Mega-Trends: Herausforderungen für das Alltagsleben in den Städten


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2008

7 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe

Menschen leben schon seit Jahrtausenden in Siedlungen. Ägypter und Babyloner bauten bereits vor über 5000 Jahren Städte. Athen und Rom avancierten zu Machtzentren der Antike. Bald entstanden Städte in ganz Europa, deren Zahl nach dem Untergang des römischen Reiches um ein Vielfaches zunahm. Dies passierte lange bevor die Neue Welt entdeckt wurde. Mit der Erschließung anderer Erdteile wurden neue Städte gegründet und bereits Bestehende ausgebaut. Doch diese Städte waren und sind nicht wie die europäische Stadt. Welche Merkmale kennzeichnen die europäische Stadt und wo liegen zentrale Unterschiede zu anderen Stadttypen (US-amerikanische oder Megastädte)?

Max Weber beschreibt fünf Merkmale der europäischen Stadt:

Zu allererst ist der städtische Markt zu nennen, der den Gegensatz zu den Selbstversorgern auf dem Land bildet. Des Weiteren gibt es in der Stadt „Stadtbürgerschaften als freiwilliger Zusammenschluss Einzelner“ (Siebel 2004: 11). Darauf basieren die „eigene Gerichtbarkeit, Selbstverwaltung und schließlich Befestigung“ (Siebel 2004: 11). Die Stadtmauer war als visuelles Merkmal die Grenze zwischen der „Besonderheit der städtischen Bürgerschaft“ und dem „agrarisch-feudalistischen Land“ (Siebel 2004: 11).

Diese Merkmale zusammen bildeten die europäische Stadt und damit die Keimzelle der westlichen Moderne. Allgemein lässt sich sagen, dass Stadt alles das ist, was nicht Land ist (vgl. Siebel 2004: 12).

Will man heute die europäische Stadt nach diesen Merkmalen charakterisieren, stellt man fest, dass die Stadt als Absatzmarkt mit Bürgerinitiativen, eigener Gerichtbarkeit und Selbstverwaltung selbstverständlich ist, während die Stadtmauer heute nur noch die mittelalterlichen Wurzeln der Stadt repräsentiert. Deshalb hat man versucht neue Merkmale der europäischen Stadt zu definieren.

Das erste Merkmal der europäischen Stadt besteht darin, dass hier die bürgerliche Gesellschaft entstand (vgl. Siebel 2004: 13).

Der Bürger kann heute noch die vormoderne Geschichte in europäischen Städten sehen und kann die Entwicklung des Bürgertums nachvollziehen.

Die Geschichte Europas ist eine Geschichte von Revolutionen und Umbrüchen. Wohl am bekanntesten ist die französische Revolution von 1789, in der die Bürger den König gestürzt und die Republik ausgerufen haben. Sie machten sich die Forderungen nach „Liberté, Egalité, Fraternité“ zum Leitbild, das bis heute noch gültig ist.

Als zweites Merkmal der europäischen Stadt ist „ das Versprechen, als Städter sich aus beengten politischen, ökonomischen und sozialen Verhältnissen befreien zu können“ (Siebel 2004: 14) zu nennen. Das Bürgertum hat sich somit nicht nur gebildet, sondern sich auch emanzipiert.

Das dritte Merkmal ist die „Polarität von Öffentlichkeit und Privatheit“ (Siebel 2004: 14) der europäischen Stadt. Damit sind der Marktplatz, stellvertretend auch für den Arbeitsplatz, und die Wohnung gemeint. Der Mensch verhält sich in der Öffentlichkeit anders als in seiner Wohnung. So kennt man nur einen Ausschnitt eines Bewohners (vgl. Siebel 2004: 14). Diese Polarität prägt die urbane Lebensweise sozial, funktional, juristisch, materiell/symbolisch und normativ. Mit sozialer Prägung ist das unterschiedliche Verhalten in Öffentlichkeit und Privatheit gemeint. Die Bewohner ordnen dem Markt Wirtschaft und Politik zu, während die Wohnung den Funktionen der Produktion und Reproduktion zugewiesen wird. Juristisch gesehen unterliegt der öffentliche Raum dem öffentlichen Recht und die Wohnung dem Hausrecht des Eigentümers. Die Gestaltung der einzelnen Häuser sowie die Materialien und Symbole, mit denen sie gebaut wurden, unterstreicht die soziale, funktionale und juristische Differenzierung zwischen Öffentlichkeit und Privatheit. Die normative Prägung besteht aus der Zuordnung der durchgesetzten Demokratie und der gesellschaftlichen Integration im öffentlichen Raum und des ökonomischen Individuums und der glücklichen Ehe im privaten Raum.

Als viertes Merkmal der europäischen Stadt ist die physische Gestalt zu erwähnen.

Der Stadt-Land-Gegensatz ausgedrückt durch die Stadtmauer, Zentralität durch das Ensemble von Rathaus, Markt und Kirche, die Größe der Bevölkerung, die Dichte der Bauweise und die Mischung der sozialen Gruppen sind aufzuzählen (vgl. Siebel 2004: 16). Allerdings geht dieses Merkmal heute auch immer mehr verloren, da durch Agglomeration immer mehr Land Stadt wird.

Die europäische Stadt ist eine sozialstaatlich-regulierte Stadt. Dies ist das fünfte Merkmal. Schon früh entstand eine „kommunale Armenfürsorge“ (Siebel 2004: 16) in den Städten. Ende des 19. Jahrhunderts wurde in den Städten eine technische Infrastruktur geschaffen. Dazu gehörten auch „stadteigene Betriebe zur Beseitigung von Müll und Abwässern, zur Versorgung mit Wasser und Energie und zur Organisation des öffentlichen Personennahverkehrs“ (Siebel 2004: 17). Des Weiteren wurden Einrichtungen gegründet, die Epidemien vorbeugen und das größte Elend mildern sollten. Bald kamen auch kulturelle Einrichtungen, wie Theater, Opernhäuser und Museen hinzu. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde eine „zentral-staatlich bestimmte soziale Wohnungspolitik“ eingeführt (Siebel 2004: 17).

Vergleicht man die Merkmale von Weber und Siebel, so stellt man fest, dass sich die Merkmale von materiellen zu ideellen Merkmalen verändert haben. Während früher noch der Handel und die Stadtmauer, sowie die Rechte der Bürger, Merkmale waren, so sind es heute die Geschichte, der Bürgerstolz und soziale Unterstützung.

Nun kennt man die Merkmale der europäischen Stadt. Aber wie unterscheidet sich die europäische Stadt von US-amerikanischen oder Megastädten, wie sie z.B. in Asien oder Südamerika zu finden sind?

Der erste Unterschied ist, dass die europäische Stadt älter ist, als z.B. US-amerikanische und auf eine längere Tradition zurückblicken kann. Die europäische Stadt hat ihre Wurzeln in der griechischen und römischen Antike (vgl. Jessen 2000: 197). Das Alter einer europäischen Stadt kann man heute immer noch an der gebauten Substanz erkennen. Verstädterung begann auf Grundlage der vorindustriellen Stadt (Jessen 2000: 200). US-amerikanische sind dagegen erst „mit den größeren Einwanderungswellen im 17. Jahrhundert“ (Jessen 2000: 197) entstanden. Städtebau und Verstädterung sind in einem Schritt zusammengefasst (Jessen 2000: 200).

Des Weiteren ist die US-amerikanische Stadt von Suburbanisierung geprägt. In europäischen Städten dagegen zieht es die Menschen heute nicht nur aufs Land, sondern auch in eine schöne Altbauwohnung in der Nähe der Innenstadt.

Die Stadtentwicklung kann für die europäische Stadt nicht in ein einfaches Modell gefasst werden, wie es bei den US-amerikanischen Städten der Fall ist mit dem Modell der konzentrischen Ringe von E.W. Burgess (vgl. Jessen 2000: 203). Verschiedene politische Modelle, wie der Zentralismus in Frankreich, der Sozialismus in Osteuropa, aber auch Kriegszerstörungen beeinflussen das Bild der europäischen Stadt.

Für Europäer ist die Stadt „Zentrum der gesellschaftlichen Dynamik in Richtung auf die moderne, kapitalistisch organisierte und demokratisch verfasste Gesellschaft“ (Siebel 2004: 14). Dagegen herrscht in asiatischen, kolumbianischen und weiteren südamerikanischen Städten die Auffassung, dass Städte „der Nabel, von dem aus Gottes Macht in die Welt tritt“ sind und ihr Bezugspunkt die geheiligte Vergangenheit ist (vgl. Siebel 2004: 14). Diese Städte haben eine „rückwärtsgewandte Utopie“ (Siebel 2004: 14).

Ein Merkmal der europäischen Stadt ist es, dass sich dort das Bürgertum entwickelt hat. Noch heute ist es Teil des europäischen Bürgerstolzes. Das unterscheidet die europäische Stadt von der Chinesischen. Wenn man sich in einer chinesischen Stadt befindet, stellt man fest, dass sie „geschichtslos“ (Siebel 2004: 13) ist. Technische und ökonomische Gründe spielen hierfür eine Rolle. In China werden Häuser am häufigsten mit Holz gebaut. Somit ist der Denkmalschutz zu aufwändig und zu teuer (vgl. Siebel 2004: 13). Des Weiteren sind „während des Bürgerkriegs und der Kulturrevolution die Zeugnisse der vorrevolutionären Vergangenheit Chinas gezielt zerstört worden“ (Siebel 2004: 13). Der Hauptgrund allerdings für die Geschichtslosigkeit der Städte und das fehlende Bürgertum ist, dass es nicht zur Entwicklung des Bürgertums kam. „Die chinesischen Städte waren Sitz despotischer Herrschaft und religiösen Kults“ (Siebel 2004: 13). Als Konsequenz gibt es bis heute keine politisch und ökonomisch einflussreiche Schicht. Es hat den Anschein, dass die Vergangenheit keine Rolle in China spielt. Man hat den Blick nach vorne gerichtet und konzentriert sich auf das Neue, was Städte wie Shanghai oder Hongkong zeigen.

Abb. 1 Skyline von Shanghai

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: http://www.info2china.de/bilder_fotos_aus_china.php ; Zugriff: 19.01.2008

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Ende der Leseprobe aus 7 Seiten

Details

Titel
Mega-Trends: Herausforderungen für das Alltagsleben in den Städten
Hochschule
Technische Universität Kaiserslautern
Note
2,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
7
Katalognummer
V279433
ISBN (eBook)
9783656720935
Dateigröße
867 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
mega-trends, herausforderungen, alltagsleben, städten
Arbeit zitieren
Master of Arts Tina Schreiber (Autor:in), 2008, Mega-Trends: Herausforderungen für das Alltagsleben in den Städten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/279433

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