sich innerhalb der veränderten politischen Lage neu zu orientieren.[16]
Die Bundesregierung hatte sich zwar kurzfristig bereit gezeigt, Hilfsmaßnahmen für die Bevölkerung der DDR einzuleiten, doch war Kohl im Gegensatz zur SPD nicht gewillt, die Deutsche Demokratische Republik dauerhaft ohne grundlegenden Systemwechsel zu stabilisieren.[17] Am 28. November verkündete der Kanzler einen 10-Punkte-Plan, der als Übergangsstadium zur Bildung einer Konföderation beider deutscher Staaten gedacht war. Dieser Vorstoß handelte ihm viel Ärger ein und auch die Regierung des am 13. November 1989 neu gewählten Ministerpräsidenten der DDR, Hans Modrow, reagierte abwehrend und bezeichnete den Plan als „Mißachtung der Realitäten“[18] Modrow wollte die Deutsche Demokratische Republik im Machtbereich der Sowjetunion halten, während Bonn im Rahmen einer Konföderation lediglich helfen sollte, den Staat politisch zu stabilisieren und die marode staatseigene Wirtschaft zu sanieren. Modrows Modell einer „Vertragsgemeinschaft“ ging ebenso wie Helmut Kohls 10-Punkte-Plan von einer längeren Übergangszeit aus, in der sich die DDR politisch und ökonomisch konsolidieren sollte, um sich dann irgendwann auf Basis völkerrechtlicher Gleichberechtigung zur Wiedervereinigung einzufinden.[19] Zwar ging auch Gorbatschow noch Anfang 1990 davon aus, dass die DDR weiter bestehen und ein Alliierter der Sowjetunion bleiben würde, doch diktierten mittlerweile die Massen auf den Straßen das offizielle Geschehen und die Berufspolitiker beider Lager waren gleichermaßen bestrebt, die keineswegs ungefährliche emotionale Spannung des Volkes aufzufangen.[20]
Der Wille zur Einheit
Bundesfinanzminister Waigel (CSU) hatte sich frühzeitig für erhebliche finanzielle Transfers ausgesprochen, diese jedoch an die Bedingung marktwirtschaftlicher Reformen gekoppelt. Bundeskanzler Kohl bot der neuen DDR-Führung in seinem Bericht zu Lage der Nation am 8. November an, ihr bei der Umsetzung der Reformen zu helfen. Er sagte: „Wenn es einen wirklichen Reformprozess gebe, werde man sogar ‚eine neue Dimension wirtschaftlicher Unterstützung‘ für die DDR erwägen.“[21] Eine Sanierung der DDR-Ökonomie konnte jedoch nur auf Grundlage einer umfassenden Öffnung für privates Kapital geschehen. Für dieses Ansinnen sollte sich die Partnersuche der CDU im Osten zunächst noch schwierig gestalten, da diese Strategie wenig Kongruenz zu den gesellschaftspolitischen Vorstellungen der östlichen Opposition aufwies.[22]
Kohl sprach immer auch von einer nationalen Verpflichtung seiner Regierung und dem Selbstbestimmungsrecht aller Deutschen.[23] Und das Thema drängte in diesen Tagen mehr denn je ins Zentrum öffentlicher Aufmerksamkeit. Gorbatschow selbst hatte am 15. November 1989 in einer Rede vor Moskauer Studenten davon gesprochen, dass eine „Wiedervereinigung“ Deutschlands eine „interne Angelegenheit“ der Bundesrepublik und der DDR sei.[24] Wenngleich Gorbatschow in einem Telefonat mit Gregor Gysi sein Missfallen über Kohls 10-Punkte-Konzept bekundete, sollte sich die UdSSR mittelfristig doch bereit zeigen, einer deutschen Konföderation den Segen zu erteilen. Unterdessen hielt die Machterosion der DDR-Oberen unvermindert an.
Diesem Autoritätsverlust der SED-Machthaber folgte das Legitimationsdefizit der Interessenvertretung der Noch-DDR bei Fuße. Diese Aufgabe versuchte nun der „Runde Tisch“ zu erfüllen: eine auf Initiative der Kirchen gebildete „Nebenregierung“, die sich im Dezember 1989 zum ersten Mal konstituierte. Im Wesentlichen verfolgte er drei Ziele: Erstens die Durchführung freier Wahlen, zweitens die Ausarbeitung eines neuen Verfassungsentwurfes und drittens die Auflösung der Staatssicherheit.[25] Es war auch hier nicht der Sozialismus selbst, der im Mittelpunkt der Kritik stand, es sollte vielmehr eine demokratische DDR als sozialistische Alternative zur kapitalistischen BRD entwickelt werden. Doch mit diesen Visionen von einem Dritten Weg entfremdete sich der Runde Tisch alsbald von den Forderungen der Bevölkerungsmehrheit, die sich seit November 1989 innerlich mehr und mehr für eine staatliche Wiedervereinigung entschieden hatte.
Ende November, nur wenige Wochen nach den revolutionären Ereignissen, bejahte rund die Hälfte der Bürger eine Wiedervereinigung beider deutscher Staaten. Dieser Anteil sollte bis Ende Januar/Anfang Februar 1990 auf 80 Prozent nach oben schnellen.[26] Die entscheidende Transformation des öffentlichen Meinungsbildes hatte zwischen November 1989 und Februar des Folgejahres stattgefunden. Die Frage nach dem zukünftigen Weg der DDR hatten Ende November noch 86 Prozent mit „einem besseren, reformierten Sozialismus“ beantwortet. Nur fünf Prozent entschieden sich für den „kapitalistischen Weg“. Bis Anfang 1990 hatten sich die Relationen jedoch eindeutig zugunsten des kapitalistischen Modells verschoben.[27] Besonders markant war dieser Trend bei den CDU-Wählern. Während sich im November 1989 noch 83 Prozent für einen „besseren, reformierten Sozialismus“ aussprachen, schrumpfte dieser Wert auf magere 29 Prozent Anfang Februar. Bezogen auf die gesamte DDR verringerte sich dieser Wert von 86 auf 56 Prozent. Konzentrierte sich die CDU noch im November darauf, einen pluralistischen Sozialismus zu schaffen, vollzog sie bereits auf ihrem Parteitag Mitte Dezember den vollständigen Bruch mit dem gescheiterten System.[28]
Unterdessen hatte die SED innerhalb der zwei Monate nach dem Sturz Honeckers mehr als die Hälfte ihrer vormals 2,3 Millionen Mitglieder verloren. Gefördert durch Enthüllungen über zahlreiche Korruptionsskandale, bei deren Aufklärung sich auch der am 13. November neu ins Amt gewählte Ministerpräsident Modrow auffällig zurückhielt, verließen die Menschen die Partei wie Ratten das sinkende Schiff.[29] Modrow hatte seit Beginn der Sommerkrise wiederholt erklärt, dass er hoffe, eine gewichtige Rolle während der unsicheren Phase des Übergangs der DDR zu einer sozialistischen Demokratie zu spielen. Zwar blieben seine Ziele weitgehend im Dunkeln, aber vieles sprach dafür, dass er das Regime grundlegend reformieren wollte, um es dadurch im Verbund mit der UdSSR zu halten. Gleichzeitig sollte die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem Westen erhöht werden. In jedem Falle musste der Staat wirtschaftlich und finanziell saniert werden – vorzugsweise in einer Konföderation mit der Bundesrepublik. Doch Modrow blieb keine Zeit mehr seine Pläne in die Tat umzusetzen, denn die Situation verschlechterte sich tagtäglich.[30]
Durch die Einheitseuphorie hatte auch Kohl schnell sein Interesse an Verhandlungen mit Ministerpräsident Modrow, der doch als Repräsentant des alten, verbrauchten SED-Regimes galt, verloren. Kohls Besuch in Dresden am 19. Dezember sollte für ihn zu einer Art Schlüsselerlebnis werden. Zu den dort vereinbarten Verhandlungen mit dem DDR-Oberhaupt über eine Vertragsgemeinschaft kam es nicht mehr, denn der Kanzler überließ alles Weitere dem Lauf der Geschichte, deren Richtung er inmitten zehntausender jubelnder Ostdeutscher in Dresden unzweifelhaft erkannt zu haben glaubte.[31]
Bei einem Zusammentreffen mit Bundeskanzler Kohl auf dem „World Economic Forum“ am 2. Februar 1990 im schweizerischen Davos informierte Modrow ihn darüber, dass eine Zusammenführung beider deutscher Staaten unvermeidlich sei, da sich der Verfall der DDR täglich beschleunige. Die DDR benötigte umgehend 15 Milliarden D-Mark, um eine Katastrophe im März abzuwenden.[32] Damit war auch Modrows Konföderationsplan mit dem Titel „Für Deutschland, einig Vaterland“, den er am 30. Januar dem Generalsekretär der KPdSU in Moskau vorgelegt hatte, hinfällig. Dieses Konzept, das von Gorbatschow gebilligt wurde, sah eine stufenweise Vereinigung Deutschlands mit Berlin als gemeinsamer Hauptstadt vor. Während dieses Prozesses sollten sich beide Staaten nicht in die inneren Angelegenheiten des jeweils anderen einmischen. Die Verwirklichung des Strategiepapiers war zudem an die Bedingung militärischer Neutralität geknüpft.[33] Besonders die Neutralisierungsabsicht stieß sogleich auf die vehemente Ablehnung Bonns. Unter den Vorzeichen des nahenden Staatsbankrotts und dem ungebrochenen Flüchtlingsstrom, kündigte Kohl am 6. Februar die Schaffung der Wirtschafts- und Währungsunion und am 13. Februar den günstigen Umtauschkurs von 1:1 an. Das demoskopische Pendel schlug nun eindeutig zugunsten der am 5. Februar gegründeten konservativen „Allianz für Deutschland“ um, zumal sich in der SPD Stimmen zu Wort meldeten, die vor einem solch übereilten Schritt warnten.[34] Hoffnungen auf eine Wiedervereinigung „auf gleicher Augenhöhe“, wie sie beispielsweise von Ulrike Poppe, einer Vertreterin der Opposition, geäußert wurden, waren naiv und gehörten nur mehr ins Reich der Phantasmagorie.[35]
Seit Februar 1990 sollten sich die Bürgerrechtsbewegungen verstärkt der Artikulation sozialer Ängste und der beginnenden Diskussion über Transformationen, die einer Einführung von Marktwirtschaft und D-Mark folgen würden, stellen.[36] In einer am Runden Tisch erarbeiteten und von der Volkskammer verabschiedeten Sozialcharta, waren Schwerpunkte, die das gesamte Volk betrafen, namentlich das Recht auf Arbeit und Wohnen, die Demokratisierung und Humanisierung des Arbeitslebens, die Gleichstellung der Frau, das Recht auf kostenlose Bildung und auf kostenfreien Schwangerschaftsabbruch, festgeschrieben worden. Diese Basis von Grundrechten der DDR-Bevölkerung, sollte in die Verhandlungen mit der Bundesrepublik über die Wirtschafts- und Währungsunion einfließen. Zusammen mit dem Ziel, eine neue DDR-Verfassung zu erarbeiten, wurden diese Vorschläge von der Bevölkerung jedoch kaum mehr ernst genommen.[37] Die Nemesis dieser Entfremdung übermittelte das Wahlvolk den Initiatoren am 18. März. Die Bürgerbewegung, die gespalten zur Abstimmung antrat und sich auf das Bündnis 90, den Demokratischen Aufbruch, die AVL, die Grüne-UFV und andere verteilte, sollte geradezu bloßgestellt werden. Das desaströse Abschneiden enttäuschte viele ihrer Aktivisten zutiefst.[38]
Im Vorfeld der ersten demokratischen Volkskammerwahlen am 18. März 1990 entwickelte sich ein neues Parteiensystem. Es gab eine Vielzahl von Neugründungen, Abspaltungen und Umbenennungen, und schließlich entstanden Wahlbündnisse, an denen zumeist eine etablierte Partei aus der Bundesrepublik beteiligt war.[39] Die CDU hatte sich frühzeitig auf den „Demokratischen Aufbruch“ als Partner festgelegt, den Kanzleramtsminister Seiters seit November 1989 zudem in Verhandlungen mit der SED einband. Hinzu kam, dass die Partei nicht nur auf die Strukturen der CDU-Blockpartei zurückgreifen konnte, sondern auch mit der Deutschen Sozialen Union (DSU) ein schlagkräftiges Bündnis einging. Und obwohl Meinungsumfragen die SPD noch Anfang Februar mit 54 Prozent klar vorn gesehen hatten, stand die von der West-CDU unterstützte „Allianz für Deutschland“ am Wahlabend als Überraschungssieger mit 47,8 Prozent der Stimmen fest.[40] Damit bekundeten die Bürger ihren Willen zur Wiedervereinigung. Parteien, die sich für einen langsamen Weg zur Einheit und für eine stärker geprägte DDR-Identität aussprachen, standen eindeutig als Verlierer fest.[41]
Keine Zwischenlösungen mehr!
Seit der Übernahme des Generalsekretärpostens durch Gorbatschow, der sich der Demokratisierung und Modernisierung politischer Strukturen in der UdSSR annahm, wären in der DDR innere Reformen so möglich wie nötig gewesen. Demgegenüber signalisierte Moskau eine Erwartungshaltung an Ostberlin, die von den verantwortlichen Stellen der SED ignoriert oder sogar offen abgewehrt wurde.[42] Bis zu ihrem schicksalhaften XXVII. Parteitag (25. Februar – 9. März 1986) galt die Kommunistische Partei der Sowjetunion offiziell als unfehlbar und war gegen jedwede Kritik resistent. Gorbatschow änderte dies, kündigte den Unfehlbarkeitsanspruch auf und machte die KPdSU selbst zum Reformobjekt.[43] Zugleich forderte er mehr Öffentlichkeit, was die SED beunruhigen musste, denn vergleichbare Bestrebungen in der DDR hätten nicht nur Regimekritik zur Folge gehabt, sondern früher oder später auch unliebsame Diskussionen über die Frage der deutschen Teilung aufgeworfen.[44]
Bereits 1983 war der damalige sowjetische Botschafter Pjotr Andrejewitsch Abrassimow, der aufgrund seiner permanenten Einmischung in die Politik der DDR den Beinamen „Regierender Botschafter“ erhielt, auf Drängen Honeckers, der sich durch die ständige Bevormundung belästigt fühlte, abberufen worden.[45] Fortan ließ auch die UdSSR die Zügel ihrer Blockpolitik etwas lockerer, mit dem Ergebnis, dass sich die SED zunehmend weniger von Moskau diktieren lassen wollte.[46] Nachdem Honecker im September 1987 die BRD besucht hatte, ließ die SED verlauten, dass sie für „Glasnost“ und „Perestroika“ in der DDR keinerlei Notwendigkeit sah.[47] Sie sollte auch weiterhin mit entschiedener Härte gegen allzu kritische Stimmen vorgehen, denn die Ostberliner Kommunisten waren weder willig ihre Macht demokratisch zu teilen, noch dazu bereit diese auch nur an jüngere, reformorientierte Kräfte innerhalb der SED abzugeben. Auch den neuen Wirtschaftskonzepten der Sowjetunion stand man nur solange positiv gegenüber, wie diese den eigenen Kurs nicht berührten.[48] Die Folge waren zunehmende Differenzen zwischen dem Politbüro und der KPdSU-Führung, denn die Verantwortlichen in Pankow waren in ihrer Haltung unbeweglich; vor allem Honecker lehnte jedwede Reform ab. Valentin Koptelzew, sowjetischer Gesandter in der DDR, sondierte bereits, welche Variante mit den Deutschen in Frage kommen würde, denn er und sein Stab hatten keinerlei Vertrauen mehr in die Aussagen der SED-Führung über die Stabilität des Landes. Manfred Stolpe sprach im Nachhinein von Überlegungen des Sowjetdiplomaten, die auf eine Finnlandisierung der DDR, einem Weg ähnlich dem Österreichs, hinausliefen und die mit ihm seit 1988 mehrfach diskutiert worden waren. Es wurde die hypothetische Frage gestellt, ob eine DDR mit freiheitlichem System und marktwirtschaftlicher Grundordnung, bei gleichzeitiger sowjetischer Truppenpräsenz, im Verhältnis zur BRD hätte bestehen können.[49]
Von ganz ähnlichen Vorstellungen über die Zukunft der DDR sollten auch die Initiatoren des Aufrufs „Für unser Land“ vom 26. November 1989 ausgehen, die für eine demokratisch-sozialistische Alternative zur Bundesrepublik eintraten. Jedoch erfolgte der Aufruf einiger Intellektueller bereits in einer Zeit, in der Forderungen nach einer deutschen Wiedervereinigung längst aufgekommen waren und die Ausreisebewegung den Staat destabilisiert und politisch unmöglich gemacht hatte.[50] Bis zur Kompromittierung des Appells durch die Unterschrift Egon Krenz‘ sollten ihn dennoch zwei Millionen Bürger unterzeichnen. Der DDR blieb jedoch keine Zeit mehr für Konsolidierung, einem Neuanfang unter der Ägide linksreformistischer Konzepte. Antikommunistischer Widerstand hatte hingegen eine unverhältnismäßig geringe Rolle gespielt. Im Kern war die Opposition des Ostens reformsozialistisch. Das hing zum einen damit zusammen, dass nach der Vertreibung und Ausschaltung des Bürgertums, sowie der Liquidierung politisch Unliebsamer seit den fünfziger Jahren kaum mehr antikommunistische Oppositionelle existierten. Daher fehlten in der 89er Revolution eigene radikal-bürgerliche Alternativen zum Sozialismus, die mit eigenen Konzepten die Vorstellungen reformorientierter Linker ideologisch, organisatorisch oder politisch hätten kompensieren können.[51] Trotz dieses konzeptionellen Vakuums sollte es der linken Opposition während der Wendemonate schwerfallen, eigene Akzente zu setzen, denn ihre Anlehnung an Grundsätze der bundesdeutschen Linken und an „grüne“ Alternativmodelle versprach keinerlei Erfolg und keine sie tragende Massenbasis.[52] Eine Anpassung der Lebensverhältnisse an den westlichen Standard war zur alternativlosen Maxime geworden, die man nun im Osten verwirklicht sehen wollte. Der Staat, das offensichtlich gescheiterte Sozialismusexperiment, war zu einem verzichtbaren Relikt verkommen. Er wurde überflüssig, weil die Menschen ihre Zugehörigkeit zu „der“ Nation erkannten und einforderten. Sie erlebten das Zusammengehörigkeitsgefühl, das ihnen westdeutsche Politiker fortdauernd predigten, in diesen Tagen hautnah, was das Überbordwerfen des künstlich generierten Status „DDR-Deutsche“, sofern dieser überhaupt jemals akzeptiert und angenommen wurde, erleichterte.[53]
Die Bewegung, die 1989 die Wende einleitete hatte zunächst nicht das Ziel nationaler Einheit vor Augen. Sie wollte Veränderungen in der DDR, nicht zwangsläufig ihr Ende. Rufe wie „Wir sind das Volk“ waren vornehmlich gegen die Diktatur der Partei und für Freiheit gerichtet. Die fehlende Resonanz auf Reformforderungen der Bürger seitens der SED, sowie eine drohende Eskalation der innenpolitische Lage, hatten Egon Krenz, der lange Zeit als Kronprinz Honeckers galt, davon überzeugt, dass eine baldige Ablösung des Generalsekretärs, auch aus einem Machterhaltungsinstinkt heraus, unvermeidlich sei. Am 12. Oktober 1989 wurde Honecker in einer Sitzung mit den Bezirkschefs der SED in nie gekanntem Ausmaß kritisiert. Vor allem Hans Modrow aus Dresden, der durch die Flüchtlingszüge aus Prag selbst in arge Bedrängnis geraten war, tat sich hervor. Ermutigt durch Modrows Auftreten, wagte Krenz den Sturz Honeckers in der folgenden Politbürositzung am 17. Oktober, nachdem auch Moskau keine Einwände signalisiert hatte. Bereits am folgenden Tag wurde Krenz auf Vorschlag des Politbüros vom Zentralkomitee der SED zum neuen Generalsekretär der Partei gewählt.[54] Im DDR-Fernsehen mimte er jedoch noch am gleichen Abend das gewohnte Bild orthodoxer Altvordern: Dunkler Anzug, steife Haltung, monotone Rhetorik. Er hinterließ den Eindruck, nicht den Erneuerern, sondern der dogmatischen Altherrenclique anzugehören, womit die Reformer ihre Chance, die DDR auf einen neuen Weg zu bringen, schon im Ansatz verspielten. Die Absetzung Honeckers hatte nur mehr verdeutlicht, dass es mit einem Personalwechsel an der Spitze nicht getan war. Kein Problem der DDR war damit gelöst. Die neue Führung versprach alsbald, Demonstrationen künftig zu tolerieren, die Berichterstattung in den Medien zu ändern, neue Reisegesetze und eine Amnestie für Demonstranten und Flüchtlinge zu erlassen, doch die Proteste gegen das Regime hielten, trotz Einhaltung der Versprechen, unvermindert an. Unter dem Druck der nach Freiheit dürstenden Öffentlichkeit trat am 7. November der gesamte Ministerrat und am 8. November auch das gesamte Politbüro geschlossen zurück. Sie wichen einer neuen Führung, die im Wesentlichen aus Gegnern Honeckers bestand.[55]
Von nun an überschlugen sich die Ereignisse. Noch bevor Hans Modrow, der sich als SED-Bezirkschef von Dresden den Ruf eines nichtideologischen Pragmatikers erworben hatte und als glaubwürdige Alternative zur alten Riege erschien, am 13. November von der Volkskammer offiziell zum neuen Ministerpräsidenten der DDR gewählt wurde, war die Grenze geöffnet worden. Dass die Reisefreiheit von größter Bedeutung für die Stabilisierung von Staat und Regierung war, wussten alle Beteiligten.[56] Doch die Dimensionen, die der Massenexodus dieser Tage erreichte, konnte im Vorfeld keiner erahnen. Die Bürger erlebten nach dem 9. November 1989 nun ein Gefühl der Freiheit, das sich wie eine berauschende Droge nach den Jahrzehnten des Eingesperrtseins auf die Befindlichkeit niederschlug.[57] Man genoss das Erlebnis, sich frei und überallhin bewegen zu dürfen und erhielt zugleich einen Einblick in die Konsumwelt der Bundesrepublik. Der verbreitete Wohlstand, die Leistungsfähigkeit der kapitalistischen Wirtschaft, aber auch Äußerlichkeiten wie Ordnung und Sauberkeit hatten die Masse der DDR-Bürger davon überzeugt, dass es all das fortan auch bei ihnen zu Hause geben sollte.[58] Für sozialistische Planspiele, Experimente und Zwischenlösungen war die Masse der Ostbevölkerung nun immer weniger empfänglich.[59]
Das Geschwätz einiger Intellektueller, die nun die Trauerarbeit für das in Scherben liegende System, der Utopie vom neuen Menschen, aufnahmen, ging an der Masse der Bevölkerung vorbei und in den unüberhörbar werdenden Forderungen nach Einheit der Nation unter. Auch die wirtschaftliche Lage bot sozialistischen Experimenten keinerlei Spielraum mehr. Die Öffnung der Mauer am 9. November hatte das Schicksal der DDR endgültig besiegelt, denn der bundesdeutsche Magnet hatte nichts von seiner Anziehungskraft verloren und funktionierte wie ehedem in Vor-Mauerbau-Zeiten, als tagtäglich hunderte Bürger die sowjetische Besatzungszone, auf der Suche nach Freiheit und etwas persönlichem Glück, verließen. Etwa 2,7 Millionen Menschen waren bis 1961 in die Bundesrepublik abgewandert, und auch in den Folgejahren waren es Tausende, die Jahr für Jahr in die BRD gelangten.[60] Eine ähnliche Abwanderungswelle setzte nach der Maueröffnung ein und bis Anfang März 1990 hatten bereits circa 450.000 Menschen das Land gen Westen verlassen. Der Wirtschaft kamen zunehmend Arbeitskräfte abhanden, da die Beschäftigten das Paradies der Werktätigen in Scharen verließen. Ein Kollaps des gesamten Systems war nunmehr eine Frage von Wochen, bestenfalls von ein paar Monaten.[61] Einer Existenzberechtigung der DDR raubte dies jedwede Grundlage. Vera Lengsfeld, ehemals SED-Mitglied, später eine der führenden Bürgerrechtlerinnen, beschrieb ihre Perzeption der Geschehnisse dieser Tage rückblickend: „Am 6. Dezember 1989 habe ich, damals noch Mitglied der jungen ‚Grünen Partei der DDR‘, auf einer der späten Montagsdemonstrationen in Leipzig für eine eigenständige Entwicklung der DDR geworben. Der Beifall war dünn, die Ablehnung überwältigend.“[62]
Die DDR-Identität – Propaganda oder Wirklichkeit?
Im November 1989 waren die stalinistischen Hinterlassenschaften für die meisten DDR-Bürger noch nicht in ihrer vollen Dimension ersichtlich. Das Ausmaß der Rückständigkeit politischer, kultureller, ökonomischer und sozialer „Errungenschaften“ war zu dieser Zeit erst in Ansätzen erkennbar, auch wenn die meisten Bürger den stetigen Niedergang seit langem erkannt hatten. Enthüllungen über Amtsmissbrauch, persönliche Bereicherung und Korruption ehemaliger SED-Kader standen erst noch bevor.[63] Bei Krisenerscheinungen der Bereiche Produktion, Verkehr, Reproduktion und Verteilung handelte es sich jedoch „nur“ um Ergebnisse, die kurz- oder längerfristigen Steuerungskrisen anzulasten waren. Fragen der politischen Kultur und der Identität der Bürger waren hingegen Probleme von tiefenpsychologischer Natur.[64] Die nun offenkundige Weigerung der DDR-Mehrheit dem Vorschlag der Opposition zu folgen, eigene Reformperspektiven für eine moderne und solidarische DDR-Gesellschaft zu erarbeiten, entsprang mehreren, sich wechselseitig bedingenden Faktoren.
Zum einen erlebte die Bevölkerung den Macht- und Autoritätsverlust des Staatsapparates, der in seiner Rasanz nicht nur beispiellos war, sondern vielen lange Zeit überhaupt als undenkbar erschien. Machterosionen kommunistischer Parteien im gesamten Ostblock und ihre mediale Verbreitung taten ihr übriges und vermittelten das Ende einer gescheiterten Ideologie. Im Lichte dieses materiellen und moralischen Bankrotts erschienen die Staaten des Westens als einzige Alternative.[65] Deren einst so mächtige Gegner implodierten; sie kapitulieren vor dem Druck der Straße, der die kommunistische Alleinherrschaft zumeist ohne Blutvergießen hinwegfegte.[66] Die neuen Möglichkeiten direkter Vergleiche des deutsch-deutschen Alltags förderten dazu noch die Erkenntnis, dass sich der ideale „Konsumsozialismus“ jenseits von Mauer und Stacheldraht entwickelt hatte. Jedoch waren viele Bürger der DDR hinsichtlich ihrer kollektiven und individuellen Sozialisationsbedingungen, Verhaltensweisen, Einstellungen und Wertsetzungen auch tief verunsichert, denn der schnelle Übergang, von der zentralistisch gelenkten Rundumversorgung zum freiheitlich-pluralistischen System, führte nicht nur zur Befreiung des Individuums vom kollektiven Zwang, sondern auch zum Verlust gewohnter Lebenssicherheiten. Die marode Lage der Wirtschaft vor Augen, hatte sich die Masse der Bevölkerung bewusst für das politische System der Bundesrepublik entschieden, ohne dieses jedoch wirklich zu kennen. Die Möglichkeit der freien Entscheidungswahl war den Menschen jahrzehntelang versperrt worden und die Verunsicherung dieser Tage beruhte zum großen Teil darauf, dass den Bürgern – vielen bereits seit dem Kindergartenalter – die Fähigkeit abgesprochen worden war, selbständig zu denken, zu urteilen und zu handeln.[67]
Jahrelang war versucht worden, das Bewusstsein der Bevölkerung hinsichtlich des eigenen Systems so zu manipulieren, als handele es sich gegenüber dem Westen um das moralisch, politisch und ökonomisch höherwertigere von beiden.[68] Doch gefördert durch die Möglichkeit, sich nach der Maueröffnung ein eigenes Urteil bilden zu können, verschwammen angesichts der bundesdeutschen Arbeitsrealität nicht nur die Schönfärbereien der Sozialisten über die ostdeutschen Arbeitsweisen und Produktionsmethoden, der direkte Vergleich offenbarte deren Rückständigkeit in unverhohlener Weise. Der Realität entrückt, hatte Erich Honecker noch im Dezember 1988 auf der 7. Sitzung des ZK der SED lauthals verkündet, dass der Lebensstandard in der DDR, den der Bundesrepublik inzwischen überrundet habe. Diese in der Presse veröffentlichte Äußerung löste angesichts der Versorgungsengpässe allgemeinen Unglauben und Belustigung, aber auch Wut und Aggressionen aus.[69] Doch nun verstärkte das Gesehene in der Bundesrepublik bei den Deutschen der DDR das Bewusstsein, dass nicht sie oder mangelnde berufliche Qualifikation, nicht mangelnder Fleiß oder fehlendes Improvisationsvermögen für das niedrige Lebensniveau verantwortlich waren, sondern die in beiden Staaten unterschiedlichen materiellen und organisatorischen Bedingungen der Arbeits- und Produktionsverhältnisse.[70]
Der Kenntnisstand der Bevölkerung über Hintergründe der ökonomischen Lage war sicherlich gering, zumal die politisch Verantwortlichen Wirtschaftsstatistiken fälschten und diese niemals zu einem Gesamtbild zusammensetzten. Der Niedergang war jedoch überall zu spüren gewesen und zeigte sich besonders im Bereich des Wohnungsangebots, der Erhaltung von Bausubstanz, der ungenügenden Versorgung mit Nahrungsmitteln und Waren des täglichen Bedarfs, sowie das in den achtziger Jahren spürbar verringerte Angebot an technischen Geräten.[71] Diese gefühlte Benachteiligung mündete nicht selten in Systemvergleichen. Jetzt, nach der Herbstrevolution 1989, bot sich den Menschen endlich die Chance auf Reformen und ein bisschen eigenen Wohlstand. Den unmittelbaren Erlebnissen und dem teilweise euphorischen Zusammengehörigkeitsgefühl der Deutschen beiderseits der Grenze, den positiven Erfahrungen der DDR-Bürger in der Bundesrepublik und der daraus resultierenden neuen Kommunikation, entsprang ein massenpsychologischer Effekt, der den Zusammenbruch des Systems beschleunigte.[72]
Zeitlebens war die nationale Frage die Achillesferse der Deutschen Demokratischen Republik, denn sie verdeutlichte einen Makel, der die Herausbildung einer DDR-Identität nachhaltig behinderte. Der Einheitspartei war es nicht gelungen, den Sozialismus zur Staats- und Gesellschaftsordnung einer vereinten Nation zu machen. Sie konnte ihn lediglich dort umsetzen, wo die Bajonette der sowjetischen Armee ihn schützten.[73] Permanent wurde die SED mit der Tatsache konfrontiert, dass der realexistierende Sozialismus nur in einem Teil, und noch dazu im kleineren, des Vaterlandes errichtet werden konnte. Damit blieb die Partei, und mit ihr das gesamte System, stets auf die Bundesrepublik fixiert, denn eine Organisation, die es unternahm einen zweiten Staat innerhalb einer Nation zu gründen, der sich erstens von allen bisherigen Staaten einschließlich der BRD prinzipiell abzugrenzen versuchte, und der zweitens keine Gelegenheit ausließ, diese moralische Überlegenheit zu demonstrieren, unterlag immer auch dem Zwang, dies wieder und wieder nachweisen zu müssen um die eigene Existenz zu rechtfertigen und zu legitimieren.[74] Dass die Bürger die vermeintliche DDR-Identität, von der die Führung unentwegt sprach, so schnell abstreifen konnten – sofern sie diese jemals angenommen hatten – lag damit auch an der unbeantworteten „Deutschen Frage“, denn die Menschen verglichen sich und ihre Lebensbedingungen natürlich nicht mit denen der sozialistischen Staaten, sondern mit denen ihrer Brüder und Schwestern in der Bundesrepublik.
Die Identität der Bevölkerung und ihre Identifikation mit dem SED-Staat war seit Anbeginn Ausdruck eines widersprüchlichen Verhältnisses zwischen partieller Integration und politischer Distanz. Auch über die Jahre gesehen erwies sich diese Ablehnung des realsozialistischen Systems, als außergewöhnlich stabil.[75] Diese Divergenz erhielt durch verschiedenste Vorstellungen vom „wahren“ Sozialismus innerhalb der Bevölkerung neue Nahrung. Da gab es zum einen eine Minderheit, deren Kern einen Teil der politischen Opposition bildete. Sie begründete ihre Ablehnung damit, dass die politische Konstitution des realexistierenden Sozialismus konträr zu zivilisatorischen Werten bürgerlich-liberaler Rechtsstaatlichkeit stand. Dadurch war es dem Sozialismus ihrer Ansicht nach auch nicht möglich, sich als Alternative zu den konsumorientierten Gesellschaften des Westens zu profilieren. Für viele war das System nicht mehr, als ein besonders rückständiges Modell gewachsener Industriegesellschaften.[76] Die Visionen und Grundprinzipien sozialer Gleichheit verwarfen sie dabei nicht, die Auswüchse der praktizierten Ergebnisgleichheit, die durch Konsumverteilung und ihre Absage an das Leistungsprinzip die gesellschaftliche und wirtschaftliche Stagnation zu verantworten hatten, hingegen umso heftiger. Diese Missstände sollten über einen Dritten Weg, durch Schaffung einer solidarischen Gesellschaft mündiger und selbstbewusster Bürger beseitigt werden, während die Entwicklung der Wirtschaft an soziales und ökologisches Gemeinwohl gebunden blieb.[77] Sie wollten die stalinistische Deformation des realexistierenden Sozialismus beenden und eine wirkliche Alternative zur Bundesrepublik schaffen, denn, so heterogen die Opposition der DDR auch war, so einig war man sich in der Ablehnung einer deutschen Wiedervereinigung. Persönlichkeiten wie Ulrike Poppe, Friedrich Schorlemmer oder Konrad Weiß zeigten sich bis zuletzt von der Reformfähigkeit der DDR überzeugt.[78]
Die Masse der Bevölkerung hatte sich hingegen zwangsläufig mit dem System arrangiert, denn das gebot allein schon der Wille zur Selbsterhaltung. Ihre Ablehnung gegenüber den herrschenden Zuständen hatten die meisten lange Zeit durch beharrliches Schweigen zum Ausdruck gebracht, denn eine laute und kompromisslose Verweigerung gegenüber Staat und Partei war praktisch nicht durchführbar, wollte man nicht sein ganzes Leben auf den untersten Sprossen der sozialen Leiter verbringen.[79] Schweigen war ein Ausdruck verdrängter Widersprüche, die letztendlich zu Ablehnung, Wut oder gar Hass führten. Die Divergenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit war jahrelang unterdrückt und in Selbstdisziplin erstickt worden, da deren Artikulation den Menschen häufig sinnlos erschien und teilweise mit drakonischen Strafen belegt war.[80] Dass die Menschen nun verstärkt Reformen und Freiheiten einforderten, spricht gegen die zu vermutende Entpolitisierung der Masse. Der Balanceakt zwischen Distanz zum Regime und der Gewissheit, ihm nicht entkommen zu können, artikulierte sich aber zeitlebens auch in Zynismus und in öffentlichem Räsonnement, das besonders in den achtziger Jahren zunehmend fordernder und aggressiver wurde. Das „Gemecker“ der Bürger war trotz seiner häufig anonymen Zielrichtung inhaltlich unverkennbar gegen das SED-Regime gerichtet. Kritiken, abfällige Bemerkungen und Witze trugen dazu bei, deren Autorität zu untergraben.[81] Doch trotz dieser Freiheit zu offener oder versteckter Kritik die sich das Volk nahm und deren Ton, der in gleichem Maße an Schärfe, wie die Talfahrt der Wirtschaft an Rasanz gewann, blieb das Leben in der DDR ein immerwährender Drahtseilakt zwischen notwendiger Anpassung und gebotener Distanz. Vorteile und Risiken mussten die Menschen in jedem Fall genau abwägen.[82]
Schleichend gesellte sich zu Distanz und Frust über die starre Verweigerungshaltung der SED eine wachsende Gleichgültigkeit der Untergebenen gegenüber den Errungenschaften des Systems. Die Lakaien der marxistischen Orthodoxie sahen sich somit spätestens seit den siebziger Jahren, mit für sie markerschütternden Sprüchen wie „Is‘ doch alles sinnloous“[83] seitens Jugendlicher und junger Leute, die die Kluft zwischen den dogmatisch-ideologischen Vorgaben der Führung und ihren eigenen Vorstellungen für zunehmend unüberbrückbar hielten, konfrontiert. Der eigene Abstand zur Realpolitik der DDR bot der Majorität nach dem Umbruch das Gefühl, „es schon immer gewusst zu haben“, das durch den raschen Zusammenbruch des Sozialismus nur mehr bestätigt wurde. Diese Distanz machte die nach Öffnung der Grenze stärker werdende Artikulation der gesamtdeutschen Identität und ihrer schnellen Annahme durch die Bürger möglich, denn die Wiederherstellung des deutschen Nationalstaates unter den Vorzeichen der parlamentarischen Demokratie bot den Menschen die sicherste Gewähr, die Verteilung sozialer Gerechtigkeit innerhalb der Gesamtdeutschen Nation neu zu gestalten.[84]
Die Jugend geht ihren eigenen Weg
In der Geschichte der DDR gab es langanhaltende gesellschaftspolitische Entwicklungslinien, die auf die Krise von 1989 hinwirkten. Die ersten Anzeichen waren gegen Ende der siebziger Jahre in einer veränderten Wertsetzung bei Jugendlichen zu beobachten, die zwar einerseits öffentliche Gelöbnisse auf das System schworen, deren Einstellungen und Lebensweisen andererseits jedoch erheblich von den parteiideologischen Vorgaben abwichen. Jugendliche, die seit den Sechzigern geboren waren, verfügten nicht mehr über das erforderliche Maß von Verpflichtungsvorstellungen gegenüber der Partei, denn sie hatten nie unter Hunger oder ähnlichen Entbehrungen gelitten, die sie mit ideologischen Mustern hätten kompensieren müssen. So wie ihre Ansprüche stiegen, nahm die Loyalität gegenüber staatlichen Autoritäten ab.[85] Die Jugendgeneration der Achtziger war in der DDR nicht mehr heimisch geworden. Sie war mental kaum mehr im System verankert und zeigte sich weniger kompromissbereit.[86] Die Herrschenden hatten sich ihrerseits durch die Unbeweglichkeit und das dogmatische Sendungsbewusstsein zunehmend selbst diskreditiert. Lenin hatte die „Diktatur des Proletariats“ als „eine sich unmittelbar auf Gewalt stützende Macht, die an keine Gesetze gebunden ist“ beschrieben.[87] Die SED verstand die DDR durchweg und unverändert als „Proletarische Diktatur“ mit der Folge, dass physische und psychische Gewaltelemente in ihrer Politik überwogen, was auf Dauer zwangsläufig zu einer gegenseitigen Entfremdung führen musste.
Während des Jahres 1990 hat die DDR-Schriftstellerin Helga Königsdorf Stimmen eingefangen, die den schwelenden Generationenkonflikt[88] treffend beschrieben. Eine junge Frau, deren Name, Alter und Herkunft nicht verbrieft ist, schilderte ihre Erfahrungen, die stellvertretend für tausende vergleichbarer Schicksale stehen: „Ich habe mich zum Beispiel sehr in der FDJ engagiert, und ich habe mitbekommen, daß es nichts brachte, wenn ich auf irgendwelchen Delegiertenkonferenzen herumsaß oder auf diesen unsinnigen Freundschaftsratssitzungen, wo nie rauskam, wo man FDJ-Kleidung anziehen mußte. Das hat mein Vater überhaupt nicht verstanden, weil er eben aus der völligen Anfängergeneration kam.“ Sie schrieb weiter, dass ihre Eltern sehr viel über die Missstände gewusst haben. „Wenn sie sich mit Kollegen unterhalten haben, wurde viel kritisiert. Wenn wir dann das gleiche kritisieren wollten, durften wir es nicht. Weil mein Vater Angst hatte, wir verlieren unsere Ideale.“[89]
Diese Divergenz zwischen der Masse der Jugend und der Partei- und Staatsführung war jedoch nicht einseitig verlaufen, denn wer sich an den Worten der Volksbildungsministerin Margot Honecker orientierte, die noch im Juni 1989 auf dem pädagogischen Kongress tönte, „Die Saat, die die Pädagogen unseres Landes ausbrachten und täglich neu ausbringen, sie ist aufgegangen. [...] Es wuchs in unserer Republik eine gesunde Jugend heran, weil unsere sozialistische Gesellschaft, in der sie aufwächst, gesund ist.“,[90] sah sich mit anachronistischen Phrasen konfrontiert, die eine Wechselseitigkeit der Entfremdung offenbarten. Auf den darauffolgenden Protest einiger Pädagogen und Wissenschaftler reagierte die SED so, wie sie es immer in Situationen tat, in denen sich zwischen ihrer dogmatischen Weltsicht und den realen Gegebenheiten, mit denen sich das Volk konfrontiert sah, tiefe Gräben auftaten: Sie argumentierte ideologisch und tat administrativ ihr Bestes, alle Vorwürfe zu dementieren.[91] Und auch, als sich verschiedenste Gruppierungen wie Punks, Alternative, Aussteiger, Öko-Anhänger oder engagierte Christen – lange vor dem Sommer 1989 – immer offener der Häresie verdächtigten, wurde seitens der SED, im Sinne einer Bewahrung der DDR-Wertegemeinschaft, stoisch weiter versucht, überfällige empirische Gegenwartsanalysen durch wirklichkeitsfremde Selbstbeweihräucherungen und Schönfärbereien zu verhindern.[92]
Dass die alten Herren an der Spitze von Staat und Verwaltung die Warnungen aus ihren Vorfeldorganisationen wie beispielsweise der FDJ nicht mehr wahrnahmen, lag auch an der geschönten Sprache, dem verharmlosenden Ton gegenüber der Führungsriege. Zentralrat der FDJ und Mitglied des ZK, Eberhard Aurich, schrieb 1988 in einem fast vierzigseitigen Papier: „Ein Teil der Jugendlichen beklagt sich – besonders Schüler, Lehrlinge und Studenten, aber auch Arbeiter –, daß ihre Fragen, Meinungen, Vorschläge und Kritiken nicht ernst genommen werden oder ihnen ausgewichen wird. Dadurch breite sich eine gewiße Unsicherheit über die Richtigkeit der Art und Weise des Kurses der SED [...] Diese Lockerung des Vertrauens zu einigen Aspekten der Politik der Partei unter einem Teil der Jugend und der größere ideologische Druck des Gegners haben bewirkt, daß vereinzelt gegnerische Argumente Fuß faßen, denen zu begegnen dem FDJ-Aktiv schwer fällt.“[93] Zwar hatten SED-Führung und das hauptamtlich mit der Observation der Bevölkerung betraute MfS viele Einzelinformationen, auch über die später einsetzende Massenfluchtbewegung, gesammelt, aber sie schreckten gleichermaßen davor zurück, Schlussfolgerungen zu ziehen. Potentielle Erneuerer unter den Apparatschiks traten jedenfalls nicht an die Öffentlichkeit, hätten ihre Vorstellungen doch nicht nur zu einem vernichtenden Urteil über das eigene Regime geführt, sondern zwangsläufig auch dessen Daseinsberechtigung hinterfragt.[94] Eine aufmüpfige Jugend wollte sich offenbar nicht mehr von der DDR-Obrigkeit missbrauchen lassen. Viele beanspruchten das Recht, sich zu verändern, nicht vorhersehbar zu sein und sich nicht vereinnahmen zu lassen. Sie nahmen sich die Freiheit zu hoffen, zu träumen, zu zweifeln. Für diese Freiheiten war ihnen das bestehende System ideologisch zu eng, zu dogmatisch, zu sehr dem Traditionalismus verhaftet und diagnostisch weitgehend verhindert, als dass es in unreformierter Form noch Attraktivität oder Zukunftsperspektiven ausstrahlte.[95]
Die wirtschaftliche Situation der DDR am Ende der achtziger Jahre
Während sich die DDR und die sie tragende Partei auf dem XI. Parteitag 1986 noch selbst feierten und das System als stabil, leistungsfähig und nicht reformbedürftig priesen, waren die ökonomischen und ökologischen Probleme in unübersehbarem Maße fortgeschritten.[96] Gleichzeitig ging Ostberlin immer mehr auf Distanz zum neuen Kurs der Sowjetunion, die unter Generalsekretär Gorbatschow einen Weg langsamer Demokratisierung und Dezentralisierung einschlug. So wollte die SED beispielsweise eine vergleichbare Eigenständigkeit der Betriebe, wie sie Gorbatschow den heimischen Produktionsstätten einräumte, um jeden Preis vermeiden, da sie ein Überspringen der „Glasnost und Perestroika“-Funken auf die eigenen Belegschaften fürchtete. Die traditionelle, zentral gesteuerte Wirtschaftskoordinierung musste aus Sicht der Partei um jeden Preis erhalten bleiben. Sie wollte keine Dezentralisierung. Ihre Ablehnung begründete sie damit, dass wirtschaftliche Reformen im eigenen Land längst verwirklicht seien, doch war es schiere Angst, die die Politoberen umtrieb. Fürchteten sie doch, durch den Verlust ihres vollständigen Zugriffs auf die Wirtschaft auch die politische Macht zu verlieren.[97]
Die Direktiven staatlicher Planvorgaben boten den Herausforderungen der achtziger Jahre, namentlich den Wirtschaftsproblemen des Großen Bruders UdSSR, den schwankenden Dollarkursen und der Ölpreisentwicklung, sowie den immer kostspieliger werdenden Preisstützungen für Waren des „Grundbedarfes“, durch das dogmatische Festhalten an der „Einheit von Sozial- und Wirtschaftspolitik“ keinerlei Kompensation mehr. Verwundert musste die SED daher auf mehreren multilateralen Ostblocktreffen feststellen, dass weder die KPdSU, noch die meisten anderen osteuropäischen kommunistischen Parteien dem Wirtschaftskurs der DDR Aufmerksamkeit schenkten.[98] Diese richteten ihren Blick stattdessen auf Reformen, wie Dezentralisierung, Demokratisierung, Glasnost und Perestroika in Wirtschaft, Staat und Partei. Veränderungen, die den Verlautbarungen der SED zufolge wenig erfolgversprechend waren.[99]
Die zentralistische Planwirtschaft der DDR erwies sich seit langem als unfähig, die Fragen der sich verändernden globalen Wirtschaftszyklen mit Flexibilität zu beantworten. Der systemimmanente Konservatismus, das Festhalten am einmal Erreichten und die Sperrung gegen jedwede Reformen behinderten Innovationen und das Entstehen einer schöpferischen Atmosphäre.[100] Die DDR stagnierte, und während es der SED zunehmend weniger gelang, die ökonomische Rückständigkeit durch sozio-kulturelle Fiktionen zu kompensieren, pries sie weiterhin gebetsmühlenartig die Fortschritte im Wohnungsbau, die Produktionssteigerungen in der Konsumgüterindustrie und überhaupt die Übererfüllung aller Pläne.[101] Fernab dieser Erfolgstrunkenheit stand die Realität. Die Lebenssituation der DDR-Bevölkerung hatte sich nicht verbessert: Neue Wohnungen blieben Mangelware, während vorhandene Einheiten, häufig innerstädtische Altbauten, verrotteten. Planziele für Wohnungsneubauten wurden nicht erfüllt und viele als bezugsfertig gemeldete Neubauwohnungen waren niemals gebaut worden.[102] Schlangestehen und die tägliche Jagd auf Mangelwaren gehörten nach wie vor zum Volkssport der meisten DDR-Bewohner. Und die Versorgungslage verschlechterte sich mit Fortschreiten der achtziger Jahre spürbar.[103]
Bei weiten Teilen der Bevölkerung verstärkte all dies die Tendenz, sich von einem System abzuwenden, das sich zu keinerlei Reformen bereit zeigte. Kritisiert wurde nicht nur die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der DDR-Wirtschaft, sondern zunehmend auch die Rückständigkeit der sozialistischen Ökonomie insgesamt.[104] Als die Plankommission 1988 den Volkswirtschafts- und Staatshaushaltsplan für das folgende Jahr aufstellte, prognostizierte sie ein Anwachsen der DDR-Auslandsschulden um 4,4 Mrd. auf dann insgesamt 38,9 Mrd. Verrechnungsmark bis zum Ende des Kalenderjahres 1989.[105] Die drohende Staatsinsolvenz vor Augen, nahm sich der Chef der Plankommission, Gerhard Schürer, zum Anlass ein Reformkonzept zu entwickeln, um das unter Volldampf in den Bankrott fahrende Staatsschiff vor dem Untergang zu retten. Honecker und das restliche Politbüro wiesen Schürers Vorstoß brüsk zurück, denn sie fürchteten nicht zuletzt wegen des Absinkens des Lebensstandards revolteartige Unruhen im Land.[106] Statt jedoch die Fragen wirtschaftlicher Probleme mit sukzessivem Subventionsabbau zu beantworten, griff die SED zu teilweise grotesken Mitteln um sich Devisen zu beschaffen.
Der von Dr. Schalck-Golodkowski fast autokratisch geführte „Bereich Kommerzielle Koordinierung“ widmete sich mit wachsender Bedeutung Verkaufsaktivitäten von Kunst und Antiquitäten, Waffenhandel, Müllimporten aus der Bundesrepublik und dem Verkauf von Häftlingen. 1987/88 wurde sogar damit begonnen, Blutkonserven gegen harte Währung in die BRD zu verkaufen. Doch entsprach dies nur mehr Kosmetik, denn die ökonomischen Zustände hätten einer Generalsanierung bedurft.[107] Es herrschten Veralterung des produktiven Kapitals, Verfall von Infrastrukturen und Lebensräumen, exzessive ökologische Zerstörungen und teilweise archaische Arbeitsbedingungen. Hinzu kam eine völlige Interesselosigkeit vieler Arbeitnehmer, denn auch wenn die Unternehmen dem Staat gehörten und sich mit dem Attribut „volkseigen“ schmückten, blieben die Arbeiter selbst doch besitzlos.[108] Die hohen Subventionen und Sozialausgaben hätten nur durch eine positive Entwicklung der Arbeitsproduktivität kompensiert werden können. Diese veränderte sich jedoch bereits seit den siebziger Jahren nicht mehr in dem Maße, wie es erforderlich gewesen wäre. Auf Dauer reichten die Investitionen zum Ersatz verbrauchter Ressourcen nicht mehr aus, um den Bestand zu erhalten.[109] Verschwendung und Mangel lagen auch hier durchweg dicht beieinander.
Die Agrarpreisreform von 1988 war zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber ihr sollte nichts Vergleichbares mehr folgen. Eine weitgehende Neuzuschneidung betrieblicher Kompetenzen, gar eine Dezentralisierung war für die SED nicht akzeptabel.[110] Noch im Herbst 1988 stand die Parteiführung den wirtschaftlichen Reformen der Sowjetunion und denen anderer Ostblockstaaten wie Ungarn oder Polen ablehnend gegenüber. Eine Freisetzung von Marktkräften betrachtete die SED zeitlebens mit Misstrauen, sogar von Verrat an der leninistischen Lehre war die Rede. Das Politbüro hielt es für utopisch, den „Plan“ gegen den „Markt“ zu ersetzen.[111] Im Verlauf des Jahres 1988 verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage zusehends: Pläne konnten nicht mehr erfüllt werden, Ausrüstungen für Industrie und Infrastruktur veralteten weiter und Versorgungslücken prägten weiterhin den Alltag der Bevölkerung. Die DDR verbrauchte mehr, als ihre eigene Ökonomie erwirtschaften konnte. Hinzu kam, dass aufgrund mangelnder Wettbewerbsfähigkeit ostdeutscher Produkte hohe Subventionen auf Exporte ins nicht-sozialistische Wirtschaftsgebiet bezahlt werden mussten und somit beträchtliche Teile des Nationaleinkommens verschwendet wurden.[112] Da es dem Osten nicht mehr gelang, die vorgegebenen Exportziele zu verwirklichen, war auch die Rückzahlung bestehender Akkreditive zunehmend unmöglich. Die Verschuldung gegenüber dem Westen wuchs monatlich um 500 Millionen Verrechnungsmark, wobei 65 Prozent der Ausgaben bereits mit neuen Krediten bezahlt werden mussten. Angesichts der Weigerung der SED Reformen einzuleiten, war der wirtschaftliche Untergang nicht mehr aufzuhalten.[113]
[...]
[1] Zitiert nach: Neubert, Ehrhart: Geschichte der Opposition in der DDR, 2. Aufl., Berlin 1998, S. 899.
[2] Hervorhebungen im Original; Vgl. Schorlemmer, Friedrich: Bis alle Mauern fallen. Texte aus einem verschwundenen Land, Berlin 1991, S. 10.
[3] Vgl. Grunenberg, Antonia: „Ich finde mich überhaupt nicht mehr zurecht...“. Thesen zur Krise in der DDR-Gesellschaft, in: Blanke, Thomas/Erd, Rainer (Hrsg.): DDR – Ein Staat vergeht, Frankfurt am Main 1990, S. 171-182, S. 172.
[4] Vgl. Stolpe, Manfred: Schwieriger Aufbruch, Berlin 1992, S. 177.
[5] Vgl. Korte, Karl-Rudolf: Das vereinte Deutschland. 1989/90–2001, Erfurt 2002, S. 6.
[6] Vgl. Stolpe, Manfred: a. a. O., S. 177.
[7] Ebd., S. 178.
[8] Vgl. Korte, Karl-Rudolf: a. a. O., S. 6.
[9] Ebd.
[10] Vgl. Neubert, Erhart: a. a. O., S. 899.
[11] Vgl. Blanke, Thomas: Einleitung, in: Blanke, Thomas/Erd, Rainer (Hrsg.): a. a. O., S. 7-22, S. 15.
[12] Vgl. Neubert, Erhart: a. a. O., S. 499.
[13] Ebd., S. 501-502.
[14] Vgl. Korte, Karl-Rudolf: a. a. O., S. 6.
[15] Etwa seit Anfang November 1989 organisierten sich Oppositionelle in Bürgerbewegungen wie dem „Neuen Forum“ oder „Demokratie jetzt“, in politischen Vereinigungen wie dem „Demokratischen Aufbruch“, der „Vereinigten Linken“ oder in der „Sozialdemokratischen Partei“, die nun allesamt aus dem Schatten kirchlicher Obhut ins Licht der Öffentlichkeit drängten. Vgl. Neubert, Erhart: a. a. O., S. 825.
[16] Ebd., S. 825-826.
[17] Ebd., S. 899.
[18] Hervorhebung im Original; Vgl. Lindner, Bernd: Die demokratische Revolution in der DDR 1989/90, Bonn 1998, S. 129-130.
[19] Vgl. Blanke, Thomas: a. a. O., S. 15.
[20] Vgl. Stolpe, Manfred: a. a. O., S. 181-182.
[21] Hervorhebung im Original; Zitiert nach: Görtemaker, Manfred: Kleine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 2002, S. 354.
[22] Vgl. Neubert, Ehrhart: a. a. O., S. 899-900.
[23] Vgl. Görtemaker, Manfred: a. a. O., S. 354.
[24] Hervorhebung im Original; Vgl. Ebd., S. 362.
[25] Vgl. Korte, Karl-Rudolf: a. a. O., S. 12.
[26] Vgl. Förster, Peter/Roski, Günter: DDR zwischen Wende und Wahl. Meinungsforscher analysieren den Umbruch, Berlin 1990, S. 53.
[27] Ebd., S. 54-55.
[28] Ebd., S. 56.
[29] Vgl. Görtemaker, Manfred: a. a. O., S. 361.
[30] Ebd., S. 359-360.
[31] Ebd., S. 365.
[32] Ebd., S. 366.
[33] Ebd.
[34] Ebd.
[35] Hervorhebung im Original; Vgl. Plato, Alexander von: Die Wiedervereinigung Deutschlands – ein weltpolitisches Machtspiel, Bonn 2002, S. 300.
[36] Vgl. Schulz, Marianne/Wielgohs, Jan: DDR-Identität zwischen Demokratie und DM, in: Blanke, Thomas/Erd, Rainer (Hrsg.): a. a. O., S. 123-136, S. 132.
[37] Ebd.
[38] Vgl. Plato, Alexander von: a. a. O., S. 304-305.
[39] Vgl. Korte, Karl-Rudolf: a. a. O., S. 16.
[40] Vgl. Plato, Alexander von: a. a. O., S. 305.
[41] Vgl. Korte, Karl-Rudolf: a. a. O., S. 16.
[42] Die oberflächliche Darstellung der Reformprojekte Gorbatschows in den DDR-Medien konnte nur einem Ziel dienen: Die SED wollte der DDR-Bevölkerung suggerieren, dass die KPdSU nun eine Wirtschaftspolitik verfolgte, die der eigenen Maxime der „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ entsprach; dass in der DDR folglich keine Veränderungen notwendig waren. Vgl. Nepit, Alexandra: Die SED unter dem Druck der Reformen Gorbatschows. Der Versuch der Parteiführung, das SED-Regime durch konservatives Systemmanagement zu stabilisieren, Baden-Baden 2004, S. 96.
[43] Ebd., S. 87.
[44] Ebd.
[45] Vgl. Foitzik, Jan: Abrassimow, Pjotr Andrejewitsch, in: Müller-Enbergs, Helmut/Wielgohs, Jan/Hoffmann, Dieter (Hrsg.): Wer war wer in der DDR. Ein biographisches Lexikon, Leck 2003, S. 11.
[46] Vgl. Stolpe, Manfred: a. a. O., S. 182.
[47] Vgl. Nepit, Alexandra: a. a. O., S. 181.
[48] Ebd., S. 157.
[49] Vgl. Stolpe, Manfred: a. a. O., S. 183.
[50] Vgl. Lengsfeld, Vera: Der Stalinismus ist eine Entzerrung des Kommunismus zur Kenntlichkeit, in: Jesse, Eckhard (Hrsg.): Eine Revolution und ihre Folgen. 14 Bürgerrechtler ziehen Bilanz, 2. Aufl., Berlin 2001, S. 76-89, S. 78.
[51] Ebd., S. 79.
[52] Ebd.
[53] Vgl. Stolpe, Manfred: a. a. O., S. 185.
[54] Vgl. Görtemaker, Manfred: a. a. O., S. 350-352.
[55] Ebd., S. 352.
[56] Ebd., S. 354.
[57] Vgl. Stolpe, Manfred: a. a. O., S. 184.
[58] Ebd.
[59] Vgl. Korte, Karl-Rudolf: a. a. O., S. 8.
[60] Vgl. Berg, Hermann von/Loeser, Franz/Seiffert, Wolfgang: Die DDR auf dem Weg ins Jahr 2000. Politik – Ökonomie – Ideologie. Plädoyer für eine demokratische Erneuerung, Köln 1987, S. 36.
[61] Vgl. Blanke, Thomas: a. a. O., S. 16.
[62] Hervorhebung im Original; Zitiert nach: Lengsfeld, Vera: a. a. O., S. 79-80.
[63] Vgl. Förster, Peter/Roski, Günter: a. a. O., S. 56.
[64] Vgl. Grunenberg, Antonia: a. a. O., S. 177.
[65] Vgl. Schulz, Marianne/Wielgohs, Jan: a. a. O., S. 126.
[66] Vgl. Lindner, Bernd: a. a. O., S. 151.
[67] Vgl. Grunenberg, Antonia: a. a. O., S. 178.
[68] Ebd.
[69] Vgl. Mühlen, Patrik von zur: Aufbruch und Umbruch in der DDR. Bürgerbewegungen, kritische Öffentlichkeit und Niedergang der SED-Herrschaft, Bonn 2000, S. 215.
[70] Vgl. Schulz, Marianne/Wielgohs, Jan: a. a. O., S. 126.
[71] Vgl. Mühlen, Patrik von zur: a. a O., S. 192-193.
[72] Vgl. Schulz, Marianne/Wielgohs, Jan: a. a. O., S. 127.
[73] Vgl. Berg, Hermann von/Loeser, Franz/Seiffert, Wolfgang: a. a. O., S. 39.
[74] Ebd.
[75] Vgl. Schulz, Marianne/Wielgohs, Jan: a. a. O., S. 128.
[76] Ebd., S. 130.
[77] Ebd.
[78] Nach der Entstalinisierung waren Stimmen im Ostblock lauter geworden, die einen menschlichen und demokratischen Sozialismus forderten. Bereits 1956 erarbeitete eine Gruppe um den Philosophieprofessor Wolfgang Harich ein Konzept, das den Ausschluss der Stalinisten aus der SED, die Abschaffung der Staatssicherheit, die Beendigung der Kollektivierung und die Herstellung von Rechtssicherheit forderte. In den sechziger und siebziger Jahren wurden diese Ideen dann vor allem von Robert Havemann und Rudolf Bahro weiterentwickelt. Havemann blieb bis zu seinem Tod 1982 Wortführer der intellektuellen Opposition in der DDR. Bahro sollte bereits 1977, in seinem Buch „Die Alternative. Zur Kritik des realexistierenden Sozialismus“, eine umfassende Systemkritik vorlegen. Und obwohl diese Anhänger eines Dritten Weges alle Antistalinisten waren, blieben sie doch zeitlebens überzeugte Kommunisten und Antikapitalisten. Vgl. Gallus, Alexander/Jesse, Eckhard: Was sind Dritte Wege? Eine vergleichende Bestandsaufnahme, in: http://www.bpb.de/
publikationen/3L92WA,2,0,Was_sind_Dritte_Wege.html#art2, 13.06.2004.
[79] Vgl. Wolle, Stefan: Die heile Welt der Diktatur. Alltag und Herrschaft in der DDR 1971-1989, 2. Aufl., Bonn 1999, S. 336.
[80] Vgl. Grunenberg, Antonia: a. a O., S. 178.
[81] Vgl. Mühlen, Patrik von zur: a. a. O., S. 221.
[82] Vgl. Wolle, Stefan: a. a. O., S. 336-337.
[83] Zitiert nach: Grunenberg, Antonia: a. a. O., S. 179.
[84] Vgl. Schulz, Marianne/Wielgohs, Jan: a. a. O., S. 130.
[85] Vgl. Grunenberg, Antonia: a. a. O., S. 175.
[86] Vgl. Lindner, Bernd: a. a. O., S. 46.
[87] Zitiert nach: Seiffert, Wolfgang, in: Berg, Hermann von/Loeser, Franz/Seiffert, Wolfgang: a. a. O., S. 18.
[88] Vgl. Rausch, Thomas: Von der DDR-Sozialisation zum neuen kulturellen Modell, in: Zoll, Rainer (Hrsg.): Ostdeutsche Biographien. Lebenswelt im Umbruch, Frankfurt am Main 1999, S. 370-377, S. 371.
[89] Zitiert nach: Königsdorf, Helga: Adieu DDR. Protokolle eines Abschieds, Hamburg 1990, S. 69-71.
[90] Zitiert nach: Gotschlich, Helga: Ausstieg aus der DDR. Junge Leute im Konflikt, Berlin 1990, S. 16.
[91] Vgl. Ebd.
[92] Ebd., S. 16-18.
[93] Schreiben Eberhard Aurichs vom 10.08.1988 an Egon Krenz nebst Anlage „Analyse der politisch-ideologischen Situation unter der Jugend im FDJ-Aufgebot DDR-40; SAPMO-BArch: ZK der SED, Büro Egon Krenz (DY 30/IV 2/2.039/237). Zitiert nach: Mühlen, Patrik von zur: a. a. O., S. 216-217; Vgl. auch: Ebd., S. 217, FN 67.
[94] Ebd., S. 217.
[95] Vgl. Gotschlich, Helga: a. a. O., S. 7.
[96] Vgl. Berg, Hermann von/Loeser, Franz/Seiffert, Wolfgang: a. a. O., S. 13.
[97] Vgl. Nepit, Alexandra: a. a. O., S. 159-160.
[98] Ebd., S. 160.
[99] Ebd.
[100] Vgl. Berg, Hermann von/Loeser, Franz/Seiffert, Wolfgang: a. a. a. O., S. 13.
[101] Vgl. Rossade, Werner: Gesellschaft und Kultur in der Endzeit des Realsozialismus, Berlin 1997, S. 351.
[102] Vgl. Nepit, Alexandra: a. a. O., S. 160.
[103] Bereits in den frühen achtziger Jahren waren 34 Prozent der Autos, 20 Prozent der Kühlschränke, 18 Prozent der Waschmaschinen und 6 Prozent der Fernseher älter als 15 Jahre. Altersbedingte Reparaturen und Neuanschaffungen von Geräten berührten die Menschen mehr als die hohe Überalterung und Verschleißerscheinungen industrieller Anlagen und Ausrüstungen. 42 Prozent der Wohnungen galten als verschlissen, 53 Prozent aller Krankenhäuser und 56 Prozent aller öffentlichen Gebäude für kulturelle Zwecke waren während der gesamten DDR-Zeit nicht ein einziges Mal renoviert worden. Bei den Kinos lag diese Zahl bei 64, bei den Theatern sogar bei 95 Prozent. Vgl. Mühlen, Patrik von zur: a. a. O., S. 192-193; Vgl. auch: Nepit, Alexandra: a. a. O., S. 161.
[104] Vgl. Mühlen, Patrik von zur: a. a. O., S. 193.
[105] Vgl. Nepit, Alexandra: a. a. O., S. 162.
[106] Ebd., S. 162-163.
[107] Vgl. Wolle, Stefan: a. a. O., S. 204-210.
[108] Vgl. Ettl, Wilfried/Jünger, Jürgen/Walter, Dieter: Von der Zentralwirtschaft zur Sozialen Marktwirtschaft, in: Blanke, Thomas/Erd, Rainer (Hrsg.): a. a. O., S. 184.
[109] Vgl. Fülberth, Georg: Eröffnungsbilanz des gesamtdeutschen Kapitalismus. Vom Spätsozialismus zur nationalen Restauration, Hamburg 1993, S. 31.
[110] Vgl. Nepit, Alexandra: a. a O., S. 163.
[111] Im Jahr 1988 startete die SED jedoch ein zaghaftes Experiment. Sechzehn Industriekombinaten wurde das Recht zugesprochen, ihre Gewinne partiell in Eigenregie zu verwenden. Dieser Modellversuch lockerte die Zügel der Planvorgaben allerdings nur minimal, denn Staat und Partei schrieben den Kombinaten immer noch vor, wie sie diese Mittel auf die sogenannten Innovations-, Reserve-, Verfügungs-, Wissenschaft- und Technikfonds aufzuteilen waren. Den einzelnen Betrieben wurde zudem verboten, ihre Effizienz auf Kosten anderer Kombinate zu steigern. Damit wurde der aufkommende Wettbewerb schon im Ansatz abgewürgt. Neben diesem Modellversuch, verkündete die SED, werde es keine weiteren Neuerungen in der Wirtschaft geben. Vgl. Ebd., S. 202-203.
[112] Vgl. Manz, Günter: Armut in der DDR-Bevölkerung. Lebensstandard und Konsumtionsniveau vor und nach der Wende, Augsburg 1992, S. 97.
[113] Vgl. Nepit, Alexandra: a. a. O., S. 203-204.
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- Michael Vollmer (Autor:in), Franziska Eichhorn (Autor:in), Alexis Demos (Autor:in), Viktoria Dießner (Autor:in), 2014, Von der Wende zur Deutschen Einheit? Der deutsche Wiedervereinigungsprozess 1989/90, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/279210
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