Entgleitende Großbauprojekte in Deutschland. Ursachen und Lösungsansätze


Masterarbeit, 2014

70 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Problemaufriss
1.2 Gang der Arbeit

2. Das Großbauprojekt
2.1 Charakteristika eines Großprojekts
2.2 Rechtliche Grundlagen
2.2.1 Die Vergabe von öffentlichen Bauleistungen
2.2.2 Möglichkeiten der öffentlichen Hand zur GU-/GÜ-Vergabe

3. Probleme bei der Durchführung von Großbauprojekten
3.1 Mangelhafte Projektvorbereitung
3.2 Ausufernde Inanspruchnahme des einseitigen Änderungsrechts durch den Auftraggeber
3.3 Schlechtes Risiko- und Änderungsmanagement
3.4 Vernachlässigung der Schnittstelle Planung / Bau
3.5 Aufbau der Organisationsstruktur
3.6 Mangelhafte Bürgerbeteiligung
3.7 Die Rolle politischer Gremien
3.7.1 Die frühe Zahl (Budget)
3.7.2 Fachfremde Entscheidungsträger

4. Die Olympischen Spiele 2012 in London
4.1 Die ausführliche Projektvorbereitung
4.2 Die Olympischen Spiele als Infrastrukturprojekt
4.2.1 Der Begriff der "Legacy"
4.2.2 Die Umsetzung der "Legacy"
4.3 Effektives Risiko- und Änderungsmanagement
4.4 Einsatz von Building Information Modeling (BIM)
4.5 Effektive Organisationsstrukturen
4.6 Aktive Bürgerbeteiligung
4.7 Fachkundige Entscheidungsträger

5. Lösungsansätze für eine erfolgreichere Projektdurchführung deutscher Großbauprojekte am Beispiel von London
5.1 Die Projektvorbereitung
5.2 Das Risiko- und Änderungsmanagement
5.3 Der Einsatz von innovativen Planungsmethoden
5.3 Die Einbeziehung der Bürger
5.4 Der Aufbau der Organisationsstruktur
5.5 Die Rolle der politischen Entscheidungsträger

6. Fazit / Schlusswort

Literaturverzeichnis

Bücher

Artikel in Zeitschriften

Internetquellen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Darstellung 1: Entglittene Großbauprojekte

Darstellung 2: Der Vergabeverlauf

Darstellung 3: Die nationale Vergabe

Darstellung 4: Die EU-weite Vergabe

Darstellung 5: Die Beteiligungsstruktur der FBB GmbH

Darstellung 6: Das BIM-Gesamtmodell

Darstellung 7: Die Organisationsstruktur von London 2012

Darstellung 8: Der Risikomanagement-Prozess

Darstellung 9: Die Einführung von BMI-Richtlinien

Darstellung 10: Stadtentwicklungs- und Infrastrukturmaßnahmen

1. Einleitung

1.1 Problemaufriss

Großbauprojekte der öffentlichen Hand sind in den vergangenen Jahren wegen enormer Probleme immer mehr in den medialen Fokus des öffentlichen Interesses gerückt. Der Flughafen Berlin Brandenburg (BER), die Elbphilharmonie in Hamburg oder Stuttgart 21 sind die gegenwärtigen Paradebeispiele für gescheiterte Großprojekte in Deutschland. Jahrelange Bauverzögerungen, enorme Kostenexplosionen und scheinbar unlösbare technisch-organisatorische Pannen kennzeichnen das Bild in der Öffentlichkeit. Vom Erreichen der Projektziele kann keine Rede sein. Allein beim Flughafen BER geht man inzwischen von Mehrkosten in Höhe von vier Milliarden Euro aus. Das entspricht einer Kostensteigerung von 50 %.

Durch die viel zu spät erfolgte Kommunikation mit der betroffenen Bevölkerung wurde das Projekt Stuttgart 21 schließlich von zahlreichen Bürgern abgelehnt und mit jahrelangen Demonstrationen behindert. Nur durch einen nachträglichen Volksentscheid konnte das Vorhaben gerettet werden. Die neue Elbphilharmonie in Hamburg soll anstatt der ursprünglich kalkulierten 77 Milliarden Euro bis zur Fertigstellung wohl über 800 Millionen Euro an Baukosten verschlingen. Dies bedeutet eine Kostensteigerung von über 1000%.

Doch aus welchen Gründen werden die Projektziele so weit verfehlt?

Was lässt Großbauprojekte regelmäßig entgleiten?

Um nachhaltigen Schaden von allen Beteiligten, insbesondere dem deutschen Steuerzahler und der deutschen Bauwirtschaft, abzuwenden und strukturelle Defizite bei der Planung und Realisierung solcher Projekte aufzudecken, wurde unter dem damaligen Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Herrn Dr. Peter Ramsauer, die „Reformkommission Bau von Großprojekten“ eingerichtet, welche einen Leitfaden für Großbauprojekte erstellen soll. Das Thema der entgleitenden Großbauprojekte ist somit mittlerweile auch in der Bundespolitik angekommen, ein dringender Handlungsbedarf erkannt worden.

Betrachtet man Großbauprojekte weltweit, so lassen sich zahlreiche Projekte finden, welche ihre Ziele bei weitem verfehlten. Besonders prominente Beispiele wären der Suez Kanal, mit einer Kostensteigerung von 1.900%, oder die Oper von Sydney, mit einer Kostensteigerung von 1.400%.

Vor diesem Hintergrund handelt es sich also nicht um ein rein deutsches Phänomen. Weltweit haben die Projektbeteiligten bei der Durchführung von sog. „Mega Projects“ mit Problemen zu kämpfen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Darstellung 1: Entglittene Großbauprojekte

(Quelle: Eigene Darstellung nach, Flyvbjerg, Megaprojects, 2010, S.19)

Doch nicht jedes Großbauprojekt ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Es gelingt immer wieder, anfänglich definierte Projektziele einzuhalten, in manchen Fällen sogar die Ziele zu übertreffen.

Das bekannteste Beispiel der näheren Vergangenheit hierfür, sind die Bauarbeiten für die Olympischen Spiele 2012 in London. Es gelang alle Baumaßnahmen „in time and under budget“, also rechtzeitig und innerhalb des Kostenbudgets, fertigzustellen.

Wie konnte das den Projektbeteiligten gelingen, laufen doch so viele andere Großbauprojekte aus dem Ruder? Worauf wurde bei der Durchführung des Projekts besonders geachtet und gibt es unter Umständen in England eine andere Herangehensweise an Großbauprojekte? Sofern wesentliche Unterschiede in der Art und Weise der Durchführung bestehen, kann man aus erfolgreichen Projekten lernen. London 2012 soll kein Einzelfall sein. Auch deutsche Großbauprojekte können in vorgegebener Zeit und innerhalb des geplanten Budgets fertiggestellt werden. Die vorliegende Arbeit soll die Gründe für das Entgleiten deutscher Großbauprojekte offenlegen und Lösungsansätze am Beispiel der Olympischen Spiele 2012 in London aufzeigen.

1.2 Gang der Arbeit

In Kapitel zwei werden zunächst Grundlagen geschaffen welche für das weitere Verständnis wichtig sind. Nach der Definition von Großprojekten, werden deren Charakteristika aufgezeigt. Anschließend werden die rechtlichen Grundlagen erläutert. Behandelt wird insbesondere der Aufbau der VOB, der Vergabeprozess bei öffentlichen Ausschreibungen sowie die Möglichkeiten der öffentlichen Hand zur GU-/GÜ-Vergabe.

Kapitel drei befasst sich mit den Problemen bei der Durchführung von Großbauprojekten. Der Fokus wird hierbei insbesondere auf die Projektvorbereitung, das einseitige Änderungsrecht des Auftraggebers, das Risiko- und Änderungsmanagement, die Probleme bei der Schnittstelle Planung/Bau, den Aufbau von Organisationsstrukturen, die Bürgerbeteiligung und die Rolle politischer Gremien gelegt.

Im vierten Kapitel wird die Durchführungsweise der Vorbereitungen für die Olympischen Spiele 2012 in London näher betrachtet. Hier werden die Projektvorbereitung, die Besonderheit der Olympischen Spiele als Infrastrukturprojekt, das Risiko- und Änderungsmanagement, der Einsatz der Building Information Modeling Methode, die Organisationsstruktur, die Bürgerbeteiligung und der Einsatz fachkundiger Entscheidungsträger näher betrachtet.

Das fünfte Kapitel stellt mögliche Lösungsansätze für eine erfolgreichere Projektdurchführung am Beispiel der Olympischen Spiele 2012 in London dar. Hierbei werden die Themen Projektvorbereitung, das Risiko- und Änderungsmanagement, der Einsatz innovativer Planungsmethoden, die Einbeziehung der Bürger, der Aufbau der Organisationsstruktur sowie die Rolle politischer Entscheidungsträger erörtert.

Kapitel sechs schließt die Arbeit mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse und einem Ausblick in die Zukunft ab.

2. Das Großbauprojekt

Im Folgenden sollen die Grundlagen für die Untersuchung geschaffen werden. Es wird dargelegt, was man unter einem Großbauprojekt versteht und welche rechtlichen Gegebenheiten bei der Durchführung von Großbauprojekten in Deutschland herrschen.

Die Gegebenheiten beziehen sich ausschließlich auf Fälle, in denen die öffentliche Hand als Bauherr fungiert.

2.1 Charakteristika eines Großprojekts

Großprojekte treten zwar häufig, jedoch nicht ausschließlich in der Baubranche auf. Daher können [1] auch Großprojekte, welche nicht der Baubranche zuzuordnen sind, über nachfolgende Kriterien definiert werden:

Großprojekte treten zwar häufig, jedoch nicht ausschließlich in der Baubranche auf. Daher können [1] auch Großprojekte, welche nicht der Baubranche zuzuordnen sind, über nachfolgende Kriterien definiert werden:

- Projektbudget

Großprojekte zeichnen sich zwingend durch sehr hohe Projektbudgets aus. Dieses übersteigt in der Regel die Jahresumsätze der einzelnen, am Projekt beteiligten Unternehmen.

- Bedeutsamkeit des Projekterfolgs

Der Misserfolg eines Großprojekts ist mit einem erheblichen wirtschaftlichen Schaden für die beteiligten Unternehmen verbunden.

- Die Projektdauer

Die Durchführungsdauer von einem Kalenderjahr sollte bei Großprojekten überschritten werden.

- Die Anzahl der Projektbeteiligten

An der Durchführung von Großprojekten müssen mindestens zwei Unternehmen beteiligt sein. In der Regel werden hierfür eigene Projektgesellschaften durch die Beteiligten gegründet.

- Anzahl und Komplexität der Projektvorgänge

Typischerweise finden bei der Realisierung von Großprojekten zwischen 500 und 100.000 einzelne Vorgänge statt. Es können jedoch auch durchaus mehr Vorgänge stattfinden.

- Die Projektstruktur

Ein Großprojekt muss in Teilprojekte untergliedert werden können.

- Die Projektaufbauorganisation:

Großprojekte zeichnen sich durch autonome Organisationsstrukturen, mit definierten Führungs- und Entscheidungsstrukturen aus.

Wendet man diese Kriterien bei Bauprojekten an, so wird man feststellen, dass es sich bei vielen Projekten der öffentlichen Hand um Großbauprojekte handelt. Infrastrukturprojekte wie der Flughafen Berlin-Brandenburg oder Stuttgart 21 sprengen die vorangegangenen Kriterien ohnehin. Jedes einzelne der genannten Kriterien wird ohne weiteres erfüllt. Aufgrund der Eigenheiten der Baubranche, wie zum Beispiel hohen Budgets, einer Vielzahl von Beteiligten, mehrjährigen Bauzeiten und der hohen Komplexität der einzelnen Vorgänge, wird sicherlich ein Großteil der Bauprojekte der öffentlichen Hand den Großbauprojekten zugeordnet.

2.2 Rechtliche Grundlagen

Bei der Durchführung von Bauprojekten der öffentlichen Hand gelten bestimmte gesetzliche Vorschriften. Die gesetzliche Grundlage für das private Baurecht bildet das Werkvertragsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)[2]. Jedoch stellte sich mit der Zeit heraus, dass diese Regelungen den Anforderungen der Baupraxis bei weitem nicht gerecht werden. Der Gesetzgeber hatte in der Vergangenheit immer wieder versucht hier Abhilfe zu schaffen, jedoch blieben diese Versuche ohne großen Erfolg. Aus diesem Grund wurde die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) geschaffen, mit dem Ziel, "im Baurecht einen gerechteren Ausgleich zwischen den Interessen des Bauherrn und des Unternehmers zu schaffen."[3]

Die VOB versteht sich als für die Praxis entworfenes Werk, welches sich um einheitliche Grundsätze auf dem Gebiet des Baurechts bemüht.[4] Sie ist weder Gesetz noch Rechtsverordnung.

Die VOB lässt sich in drei Teile untergliedern:

- Teil A enthält Bestimmungen bezüglich der Vergabe von Bauleistungen, also den vergaberechtlichen Teil.
- Teil B beinhaltet die "Allgemeinen Vertragsbestimmungen für die Ausführung von Bauleistungen", also den vertragsrechtlichen Teil.
- Teil C enthält "Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen.", also den bautechnischen Teil.[5]

2.2.1 Die Vergabe von öffentlichen Bauleistungen

Öffentliche Auftraggeber sind auf Grund der Verweisungen in der Vergabeordnung auf die VOB/A gezwungen, diese zu vereinbaren. In diesem Teil werden alle Geschehnisse bis zum Abschluss des Bauvertrages behandelt. Es wird also bestimmt, in welcher Art und Weise die Arbeiten im Rahmen eines Bauvorhabens zu vergeben sind. Die nachfolgende Darstellung soll den üblichen Vergabeverlauf veranschaulichen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Darstellung 2: Der Vergabeverlauf

(Quelle: Eigene Darstellung nach, Institut für wirtschaftliches und technisches Immobilienmanagement GmbH, Sinn und Zweck von Generalunternehmern bei öffentlichen Bauvorhaben, o.J., o.S.)

Wird ein Bauauftrag öffentlich ausgeschrieben, gilt es folgende Vergabevorschriften einzuhalten:

Zunächst spielt der geschätzte Gesamtauftragswert des Bauvorhabens eine wichtige Rolle. Er bestimmt, ob das Bauvorhaben europaweit oder national ausgeschrieben werden muss. Aktuell beträgt dieser Schwellenwert für Bauaufträge 5.000.000 €[6]. Wird der Schwellenwert unterschritten (sog. Unterschwellenbereich[7] ), kommen die Basisparagraphen aus Abschnitt 1 VOB/A zur Anwendung. Überschreitet das Bauauftragsvolumen den Schwellenwert (sog. Oberschwellenbereich[8] ), kommen die Paragraphen aus Abschnitt 2 zur Anwendung. Der dritte Abschnitt regelt Vergaben im Bereich der Sicherheit und Verteidigung und soll hier nur erwähnt werden.

Die nachfolgenden Darstellungen sollen die Bestimmungen der nationalen und EU-weiten Vergabe verdeutlichen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Darstellung 3: Die nationale Vergabe

(Quelle: Eigene Darstellung nach, Institut für wirtschaftliches und technisches Immobilienmanagement GmbH, Sinn und Zweck von Generalunternehmern bei öffentlichen Bauvorhaben, o.J., o.S.)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Darstellung 4: Die EU-weite Vergabe

(Quelle: Eigene Darstellung nach, Institut für wirtschaftliches und technisches Immobilienmanagement GmbH, Sinn und Zweck von Generalunternehmern bei öffentlichen Bauvorhaben, o.J., o.S.)

Die Darstellungen veranschaulichen, dass im Regelfall eine öffentliche Ausschreibung, bzw. ein offenes Verfahren bei der Vergabe von öffentlichen Bauaufträgen zur Anwendung kommt. Die VOB/A kennt zwar andere Vergabearten, jedoch sind diese nur unter ganz bestimmten, sehr speziellen Voraussetzungen anwendbar.

2.2.2 Möglichkeiten der öffentlichen Hand zur GU-/GÜ-Vergabe

Gemäß § 5EG VOB/A sollen Bauaufträge so vergeben werden, "dass eine einheitliche Ausführung und zweifelsfreie umfassende Haftung für Mängelansprüche erreicht wird; sie sollen daher in der Regel mit den zur Leistung gehörigen Lieferungen vergeben werden".[9] Zusätzlich sollen mittelständische Interessen bei der Vergabe besonders berücksichtigt werden. Dies führt dazu, dass die Bauleistungen in der Menge aufgeteilt (durch sog. Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (durch sog. Fachlose) zu vergeben sind. Nur aus besonderen technischen oder wirtschaftlichen Gründen kann auf diese Regelung verzichtet werden.[10]

Für die Vergabe einer öffentlichen Bauleistung an einen Generalunternehmer bleiben diese Bestimmungen nicht ohne Folgen. Als Ergebnis des § 5EG VOB/A, werden öffentliche Bauleistungen nur sehr vereinzelt mit schlüsselfertiger Ausführung vergeben. Die Beauftragung eines Generalunternehmers durch die öffentliche Hand ist somit eher selten. Nur in oben erwähnten Ausnahmefällen kann die Vergabe an einen Generalunternehmer erfolgen.[11]

Im Regelfall wird durch diese Bestimmungen eine größere Anzahl an Bauunternehmern mit der Ausführung beauftragt werden. Bei mittleren bis großen Bauvorhaben sind 25-35 Beauftragungen die Regel. Die Nachteile für den Auftraggeber:

- Aufwendige, zeitliche Koordination
- hohes Risiko bei Leistungsstörungen
- hohes Risiko bei Kosten- und Terminabweichungen

Zusätzlich bedeuten derart viele Einzelvergaben einen sehr hohen zeitlichen Aufwand für Besprechungen und Baustellenbegehungen in der Vertragsanbahnungsphase. Während der Bauphase obliegt die gesamte Überwachung der Baufortschritte und die Koordination der vielen Bauunternehmen im Aufgabenbereich des Auftraggebers. Würde hingegen ein Generalunternehmer (GU) beauftragt, käme es zu nur einem einzigen Vertragsverhältnis, nämlich zwischen Bauherr und GU. Die Vergabe nach Teil- oder Fachlosen bedeutet somit eine Vervielfachung der Risiken für den Auftraggeber, verglichen mit der Beauftragung eines Generalunternehmers.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Losvergabe aus Gründen der Mittelstandsförderung der Regelfall ist. Die Ausnahmen sind grundsätzlich sehr eng auszulegen. Gründe für eine Abweichung der vorgeschriebenen Losvergabe müssen für jeden Einzelfall nachgewiesen und belegt werden. Eine Gesamtvergabe erfordert demnach überwiegende Gründe, welche sie rechtfertigen. Unabhängig von der VOB sind hinsichtlich des Zuschnitts der Lose keine allzu hohen Anforderungen an den Auftraggeber gestellt. Es ist ausreichend, jedoch auch zwingend erforderlich, dass die Losgröße kleinen und mittelständischen Unternehmen eine Teilnahme am Ausschreibungswettbewerb ermöglicht. Wird gegen diese Regelung verstoßen, haben mittelständische Unternehmen die Möglichkeit einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer einzureichen.[12]

3. Probleme bei der Durchführung von Großbauprojekten

Nachfolgend sollen die häufigsten Probleme erörtert werden, welche bei der Durchführung von Großbauprojekten in Erscheinung treten. Diese Probleme lassen sich bei nahezu allen entglittenen Projekten feststellen.

3.1 Mangelhafte Projektvorbereitung

Dreh- und Angelpunkt eines Bauvorhabens sind vor allem die definierten Bauaufgaben. Die Identifikation und Formulierung der Bauaufgabe obliegt dem Bauherrn und seinen Planern. Umso klarer diese gleich zu Beginn definiert sind, umso genauer kann ein Auftragnehmer die voraussichtlichen Baukosten kalkulieren und in sein Angebot aufnehmen. § 7 Abs. 1 Nr.1 verlangt, dass die geforderte Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben ist, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können.[13] Des weiteren wird in Abs.1 Nr.2 festgehalten, dass alle beeinflussenden Umstände festzustellen und in den Vergabeunterlagen anzugeben sind, welche benötigt werden um eine einwandfreie Preisermittlung zu ermöglichen.[14] Eine fundierte Ausschreibung kann jedoch erst nach einer sorgfältigen Vorplanung erstellt werden. Die mangelhafte Vorplanungsphase wird jedoch von vielen Experten angemerkt. Dies lässt sich am Beispiel der Elbphilharmonie in Hamburg verdeutlichen:

Zunächst wurde in den Ausschreibungsunterlagen lediglich ein Konzerthaus nachgefragt. Welche Größe dieses haben sollte, welche zusätzlichen Anforderungen, oder mit welchen anderen Nutzungsformen dieses kombiniert werden sollte, war den ursprünglichen Ausschreibungsunterlagen nicht zu entnehmen. Wenn diese Anforderungen jedoch nicht im Leistungsverzeichnis stehen, sind Bieter weder in der Lage einen belastbaren Preis anzubieten, noch feste Terminpläne zu vereinbaren. Die mangelnde Planungstiefe gibt nicht umfassend Aufklärung darüber, was letztendlich vom Auftraggeber gefordert wird.[15]

Umso detaillierter eine Vorplanung ausgestaltet ist, umso näher wird man an den Kostenschätzungen liegen können. Eine detaillierte Vorplanung ist jedoch auch mit erheblich höheren Vorkosten verbunden, welche häufig politisch nicht gewollt sind.[16] Es lässt sich beobachten, das Großbauprojekte der öffentlichen Hand sehr häufig zu früh und zu niedrig budgetiert ausgeschrieben werden. In der Praxis finden Beauftragungen schon statt, obwohl die Planung noch längst nicht abgeschlossen ist.[17] Zudem lassen sich gewünschte Nutzungskombinationen, welche nur durch einen sehr hohen wirtschaftlichen Aufwand kombiniert werden können, bei hinreichendem Planungsvorlauf und ausgiebiger Zielklärung schon im Vorhinein identifizieren.[18]

3.2 Ausufernde Inanspruchnahme des einseitigen Änderungsrechts durch den Auftraggeber

Das folgende Problem, welches bei der Durchführung von Großbauprojekten auftritt, resultiert im Grunde aus dem Vorangegangenen - der mangelhaften Projektvorbereitung.

Anders als im Werkvertragsrecht, steht dem Auftraggeber in der VOB ein einseitiges Änderungsrecht zu. §1 Abs.3 VOB/B lautet demnach: "Änderungen des Bauentwurfs anzuordnen, bleibt dem Auftraggeber vorbehalten."[19] Diese Regelung erscheint vor dem Hintergrund der Komplexität von Bauprojekten selbstverständlich als überaus sinnvoll und berechtigt. Die Existenz dieser Regelung soll hier keinesfalls in Frage gestellt werden. Jedoch ergibt sich für die erfolgreiche Durchführung von Bauprojekten aus dieser Regelung in Verbindung mit einer mangelhaften Vorplanung ein Problem.

Sind die genauen Anforderungen und Ansprüche an ein Bauvorhaben in der Vorplanung noch nicht definiert worden, so wird dies zwangsweise während der Planungsphase oder spätestens während der Bauausführung geschehen. Dies bedeutet, dass neue Anforderungen in neue Planungen umgesetzt werden müssen. Je nach der Größe der neuen Anforderung, hat die Planungsänderung unter Umständen erheblichen Einfluss auf die Gesamtkosten des Bauprojekts und ebenfalls immensen Einfluss auf vereinbarte Fertigstellungstermine. Beispiele für ausufernde Planungsänderungen lassen sich nahezu bei allen deutschen Großbauprojekten finden, welche ihre Projektziele verfehlten. So wurde auch beim Berliner Flughafen BER reger Gebrauch des einseitigen Änderungsrechts gemacht. Ursprünglich war das Flughafengelände mit einer Bruttogeschossfläche von 200.000 Quadratmetern geplant. Inzwischen ist die Bruttogeschossfläche bei einer Fläche von 340.000 Quadratmetern angelangt. Dadurch, dass immer wieder neue Bedürfnisse seitens des Bauherrn angemeldet wurden, hat sich die Grundfläche des Flughafengeländes um nahezu das 1,7-fache vergrößert.[20] Auch das Verhältnis von Aviation zu Non-Aviation wurde zu einem sehr späten Zeitpunkt auf Wusch des Bauherrn nochmals geändert. Im Hauptstadtflughafen "...mussten auf Weisung des Bauherrn mitten in der fix und fertig durchgeplanten Hauptabfertigungsebene unmittelbar hinter den Sicherheitskontrollen 1.800 Quadratmeter Aviation-Fläche für den Walk-through-Shop abgetreten werden."[21] Diese Änderung hatte massive Umplanungsmaßnahmen zur Folge. Doch nicht nur das. Auch das bisher vorliegende Brandschutzkonzept war von diesen neuen Anforderungen betroffen. Der ursprünglich genehmigte Brandschutz, konnte die durch die Erweiterung der Ladenflächen entstehenden Brandlasten nicht mehr abdecken. Die Anforderungsänderungen machten also auch eine Überarbeitung des bisherigen Brandschutzes erforderlich.[22]

Ein weiteres Beispiel für eine Anforderungsänderung, welche erhebliche Kosten nach sich zog, war das nachträgliche Erfordernis einer Abfertigungsmöglichkeit für Großflugzeuge. Diese werden in der Regel über zwei Gebäudeebenen gleichzeitig abgefertigt. "Mit dieser Änderung wurde die anfangs saubere Trennung von Ankunftsebene und Abflugebene des Flughafens verwässert."[23] Wiederum waren erhebliche Umplanungsmaßnahmen erforderlich, Flächen und Treppen mussten neu miteinander verbunden werden.[24]

Die vorangegangenen Erläuterungen sollen verdeutlichen, welche gravierenden Folgen eine mangelhafte Vorplanung und die daraus folgende exzessive Inanspruchnahme des Änderungsrechts haben.

Durch solch eine Verfahrensweise können weder ursprüngliche Kostenbudgets, noch vereinbarte Terminpläne eingehalten werden. Das Verfehlen der Projektziele ist vorprogrammiert.

3.3 Schlechtes Risiko- und Änderungsmanagement

Um ein Großbauprojekt erfolgreich durchzuführen, ist ein gut geplantes Risiko- und Änderungsmanagement von essentieller Bedeutung. Hierfür ist jedoch eine gründliche Vorplanung des Projekts notwendig. Welche Fehler gemacht wurden, ist bereits im vorhergegangenen Kapitel erläutert worden. Ziel des Risiko- und Änderungsmanagements ist nicht nur der Umgang mit Änderungen, sondern auch eine Vorhersage der Eintrittswahrscheinlichkeiten der Änderungen in Verbindung mit einer kostenmäßigen Bewertung.

Das Projektmanagement muss gewünschte Änderungen sorgfältig hinsichtlich der Technik, des Budgets und des Zeitplans analysieren. Änderungen dürfen erst freigegeben werden, wenn diese auf alle möglichen Einflussfaktoren untersucht wurden. Zusätzlich muss es dem Projektmanagement möglich sein, die Anordnung von Änderungen zu stoppen, sollten sich noch ungeklärte Fragen ergeben, wie zum Beispiel ungeklärte Kostenübernahmen oder Unklarheiten bei technischen Details.[25]

Beim Flughafen Berlin-Brandenburg hat man sich nicht an diese Vorgehensweise gehalten. Hier wurden Änderungen einfach durch den Bauherrn angeordnet, ohne vorher auf Kosten und Termine überprüft zu werden. Aufgrund der Organisationsstruktur des Projekts, konnten sich Planer und Projektmanager nicht gegen dieses Vorgehen wehren.[26] Wegen der vielen Änderungen ergaben sich genehmigungsrechtliche und terminliche Risiken, welche durch einen "Änderungsstopp" bereinigt werden sollten. Das Ergebnis war jedoch überhaupt nicht zufriedenstellend. Die Änderungswünsche häuften sich nun erst recht, nun jedoch meist in der Form von Änderungsanweisungen.[27] Die Bauherrenschaft setzte sich gegenüber den Planern einfach über diesen Änderungsstopp hinweg.[28] Auf diese Art und Weise konnte kein effizientes Risiko- und Änderungsmanagement durchgeführt werden. Ohne dieses jedoch, sind Gesamtkosten und Terminpläne obsolet.

3.4 Vernachlässigung der Schnittstelle Planung / Bau

Ein weiteres Problem bei der Durchführung von Großbauprojekten stellt die mangelnde Koordination der Schnittstelle zwischen der Planung und der Bauausführung dar. In der Baupraxis wird Größtenteils eine baubegleitende Planung angewendet. Dies bedeutet, dass das Gesamtprojekt nicht zuerst zu Ende geplant wird und dann mit der Bauausführung begonnen wird, sondern dass etwas zeitversetzt mit der Ausführung begonnen wird. Dies hat einerseits den Vorteil, dass die Gesamtbauzeit verkürzt werden kann. Die baubegleitende Planung birgt jedoch auch Risiken in sich. Häufig ergeben sich daraus Nachträge, welche auf nicht ausgereiften und nicht aufeinander abgestimmten Planungen beruhen. Mit diesen Nachträgen sind in vielen Fällen Massenverschiebungen und Änderungen verbunden, welche in den meisten Fällen einen Großteil der durch baubegleitende Planung eingesparten Zeit wieder aufbrauchen.[29] Wenn Plankollisionen erst während der Bauausführung identifiziert werden, ist dies mit erheblichen Rückbau- oder Umbaukosten verbunden.

Wissenschaftliche Erhebungen zeigen, dass die mangelnde Koordination ca. 13% aller Störungsursachen im Bereich der technischen Bearbeitung ausmacht.[30] Dies verdeutlicht, welchen erheblichen Anteil dieses Problem in der Gesamtheit einnimmt.

Wegen des erforderlichen Zeitbedarfs der Abstimmung zwischen TGA und Rohbau, muss diese frühzeitig beachtet werden. Dadurch entstehen zahlreiche Schnittstellen, welche genau zu bestimmen sind und über welche Einzelheiten vollständig und frühzeitig weiterzugeben sind. Selten ergeben sich Mängel allein aus der unzureichenden Abwicklung einzelner, in sich geschlossener Planungsabschnitte. Vielmehr ergeben sie sich aus dem Fehlen vorher definierter Schnittstellen. "Falsch verstandene Wirtschaftlichkeit, mangelnde Verbindung, unzureichendes Zusammenwirken und fehlende Zeitvorstellungen sind nur einige der Ursachen."[31]

Treten, wie in Kapitel 3.2 erörtert, weitreichende Änderungen der Anforderungen auf, so kann die baubegleitende Planung sogar in Verzug geraten und in die Entwurfs- und Genehmigungsplanung zurückfallen.[32]

3.5 Aufbau der Organisationsstruktur

Auch der Aufbau der Projektorganisation ist bei der erfolgreichen Durchführung von Großbauprojekten von immenser Bedeutung. Bei der Realisierung von Bauprojekten sind viele verschiedene Tätigkeiten erforderlich. Zunächst muss eine Projektidee entwickelt werden, diese wird dann geplant, Angebote müssen bearbeitet werden, Vertragsverhandlungen geführt, und schließlich muss der Bau ausgeführt werden.

Um diese einzelnen Schritte durchführen zu können, sollte für jedes Bauvorhaben eine eigenständige Projektorganisation entwickelt werden. Diese setzt sich aus einer Aufbau- und einer Ablauforganisation zusammen. In der Aufbauorganisation ist die Organisationsstruktur mit personifizierter Verantwortung geregelt. In der Ablauforganisation wird der technisch und wirtschaftlich optimale Projektablauf organisiert. Die Gesamtaufgabe wird in Teilaufgaben zerlegt und deren zeitliche Abfolge sowie die entsprechenden Zuständigkeiten werden definiert.[33]

Mit der Erstellung der Projektorganisation werden die Weichen für den Erfolg oder Misserfolg eines Großbauprojekts gestellt. Werden hier Fehler gemacht, sind diese während der Ausführungsphase nur noch schwer zu beheben. Bei Großbauprojekten, welche ihre Projektziele verfehlen, lassen sich jedoch immer wieder große Schwächen in der Projektorganisation feststellen.

Wiederum kann der Bau des Hauptstadtflughafens BER als Beispiel dienen. Hier fehlte in der Projektorganisation eine klare und konstruktive Rollenverteilung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Bereich. Durch den öffentlichen Bereich wurden Funktionen übernommen, welche üblicherweise dem privaten Management hätten zukommen müssen. Durch den Aufsichtsrat sollte das Management überwacht werden. Da sich dieser jedoch nahezu vollständig aus fachfremden Vertretern der Politik zusammensetzt, stellte sich rasch eine Überforderung ein.[34] Die eigens zur Durchführung gegründete Projektgesellschaft war von der öffentlichen Hand gegründet worden und stark politisch gebunden. Dies führt unweigerlich zu Interessenskonflikten innerhalb der Projektgesellschaft.

Nachfolgend soll die Beteiligungsstruktur der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH schematisch dargestellt werden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Darstellung 5: Die Beteiligungsstruktur der FBB GmbH

(Quelle: Eigene Darstellung nach, FBB GmbH, Beteiligungsstruktur, 2014)

Die Darstellung macht deutlich, dass die als Bauherr auftretende Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, zu 100% in Besitz der öffentlichen Hand ist. Dementsprechend setzt sich auch der Aufsichtsrat der FBB GmbH zusammen. Es wurde versäumt, den Aufsichtsrat zusätzlich mit fachkundigen Personen zu besetzen, welche zur Entscheidungsfindung mindestens informativ konsultiert werden konnten. Des weiteren lässt sich feststellen, dass es sich bei der FBB GmbH sowohl um den Bauherrn, als auch um die Betreibergesellschaft handelt. Diese Doppelfunktion führt häufig zu Interessenskonflikten, welche einen zügigen Projektablauf behindern.

Ein weiterer Fehler in der Projektorganisation bestand darin, dass eine Risikobeteiligung der Bauunternehmer fehlte. Experten halten eine Risikobeteiligung der privaten Wirtschaft für entscheidend. In Berlin jedoch ist kein Auftragnehmer mit eigenem wirtschaftlichem Risiko belastet worden. Die einzelnen Fachlose wurden an verschiedene Auftraggeber verteilt. Diese waren bemüht, ihre ihnen aufgetragenen Leistungen auszuführen und ihre Verträge zu erfüllen. Sie hafteten jedoch nicht für den gesamten Projekterfolg, also die Abstimmung Ihrer Leistung mit den Komponenten der Anderen beteiligten Unternehmen.[35] Für eine fachfremde Projektorganisation stellt dies einen nicht steuerbaren Koordinierungsaufwand dar.

3.6 Mangelhafte Bürgerbeteiligung

Werden Großbauprojekte der öffentlichen Hand durchgeführt, so stehen diese immer im Fokus der Bevölkerung. Die Öffentlichkeit möchte genau informiert werden, wie ihre Steuergelder investiert werden. Doch auch andere Ursachen spielen bei vielen Protesten eine Rolle. Den Ausgangspunkt bilden meist Einwände gegen einzelne Teilaspekte eines Projekts. Folgende Beispiele können hierfür benannt werden:[36]

- Große Eingriffe in die Natur werden als nicht vertretbar angesehen.
- Die Kosten eines Projekts werden als zu hoch angesehen.
- Der Grundsätzliche Sinn und Nutzen eines Projekts wird angezweifelt.
- Einschränkungen in der eigenen Lebensqualität werden befürchtet.
- Es herrscht eine grundsätzliche Skepsis gegenüber "der Politik" oder "der Wirtschaft".

Summieren sich die oben erwähnten Befürchtungen, so bilden sich schnell Bürgerinitiativen. Folgen daraus können Versammlungen und Demonstrationen sein, welche den Bauablauf erheblich stören und so zu Kostensteigerungen und Terminabweichungen führen.

Die Bedenken der Bevölkerung können nur durch umfassende Information der Bürger, fortwährende Kommunikation und transparente Entscheidungsprozesse gemildert oder sogar bereinigt werden. Am Beispiel des Infrastrukturprojekts Stuttgart 21 lässt sich verdeutlichen, dass die Kommunikation von Großprojekten in Deutschland teilweise stark vernachlässigt wird.

Die Ablehnung von Stuttgart 21 und die daraus resultierenden Proteste, wurden nicht zuletzt durch das Verhalten der Projektträger begünstigt:[37]

- Die Bauherrenschaft, bestehend aus der Deutschen Bahn, dem Land Baden-Württemberg und der Stadt Stuttgart, traten zu Beginn des Projekts nicht als ein Team auf. Die Menschen wussten nicht, mit welchen Personen sie dieses Großprojekt verbinden sollten. Für Großprojekte sind Personen gefragt, welche in der Lage sind, komplexe, projektspezifische Sachverhalte auf allgemein verständliche Art und Weise zu vermitteln. Des weiteren müssen diese Personen über eine hohe Glaubwürdigkeit verfügen und in der Lage sein, mit Massenmedien sicher umzugehen.
- Die Kommunikation von Projektinformationen an die Öffentlichkeit verlief sehr schlecht. Die Stuttgarter wurden nicht proaktiv über das Projekt informiert, sie erhielten erst auf Drängen und nach beharrlichem Nachfragen Informationen über das Projekt oder Entscheidungsprozesse. Daraus resultierte, dass die Bürger das Gefühl hatten, einer Gruppe von "übermächtigen" Projektträgern gegenüberzustehen. Antworten auf ihre Fragen erhielt man nur mit deren Wohlwollen. Zusätzlich wurde Respekt und Wertschätzung gegenüber Fragen und Einwänden, Vorschlägen und Sorgen vermisst.
- Im Mittelpunkt der Kommunikation der Projektträger standen technische Aspekte des Projekts, wie zum Beispiel welche Menge an Erdmassen bewegt wird, oder welche speziellen Techniken beim Tunnelbau zum Einsatz kommen. Diese technischen Aspekte sind selbstverständlich wichtig. Jedoch sollte im Zentrum der Kommunikation der gesellschaftliche Nutzen des Gesamtprojekts stehen. Nur so können sich Bürger mit Großprojekten identifizieren und diese befürworten.
- Die Verantwortlichen bei Stuttgart 21 haben die geplante Lösung als alternativlos dargestellt. Dies vermittelte bei den Bürgern abermals das Gefühl, beim Projekt sowieso nicht angehört zu werden, was in der Regel wieder nur in einer Ablehnungshaltung endet. Gegensätzlich zum Ablauf in Stuttgart, muss man Alternativen diskutieren, oder zumindest die Frage beantworten, wieso bestimmte Alternativen ausgeschlossen wurden und nicht zum Zug kamen. Dazu sind zahlreiche Gespräche nötig, welche jedoch die Akzeptanz durch die Bevölkerung in einem hohen Maße positiv beeinflussen können.

Zweifelsohne ist das Projekt Stuttgart 21 politisch legitimiert worden. Sämtliche, damit befassten Parlamente (insb. Gemeinderat, Regionalversammlung, Landtag) haben im Rahmen zahlreicher Sitzungen eindeutige Entscheidungen für das Projekt getroffen. Auch die Gerichte haben sich im Rahmen von Planfeststellungsverfahren eindeutig positiv für das Projekt ausgesprochen. Jedoch ist diese politische Legitimation nicht ausreichend. Zusätzlich zu dieser, muss das Projekt auch durch Kommunikation vom Bürger legitimiert werden. Findet diese Legitimation durch Kommunikation nicht statt, fühlen sich Bürger abermals fremdbestimmt und nicht beachtet.[38]

[...]


[1] Vgl. Projektmagazin , Glossar,„Großprojekt“

[2] Genauer: §§631 ff. BGB

[3] Werner/Pastor, VOB, 2013, S.X

[4] Vgl. Werner/Pastor, VOB, 2013, S.X

[5] Vgl. Werner/Pastor, VOB, 2013, S.XI

[6] Vgl. EU-Verordnung Nr. 1251/2011, Artikel 1, Nr. 1b.

[7] Vgl. Contag/Zanner, Vergaberecht, 2014, S.1

[8] Vgl. Contag/Zanner, Vergaberecht, 2014, S.1

[9] VOB, § 5EG Abs. 1 VOB/A, 2013

[10] Vgl. VOB, § 5EG Abs. 2 VOB/A, 2013

[11] Vgl. IWTIG GmbH, Sinn und Zweck von GU, o.J.

[12] Vgl. Müller-Wrede, Grundsätze der Losvergabe, 2004, S.643ff

[13] Vgl. VOB, §7EG Abs.1 Nr.1 VOB/A, 2013

[14] Vgl. VOB, §7EG Abs.1 Nr.2 VOB/A, 2013

[15] Vgl. Beyer/Knöfel, Versaute Verhältnisse, 2013

[16] Vgl. Beyer/Knöfel, Versaute Verhältnisse, 2013

[17] Vgl. Steeger, Vorzeigeprojekte, 2013, S.6

[18] Vgl. Steeger, Vorzeigeprojekte, 2013, S.8

[19] Vgl. VOB, §1 Abs. 3 VOB/B, 2013

[20] Vgl. Beyer/Knöfel, Versaute Verhältnisse, 2013

[21] Von Gerkan, Black Box BER, 2013, S. 24

[22] Vgl. Steeger, Vorzeigeprojekte, 2013, S.4

[23] Steeger, Vorzeigeprojekte, 2013, S.4

[24] Vgl. Steeger, Vorzeigeprojekte, 2013, S.4

[25] Vgl. Steeger, Vorzeigeprojekte, 2013, S.6

[26] Vgl. Steeger, Vorzeigeprojekte, 2013, S.6

[27] Vgl. von Gerkan, Black Box BER, 2013, S.72

[28] Vgl. Steeger, Vorzeigeprojekte, 2013, S.6

[29] Vgl. TGA Recht., Baubegleitende Planung, 2012

[30] Vgl. Matijevic, Gestörte Bauabläufe, 2008, S.82

[31] Brux, Integrierte Planung, 2008, S.26

[32] Vgl. Von Gerkan, Black Box BER, 2013, S.72

[33] Vgl. Zimmermann, Ursache und Wirkung bei Bauablaufstörungen, 2010, S.21

[34] Vgl. Steeger, Fachgerechter Netzplan, 2012, S.8

[35] Vgl. Steeger, Fachgerechter Netzplan, 2012, S.9

[36] Brettschneider, Protest und Akzeptanz, 2011, S.27

[37] Vgl. Brettschneider, Protest und Akzeptanz, 2011, S.29

[38] Vgl. Brettschneider, Protest und Akzeptanz, 2011, S.30

Ende der Leseprobe aus 70 Seiten

Details

Titel
Entgleitende Großbauprojekte in Deutschland. Ursachen und Lösungsansätze
Autor
Jahr
2014
Seiten
70
Katalognummer
V279634
ISBN (eBook)
9783656725534
ISBN (Buch)
9783656725558
Dateigröße
740 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
entgleitende, großbauprojekte, deutschland, ursachen, lösungsansätze
Arbeit zitieren
Michael Oberdorfer (Autor:in), 2014, Entgleitende Großbauprojekte in Deutschland. Ursachen und Lösungsansätze, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/279634

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