Existiert Armut in der Wohlstandsgesellschaft der BRD? Paradox aber wahr. Obwohl unsere Gesellschaft über enormen Reichtum verfügt, geraten immer mehr Menschen in existenzielle Not. Genaue Statistiken über Art und Ausmaß der Armut existieren leider nicht, was daran liegt, dass es keine allgemeingültige Definition von Armut gibt. Somit ist der Begriff der Armut kein statistisch feststehender Begriff, sondern hauptsächlich eine Frage moral-politischer Entscheidungen. Grundsätzlich dient die Sozialhilfe als quasi offizielle politische Armutsgrenze und da ihre In-Anspruchnahme seit Jahren kontinuierlich steigt, werde ich meinen Schwerpunkt größtenteils auf die Sozialhilfe richten. Da die Sozialhilfe als bekämpfte Armut gilt, werde ich versuchen, die These “Armut trotz Sozialhilfe” zu belegen. Ebenfalls werde ich auf die verschiedenen Definitionsansätze und deren Einfluss auf das Ausmaß der Armutszahlen eingehen. Denn je nach dem wo man die Armutsgrenze fest macht, kann man die Anzahl der Armen beliebig verändern. Und da das Ausmaß der registrierten Armen häufig auch als Erfolgsindikator des politischen Handelns gesehen wird, spielt die Definition von Armut eine größere Rolle als man zunächst denkt.
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
1.2. Relative und absolute Armut
2. Definitionen von Armut
2.1. Lebenslagenansatz
2.2. Ressourcenansatz
2.3. Einkommensarmut
3. Die Sozialhilfe
3.1. Mehrbedarfszuschläge
3.2. Einmalige Leistungen
4. Leistungsprinzipien
4.1. Anspruchsberechtigung
5. Armut = Sozialhilfe
5.1. Probleme u. Kritik an der Sozialhilfe
5.2. Exkurs
6. Perspektiven der Sozialhilfe
7. Fazit
1. Einleitung
Armut trotz Wohlstand?
Existiert Armut in der Wohlstandsgesellschaft der BRD? Paradox aber wahr. Obwohl unsere Gesellschaft über enormen Reichtum verfügt, geraten immer mehr Menschen in existenzielle Not. Genaue Statistiken über Art und Ausmaß der Armut existieren leider nicht, was daran liegt, dass es keine allgemeingültige Definition von Armut gibt. Somit ist der Begriff der Armut kein statistisch feststehender Begriff, sondern hauptsächlich eine Frage moral-politischer Entscheidungen. Grundsätzlich dient die Sozialhilfe als quasi offizielle politische Armutsgrenze und da ihre In-Anspruchnahme seit Jahren kontinuierlich steigt, werde ich meinen Schwerpunkt größtenteils auf die Sozialhilfe richten. Da die Sozialhilfe als bekämpfte Armut gilt, werde ich versuchen, die These “Armut trotz Sozialhilfe” zu belegen. Ebenfalls werde ich auf die verschiedenen Definitionsansätze und deren Einfluss auf das Ausmaß der Armutszahlen eingehen. Denn je nach dem wo man die Armutsgrenze fest macht, kann man die Anzahl der Armen beliebig verändern. Und da das Ausmaß der registrierten Armen häufig auch als Erfolgsindikator des politischen Handelns gesehen wird, spielt die Definition von Armut eine größere Rolle als man zunächst denkt.
1.2. Relative und absolute Armut
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen absoluter und relativer Armut. Spricht man von absoluter Armut, so ist damit der Mangel an existenziellen Mitteln wie Nahrung, Wohnung, Kleidung gemeint. Diese Form der Armut ist in der BRD nur selten vertreten, hauptsächlich sind diverse Randgruppen (wie z.B. Obdachlose, Alkohol- und Drogenabhängige) von ihr betroffen.1 Die relative Armut ist abhängig vom momentanen Lebensstandard einer Gesellschaft. Momentan gilt man in Deutschland als relativ arm, wenn man unter das sozial-kulturellen Existenzminimum fällt. Das Existenzminimum ist entweder das physische Existenzminimum oder das gesellschaftlich festgelegte Minimum für eine “menschenwürdige“ Existenz.
2. Definitionen von Armut
2.1. Definition nach dem Lebenslagenansatz
Bei dieser Definition von Armut betrachtet man weniger stark die Höhe von Einkommen und Vermögen, sondern vielmehr wofür dieses tatsächlich verwendet wird. Es wird danach gefragt,
...”ob bei der Versorgung der Menschen mit Nahrung, Bekleidung, Wohnraum, Wohnungseinrichtung, Leistung des Gesundheits- und Sozialwesens Mindeststandards erreicht werden.”2
Ebenfalls berücksichtigt der Lebenslagenansatz ob die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben (Bildung, Freizeitgestaltung, soziale Beziehungen, Informationen) ausreichend möglich ist. Armut wird als Ausdruck der Lebenslage angesehen. Dimensionen der Lebenswelt werden berücksichtigt. Bei dieser Definition wird danach gefragt, was in Bezug zur Armut steht. Ist eine Person arm an Bildung? Lebt sie in ärmlichen Wohnverhältnissen? Was besitzt sie? Wie geht es ihr gesundheitlich? Will man die Lebenslage einer Person herausfinden, sind all diese Fragen notwendig. Allerdings misst man Armut in den wenigsten Fällen nach dem Lebenslagenansatz, da dieser Maßstab äußerst schwierig empirisch umsetzbar ist. Weitere Probleme entstehen bei der Festlegung der Grenzen. Wer bestimmt ab wann eine Person als bildungsarm gilt? Fragwürdig ist auch, wie gewichtig die einzelnen Grenzen sind. Ist beispielsweise Bildungsarmut schlimmer als Wohnungsarmut? Und wer legt fest, in wie vielen Lebenslagen eine Person als arm gelten muss, um endgültig und auch statistisch als arm zu gelten? Anhand all dieser Fragen wird bereits deutlich, dass es unmöglich ist, das Ausmaß an Armut in der BRD anhand der Lebenslagenarmut zu messen. Dieses Messmodell eignet sich eher, um qualitative Erhebungen durchzuführen, um so anhand von Einzellfalldarstellungen die Notlage Armut betroffener Personen bzw. Familien zu verdeutlichen.
2.2. Definition nach dem Ressourcenansatz
Bei dem Versuch, das Ausmaß und die Entwicklung der Armut zu quantifizieren, wird meistens mit dem Ressourcenansatz gearbeitet. Nach dem Ressourcenansatz sind diejenigen Personen arm, dessen Einkommen und Vermögen nicht ausreichen, um das sozial-kulturelle Existenzminimum abzudecken. Doch wie viel Geld braucht der Mensch, um am oder über dem sozial-kulturell Existenzminimum zu leben? Und was ist, wenn Einkommen und Vermögen unwirtschaftlich eingesetzt werden? Beispielsweise kann der Haushaltsvorstand das Einkommen lediglich für seine Zwecke und Hobbys verwenden, was wiederum dazu führen könnte, dass andere Familienmitglieder dennoch am oder unter dem Existenzminimum leben müssen.
2.3. Definition von Einkommensarmut
Nimmt man das Einkommen als Maßstab für Armut, so gelten diejenigen Personen oder Haushalte als arm, welche über weniger als 50 % des Durchschnittseinkommen verfügen. In der Forschung wird in der Regel das Haushaltsnettoäquivalenzeinkommens zur Berechnung des Durchschnitteinkommens herangezogen. Dieses Äquivalenzeinkommen ist lediglich ein fiktives Einkommen. Es wird nur festgelegt, damit man Haushalte leichter miteinander vergleichen kann. Es setzt sich aus verschiedenen sogenannten Bedarfsgewichten zusammen. Die meisten Armutsberichte basieren auf der Definition der Einkommensarmut, da diese am leichtesten zu erforschen ist. Allerdings ist diese Form der Definition erheblicher Kritik ausgesetzt, da die an der Einkommensverteilung gemessene Armut immun gegenüber Schwankungen des Einkommensniveaus ist.
“So verringert sich bei einem insgesamt steigenden Einkommen und Lebensstandard die Armutsquote nur dann, wenn die Bezieher niedriger Pro-Kopf-Einkommen überproportional zulegen”.3
Des Weiteren ist problematisch, dass diese Form der Armutsmessung lediglich ein Ressource - das Einkommen, berücksichtigt. Andere Einnahmequellen oder vorhandener Besitz bleiben unberücksichtigt. Kritisch betrachtet werden sollte auch die Tatsache, dass wenn man Armut nach diesem Maßstab misst, dem Unterschreiten der 50 % Schwelle, die Sozialhilfe nur noch in manchen Fällen ihren Zweck, vor Armut zu schützen, erfüllt.
3. Die Sozialhilfe
Die Sozialhilfe wird hauptsächlich durch die Einkommenssteuer finanziert und deckt einen großen Teil im System der sozialen Sicherung ab. Ungefähr 60 % aller Sozialleistungen werden über das System der Sozialversicherung abgedeckt. Für die Versorgung der übrigen 40 % der Bevölkerung kommt hauptsächlich die Sozialhilfe auf. Die Sozialhilfe soll Menschen, die sich in einer Notsituation befinden, vor Armut schützen und ihnen ein menschenwürdiges Dasein einschließlich einer angemessenen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gewährleisten. Für die Geldleistungen gibt es keinen allgemein festgelegten Betrag, sondern sogenannte “Regelsätze”. Diese Sätze werden jährlich von den zuständigen Behörden neu festgelegt. Die Höhe des Satzes ist abhängig von der Größe und von der Struktur eines Haushaltes. Ein alleinstehender Haushaltsvorstand (wohnhaft in NRW) bekommt beispielsweise einen Eckregelsatz von 293 Euro.4 Würde in diesem Haushalt noch eine weitere Person (ab 19 Jahre) wohnen, bekäme diese nur noch einen Regelsatz in Höhe von 243 Euro. Dies resultiert daraus, dass man davon ausgeht, dass durch gemeinsames Wirtschaften gespart wird, da diverse Kosten wie z.B. Heizkosten nur einmalig anfallen. Zusätzlich zu den Regelsätzen zahlt das Sozialamt die angemessenen Unterkunfts- und Heizkosten.
3.1. Mehrbedarfszuschläge
Für spezielle Gruppen von Sozialhilfeempfängern, welche auf Grund ihrer besonderen Lebensumstände mehr Hilfe als Andere benötigen, gibt es zuzüglich des Regelsatzes die Mehrbedarfszuschläge.
Die Mehrbedarfszuschläge können beantragen5:
- werdende Mütter ab der 13. Schwangerschaftswoche.
- Alleinerziehende mit einem Kind unter 7 Jahre oder mit mehreren Kindern unter 16 Jahren oder ab 4 Kindern.
- Personen ab 65 Jahren, oder unter 65 Jahren, wenn sie als voll erwerbsgemindert im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung sind und einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen G haben.
- behinderte Menschen ab 15 Jahre, denen Eingliederungshilfe gewährt wird.
[...]
1 vergl.: Wolski-Prenger, Friedhelm: „Niemandem wird es schlechter gehen...!“, Armut, Arbeitslosigkeit und Erwerbslosenbewegung in Deutschland. Köln: Bund Verlag 1993, S.40.
2 Bäcker, Gerhard/Bispinck, Reinhard/Hofemann, Klaus/Naegele, Gerhard (2000), Sozialpolitik und soziale Lage in Deutschland, Wiesbaden , Bd.1, S.232.
3 Bäcker, Gerhard (2002), Armut trotz Sozialhilfe? Zum Verhältnis von Einkommensarmut und Hilfe zum Lebensunterhalt, in: Sell, Stefan (Hg), Armut als Herausforderung. Bestandaufnahme und Perspektiven der Armutsforschung und Armutsberichterstattung, Berlin, S. 287.
4 Quelle: Informationsbroschüre des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung; 2. Auflage Dez. 2002, Bonn. S.84
5 ebd. S.16
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